Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Themen des Neuen Testaments
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Helmuth
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Helmuth »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Di 30. Mär 2021, 16:10 Die Böcke und Schafe müssen sich in einer privilegierteren Position befinden, als die Brüder Jesu, sonst könnte von ihnen Entsprechendes gar nicht abverlangt werden.
Die Brüder Jesu stehen in Mt. 25 31 ff gar nicht vor dem Gericht. Oder ist dir das noch nicht aufgefallen? Diese sind bei diesem visionären Bild schon bei Jesus. Daher ist das ein anderes Puzzleteil.

Ok, ich komme damit nicht durch, dann sollten wir andere Aspekte beleuchten. D.h. in meinem Vergleich nicht um dieses eine Puzzleteil weiter streiten, sondern andere suchen, die auch passen.
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ProfDrVonUndZu
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Michael hat geschrieben: Di 30. Mär 2021, 17:06 Die Brüder Jesu stehen in Mt. 25 31 ff gar nicht vor dem Gericht. Oder ist dir das noch nicht aufgefallen? Diese sind bei diesem visionären Bild schon bei Jesus. Daher ist das ein anderes Puzzleteil.
Natürlich ist mir das aufgefallen. Diese Brüder Jesu sind doch aber auch echte Menschen, und nicht nur irgendwelche Virtualitäten die rein als Messobjekte für die beiden anderen Gruppe herhalten müssen.
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Magdalena61
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Magdalena61 »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mo 29. Mär 2021, 12:38 Aber wenn Jesus sagt, dass an seiner Goldenen Regel das ganze Gesetz und die Propheten hinge, ist das schon ein großes Wort und dann muss es auch für sich selbst stehen können.
Mir scheint, Jesus meint es gar nicht so kompliziert mit dem: "Alles nun, was immer ihr wollt, daß euch die Menschen tun sollen..."

Was im Gesetz des Mose steht und was die Propheten sagten, kann man ja nachlesen.

Das Gesetz ist eine ausgesprochen pragmatische Angelegenheit und zielt in den "bürgerlichen" Passagen auf größtmögliche Gerechtigkeit im Umgang der Menschen miteinander.

Die Frage, die auch für uns relevant ist, lautet: "Wie viel von den materiellen Gütern, die ich verwalte, steht mir zu; wie viel davon darf ich für mich behalten? Und wie viel sollte ich für das Reich Gottes geben oder für Menschen, die in Not sind?"
Bei Letzteren fragt es sich dann auch noch: Fpr welchen Personenkreis bin ich eventuell mitverantwortlich?


