Lineares Denken in der Naturwissenschaft

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Catholic
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Lineares Denken in der Naturwissenschaft

Beitrag von Catholic »

Abgetrennt aus: Impfung -- JA oder NEIN?

Pluto hat geschrieben:
Catholic hat geschrieben: Übrigens sprachen medizinische Laien früher auch oft von der Entschlackung des Körpers,was ebenfalls biologisch und medizinisch falsch ist,da es im menschlichen Körper nichts zu entschlacken gibt.
Sehe ich genauso, Catholic. :thumbup:
Der Begriff "Entschlacken" stammt in Bezugnahme auf die Medizin aus der Zeit der beginnenden Industrialisierung,als man sah,wie in den Stahlwerken das Metall von der Schlacke getrennt wurde,denn damals ging man davon aus,dass Krankheiten Funktionsstörungen des Körpers sind und die Funktion eben wieder hergestellt werden muss.
Heute ist man weiter-- zum Glück-- und geht wieder in Richtung Ganzheitlichkeit (also die Beachtung von Körper,Geist und Seele) und geht immer mehr wieder dazu über auch die gesamte Lebenssituation des Menschen in den Blick zu nehmen.
So gesehen war die Sichtweise der Hl. Hildegard von Bingen bzgl. der Heilung des Menschen schon richtig,dass ein Mensch geheilt ist,wenn er in Harmonie mit sich und der Umwelt lebt.
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Pluto
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Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Pluto »

barbara hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Ich sehe Reduktionismus als primäres Mittel der Analyse. Wenn man die Teile im Einzelnen versteht, kann man das Objekt der Untersuchung wieder als Ganzes sehen. Erst dann wird der Gegenstand oder das Konzept wertvoll.
Stimmt, bloss wird die Synthese allzu oft vergessen, übersehen, beiseite gelassen.
Das mag deine Erfahrung in deinen Kreisen sein, aber ich sehe das in Kreisen der Wissenschaftler anders. Die Aufgabe ist erst fertig, wenn das Gesamte sicht bar und brauchbar ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Babs
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Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Babs »

Pluto hat geschrieben:Das mag deine Erfahrung in deinen Kreisen sein, aber ich sehe das in Kreisen der Wissenschaftler anders. Die Aufgabe ist erst fertig, wenn das Gesamte sicht bar und brauchbar ist.
Und warum wird dann ständig linear argumentiert und aufgrund von linearen, modellhaft reduzierten Argumenten politische Forderungen abgeleitet, die dann auf die komplexe, chaotische, unberechenbare Welt angewendet werden sollen?

Die benehmen sich alle wie Talebs Truthahn, der einen Tag vor Thanksgiving mit vollem Vertrauen in die statistische Analyse sagt: es geht uns immer besser, immer besser!

http://www.fooledbyrandomness.com/noteb ... age002.jpg

gruss, barbara
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Pluto
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Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Pluto »

barbara hat geschrieben:Und warum wird dann ständig linear argumentiert und aufgrund von linearen, modellhaft reduzierten Argumenten politische Forderungen abgeleitet, die dann auf die komplexe, chaotische, unberechenbare Welt angewendet werden sollen?
Erstens haben Frauen immer den Hang die Dinge kompliziert zu sehen.
Das Bild ist schlecht zu erkennen, aber oben steht "Men" und unten "Women". :P
Men and Women.jpg
Men and Women.jpg (33.66 KiB) 2355 mal betrachtet
[ Quelle: Vortrag (What is Life?) von Prof. Paul Nurse, Biologe und Nobelpreisträger ]

Spaß beiseite...

In einer kausalen Welt wie die unsere, lässt sich das Meiste "linearisieren". Natürlich gibt es Komplexität, aber auch diese ist in den allermeisten Fällen durch Linearisierung sehr gut approximierbar (vgl. Newtons Integralrechung).

Ein Beispiel (bitte nicht zuhause nachmachen):

Was ist die Temperatur deines Zimmers? Ungefähr 20 Grad, oder?
Wenn man die Temeratur überall im Raum messen will, dann teilt man ihn in kleine würfelförmige Zellen ein, die man fortlaufend nummerieren kann. Dann bestimmt man die Temperatur jeder Zelle und schreibt sie, durch Kommata getrennt, hinterienander in ein Heft. Je nach der gewünschten Genauigkeit, kann man auch hundertstel Grad aufschreiben. Wenn man hinterher noch weiß wie die erfassten Daten zu interpretieren sind, kann man eine genaue Karte der Temperatur in deinem Zimmer zeichnen.

