Freiheit oder Befehl?

Anthros
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Überprofanes

Beitrag von Anthros »

Ich trage uns beide einmal hierhin, weil es zum Thema des Threads besser passt.

SilverBullet hat geschrieben: Sa 24. Okt 2020, 12:36 Könnte die Tatsache dieser auftretenden "Unverständlichkeit" bedeuten, dass es letztlich nur der
einzelne "Gläubige" ist, der sich etwas Positives (über die Bibeltexte) erschliessen kann und dass jegliches organisiertes Vorgehen scheitert?

Ist es vielleicht bereits ein Fehler, wenn einer dem anderen sagt "du musst es so und so sehen"?

Du beziehst dich auf diesen Beitrag:
Anthros hat geschrieben: Sa 24. Okt 2020, 11:03 In jungen Jahren ist mir Biblisches als etwas Unverständliches entgegen getreten. Dann sind jene, die meinten, Biblisches zu verstehen, ebenso unverständlich entgegen getreten.

In meiner Begegnung des Biblischen ist also zweimal Unverständlichkeit entgegen getreten. Manche lehnen dann alles ab, aus dieser Sicht könnte alles Biblische gestrichen werden, sie mögen sich Atheisten nennen oder wenden sich dem zu, was sie unter Buddhismus zu verstehen meinen usw. Ich aber ließ erst einmal mit einem gewissen Erstaunen alles stehen und nach und nach bemerkte ich, dass jene Bibelkenner die Sprache des Biblischen nicht zu verstehen schienen und drängten ihr ihr eigenes Verständnis auf.

Gleich schon viele Fragen auf einmal. Aber gute Fragen, finde ich.

Im Grunde genommen kann ich authentisch nur von mir sprechen. Mir geht es nicht darum, etwas in der Bibel zu finden, sagen wir, wodurch ich mein irdisches Leben im irdischen Sinne positiv bzw. besser gestalten könnte. Dafür deuten mir die seltsamen Formulierungen des Biblischen an, das sie eine andere Sprache verwenden, um damit ein anderes Denken und einen anderen Sinn zum Ausdruck bringen zu können, den es - natürlich nicht im profanen, sondern dem gegenüber im überprofanen Sinne - zu entschlüsseln gilt, beginnt man dies zu ahnen.

Ich entdeckte, dass sie eine mythologische Sprache verwendet und schließlich, dass nur diese ein Geheimnisvolles, Verborgenes, Okkultes - sprich das Überprofane - sich in sich verbergen kann, das weit mehr als nur Profanes sein kann. Daher geht es mir darum, darin etwas finden zu können, was nicht nur mein Leben, sondern unser aller Leben und der Welt, in der wir leben, sinnvoll in einen übergeordneten Zusammenhang bringt. Jene "Bibelkenner" waren und sind dazu nicht in der Lage, sie plappern nur leere Worte daher und ich plappere ihnen nicht nach, aber ich habe die Augen und Ohren offen gehalten ...

Was du mit "organisiertes Vorgehen" meinst, weiß ich nicht. Aber für jenes oben angesprochene Sinnvolle bedarf es natürlich eines geordneten, organisierten Vorgehens.