Dabei zählen die Zwangsabgaben, die für die Finanzierung des Sozialsystems erhoben werden, voll mit.
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ProfDrVonUndZu
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Magdalena61 hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 14:56 ]Mir scheint, Jesus meint es gar nicht so kompliziert mit dem: "Alles nun, was immer ihr wollt, daß euch die Menschen tun sollen..."
Vermutlich, das funktioniert aber nur, wenn man bei seiner Ansprache von einem gewissen Standard-Menschen ausgeht. Von einem halbwegs autonomen Subsistenzwirtschafter, für einen solchen auch das Gesetz Mose zugeschnitten ist. Die Armen, Elenden, Kranken und Bedürftigen stellen für es eine Sondergruppe dar, weniger Verantwortungssubjekt. Das ist mir von Anfang an aufgefallen, scheint aber in der historischen und kirchlichen Betrachtung entweder in Vergessenheit geraten zu sein, oder ist einfach nie beachtet worden. Ausnahmen gab es natürlich immer, diese wurden sogar teilweise heilig gesprochen, aber auch in modernen Zeiten mit der Befreiungstheologie entdeckt. Ob die sogenannte "Option für die Armen" auch darunter fällt, da bin ich sehr unsicher, mit der Tendenz zu einem Nein, weil mir da auch die Betroffenen wieder zu sehr Objekt statt Subjekt sind. Nicht zu verwechseln mit Verantworungssubjekt, wie ich zuvor sagte, sondern als Träger von Menschenrechten. In der christlichen Theologie und Politik werden Rechte nie ohne Pflichten gedacht und dabei leider alle Menschen erst mal gleich behandelt, unabhängig von ihrer Lebenssituation und ihrem persönlichen Vermögen.
Magdalena61 hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 14:56 Was im Gesetz des Mose steht und was die Propheten sagten, kann man ja nachlesen.
Dazu muss man aber evtl. einige Brillen ablegen.
Magdalena61 hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 14:56 Das Gesetz ist eine ausgesprochen pragmatische Angelegenheit und zielt in den "bürgerlichen" Passagen auf größtmögliche Gerechtigkeit im Umgang der Menschen miteinander.
Immer unter der Betrachtung, dass Israel nie als "Staat" konzipiert war, sondern beinahe als Demokratie im klassischen Sinne, nur ohne Sklaven, Militär und Polizei. Und natürlich auch ohne demokratische Legislative. Ein Markt oder eine Wirtschaft war auch nicht vorgesehen. Manche würden meinen, aber auch nicht explizit verboten. Da würde ich aber heftig widersprechen.
Magdalena61 hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 14:56 Die Frage, die auch für uns relevant ist, lautet: "Wie viel von den materiellen Gütern, die ich verwalte, steht mir zu; wie viel davon darf ich für mich behalten? Und wie viel sollte ich für das Reich Gottes geben oder für Menschen, die in Not sind?"
Bei Letzteren fragt es sich dann auch noch: Fpr welchen Personenkreis bin ich eventuell mitverantwortlich?
Was ja beinahe kategorisch ausschließt, selber zu den Bedürftigen gehören zu dürfen. Aber gerade in den damaligen Zeiten gab es schon strukturell erzeugte Bedürftige, Stammesnachkommen, die von ihrem Stammesbesitz vertrieben oder ausgeschlossen wurden. Wieso hatte Jesu Vater Joseph keinen Landbesitz in Juda ? Offensichtlich in der Bergpredigt ist doch aber, dass Jesus die Bedürftigen grundsätzlich nicht von seinen Worten ausschließt, sondern gerade ihnen Ermutigung gibt. Vielleicht ist es immer sehr differenziert, wen er gerade anspricht, auch wenn es nicht explizit erwähnt wird.

Magdalena61 hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 14:56 Dabei zählen die Zwangsabgaben, die für die Finanzierung des Sozialsystems erhoben werden, voll mit.
LG
Besonders großzügig war das Gesetz Mose da nicht gerade, wenn aber auch sehr strikt und kompromisslos in der Forderung an die besitzende Klasse. Möglicherweise war die Großzügigkeit aber auch jenseits des Buchstabens verborgen, indem es Fremden und Armen einfach erlaubt war, irgendwo ihr Zelt aufzuschlagen, wo es niemanden störte. Der feste Wohnsitz war unter den damaligen Verhältnissen noch nicht so notwendig für die gesellschaftliche Teilhabe, weil es die Art von Teilhabe, wie man es heute versteht, in der Form gar nicht gab.
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Helmuth
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Helmuth »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 12:29 Natürlich ist mir das aufgefallen. Diese Brüder Jesu sind doch aber auch echte Menschen, und nicht nur irgendwelche Virtualitäten die rein als Messobjekte für die beiden anderen Gruppe herhalten müssen.
Du bist der TE. Wir verlassen hier dein gesetztes Thema. Willst du das noch weiter vertiefen oder sind in dir andere Fragen aufgekommen?
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Ich wollte mein Thema nicht auf die Eingangs beleuchteten Bibelpassagen beschränken. Ich hätte für die Zukunft auch noch weitere Stellen mit eingeplant. Mir ging es um eine kritische Betrachtung, ohne Jesus selbst in Frage zu stellen, sondern unser Vorverständis seiner Worte zu reflektieren, das auch intuitiv geprägt ist. Intuitiv darf aber nicht gleichgesetzt werden damit, wenn Jesus sagt, wir sollen wie die Kinder werden. Auch Intuition basiert auf Sozialisation durch Sprache und Habitus. Die jüdische Intuition wäre demnach eine ganz andere, als die protestantische.
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Magdalena61
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Magdalena61 »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 16:13 Vermutlich, das funktioniert aber nur, wenn man bei seiner Ansprache von einem gewissen Standard-Menschen ausgeht. Von einem halbwegs autonomen Subsistenzwirtschafter, für einen solchen auch das Gesetz Mose zugeschnitten ist. Die Armen, Elenden, Kranken und Bedürftigen stellen für es eine Sondergruppe dar, weniger Verantwortungssubjekt.
Wie begründest du diesen Gedanken?