Das ist lieares Denken. Es ist oft aufwändig, aber meistens Zielführend.
Es klingt banal aber es ist eines der mächtigsten Werkzeuge die ich kenne. Diesese Prinzip der Linearisierung von Problemen bildet die eigentliche Grundlage für 99% der Naturwissenschaft. Das zweite Prinzip der Physik ist die Rükverfolgbarkeit einer kausalen Kette.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Babs
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Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Babs »

Pluto hat geschrieben:In einer kausalen Welt wie die unsere, lässt sich das Meiste "linearisieren". Natürlich gibt es Komplexität, aber auch diese ist in den allermeisten Fällen durch Linearisierung sehr gut approximierbar (vgl. Newtons Integralrechung).
äh nein. Ist sie eben nicht. Wenn wir grad bei Newton bleiben wollen, den Gleichungen zu Energie und Bewegung: Wenn sich die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs verdoppelt, dann verdoppelt sich die Gefahr für Leib und Leben eben nicht linear - sondern sie vervierfacht sich! Wer nur schon in diesem simplen, wenig komplexen Beispiel sich auf approximatives Linearisieren verlässt, liegt massiv daneben.

Komplexe Systeme sind noch viel weniger berechenbar (eine Parabel wie im Beispiel oben ist ja immerhin noch relativ leicht zu berechnen), sondern da kommt es oft vor, dass lange Zeit gar nichts passiert - und dann auf einmal ein riesiger Sprung. Der dann oft auch nicht rückgängig gemacht werden kann. Und das findet man eben nicht heraus durch lineares Approximieren, sondern nur durch Erfahrung, und am liebsten durch Erfahrungen, die man nicht alle selbst machen muss.

Man kann ein Ei leicht zerschlagen, aber man kann es nicht ent-schlagen... man kann mit zunehmender Stärke ein Ei auf den Rand eines Glases klopfen, und nichts passiert, aber dann klopft man nur noch ein bisschen stärker, und die Schale zerbricht, und das Ei läuft aus, und es passiert SEHR vieles, das nicht rückgängig zu machen ist.

Oder: ein fades Gericht wird besser, wenn man etwas Salz dazu gibt. Allerdings gilt nicht, dass es doppelt so gut wird, wenn man die doppelte Menge Salz dazu gibt, und hundert Mal so gut, wenn man die hundertfache Menge Salz dazu gibt. Gewürze funktionieren nicht linear.



kann man eine genaue Karte der Temperatur in deinem Zimmer zeichnen.
Könnte ich machen, ist aber nicht sehr interessant.
Es klingt banal aber es ist eines der mächtigsten Werkzeuge die ich kenne. Diesese Prinzip der Linearisierung von Problemen bildet die eigentliche Grundlage für 99% der Naturwissenschaft.
Wenn immer es um Menschen geht, liegen die Fragen im restlichen 1%. Weil Menschen eben nicht linear sind
Das zweite Prinzip der Physik ist die Rükverfolgbarkeit einer kausalen Kette.
Es gibt da ja nicht nur Ketten à la A > B > C > D, immer schön rückverfolgbar, jede Wirkung komnmt aus einer Ursache.

Es gibt Rückkoppelungsschleifen; viele hundert davon in einem Lebewesen. Die alle aufeinander einwirken. Da die kausalen Verknüpfungen im Detail zu entwirren, ist unmöglich und wird für längere Zeit unmöglich bleiben.

Es gibt Phänomene, die multikausal bedingt sind, wo viele Faktoren zusammenspielen, und in ihrer Gesamtheit ein Phänomen verursachen, aber keiner dieser Faktoren hätte einzeln dieses Phänomen verursacht.

Es gibt einzelne Faktoren, die mehrere Phänomene verursachen, teils auch zeitverschoben, oder im Raum verschoben, sodass es nicht leicht erkenntlich ist, dass die Phänomene von der selben Ursache erzeugt werden.