Wenn mir jemand sagt, morde nicht, weil's das fünfte Gebot so sagt (heute wird es mit "morden" übersetzt, dem ich mich anschließe), dann ist es einfach nur ein äußeres Gesetz bzw. eine Befehlsform. Wird einem irdischen Gesetz nicht Folge geleistet, droht eine irdische Strafe, wird dem fünften Gebot nicht Folge geleistet, kann man unter erheblichen psychischen Druck durch "Gläubige" geraten, indem von ihnen mit dem lieben Gott gedroht und übermächtig ins Gewissen geredet wird, wobei schwache Persönlichkeiten leicht Opfer einer Dressur werden können.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 21. Okt 2020, 08:59 Ohne die Möglichkeit von Einsicht, von Verstehen, mündet die Anhängerschaft unweigerlich in Dressur - mehr kann nicht dabei herauskommen.
Ob irdisches Gesetz oder göttliches, es verbleibt in der Äußerlichkeit eines befehlsmäßigen "du musst". Mein Verständnis dazu und beispielsweise zum fünften Gebot ist ein anderes, das mir erst durch Studium der Anthroposophie bewusst bzw. verständlich geworden ist. Durch Moses seien die zehn Gebote einer Menschheit gegeben worden, die gemäß ihrer Entwicklung einer äußeren Gesetzmäßigkeit - ähnlich wie ein kleineres Kind heute - bedurfte. Mit dem Mysterium von Golgatha sei ein mächtiger Ruck durch die Menschheit gegangen, die Menschheit sei zur Umwandlung bereit gewesen, wie ein Kind sich in Schritten zum Erwachsenen umwandelt und die leitende Erziehung seiner Eltern nicht mehr benötigt, es ist mündig und damit selbstverantwortlich geworden. Äußeres Gesetz sei verinnerlicht als Stimme des Gewissens geworden und der Mensch sei seit Golgatha mündig und daher vor dem Göttlichen, genauer vor dem karmischen Gesetz, allein verantwortlich geworden, wie der Christus Jesus die Tat der Ehebrecherin nicht bestraft, sondern sie in die Erde und damit in ihr Karma einschrieben habe.

Das alles soll auch zeigen, dass es eben nicht genügt, die Bibel einfach wortgläubig zu lesen, sondern ihre Inhalte wollen in einen größeren Zusammenhang gestellt werden. Viele können sich aus der Bande der Menschheit zur Zeit des Moses noch nicht lösen, hängen dem Befehlsmäßigen nach und meinen, darin Freiheit zu finden.
Ich allein stünde dem ohnmächtig gegenüber, übergeordnete Zusammenhänge allein anhand der Bibel erfassen zu können, aber dafür liegt es allein an mir als für mich allein verantwortliche Person, dazu wirklich geeignete Lehrer zu finden.
SilverBullet
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Re: Freiheit oder Befehl?

Beitrag von SilverBullet »

Spice hat geschrieben:Du sagst jetzt nichts anderes als ein Gehirn kann nicht richtig funktionieren, weil der Mensch nicht weiß, wie das Gehirn funktioniert.
So wollte ich es eher nicht vermittelt wissen.
Die Gehirnfunktion eines Menschen kann völlig normal vorhanden sein und dennoch macht der Mensch Fehler.

Das Gehirn ist der Körperanteil, der versucht, aus der individuellen Konfrontation mit Sinnesdaten (von der Aussenwelt und vom Körper)
möglichst korrekte Zusammenhänge aufzubauen, so dass der Körper sinnvolle Reaktionen durchführt.

Das Gehirn hat bei jeder Denkreaktion immer zuvor schon einen Entwicklungsweg hinter sich gebracht.
Dieser Weg kann durchaus "nicht ganz optimal" zum Aufbau von korrekten Zusammenhängen (bezogen auf einzelne Themengebiete) gewesen sein.

In Bezug auf "wie funktioniert ein Mensch" kommt das Gehirn schlicht nicht an die notwendigen Eingaben heran.
Wir hatten kurz angesprochen, dass ein Mensch nicht weiss, dass gerade Neuronen und Astrozyten aktiv sind.
Das Gehirn eines Menschen hat hier keinerlei "Eingangsdaten" zur Verfügung -> wir können nicht in unseren Kopf hineinschauen.
Hätte das Gehirn "Eingangsdaten" zur Verfügung, dann würden diese auch verarbeitet werden und wir wären uns weit aus mehr bewusst, was gerade "in uns" vor sich geht.

Das Gehirn baut immer nur soviel Korrektheit auf, wie es dem bisherigen Weg des jeweiligen Körpers entspricht.
Spice hat geschrieben:Und ein nicht richtig funktionierendes Gehirn würde Religionen erfinden.
Wie gerade gesagt: der bisherige Weg war nicht optimal genug, um die richtige Lösung zu erkennen.
Spice hat geschrieben:Außerdem haben alle Menschen ein Gehirn. Und läge das Menschsein im Gehirn, so müssten alle Menschen gleich denken...
So einfach ist es nicht, denn jeder Mensch hat einen individuellen Körper und nimmt eine individuelle Position im Raum ein.
Dadurch hat jedes Gehirn einen einzigartigen Entwicklungsweg hinter sich -> in der Folge denken Menschen nicht gleich.