Das hier ist ja vielleicht mal eine Art von Sozialsystem--
2. Mose 23, 10-11 (LUT): Sechs Jahre sollst du dein Land besäen und seine Früchte einsammeln. Aber im siebenten Jahr sollst du es ruhen und brach liegen lassen, dass die Armen unter deinem Volk davon essen; und was übrig bleibt, mag das Wild auf dem Felde fressen. Ebenso sollst du es halten mit deinem Weinberg und deinen Ölbäumen.
Nicht nur den Zehnten von dem, was da (noch) wächst, sondern den gesamten Ertrag soll der Besitzende den weniger gut Gestellten überlassen.
Das ist wesentlich mehr als abgelaufene Lebensmittel an eine Tafel zu entsorgen.

Ich nehme an, die Armen mussten die Flächen selbst bewirtschaften, beernten. Und sauber hinterlassen.

Oder im Kapitel 22, der "Rechtsschutz für die Schwachen", auch 2. Mose 23,6

Schuldsklaven mussten nach sechs Jahren freigelassen werden.

Auch private Schulden der Nachkommen Abrahams, die sie zurückzahlen mussten, verfielen in einem Erlassjahr. Für Fremdlinge galt das nicht. 5. Mose 15

Das hat doch alles mit Verantwortung zu tun. Den Besitzenden erwuchs aus ihrem Vermögen Verantwortung für die Armen und Schwachen der Gesellschaft.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 16:13Das ist mir von Anfang an aufgefallen, scheint aber in der historischen und kirchlichen Betrachtung entweder in Vergessenheit geraten zu sein, oder ist einfach nie beachtet worden. Ausnahmen gab es natürlich immer, diese wurden sogar teilweise heilig gesprochen, aber auch in modernen Zeiten mit der Befreiungstheologie entdeckt. Ob die sogenannte "Option für die Armen" auch darunter fällt, da bin ich sehr unsicher, mit der Tendenz zu einem Nein, weil mir da auch die Betroffenen wieder zu sehr Objekt statt Subjekt sind. Nicht zu verwechseln mit Verantworungssubjekt, wie ich zuvor sagte, sondern als Träger von Menschenrechten.
Ich fürchte, wenn du das so diffizil aufdröselst, wird es dann doch sehr schwierig.

Wenn ich die Worte Jesu lese, fühle ich mich angesprochen. Und wenn ich etwas dazu sage, spreche ich aus der Sicht eines Jüngers.

Kirche und Politik haben andere Möglichkeiten und tragen von daher auch eine andere Verantwortung.

Die Frage ist aber immer: Was bewirken die Maßnahmen?
Wenn man jegliche Armut vorsorglich lindert und relativiert, erzieht man sich damit eine Menge egoistischer Faulenzer und Schmarotzer.
Diese leben dann auf Kosten der Anständigen. Alleine schon, dass jemand ein Anspruchsdenken entwickelt, ohne die geringste Bereitschaft, eine Gegenleistung zu erbringen, läuft in die falsche Richtung.

Eine gewisse Strenge und Konsequenz gegenüber den Empfängern von Wohltätigkeit sind durchaus angebracht.

