Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Themen des Neuen Testaments
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ProfDrVonUndZu
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Michael hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 06:09 Darum gibt Gott uns der HG, um den Sinn neu auszurichen. Einer davon ist wie die Kinder zu werden. Er meint damit sicher nicht kindisch zu werden sondern undschuldig. So würde ich das interpretieren. Unser Wesen ist von Sünde gekennzeichnet, es ist durch sie korrumpiert und in vielen Denkweisen merken wir das gar nicht.
Wie Kinder zu werden verstehe ich als ohnmächtig, abhängig und sich dessen bewusst, gleichzeitig aber gern in die Hände und den Schutz des Vaters zu begeben, und dessen Kümmern nicht als Bevormundung und Bremse für Unabhängigkeit und Entfaltung der eigenen Stärke und Verantwortlichkeit zu sehen. Ich stehe damit in völliger Opposition zum christlichen Menschenbild der kirchlichen Soziallehren, von dem leider auch die Politik dominiert wird.

Michael hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 06:09 Ich sehe aber keine Notwendigkeit Jesu Wort wie z.B. "Werdet wie die Kinder" einer kritischen Betrachtung auszusetzen, und zwar in dem Sinn, dass Jesus etwas gesagt hätte, was die Evangelisten aufgrund ihres Verständnissen gemeint hätten anders zu interpretieren.
Über den Titel meines Themas kann man streiten. Die getreue Überlieferung der Jesusworte stelle ich nicht in Frage.
Michael hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 06:09 Gibt es außer der goldenen Regel noch andere Worte, die du kritisch beleuchten willst? Hier setzt meine Mehrfach-Zeugen-Regel an, welches die Schriftworte anhand eines Textvergleiches gegenüberstellt, so dass er damit besser erfasst wird, wie ein Sachverhalt durch mehrere Zeugnisse auch immer besser bestätigt wird.
Z.B. das Gleichnis von den Talenten. Aber dazu evtl. später.

Michael hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 06:09Nur wenn es sich um Einzelaussagen bzw. Einzelzeugnisse dreht kann es sein, dass die Schreiber ihre subjektive Interpretation einfließen haben lassen. Z.B. steht im Mt-Ev durchgehend "Reich der Himmel". Diese Wortwahl finden wir bei den anderen nicht, dort heißt es "Reich Gottes". Jesus kann aber in einer Situation bei einer Aussage nicht gleichzeitig zwei Sprechweisen gehabt haben.
In einer Situation hat Jesus nicht Verschiedenes gesagt, aber je nachdem was der übersetzende Evangelist für die Zielgruppe betonen will, kann er so oder so übersetzen. Jesus wiederholte bestimmte Aussagen in verschiedenen Situationen. Manchmal sprach er vielleicht vom Reich der Himmel, ein anderes Mal vom Reich Gottes. Auch abhängig von den Zuhörern. Die Evangelisten konnten nur übersetzen, was sie hörten, nicht was Jesus dabei dachte. Vorausgesetzt, dass er seine Worte möglichst präzise und bewusst wählte. Ein Zeugnisbericht darf aber gefärbt durch die persönliche Erinnerung sein, sonst wäre es kein Zeugnis.
Michael hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 06:09 Hier übe ich stellenweise Kritik an den Schreibern, aber nicht an Jesu Wort an sich.
Mit deiner Kritk, wie du sie an anderer Stelle vorbrachtest, würdest du am liebsten Bibelstellen ignorieren oder sie rausstreichen. Bevor ich Jesu Worte für ungültig oder untauglich erkläre, worauf ich aber gar nicht abziele, will ich erst mal seine Worte neu einordnen und bestimmte Vorannahmen als solche identifizieren.
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Oleander
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Oleander »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 16:29 Wie Kinder zu werden verstehe ich als ohnmächtig, abhängig und sich dessen bewusst, gleichzeitig aber gern in die Hände und den Schutz des Vaters zu begeben
Ich verspüre gerade den Drang, etwas mitteilen zu müssen.
Wenn ich deine Beiträge lese, kommt da in mir so eine innere Ruhe auf, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben könnte.
Ich lese sie auch gerne und es toucht mich und ich verstehe dadurch auch einiges besser.
Mal ein Dank an dich ausgesprochen. :)
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
Reinhold
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Reinhold »