Selbst bei zwei identischen Klonen, die alles gemeinsam erleben würden, wäre der Denkprozess unterschiedlich, allein schon, weil sie unterschiedliche Raumpositionen einnehmen.
Spice hat geschrieben:Das ist der Geist des naturalistischen Zeitalters, der alles auf´s Materielle reduzieren will.
Ich kenne solche "Reduktionsvorwürfe", aber es geht gar nicht um Reduktion, sondern um Lösungen.
(der Begriff "Reduktion" enthält immer auch die Behauptung vom Vorhandensein von objekthaften "Mentalteilen")

=> Eine funktionierende Lösung ist etwas Beeindruckendes - Gegenargumente verschwinden augenblicklich.

Der Ansatz über Körper/Gehirn hat das Potential zu einer funktionierenden Lösung zu führen.
(dadurch unterliegt dieser Ansatz natürlich auch der Gefahr des Scheiterns - aber so ist Praxis nun mal)
Spice hat geschrieben:Bewusstsein ist eine potenzielle Funktion des "Lebens an sich", und Bewusstsein nutzt das Gehirn nur, um in der physischen Welt mittels des Körpers tätig sein zu können.
Ich lasse dir diese Vorstellung, aber wir sind hier natürlich vollständig auseinander.
Spice hat geschrieben:Emotionen enstehen nicht aus biochemischen Reaktionen, sondern diese begleiten Emotionen, da sich die Seele im Menschen verkörpert hat. Achte mal darauf: Emotionen und Impulse entstehen aus Urteilen!
Da sind wir wieder beim Entwicklungsweg des Gehirns.
Stehen dem Gehirn "Eingangsdaten" zur Verfügung, dann baut es hierfür Zusammenhänge in die Reaktion des Menschen ein.
Wenn du sagst: die biochemischen Vorgänge werden nicht als "Emotionen" verstanden, würde das Verstehen der biochemischen Vorgänge fehlen und dies kann nicht sein, denn das Gehirn hat hierzu "Eingangsdaten".
Spice hat geschrieben:Ich sagte ja schon, dass unsere Begriffe ursprünglich aus der sinnlichen Welt genommen sind. Der Sanskrit - Begriff für Geist heißt "atma" und kommt von Atem.
Luft ist sinnlich erfahrbar, ihr Vorhandensein ist aber für die Sinnesorgane eines Menschen nicht genauso einsehbar, wie es beim Körper der Fall ist.

Ich sehe genau an diesem Punkt die Quelle für die Idee "des Spirituellen" (wieder ein Luftbegriff).

Luft wird mit unserem heutigen Verständnis nicht mehr derart verdächtigt, aber man hat erstaunlicherweise die, der Luft zugeschriebenen Attribute einfach stehen lassen und so liegt "Geist" genauso vor, wie Luft und es werden Luftwörter verwendet.
Spice hat geschrieben:Bei einer Leiche kann man auch nicht davon sprechen, dass der Mensch noch da ist...
Tja, der Mensch ist aber noch da und der Körper ist nicht unmittelbar tot, sondern sein Nervensystem baut keine fortgesetzten Zusammenhangsreaktionen mehr auf.
Spice hat geschrieben:Selbst wenn man das akzeptieren könnte, hätte es bei einer Ahnenverehrung bleiben können. Aber zu behaupten, ich bin in dieser Erdenleben mein einstiger Urgroßvater ist ohne ein wirkliches Erleben schon nicht mehr verständlich.
Naja, ich würde Reinkarnation als eine mögliche Idee ansehen, die auf die Vorstellung eines "mit dem Körper verbundenen Nicht-Körperlichen Anteils" folgt.

