Kritische Betrachtung der Worte Jesu

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Magdalena61
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Magdalena61 »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 19:10 1. Die Goldene Regel.
Matthäus 7,20
Sie ignoriert die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Menschen. Einem Reichen ist die Unterstützung Armer sicher zumutbar, während ein Armer nicht die gleiche Art Unterstützung an den Reichen geben könnte und wohl weder bräuchte, noch sollte.
Der Reiche braucht nicht die materielle Hilfe des Armen. Aber da könnte doch jemand sein, der noch ärmer ist, und wenn der Arme dem Hungernden sein Brot bricht, hat er die goldene Regel erfüllt.
2. Das Gleichnis vom Untreuen Verwalter
Lukas 16,10 Wer im Geringsten treu ist, ist auch in vielem treu, und wer im Geringsten ungerecht ist, ist auch in vielem ungerecht.
Für sich gesehen, also aus dem Kontext herausgenommen, würde ich der Aussage dieses Verses zustimmen.
Wer im Kleinen gewissenhaft arbeitet, der wird auch größere Aufgaben mit derselben Gewissenhaftigkeit erledigen. So verstehe ich die Worte Jesu.

Aber insgesamt ist das ein Hammer, wenn man die Verse 1-9 dazu nimmt.
Der Herr lobt den ungerechten Verwalter (Vers 8). Welcher Herr ist gemeint? Der reiche Mann? Oder etwa Jesus? Das Lob für Unterschlagung und die Veruntreuung der Güter eines Arbeitgebers soll ja wohl keine Handlungsanweisung für Jünger darstellen.
Vers 9 ist auch rätselhaft.
Wahrscheinlich denke ich über das von Jesus gemeinte hinaus, aber wenn sich seine Worte nicht alltagstauglich und zeitgemäß anwenden lassen, oder zumindest Fragen aufwerfen, muss eine kritische Betrachtung erlaubt sein.
Ich glaube nicht, dass Gott etwas dagegen hat, wenn Gläubige versuchen, sein Wort besser zu verstehen. :)
LG
God bless you all for what you all have done for me.
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Helmuth
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Helmuth »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 19:10 Sie ignoriert die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Menschen. Einem Reichen ist die Unterstützung Armer sicher zumutbar, während ein Armer nicht die gleiche Art Unterstützung an den Reichen geben könnte und wohl weder bräuchte, noch sollte. Wenn der Arme das könnte, bräuchte er die Unterstützung des Reichen ja gar nicht
Was genau ignoriert Jesus hier? Ein Armer kann ja nicht so handeln wie ein Reicher, also fordert Jesus das von ihm gar nicht nach der goldenen Regel. Ein Reicher hingegen kann einen Ausgleich schaffen, also wird es ihm nach Maß seiner Kräfte abverlangt. Versagt hier die Denklogik?
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 19:10 Wahrscheinlich denke ich über das von Jesus gemeinte hinaus, aber wenn sich seine Worte nicht alltagstauglich und zeitgemäß anwenden lassen, oder zumindest Fragen aufwerfen, muss eine kritische Betrachtung erlaubt sein.
Das Denken geht m.E. nicht über das von Jesus Gesagte hinaus, sondern erfolgt möglicherweise nicht in seinem Sinne. Vielleicht muss deine Haltung zu Geld und Besitz überdacht werden. Biblelkritik wäre das auch nicht, könnte es nicht eher so sein, dass Kritik an deinem Denken über Geld und Besitz angebracht wäre?

Aus einem anderen Wort Jesu zum Überdenken:
Lukas 12:48 hat geschrieben: ... Denn wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man desto mehr fordern.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
Hiob
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Hiob »

Michael hat geschrieben: Mo 29. Mär 2021, 04:32 Wahrscheinlich denke ich über das von Jesus gemeinte hinaus, aber wenn sich seine Worte nicht alltagstauglich und zeitgemäß anwenden lassen, oder zumindest Fragen aufwerfen, muss eine kritische Betrachtung erlaubt sein.
Vielleicht liegt es ja auch an dem Unterschied zwischen "fundamental" und "pastoral", also zwischen "Soll" und "Ist". - Die Sündigkeit der Welt ist ja genau definiert durch die Differenz zwischen Soll und Ist.

Mit anderen Worten: Jesus sagt etwas, was richtig und wahr ist, welches aber im Irdischen nicht komplett umsetzbar ist. Dementsprechend wird christlich ja erwartet, dass man diese Differenz aushält: Leid = Differenz zwischen Soll und Ist.
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ProfDrVonUndZu
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Ziska hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 19:41 Möchtest du, dass dir jemand in einem Notfall zur Seite steht? Natürlich möchtest du das!
Dann handle auch so und stehe einem, den du in Not siehst zur Seite.
Ab solchen Beispielen wird es schwierig. Wenn ich mich gerade in einer Notsituation befinde, dann ist meine Möglichkeit zur Hilfe anderer eingeschränkt. Ich müsste mich erst als befreit von dieser Not vorstellen, um Hilfe gewährleisten zu können und wollen. Es kann doch aber nicht sein, dass die Goldene Regel sich nur auf die Gesinnung bezieht, also auf die bloße Bereitschaft in einer "was wäre wenn Situation". Klar, wenn ich allmächtig wäre, würde ich so manches tun wollen, was anderen hilft. Hätte ich mehr Vermögen, so würde ich auch mehr helfen. Nur wann ist diese Grenze zwischen zu wenig und genug ?
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Ziska hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 20:44 Oh doch. Eine etwas weiter weg wohnende Nachbarin konnte mich nicht ausstehen.
Ich habe ihr nichts getan.
Wir haben noch nicht mal miteinander gesprochen.
Sie wußte, dass ich eine ZJ bin. Ob das der Grund war? Ich weiß es nicht...