Mutter Theresa soll eine strenge Frau gewesen sein. :) Definitiv nicht sentimental.
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Magdalena61 »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mi 31. Mär 2021, 16:13 Immer unter der Betrachtung, dass Israel nie als "Staat" konzipiert war, sondern beinahe als Demokratie im klassischen Sinne, nur ohne Sklaven, Militär und Polizei.
Aber Israel hatte doch Sklaven und Kriegsdienst.
Polizei? Weiß ich nicht.
Irgendwelche Aufpasser werden schon da gewesen sein. Mose musste u.a. Recht sprechen, und weil ihm die Regierungsarbeit zuviel wurde, stellte Gott ihm 70 Älteste zur Seite.
In der Zeit der Römischen Besatzung gab es überall Militär.
Aber gerade in den damaligen Zeiten gab es schon strukturell erzeugte Bedürftige, Stammesnachkommen, die von ihrem Stammesbesitz vertrieben oder ausgeschlossen wurden.
Zum Beispiel die Söhne Abrahams, die er mit Ketura hatte?
Es wird so gewesen sein wie in Deutschland in der Landwirtschaft: Wenn das Land wieder und wieder unter alle Nachkommen aufgeteilt wird, kann schon recht bald keiner mehr vom Ertrag des Gutes leben.

Die Söhne, die das Pech hatten, Nachgeborene zu sein, konnten, wenn sie keinen anderen Beruf erlernten, entweder auf einen anderen Hof einheiraten oder Knecht werden.
Wieso hatte Jesu Vater Joseph keinen Landbesitz in Juda ?
Wahrscheinlich war er kein Erstgeborener. Er war im Baugewerbe tätig. Mt. 13,55
indem es Fremden und Armen einfach erlaubt war, irgendwo ihr Zelt aufzuschlagen, wo es niemanden störte.
Die Bibel stellt nicht Armut an sich in Frage. Die gab es wohl immer. Verurteilt wird jedoch, wenn sich Wohlhabende auf Kosten der Besitzlosen bereichern.

Nichts Neues unter der Sonne. Ohne Lohnsklaven würde auch unsere "soziale Marktwirtschaft" nicht wirklich funktionieren.
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Helmuth »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 2. Apr 2021, 14:29 Ich wollte mein Thema nicht auf die Eingangs beleuchteten Bibelpassagen beschränken. Ich hätte für die Zukunft auch noch weitere Stellen mit eingeplant.
Verstehe.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 2. Apr 2021, 14:29 Mir ging es um eine kritische Betrachtung, ohne Jesus selbst in Frage zu stellen, sondern unser Vorverständis seiner Worte zu reflektieren, das auch intuitiv geprägt ist. Intuitiv darf aber nicht gleichgesetzt werden damit, wenn Jesus sagt, wir sollen wie die Kinder werden.
Wie die Kinder werden ist ein gutes Stichwort. Das mit dem intuitiven Verständnis kann ich nachvollziehen, sehe es aber als Frucht einer Erziehung. Unsere Erziehung prägt unser Denken und Handeln.

Darum gibt Gott uns der HG, um den Sinn neu auszurichen. Einer davon ist wie die Kinder zu werden. Er meint damit sicher nicht kindisch zu werden sondern undschuldig. So würde ich das interpretieren. Unser Wesen ist von Sünde gekennzeichnet, es ist durch sie korrumpiert und in vielen Denkweisen merken wir das gar nicht.

Durch die Erneuerung unseres Geiste begnnen wir unter seiner Fürhung unseren Sinnezu ändern, der sich hinfort nach dem Willen Gottes ausrichtet. Das macht nicht kindisch, sondern führt zurück in den Zustand, die Dinge aus der Perspektive der Unschuld zu betrachten, eben wie ein Kind. Man kann es vergleichen mit Adam und Eva vor dem Sündenfall, deren Denksinn noch nicht durch negative Lebenserfaung getrübt wurde. Das änderte sich nach deren Übertretung.

Es geht m.E. daher um die Reinigung des Herzen und nicht darum nur intellektuell anders zu denken, obwohl das damit auch einhergeht. Rein intellektuell sind wir Kindern haushoch überlegen, nur macht uns das nicht zu besseren Menschen.