Oleander hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 16:36
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 16:29 Wie Kinder zu werden verstehe ich als ohnmächtig, abhängig und sich dessen bewusst, gleichzeitig aber gern in die Hände und den Schutz des Vaters zu begeben
Ich verspüre gerade den Drang, etwas mitteilen zu müssen.
Wenn ich deine Beiträge lese, kommt da in mir so eine innere Ruhe auf, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben könnte.
Und bei mir stehen Madame sofort alle Haare zu Berge-zensiert? :lol:
"Lass dir dein Leuchten nicht nehmen, nur weil es andere blendet"
Albert Einstein-deutscher Physiker u. Nobelpreisträger
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Oleander
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Oleander »

Reinhold hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 16:39 Und bei mir stehen Madame sofort alle Haare zu Berge-zensiert?
Aber nein, Mopschen! :Herz2:
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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ProfDrVonUndZu
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:04 Wie begründest du diesen Gedanken?
Veranwortung ergibt sich aus dem gesamten Kapital einer Person. Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel verlangt. Die Brüder Jesu (Matthäus 25) gehören wohl zu den wenig Begünstigten.
Wie du ja auch sagst :
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:04 Das hat doch alles mit Verantwortung zu tun. Den Besitzenden erwuchs aus ihrem Vermögen Verantwortung für die Armen und Schwachen der Gesellschaft.
Siehst du ?
Damit müssten wir doch eigentlich d'accord sein.
Magdalena61 hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 02:04 Wenn man jegliche Armut vorsorglich lindert und relativiert, erzieht man sich damit eine Menge egoistischer Faulenzer und Schmarotzer.
Diese leben dann auf Kosten der Anständigen. Alleine schon, dass jemand ein Anspruchsdenken entwickelt, ohne die geringste Bereitschaft, eine Gegenleistung zu erbringen, läuft in die falsche Richtung.

Eine gewisse Strenge und Konsequenz gegenüber den Empfängern von Wohltätigkeit sind durchaus angebracht.
Gegenüber Gott sind wir alle Empfänger seiner Wohltätigkeit. Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel verlangt.
Was mir nicht gefällt, dass du hier Armut als Unanständigkeit framest. Die Anständigen wären die, die sich was leisten können, die ihren Wohlstand verdient hätten.

Das ist nicht der Geist Gottes in der Thora und auch nicht der Geist des Evangeliums und des NT.

Ein Armer, ein Nicht-Israelit konnte sich anstrengen wie er will, er konnte sich keinen Landbesitz verdienen oder kaufen. Diese grundsätzliche strukturelle Benachteilung darf man nicht mit einer Schuldfrage verknüpfen.
5. Mose 9,5 Nicht um deiner Gerechtigkeit und der Geradheit deines Herzens willen kommst du hinein, um ihr Land in Besitz zu nehmen; sondern um der Gesetzlosigkeit dieser Nationen willen treibt Jahwe, dein Gott, sie vor dir aus, und damit er das Wort aufrecht halte, welches Jahwe deinen Vätern, Abraham, Isaak und Jakob, geschworen hat.
6 So wisse denn, daß nicht um deiner Gerechtigkeit willen Jahwe, dein Gott, dir dieses gute Land gibt, es zu besitzen; denn ein hartnäckiges Volk bist du.
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Helmuth
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Helmuth »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 16:29 Über den Titel meines Themas kann man streiten. Die getreue Überlieferung der Jesusworte stelle ich nicht in Frage.
Die getreue Überlieferung kann man durchaus hinterfragen, denn das ist nicht das Werk Jesu sondern das der Autoren. Der Ausdruck "Reich der HImmel" ist ein Mt-Spezifikum. Hätte Jesus in der Wortwahl variiert, wäre das auch bei den anderen lesbar. Aber sie ändern nichts an ihrem Sinn. Es zeigt nur, dass Menschen am Werk waren und nicht der HG diktiert, wie die Theolgie das dogmatsch behauptet.

Der Sinn der Worte Jesu erschließt sich für den Leser am besten durch die Gegenüberstellung der Textzeugnisse. Zwei irren sich weniger als einer und bei drei oder vier voneinnader unabhängigen Zeugenaussagen kann man von sicherer Überlieferung ausgehen.

Das sind Grundlagen zur Wahrheitsfindung. Und wie ich schon oft erwähnt hatte sind solche Basisaussagen, die eine Heilsbedeutung haben, von allen in ihrem Sinn korrekt wahrgenommen worden. Wer sich da irrt, der kann nicht wirklich vom HG getrieben etwas schreiben. das ginge einfach nicht.