Auch der "Geist"-Anhänger, der nur von einem Leben ausgeht, steht ja vor dem Problem, wie es denn zur "Hochzeit" der beiden Teile ("Körper" <-> "Geist") kommen soll.
Das Behaupten einer einmaligen "Hochzeit" unterscheidet sich vom "beteiligten Wissen" her, eigentlich kaum, von der Behauptung einer mehrmaligen "Hochzeit" - es ist eher ein einheitliches Fehlen von Erklärungsansätzen.
Spice hat geschrieben:Das ist naturalistisch gedacht, und unlogisch. Denn wenn man von den materiellen Prozessen ausgeht, müsste man eher sagen, die Gehirnzellen wachsen und deshalb beginnt der Mensch zu meditieren. Aber man sieht, in Wirklichkeit hat der Geist das Primat und nicht der Stoff.
Es ist aber genau so, dass es zu einem Gehirnwachstum kommt und erst danach zu einer Ausreifung der Zellen/Zellstrukturen.
Die Plastizität, also die Anpassungsfähigkeit des Gehirns, verändert sich beim Heranwachsen eines Menschen und ein Mensch verfügt über einen Gigantismaus an Gehirnanpassung, bevor er zu meditieren beginnt.

---
Spice hat geschrieben:Ja, aber ich habe genauso angefangen wie alle anderen. Ich habe zunächst auch alles wortwörtlich genommen. Aber wenn man dann die verschiedenen Aussagen zusammenhält, merkt man eine Menge Widersprüche nicht nur untereinander, sondern auch zu dem, was der Mensch wirklich weiß.
OK, du hast es also grundsätzlich zugelassen, dass Textaussagen widersprüchlich sein können und dass dir dies auch auffallen kann.
Ich vermute, dass dies eine ganz wichtige Voraussetzung ist, von der man nicht bei jedem "Gläubigen" ausgehen kann - dort herrscht eher das Motto: "die Bibel hat Recht - ich verstehe es nur (noch) nicht - man kann es vielleicht gar nicht verstehen, das macht aber nichts, es stimmt trotzdem".
Im Grunde zeigst du bereits ein Prüfverhalten.
(was ich mache, mag intensiver sein, aber es ist auch nur ein Prüfverhalten)

Der zweite Punkt "zudem, was der Mensch wirklich weiss" ist auch interessant.
Damit durchbrichst du den "Trichterblick durch die Behauptungen der antiken Texte" und "belastest" die Bibelaussagen mit dem Druck sonstiger Erkenntnisse.
Auch hier lässt du es zu, dass etwas richtig sein kann, obwohl es nicht im antiken Text behauptet wird (vielleicht wird es dort sogar anders behauptet).

Vielleicht kann man es auch so formulieren:
Du bist dir bewusst, dass du einen Text vor dir hast und Text ist nicht automatisch "in Gold gegossene Wahrheit", sondern es gilt eher "Papier ist geduldig".

Unterm Strich fällt mir dazu der Begriff "Selbstständigkeit" bzw. "Selbstverantwortung" ein.
Ich habe keinen Einblick, wie umfangreich deine Selbstständigkeit ist, aber es liegt auf jeden Fall nicht der volle Dominanzgrad vor, den die antiken Texte auszuüben imstande sind.

Für den Freiheitsanteil ist "Selbstständigkeit" wohl die zentrale "Zutat" -> vermutlich durch nichts ersetzbar.
Spice hat geschrieben:Ich nehme die Bibel ernst. Ich gehe über ihre Aussagen nicht leichtfertig hinweg. Aber ich weiß, dass sie mir nichts nützen, wenn ich nicht verstehe, was und warum etwas gesagt wird.
Das sehe ich als Bestätigung meiner "Selbstständigkeit"-Analyse an, denn du stellst hier "den Nutzen für dich" in den Vordergrund, d.h. du bist kein einfacher "Diener", kein "Erfüller" der biblischen Auflagen.
Spice hat geschrieben:Ja, als Nicht-Gläubiger stellt man natürlich das ganze der Bibel in frage. Da kann man aber auch nichts in dieser Hinsicht lernen.
Stimmt, ich stelle die Bibel (noch vor ihrem Inhalt) durch das historische Umfeld infrage (auch die "Luft"-Wörter gehören hier dazu).
SilverBullet
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Re: Freiheit oder Befehl?

