oTp hat geschrieben: ↑Di 19. Okt 2021, 11:55
Der reine Verstand, im Sinne von rein, würde das Richtige tun.
Die Gotteserfahrung durch Meditation ist so eine Sache. Angenommen, man erlebt wirklich das Wesen Gottes: Warum muss man denn annehmen, wir seien tief innen sowieso göttlich ? Es würde doch genügen, wenn man sagt, der Mensch sei fähig, das Wesen Gottes zu erleben.
Meditieren ist auch kein normaler Bewusstseinszustand, eher eine Art Trance. Weit kommen dabei auch nur recht wenige Menschen. Dazu erklärt man dann, man sei eben karmisch noch nicht weit genug, um Gott "voll und ganz" erleben zu können.
Und grundsätzlich sind alle Bemühungen um "Erweiterung" des Bewusstseins schwierig bis erfolglos. Deshalb machen es manche Menschen zu ihrem Lebensinhalt. Das bedeutet, dass sie sich völlig absondern von allem, was menschlich normales Leben, Denken und Fühlen ist.
Was nun davon wahr und sinnvoll ist, darüber kann man sicher streiten.
Der Meditierende entzieht sich jedenfalls dem Handeln als Ursache von Leid und Elend. Er identifiziert sich auch nicht mehr mit menschlichem Handeln, sondern ist sozusagen ein Aussteiger aus dem Fluss des Lebens. Ob das natürlich ist ?
Das "Argument" habe ich öfters gehört: Man braucht keinen Gott, um irgendwas zu erklären, und überhaupt, Gott ist nicht notwendig. Ergo gibt es ihn nicht. Diese Logik ist mir unbegreiflich.
Die Frage ist nicht, was "genügt" oder ob man etwas "annehmen muss" sondern wie es denn nun wirklich ist, ob und inwieweit man daran Interesse hat.
Wie es @Johncom schreibt, Meditation ist nur ein Oberbegriff und darunter versteht man eine riesige Bandbreite an Übungen aller Art, die im Extremfall so viel miteinander zu tun haben, wie ein tosender Wasserfall mit dem Planeten Merkur. (Oder ein Gnu mit einem schwarzen Loch.)
Das, was Du da im Kopf hast, ist nur eine spezielle Form oder Richtung, aber mehr auch nicht. Und was wirklich dahinter steckt, das muss erstmal erfahren und erlebt werden. Vorher sind es nur Worte, Konstrukte, "Worthülsen".
Ein innigliches Gebet zu Gott, Jesus, wem auch immer, kann absolut als Meditation bezeichnet werden. Man kann sitzend, liegend, stehend, laufend, fahrend meditieren, aufrecht oder im Kopfstand, gebückt oder gestreckt, bei der Arbeit oder vor dem Fernseher, in der Kirche oder auf dem Eifelturm. Es gibt sowohl aktive als auch passive Meditation. Laut oder leise. Physich oder geistig, oder beides. Allein oder in einer Gruppe. Alles kann dabei Sinn und Zweck sein: Materielles, Geistiges, Seelisches, Gutes, Böses, Demütiges, Egoistisches - alles einfach.
Zu sagen "ich meditiere" ist in etwa so aussagekräftig wie wenn man sagt: "Ich höre gern Musik." oder "Ich lese gern Bücher." Zwei Menschen können meditieren und doch so so so unterschiedlich sein in ihrem Bewußtsein, ihrer Weltanschauung, Ausrichtung etc. etc. etc....
Es gibt viele viele Techniken und ständig denken sich Menschen neue aus. Insofern ist ein Urteil über "die Meditation" wohl eher sinnfrei. Selbst wenn die Rede ist von "Erleuchtung" oder "Vereinigung mit Gott", kann das bei jedem Menschen etwas ganz anderes bedeuten. Meditation hat gerade in christlichen Kreisen einen sehr negativen "New Age" Anstrich - was sehr schade ist, was dem einfach nicht gerecht wird. Wie gesagt: Auch ein Gebet ist eine Form der Meditation. Für einen hohen spirituellen Meister ist die Meditation nichts anderes als ein Gebet zu Gott - die höchste Form der Meditation. Eine Zwiesprache, eine liebevolle, hingabevolle Annäherung. Aber ein christlich geprägter Mensch hat meist einen unglücklichen Bezug dazu, eben weil es zu viele Vorurteile gibt.
Trance - was ist Trance? Unter Trance versteht man eher einen sehr unbewussten Zustand der totalen Selbstvergessenheit in einer Art lauter, wilder Rage, ein Kontrollverlust bei Tanz, Musik und Rausch. Etwas in der Art. Kann man auch Meditation nennen, aber das bewegt sich eher am äußeren Rand des Spektrums. Das führt auch eher nach unten als nach oben.
Es ist klar, dass das höchste Ziel für die meisten von uns erstmal völlig utopisch und unerreichbar ist. Aber die Heiligen und Meister haben uns immer wieder gesagt, dass es sehr wohl möglich ist. Mehr noch, sie haben uns gesagt, dass es der Sinn und Zweck des menschlichen Lebens und unser höchstes Privileg ist, diesen Aufstieg der Seele zu erreichen. Ein Rennauto ist nicht da für kurvige Sonntagsfahrten im Schleichtempo. Es will, dass man Gas gibt, dass man damit sehr sehr schnell fährt, an einen weit entfernten Ort. Dazu hat man es, dafür wurde es konstruiert und gebaut. Also was soll falsch daran sein, es auch so zu benutzen? Jetzt steht dieses gewaltige Fahrzeug in Deiner Garage - jetzt. Morgen ist es vielleicht schon wieder weg. Morgen schon könnte ein alter, lauter, stinkender Trabbi in Deiner Garage stehen. Dann wirst Du vielleicht weinen, weil Du Deinen 1000PS Maserati (auf den Du schon tausend Jahre hin gearbeitet und gewartet hast) nur zum Einkaufen von Snacks an der nächsten Tanke benutzt hast, "weil man ja nicht mehr braucht und man nicht so überheblich und maßlos ist wie andere, die damit in eine andere Stadt oder noch weiter fahren wollen". (Auf die man verächtlich herabschaut, während man sich anderweitig doch gern mal "was besseres gönnt" - "warum auch nicht" ?)
Jesus Christus lehrt einen lebendigen Weg, keinen Weg des "weltfremden Abhebens" oder der Traumtänzerei. Ganz im Gegenteil: Er fordert von uns: Arbeite hart, diene deinen Nächsten und Gott in Liebe. Leide und bete. Nimm Dein Kreuz und trage es mit Würde und Dankbarkeit. Das Gebet gehört genauso dazu, wie die körperliche Arbeit und all das. Aber so wie auch Jesus sich 40 Tage in die Wüste zurückzog, ist es auch für den Suchenden sinnvoll, eine Zeit des Rückzugs zu nehmen. "Retreat". Wenn alles stimmt und passt, kann das sehr erhebend sein.