Ich spürte ihre totale Abneigung...
Jedes Mal, wenn sie an mir vorbei ging, schaute sie direkt weg zur anderen Seite.
Erst war ich enttäuscht, dann ärgerlich.
Aber dann habe ich die „goldene Regel“ befolgt.
Ich habe sie jedes Mal freundlich gegrüßt. Auch wenn sie sich abwandte.
Das habe ich bestimmt 15 Jahre gemacht. Und jetzt grüßt sie mich.

Ich bin natürlich nicht abhängig davon, ob mich jemand grüßt oder nicht. Aber ich möchte mit allen Menschen in Frieden leben.
Die Goldene Regel garantiert ja nicht mal, dass wir etwas für unser richtiges Tun zurück bekommen. Sie suggeriert ja nicht mal ein reziprokes Tauschgeschäft, obwohl es von manchen vielleicht trotzdem so verstanden wird. Es ergibt sich aus dem richtigen Tun keinerlei Anspruch auf entsprechende Behandlung durch andere. Jedenfalls widerspräche das auch vielfach der Praxis. Gerade harmlose Menschen können Opfer von Mobbing werden, eben weil hier keine Gegenwehr befürchtet wird. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kann auch Ressentiments bei Beobachtern erzeugen.
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Ziska »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mo 29. Mär 2021, 11:25
Ziska hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 19:41 Möchtest du, dass dir jemand in einem Notfall zur Seite steht? Natürlich möchtest du das!
Dann handle auch so und stehe einem, den du in Not siehst zur Seite.
Ab solchen Beispielen wird es schwierig. Wenn ich mich gerade in einer Notsituation befinde, dann ist meine Möglichkeit zur Hilfe anderer eingeschränkt. Ich müsste mich erst als befreit von dieser Not vorstellen, um Hilfe gewährleisten zu können und wollen. Es kann doch aber nicht sein, dass die Goldene Regel sich nur auf die Gesinnung bezieht, also auf die bloße Bereitschaft in einer "was wäre wenn Situation". Klar, wenn ich allmächtig wäre, würde ich so manches tun wollen, was anderen hilft. Hätte ich mehr Vermögen, so würde ich auch mehr helfen. Nur wann ist diese Grenze zwischen zu wenig und genug ?
Wie wäre es, wenn du erst einmal in deiner näheren Umgebung bleibst? :wave:
LG Ziska
Aus Jesu Loskaufsopfer Nutzen ziehen -
Welche zwei Schritte sind dazu notwendig?


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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Paul hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 20:58 das eine ist der kategorische imperativ, kant hat ihm nur ein zeitgemäßes philosophisches fundament gegeben, jesus wusste das sagen wir mal so, aus dem herzen...uf, meine frau ruft, kann jetzt nicht mehr...so hat ein jeder sein kreuz zu tragen
Vom Kategorischen Imperativ halte ich eher wenig bis gar nichts. Aus jedem Handeln ein Gesetz zu machen ist gelinde gesagt Spinnerei. Mit Einschränkungen kann er richtig sein, aber nicht derart allgemein. Von daher finde ich den Vergleich mit Jesu Goldener Regel auch eher unangebracht. Es gibt nur eine gewisse Ähnlichkeit in der Dialektik.
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Michael hat geschrieben: Mo 29. Mär 2021, 04:32 Was genau ignoriert Jesus hier? Ein Armer kann ja nicht so handeln wie ein Reicher, also fordert Jesus das von ihm gar nicht nach der goldenen Regel. Ein Reicher hingegen kann einen Ausgleich schaffen, also wird es ihm nach Maß seiner Kräfte abverlangt. Versagt hier die Denklogik?
Was kann der Arme dem Reichen bieten ? Ich wende hier eine direkt reziproke Logik an. Die mag vielleicht falsch sein, aber aus seinen Worten geht auch nicht unmissverständlich was Anderes hervor. Anders gesagt : Ich muss mich nicht an dem selben Reichen abarbeiten, dessen Hilfe ich begehre. Die kommt dann vielleicht anderswo her. Aber das Krasse ist ja, dass wenn ich mich stetig für andere einsetze, weil auch ich das erwarte, daraus kein Anspruch gegenüber anderen besteht. Viel mehr ist es so, dass die aufs Diesseits bezogene Selbstlosigkeit bezogen auf den Zutritt zum Himmel nicht so selbstlos ist, sondern dessen Eintrittskarte.
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Ziska hat geschrieben: Mo 29. Mär 2021, 11:38 Wie wäre es, wenn du erst einmal in deiner näheren Umgebung bleibst? :wave:
Was willst du damit sagen ? Ich benutze Beispiele, so wie alle anderen hier auch. Fiktive Situationen haben nur bedingt mit der näheren Umgebung zu tun.
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Isai hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 22:24 Beispiel: Wenn ich nicht "im Kleinen" anfange (mein Haus in Ordnung bringe, Kindererziehung, Umgang mit Ehepartner) - im Grunde ist das nichts kleines -, wie will der Herr einem dann die Verwaltung der größeren geistlichen Güter anvertrauen?
Wer mit den Sorgen im Kleinen schon ausgelastet ist, hat keine Kapazitäten mehr für das Große. Nur weil wer seine Familie managen kann, ist er deswegen noch nicht tauglich für Größeres. Vielleicht von der Gesinnung her, aber man müsste sich, nachdem der Beweis der Tauglichkeit erbracht ist, seine Familie erst weg wünschen, um ihn für weitere Aufgaben zu befreien. Sonst wäre er ja doppelt und dreifach belastet. Nicht umsonst befürwortet Paulus das Zölibat.
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