Beitrag von SilverBullet »

Anthros hat geschrieben:Im Grunde genommen kann ich authentisch nur von mir sprechen.
...
Ich entdeckte, dass sie eine mythologische Sprache verwendet und schließlich, dass nur diese ein Geheimnisvolles, Verborgenes, Okkultes - sprich das Überprofane - sich in sich verbergen kann, das weit mehr als nur Profanes sein kann. Daher geht es mir darum, darin etwas finden zu können, was nicht nur mein Leben, sondern unser aller Leben und der Welt, in der wir leben, sinnvoll in einen übergeordneten Zusammenhang bringt.
Dieser Vorgang geht von dir als "einzelnem Gläubigen" aus.
Wie "Spice" (und im Grunde auch wie ich selbst) hast du dir eine Position des Durchdenkens, des Prüfens gestattet und dir darauf aufbauend einen eigenen Umgang mit den Bibeltexten erschlossen.
Anthros hat geschrieben:Ich entdeckte, dass sie eine mythologische Sprache verwendet und schließlich, dass nur diese ein Geheimnisvolles, Verborgenes, Okkultes - sprich das Überprofane - sich in sich verbergen kann, das weit mehr als nur Profanes sein kann. Daher geht es mir darum, darin etwas finden zu können, was nicht nur mein Leben, sondern unser aller Leben und der Welt, in der wir leben, sinnvoll in einen übergeordneten Zusammenhang bringt.
Das hört sich für mich wie der eigentliche Zweck von Religionsaussagen an, wobei ich eine Erfüllung dieses Zwecks eher nur im Privaten des einzelnen "Gläubigen" sehe.

In diesem Zusammenhang kurz, an was ich bei "organisiertem Vorgehen" gedacht habe:
Es ist das Gegenteil des privaten Bereiches eines "Gläubigen", also der öffentliche Religionsauftritt, der in gemeindeähnlichen/kirchlichen Strukturen abläuft -> sozusagen "die Organisation".
Im öffentlichen Bereich kommt es (aus meiner Sicht) unweigerlich zu Religionsfestlegungen und damit zu einer Verschiebung von "Freiheit" zu "Befehl".
Im öffentlichen Bereich von Religion kommt die Gruppenzugehörigkeit als neuer, entscheidender Faktor hinzu.
Auf der einen Seite wollen die elitären Strukturen die Gruppe aufrechterhalten und üben damit automatisch Druck aus, auf der anderen Seite will der einzelne Anhänger zur Gruppe gehören und nimmt den Druck "bereitwillig" an.
Die "Religions-Organisation" schlittert damit ohne wirkliche Kontrolle immer mehr in "Befehle" ab.

Dass die heutigen Kirchen (z.B. in Deutschland) eher schwächer werden, haben sie selbst weder gewollt, noch würden sie es akzeptieren, wenn ihnen ein Machtmittel zur Verfügung stehen würde.
(trotz des Austrittsaufkommen, führen sie immer noch ihre Festlegungsspielchen durch)
Anthros hat geschrieben:Wird einem irdischen Gesetz nicht Folge geleistet, droht eine irdische Strafe, wird dem fünften Gebot nicht Folge geleistet, kann man unter erheblichen psychischen Druck durch "Gläubige" geraten, indem von ihnen mit dem lieben Gott gedroht und übermächtig ins Gewissen geredet wird, wobei schwache Persönlichkeiten leicht Opfer einer Dressur werden können.
Ja richtig.
Anthros hat geschrieben:Mit dem Mysterium von Golgatha sei ein mächtiger Ruck durch die Menschheit gegangen, die Menschheit sei zur Umwandlung bereit gewesen, wie ein Kind sich in Schritten zum Erwachsenen umwandelt und die leitende Erziehung seiner Eltern nicht mehr benötigt, es ist mündig und damit selbstverantwortlich geworden.
Bei den Aussagen von "Spice" ist mir der Begriff "Selbstverantwortung" eingefallen, du benutzt ihn hier sogar explizit.

