Das Mysterium des Personseins

Rund um Bibel und Glaube
Faust

Das Mysterium des Personseins

Beitrag von Faust »

Jesus = der Erzengel Michael?

Sehr lustig. Offenbar kann über die Frage wer Jesus ist unendlich diskutiert werden :) und je nachdem, wer die Frage beantwortet, kommen wir zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wer ist Jesus? Das wage ich kaum zu beantworten. Rein intuitiv würde ich sagen: Jesus ist ein Mysterium. Ein Mysterium möchte geliebt, entdeckt, verehrt werden. Das Modell der Jüngerschaft scheint hier sehr wichtig zu sein: wenn wir mit Jesus auf dem Weg sind, ihm nachfolgen, dann werden wir - durch die lebendige Beziehung - in dieses Mysterium eingeweiht werden. Das ist wie in einer guten Ehe, Liebesbeziehung oder Freundschaft. Wenn Du mit der anderen Person unterwegs bist, wirst du in ihr Mysterium eingeweiht. Tatsächlich ist das Personsein jeder Person ein Mysterium und es macht keinerlei Sinn, dieses Mysterium zu zerreden. Als Mystiker muss ich das natürlich sagen, um meiner Rolle im Drehbuch gerecht zu werden. Der Schriftsteller Max Frisch hat mal etwas sehr interessantes gesagt.
Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertigwerden; weil wir sie lieben, solange wir sie lieben.

Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar ist der Mensch, den man liebt - Nur die Liebe erträgt ihn so. Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedes mal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind - nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir künden ihm die Bereitschaft auf, weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei.

"Du bist nicht", sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte: "wofür ich Dich gehalten habe." Und wofür hat man sich denn gehalten? Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat. Du sollst dir kein Bildnis machen, heißt es von Gott. Es dürfte auch in diesem Sinne gelten: Gott als das Lebendige in jedem Menschen, das, was nicht erfassbar ist. Es ist eine Versündigung, die wir, so wie sie an uns begangen wird, fast ohne Unterlass wieder begehen - Ausgenommen, wenn wir lieben.
Du sollst dir kein Bildnis machen
Max Frisch


Ist es nicht ein ziemlicher Verrat an Jesus, wenn wir seit Jahrtausenden darüber streiten, wer er denn nun gewesen ist und dabei die Liebe und Brüderlichkeit aus dem Blick verlieren? Die einen sagen „Jesus ist Gott“, die anderen „Jesus ist der Erzengel Michael“, wieder andere „Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist doch nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das er zu Maria hinüberbrachte, und ein Geist von Ihm.“ Wenn ich gefragt werde, wer Jesus ist, dann antworte ich: Jesus ist ein Mysterium. Jesus ist so unfassbar, wie das Leben selbst. Unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll. Das Lebendige, das göttliche Sein im Menschen, ist ein ewiges Mysterium, unermesslich und unfassbar.
Faust

Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von Faust »

Jesus zu seinen Jüngern: „Mit wem bin ich zu vergleichen?“ Darauf Simon Petrus: „Du bist wie ein gerechter Engel.“ Und Matthäus: „Du bist ein Mensch, einsichtig wie ein Philosoph.“ Thomas aber erwiderte: „Meister, mein Mund kann unmöglich sagen, wem du gleichst!“ Da sprach Jesus: „Ich bin nicht dein Meister; denn du hast getrunken und dich berauscht an der sprudelnden Quelle!“ Und Jesus nahm ihn beiseite und sprach drei Worte zu ihm. Als Thomas zu seinen Gefährten zurückkam, fragten diese ihn: „Was sprach Jesus mit dir?“ Thomas darauf: „Wenn ich euch eins der Worte mitteile, die er mit mir sprach, dann werft ihr mit Steinen nach mir…“ (Thomas-Evangelium, Logion 13)
Interessant finde ich, dass Jesus selbst diese Frage stellte: „wer bin ich?“ - und die Jünger haben unterschiedliche Antworten gegeben, je nachdem auf welcher geistigen Entwicklungsstufe sie sich selbst befanden. Wir können den Reifegrad an der Antwort ablesen.
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lovetrail
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Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von lovetrail »

Das Thomas Evangelium scheint einen unerschöpflichen Fundus an Falschlehre bereitzustellen. Wer weiß, vielleicht wird das ja auch laufend editiert 😆
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!
Faust

Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von Faust »

lovetrail hat geschrieben: Mi 10. Jul 2019, 13:37 Das Thomas Evangelium scheint einen unerschöpflichen Fundus an Falschlehre bereitzustellen. Wer weiß, vielleicht wird das ja auch laufend editiert 😆
Das glaubst du, weil du die Lehre des Thomas-Evangeliums noch gar nicht verstanden hast :lol:
Ams

Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von Ams »

.


Jesus sagte:


Wer das All erkennt,


wobei er sich aber selbst verfehlt,


verfehlt den ganzen Ort,


das Ganze.


(Thomas, Logion 67)


:thumbup:
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lovetrail
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Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von lovetrail »

Hach, "Mystiker" müsste man sein: Da braucht man keine anstrengende Bibelexegese treiben, man kann schöngeistig ins Blaue hineinphantasieren, seltsamste Belege anführen und das Beste von alldem: Obwohl man geistig nur hochstapelt, fühlt man sich dennoch überlgen und fortschrittlich :-D
Zuletzt geändert von lovetrail am Mi 10. Jul 2019, 22:16, insgesamt 1-mal geändert.
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!
Faust

Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von Faust »

lovetrail hat geschrieben: Mi 10. Jul 2019, 22:13 Hach, "Mystiker" müsste man sein: Da muss man keine anstrengende Bibelexegese treiben, man kann schöngeistig ins Blaue hineinphantasieren, seltsamste Belege anführen und das Beste von alldem: Obwohl man geistig nur hochstapelt, fühlt man sich dennoch überlgen und fortschrittlich :-D
Schon klar. Du musst mal wieder dein Ego erhöhen und andere Menschen erniedrigen :roll: Das sind alles Vorurteile, Gedanken und Projektionen deines Geistes, die mit meinem realen Glaubensverständnis nicht das geringste zu tun haben.
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lovetrail
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Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von lovetrail »

Mein höheres Selbst musste sich mal erleichtern ;-)
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!
Faust

Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von Faust »

lovetrail hat geschrieben: Mi 10. Jul 2019, 22:17 Mein höheres Selbst musste sich mal erleichtern ;-)
Deine Gedanken über mich haben mit mir nichts zu tun.
Faust

Re: Das Mysterium des Personseins

Beitrag von Faust »

Ams hat geschrieben: Mi 10. Jul 2019, 18:04 .


Jesus sagte:


Wer das All erkennt,


wobei er sich aber selbst verfehlt,


verfehlt den ganzen Ort,


das Ganze.


(Thomas, Logion 67)


:thumbup:

Ja, das Thomas-Evangelium schätze ich sehr. Allerdings wollte ich hier gar nicht darüber reden. Ich habe diese Stelle (Logion 13) nur zitiert, weil sie sehr schön verdeutlicht, dass bereits die Jünger unterschiedliche Antworten auf die Frage gegeben haben, wer Jesus ist. Das entspricht wohl der Realität, denn Jesus ist ein Mysterium (so wie jede lebendige Person :) )
Zuletzt geändert von Faust am Mi 10. Jul 2019, 22:26, insgesamt 1-mal geändert.
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