Ich sehe aber keine Notwendigkeit Jesu Wort wie z.B. "Werdet wie die Kinder" einer kritischen Betrachtung auszusetzen, und zwar in dem Sinn, dass Jesus etwas gesagt hätte, was die Evangelisten aufgrund ihres Verständnissen gemeint hätten anders zu interpretieren.

Gibt es außer der goldenen Regel noch andere Worte, die du kritisch beleuchten willst? Hier setzt meine Mehrfach-Zeugen-Regel an, welches die Schriftworte anhand eines Textvergleiches gegenüberstellt, so dass er damit besser erfasst wird, wie ein Sachverhalt durch mehrere Zeugnisse auch immer besser bestätigt wird.

Nur wenn es sich um Einzelaussagen bzw. Einzelzeugnisse dreht kann es sein, dass die Schreiber ihre subjektive Interpretation einfließen haben lassen. Z.B. steht im Mt-Ev durchgehend "Reich der Himmel". Diese Wortwahl finden wir bei den anderen nicht, dort heißt es "Reich Gottes". Jesus kann aber in einer Situation bei einer Aussage nicht gleichzeitig zwei Sprechweisen gehabt haben.

Hier übe ich stellenweise Kritik an den Schreibern, aber nicht an Jesu Wort an sich. Sein Wort und sein Sinn lässt sich sehr klar herausfiltern, und der HG hilft uns dabei auch, wie er uns so auch erzieht, besser gesagt umerzieht und neu zu denken lehrt.
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31 Aber Israel hatte doch Sklaven und Kriegsdienst.
Der Kriegsdienst war nur vorübergehend wegen der Landnahme und bis zur endgültigen Durchführung. Ein ständig stehendes Heer war nicht eingeplant. Schon gar nicht als eine eigene Berufs- und Söldnerkaste, die sich vom Bauernvolk durchfüttern lässt.

Und damit wären wir bei den Sklaven. Ja, die gab es dem Begriff nach, aber das kann man nicht mit griechischen oder römischen Verhältnisse vergleichen. Die Sklaven waren keine eigene stigmatisierte Klasse, sondern standen als Fremde unter besonderem Schutz. Nicht nur aus rein utilitaristischem Interesse.

Wenn man so will war das Bauernvolk die Sklaven der Priesterkaste, aber dafür hatten die Priester auch keinen eigenen Landbesitz. Sir brauchten sich nicht selber versorgen, sie konnten und durften es auch nicht. Diese Abhängigkeit war gewollt, denn sie befreite für den Priesterdienst.
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31 Polizei? Weiß ich nicht.
Irgendwelche Aufpasser werden schon da gewesen sein. Mose musste u.a. Recht sprechen, und weil ihm die Regierungsarbeit zuviel wurde, stellte Gott ihm 70 Älteste zur Seite.
Es gab die Blutrache und die Richter. Nicht, dass Blutrache ansich gewollt war. Überhaupt nicht. Aber es wurde damit gerechnet. Um solchen endlosen Konflikten entgegen zu wirken, gab es das Asyl in anderen Städten. Wer sich für geschädigt hielt, konnte Anklage erheben. Der Fall wurde dann untersucht. An die Stelle der Polizei trat gewissermaßen die Versorgungsinstanz des Angeklagten, von der er ja abhängig war. Ohne diese wäre er dem Bluträcher ausgeliefert. Ob man den Zustand des Asyls als Untersuchungshaft bezeichnen könnte oder sollte, da bin ich nicht sicher. Das war sicher stark von der persönlichen Handhabe der Beteiligten abhängig.
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31 In der Zeit der Römischen Besatzung gab es überall Militär.
Römisches Militär bestehend aus Söldnern aller Provinzen. Jahrhunderte zuvor hatten sich die Juden mit den Römern verbündet und auch ihnen militärischen Beistand zugesichert.
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31Zum Beispiel die Söhne Abrahams, die er mit Ketura hatte?
So weit zurück meinte ich nicht. Ich meinte hauptsächlich die Zeit nach dem babylonischen Exil bis zur Zerstörung des Tempels im Jahre 70. Aber auch die Königszeit hatte nicht bessere Verhältnisse, denn die rücksichtslose unsoziale Regierung mit ihren beratenden Lügenpropheten (die damaligen Ökonomen, Wirtschaftsexperten und Virologen) waren mit ein wesentlicher Aspekt für das Gericht über Israel.
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31 Es wird so gewesen sein wie in Deutschland in der Landwirtschaft: Wenn das Land wieder und wieder unter alle Nachkommen aufgeteilt wird, kann schon recht bald keiner mehr vom Ertrag des Gutes leben.
Mit anderen Worten : Man rechtfertigt bestehende Verhältnisse im Angesicht einer malthusianischen Katastrophe. Zum Glück hat Malthus das Dilemma nach 3000 Jahren Thora endlich mal erkannt und beschrieben. Wieso ist Gott nicht darauf gekommen ?
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31 Die Söhne, die das Pech hatten, Nachgeborene zu sein, konnten, wenn sie keinen anderen Beruf erlernten, entweder auf einen anderen Hof einheiraten oder Knecht werden.
Wenn das so stimmt und von Gott so gewollt gewesen wäre, was ich bezeifle, würde das ja auch keine Probleme wirklich lösen.

Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31Wahrscheinlich war er kein Erstgeborener. Er war im Baugewerbe tätig. Mt. 13,55
Auf Jesus ging über Joseph immerhin die Königswürde über. Das spricht dafür, dass er der Erstgeborene war, vielleicht sogar der Einziggeborene.
Aber dass simples Pech jüdische Stammesnachkommen zu Tagelöhnern und Überlebenskämpfern machen soll, widerspricht dem Geist des Volkes Israel als Gemeinschaft. Dass kann man sehr gut nachlesen in Nehemia 5 und Jeremia 34,8 ff.
Während bei Nehemia feudale Zustände angeklagt werden, herrschte in Jeremia 34 etwas Anderes, das vergleichbar ist mit den Zuständen in Deutschland, England und den USA. Nämlich die preußischen Landreformen und die Enclosure Movements, welche die vom Feudalherren einerseits abhängigen und andererseits lebensversicherten Menschen quasi in die Vogelfreiheit und damit dem gnadenlosen Marktwettbewerb überließen und so die Betroffenen in Gewinner und Verlierer einteilte. Und da alles Land schon besetzt und eingegrenzt war, blieb den nun so genannten Freien nichts anderes über als gezwungenermaßen im falschen Bewusstsein der Freiheit zurück in die Knechtschaft zu gehen. Die Herren konnten sich jetzt als großzüge Wohltäter, Leistungsträger und Wohlstandsschaffer hinstellen.
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31Die Bibel stellt nicht Armut an sich in Frage. Die gab es wohl immer. Verurteilt wird jedoch, wenn sich Wohlhabende auf Kosten der Besitzlosen bereichern.
Oder anders : Reichtum wird in Frage gestellt. Für Armut musste man sich nicht rechtfertigen, für Reichtum schon. Heute, speziell seit Mitte der 80er Jahre ist das grundlegend verdreht. Die Basis dafür hat aber lange vorher schon der Calvinismus geschaffen.
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:31Nichts Neues unter der Sonne. Ohne Lohnsklaven würde auch unsere "soziale Marktwirtschaft" nicht wirklich funktionieren.
Das Soziale an der Sozialen Marktwirtschaft ist das Auffangen der Verlierer im Wettbewerb, also im Grunde Kapitalismus + Sozialhilfe. Das Perfide an der Sache ist, dass die Verlierer nicht mehr als Opfer gesehen werden, was sie tatsächlich sind, sondern als Schuldige gegenüber denen, die sie tragen müssen, weil die Last leider zu Ungunsten potenziell Betroffener (Eigentumsloser und Lohnabhängiger) verschoben wurde, so als würden sich Absaufende gegenseitig über Wasser halten, während nebendran jemand an Land sich darüber krumm lacht. Dieser Paradigmenwechsel fand ebenfalls einhergehend ab Mitte der 80er statt. In Deutschland wurde es mit der Agenda 2010 vollständig verklausuliert.
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