Es scheint für "Freiheit" wohl essentiell zu sein, dass man sich selbst einen gewissen Qualitätsstatus zugesteht, bevor man an die Religionstexte herangeht.
Anthros hat geschrieben:Ich allein stünde dem ohnmächtig gegenüber, übergeordnete Zusammenhänge allein anhand der Bibel erfassen zu können, aber dafür liegt es allein an mir als für mich allein verantwortliche Person, dazu wirklich geeignete Lehrer zu finden.
Die Gefahr, dass es bei der Einbindung eines "Experten" doch wieder mehr um "Befehl" geht, versteckt sich hinter "wirklich geeignete" Lehrer.
Ein geeigneter Lehrer müsste das sensible Verhältnis von "Freiheit und Befehl" ständig berücksichtigen -> es ist ratsam den Lehrer ständig zu prüfen.
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Einzeln vereinzelt?!

Beitrag von Anthros »

SilverBullet hat geschrieben: So 25. Okt 2020, 09:28 Dieser Vorgang geht von dir als "einzelnem Gläubigen" aus.
Ja und, was soll das jetzt heißen?
SilverBullet hat geschrieben: So 25. Okt 2020, 09:28 Die Gefahr, dass es bei der Einbindung eines "Experten" doch wieder mehr um "Befehl" geht, versteckt sich hinter "wirklich geeignete" Lehrer.
Du gehst von derselben polarisierenden Prämisse aus, die du auf meine Aussage projizierst und zerreißt sie in dir selbst.
SilverBullet
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Re: Freiheit oder Befehl?

Beitrag von SilverBullet »

Anthros hat geschrieben:Ja und, was soll das jetzt heißen?
...
Du gehst von derselben polarisierenden Prämisse aus, die du auf meine Aussage projizierst und zerreißt sie in dir selbst.
Sorry, wenn dir mein Beitrag nicht gefallen hat, es sollte kein Angriff sein.
Egal.
Anthros
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Re: Freiheit oder Befehl?

Beitrag von Anthros »

SilverBullet hat geschrieben: So 25. Okt 2020, 17:26
Anthros hat geschrieben:Ja und, was soll das jetzt heißen?
...
Du gehst von derselben polarisierenden Prämisse aus, die du auf meine Aussage projizierst und zerreißt sie in dir selbst.
Sorry, wenn dir mein Beitrag nicht gefallen hat, es sollte kein Angriff sein.
Egal.
Er sollte dir selber nicht gefallen! Begründung dazu habe ich schon gegeben.
Spice
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Re: Freiheit oder Befehl?

Beitrag von Spice »

SilverBullet hat geschrieben: So 25. Okt 2020, 09:24
Spice hat geschrieben:Du sagst jetzt nichts anderes als ein Gehirn kann nicht richtig funktionieren, weil der Mensch nicht weiß, wie das Gehirn funktioniert.
So wollte ich es eher nicht vermittelt wissen.
Die Gehirnfunktion eines Menschen kann völlig normal vorhanden sein und dennoch macht der Mensch Fehler.

Das Gehirn ist der Körperanteil, der versucht, aus der individuellen Konfrontation mit Sinnesdaten (von der Aussenwelt und vom Körper)
möglichst korrekte Zusammenhänge aufzubauen, so dass der Körper sinnvolle Reaktionen durchführt.

Das Gehirn hat bei jeder Denkreaktion immer zuvor schon einen Entwicklungsweg hinter sich gebracht.
Dieser Weg kann durchaus "nicht ganz optimal" zum Aufbau von korrekten Zusammenhängen (bezogen auf einzelne Themengebiete) gewesen sein.