Wenn es bei grundlegenden Aussagen Jesu am Verständnis des Lesers mangelt, dann ist nach meinem Befinden für diese Worte ein persönliches Problem des Lersers und nicht das des Schreiber oder das von Jesus. Und solange man Jesu Aussagen nur zitiert, kann auch der Schreiber nichts dafür.

Das Prbolem ist, dass kaum ein Schreiber wirklich Augenzeuge war. Das gilt auch für Mt. und Jh., die nach meinem Befinden nicht die direkten Jünger Jesu waren, welche diese Texte schrieben. Es waren andere, die es aus ihrem Munde gehört haben. Aber darüber rätselt auch die Forschung. Es stattdessen theologsch festzulegen ist keine Form der Wahrheitssicherung.

Darum gilt für mich grundsätzlich die Mehr-Zeugen-Regel als der bsserer Garant, wie man nach der Wahrheit forscht. Der beste ist wohl der HG selbst.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 16:29 Z.B. das Gleichnis von den Talenten. Aber dazu evtl. später.
Ok, darauf bin ich gespannt. Ich warte dann, bist du es ins Feld bringst.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 16:29 Mit deiner Kritk, wie du sie an anderer Stelle vorbrachtest, würdest du am liebsten Bibelstellen ignorieren oder sie rausstreichen. Bevor ich Jesu Worte für ungültig oder untauglich erkläre, worauf ich aber gar nicht abziele, will ich erst mal seine Worte neu einordnen und bestimmte Vorannahmen als solche identifizieren.
Ich ignoriere keine Bibelstelle, diese Aussage ist nicht korrekt. Aber sie wird so wie du es hier ebenso machst kritisch hinterfragt. Ich mache das also nicht anders als du. Und in meinen spezifisch dafür bekannten Themen zu Mt. 1 und 2 gibt es kein einzigers Wort Jesu. Wie hätte denn ein noch nicht Geborerer oder gerade Neugeborener schon sprechen können. ;)
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
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ProfDrVonUndZu
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

So, da ich erneut auf etwas gestoßen bin, dass mich schon früher beschäftigte, werde ich das mal hier anhängen.

Die Problemstellung ergibt sich folgendermaßen.
Matthäus 6,2 Wenn du nun Almosen gibst, sollst du nicht vor dir her posaunen lassen, wie die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Straßen, damit sie von den Menschen geehrt werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin.
Matthäus 5,15 Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie unter den Scheffel sondern auf das Lampengestell, und sie leuchtet allen, die im Hause sind. 16 Also lasset euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen.
Und über die Schriftgelehrten und Pharisäer zetert Jesus
Matthäus 23,5 Alle ihre Werke aber tun sie, um sich vor den Menschen sehen zu lassen; denn sie machen ihre Denkzettel breit und die Quasten groß.
Was nun ? Einerseits im Verborgenen und andererseits vor den Menschen.
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Larson
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von Larson »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 24. Apr 2022, 15:57 Was nun ? Einerseits im Verborgenen und andererseits vor den Menschen.
Zu Mt 6: man soll damit nicht vor den Menschen angeben, rumposaunen, was man so Gutes tut, wie es dann in Mt 23 angeprangert wird, sich „Denkmäler“ zu errichten um sein Image aufzupolieren (V6).

Und Mt 5 besagt, dass man Gutes tun soll, das Licht hilft nur in der Dunkelheit, im Sonnenschein nützt es wenig. Im Dunkeln sind die Menschen, welche Not leiden. Also man hilft nicht um des Ansehens in der gehobenen Klasse willens, sondern um der Bedürftigkeit der Bedürftigen willens, wo man sich nicht gesellschaftliche Positionen erkaufen will. Und diese Geholfenen werden dann Gott auch echt rühmen.
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
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ProfDrVonUndZu
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Re: Kritische Betrachtung der Worte Jesu

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Also geht es hier nur um die Haltung des Werktätigen ?
Anthros
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Kritische Betrachtung der kritischen Betrachtung

Beitrag von Anthros »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 28. Mär 2021, 19:10 Wahrscheinlich denke ich über das von Jesus gemeinte hinaus, aber wenn sich seine Worte nicht alltagstauglich und zeitgemäß anwenden lassen, oder zumindest Fragen aufwerfen, muss eine kritische Betrachtung erlaubt sein.
Es gibt Wahrheiten auf der gesellschaftlichen Ebene, die sich immer wieder verändern. - Spricht die Bibel etwa solche an?
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