In Bezug auf "wie funktioniert ein Mensch" kommt das Gehirn schlicht nicht an die notwendigen Eingaben heran.
Wir hatten kurz angesprochen, dass ein Mensch nicht weiss, dass gerade Neuronen und Astrozyten aktiv sind.
Das Gehirn eines Menschen hat hier keinerlei "Eingangsdaten" zur Verfügung -> wir können nicht in unseren Kopf hineinschauen.
Hätte das Gehirn "Eingangsdaten" zur Verfügung, dann würden diese auch verarbeitet werden und wir wären uns weit aus mehr bewusst, was gerade "in uns" vor sich geht.

Das Gehirn baut immer nur soviel Korrektheit auf, wie es dem bisherigen Weg des jeweiligen Körpers entspricht.
Der Aufbau des Gehirns trägt zum Verständnis des Menschen genauso wenig bei, wie man aus den Beinen und Armen erfahren kann, wohin sie gehen und was sie tun.
Spice hat geschrieben:Das ist der Geist des naturalistischen Zeitalters, der alles auf´s Materielle reduzieren will.
Ich kenne solche "Reduktionsvorwürfe", aber es geht gar nicht um Reduktion, sondern um Lösungen.
(der Begriff "Reduktion" enthält immer auch die Behauptung vom Vorhandensein von objekthaften "Mentalteilen")
Die Psychologie weiß längst viel mehr als wie je Gehirnforscher herauszufinden vermögen.
=> Eine funktionierende Lösung ist etwas Beeindruckendes - Gegenargumente verschwinden augenblicklich.
Ich weiß, ich weiß. Deshalb interessiert mich der Autofahrer und nicht das Auto.
Spice hat geschrieben:Bewusstsein ist eine potenzielle Funktion des "Lebens an sich", und Bewusstsein nutzt das Gehirn nur, um in der physischen Welt mittels des Körpers tätig sein zu können.
Ich lasse dir diese Vorstellung, aber wir sind hier natürlich vollständig auseinander.
Ja, schade. Aber nur da liegt die Lösung.
Spice hat geschrieben:Emotionen enstehen nicht aus biochemischen Reaktionen, sondern diese begleiten Emotionen, da sich die Seele im Menschen verkörpert hat. Achte mal darauf: Emotionen und Impulse entstehen aus Urteilen!
Da sind wir wieder beim Entwicklungsweg des Gehirns.
Die Gehirnentwicklung ist ein Ergebnis der geistig-seelischen Prozesse.
Spice hat geschrieben:Bei einer Leiche kann man auch nicht davon sprechen, dass der Mensch noch da ist...
Tja, der Mensch ist aber noch da und der Körper ist nicht unmittelbar tot, sondern sein Nervensystem baut keine fortgesetzten Zusammenhangsreaktionen mehr auf.
Weil das Leben, der eigentliche Mensch entwichen ist, wie wir das heute sehr schön durch die Nahtoderlebnisse illustriert bekommen.

Auch der "Geist"-Anhänger, der nur von einem Leben ausgeht, steht ja vor dem Problem, wie es denn zur "Hochzeit" der beiden Teile ("Körper" <-> "Geist") kommen soll.
Das Behaupten einer einmaligen "Hochzeit" unterscheidet sich vom "beteiligten Wissen" her, eigentlich kaum, von der Behauptung einer mehrmaligen "Hochzeit" - es ist eher ein einheitliches Fehlen von Erklärungsansätzen.
Esoterik und idealistische Philosophie können das befriedigend erklären.

Spice hat geschrieben:Ja, aber ich habe genauso angefangen wie alle anderen. Ich habe zunächst auch alles wortwörtlich genommen. Aber wenn man dann die verschiedenen Aussagen zusammenhält, merkt man eine Menge Widersprüche nicht nur untereinander, sondern auch zu dem, was der Mensch wirklich weiß.
OK, du hast es also grundsätzlich zugelassen, dass Textaussagen widersprüchlich sein können und dass dir dies auch auffallen kann.
Ich vermute, dass dies eine ganz wichtige Voraussetzung ist, von der man nicht bei jedem "Gläubigen" ausgehen kann - dort herrscht eher das Motto: "die Bibel hat Recht - ich verstehe es nur (noch) nicht - man kann es vielleicht gar nicht verstehen, das macht aber nichts, es stimmt trotzdem".
Im Grunde zeigst du bereits ein Prüfverhalten.
(was ich mache, mag intensiver sein, aber es ist auch nur ein Prüfverhalten)
Ja, ohne etwas zu prüfen ist Erkenntnis unmöglich.
Der zweite Punkt "zudem, was der Mensch wirklich weiss" ist auch interessant.
Damit durchbrichst du den "Trichterblick durch die Behauptungen der antiken Texte" und "belastest" die Bibelaussagen mit dem Druck sonstiger Erkenntnisse.
Auch hier lässt du es zu, dass etwas richtig sein kann, obwohl es nicht im antiken Text behauptet wird (vielleicht wird es dort sogar anders behauptet).

Vielleicht kann man es auch so formulieren:
Du bist dir bewusst, dass du einen Text vor dir hast und Text ist nicht automatisch "in Gold gegossene Wahrheit", sondern es gilt eher "Papier ist geduldig".

Unterm Strich fällt mir dazu der Begriff "Selbstständigkeit" bzw. "Selbstverantwortung" ein.
Ich habe keinen Einblick, wie umfangreich deine Selbstständigkeit ist, aber es liegt auf jeden Fall nicht der volle Dominanzgrad vor, den die antiken Texte auszuüben imstande sind.

Für den Freiheitsanteil ist "Selbstständigkeit" wohl die zentrale "Zutat" -> vermutlich durch nichts ersetzbar.
"Papier ist geduldig" würde ich in diesem Zusammenhang nicht verwenden.
Aber sonst gebe ich Dir hier recht.
Es sind Texte aus einer bestimmten Zeit, die dem damaligen Bewusstseinstand der Menschen entsprachen. Man könnte sagen, sie entsprachen dem, dem unsere heutigen Schulbücher oder Fachbücher entsprechen. Die achtet man ja auch höher als irgendeinen Jerry Cotton - Roman.
Spice hat geschrieben:Ich nehme die Bibel ernst. Ich gehe über ihre Aussagen nicht leichtfertig hinweg. Aber ich weiß, dass sie mir nichts nützen, wenn ich nicht verstehe, was und warum etwas gesagt wird.
Das sehe ich als Bestätigung meiner "Selbstständigkeit"-Analyse an, denn du stellst hier "den Nutzen für dich" in den Vordergrund, d.h. du bist kein einfacher "Diener", kein "Erfüller" der biblischen Auflagen.
So ist es.
SilverBullet
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Re: Freiheit oder Befehl?

Beitrag von SilverBullet »

@Spice
Im Sinne des Thread-Themas scheint zwischen dir (einem Gläubigen) und mir (einem Nicht-Gläubigen) eine nicht häufig vorkommende Einigkeit zu bestehen.

Vorschlag:
Was würdest du davon halten, wenn wir genau hier und jetzt, also wenn der Höhepunkt erreicht ist, aufhören?

(dass wir in sonstigen Fragen weit auseinanderliegen und dies hier auch ersichtlich geworden ist, trägt meiner Meinung nach zur Qualität der Einigkeit bei)

Ich bedanke mich schon mal für das gute Gespräch.
Spice
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Re: Freiheit oder Befehl?

Beitrag von Spice »

SilverBullet hat geschrieben: Mo 26. Okt 2020, 14:51 @Spice
Im Sinne des Thread-Themas scheint zwischen dir (einem Gläubigen) und mir (einem Nicht-Gläubigen) eine nicht häufig vorkommende Einigkeit zu bestehen.

Vorschlag:
Was würdest du davon halten, wenn wir genau hier und jetzt, also wenn der Höhepunkt erreicht ist, aufhören?
Ganz, wie Du willst. Vielleicht ergibt sich ja später eine Fortsetzung, wenn die Gedanken des anderen in einem selbst gereift sind?

(dass wir in sonstigen Fragen weit auseinanderliegen und dies hier auch ersichtlich geworden ist, trägt meiner Meinung nach zur Qualität der Einigkeit bei)

Ich bedanke mich schon mal für das gute Gespräch.
Ich mich auch!
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