Sprich: was komplexe Systeme wie zB Menschen betrifft, da weiss man noch recht wenig. hier mit linearen Annäherungen reinzuhauen, ist ein Benehmen wie der Elefant im Porzellanladen und wie die Axt im Walde: grob, ungenau, zerstörerisch.

gruss, barbara
Apate 12

Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Apate 12 »

Dieses Post hatte eine bestimmte Würze, von daher kann ich nicht sagen wie explosiv der Geschmack ist.
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Pluto
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Re: Lineares Denken in der Naturwissenschaft

Beitrag von Pluto »

barbara hat geschrieben:Man kann ein Ei leicht zerschlagen, aber man kann es nicht ent-schlagen...
Es gibt nur einen Weg das Ei zu zerschlagen, aber es gibt viele Möglichkeiten die Einzlteile wieder zusammenzusetzen. Ist nun mal eine Folge des Entropiesatzes.
Viel erstaunlicher finde ich, dass ein dummes es schafft, jeden Tag so ein Ding herzustellen.
barbara hat geschrieben:Wenn immer es um Menschen geht, liegen die Fragen im restlichen 1%. Weil Menschen eben nicht linear sind
Das ist nicht zuletzt ein Folge des dritten Clarke'schen Gesetzes. Wenn man es nicht versteht, sieht es wie Magie aus.
barbara hat geschrieben:
Das zweite Prinzip der Physik ist die Rükverfolgbarkeit einer kausalen Kette.
Es gibt da ja nicht nur Ketten à la A > B > C > D, immer schön rückverfolgbar, jede Wirkung komnmt aus einer Ursache.
Natürlich ist es so: Alles hat eine Ursache. Jeder physikalische oder chemische Prozess ist prinzipiell rückverfolgbar, denn die Information geht grundsätzlich nicht verloren.
Dass es in dr Praxis nicht gelingt, hat mit der Größe der Aufgabe, ist aber nicht grundsätzlich unmöglich.
barbara hat geschrieben:Es gibt Rückkoppelungsschleifen; viele hundert davon in einem Lebewesen. Die alle aufeinander einwirken.
Ähm... Die meisten Schleifen in einem Lebewesen sind übrigens genau das Gegenteil, es sind Gegekopplungsschleifen, die diechemischen Reaktionen kontrollieren, damit nichts aus dem Ruder läuft. Jedes Lebewesen ist im Grunde nichts anderes als ein "Sack" oller chemischer Vorgänge.
barbara hat geschrieben:Da die kausalen Verknüpfungen im Detail zu entwirren, ist unmöglich und wird für längere Zeit unmöglich bleiben.

Es gibt Phänomene, die multikausal bedingt sind, wo viele Faktoren zusammenspielen, und in ihrer Gesamtheit ein Phänomen verursachen, aber keiner dieser Faktoren hätte einzeln dieses Phänomen verursacht.
Das ist zwar richtig, aber das ist noch lange kein Grund um zu kapitulieren und zu sagen etwas sei nicht erklärebar weil es kompliziert ist.
barbara hat geschrieben:was komplexe Systeme wie zB Menschen betrifft, da weiss man noch recht wenig.
Es wäre traurig, wenn wir alles schon wüssten. Dennoch weiß man auf gewissen Gebieten schon sehr viel, und täglich kommt neues Wissen hinzu. Das ist das "täglich Brot" der Wissenschaft.

Zum Schluss noch ein paar passende Aussagen von Albert Einstein:
- Der Fortschritt geschieht heute so schnell, dass, während jemand eine Sache für gänzlich undurchführbar erklärt, er von einem anderen unterbrochen wird, der sie schon realisiert hat.
- Es gibt nichts Schöneres als das Mysteriöse. Aus ihm entspringt alle wahre Kunst und Wissenschaft.
- Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Babs
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Re: Lineares Denken in der Naturwissenschaft

Beitrag von Babs »

Pluto hat geschrieben: Das ist nicht zuletzt ein Folge des dritten Clarke'schen Gesetzes. Wenn man es nicht versteht, sieht es wie Magie aus.
Wie Esoterik, meinst du wohl?
Jedes Lebewesen ist im Grunde nichts anderes als ein "Sack" oller chemischer Vorgänge.
na, in dem Fall können wir ja die Menschenrechte alle abschaffen. Chemische Vorgänge brauchen keine Menschenrechte. :?
Das ist zwar richtig, aber das ist noch lange kein Grund um zu kapitulieren und zu sagen etwas sei nicht erklärebar weil es kompliziert ist.
Aber noch viel weniger ein Grund, unbedingt was Lineares herzustellen, das auf keinen Fall passt. Was aber immer wieder getan wird.
Es wäre traurig, wenn wir alles schon wüssten. Dennoch weiß man auf gewissen Gebieten schon sehr viel, und täglich kommt neues Wissen hinzu. Das ist das "täglich Brot" der Wissenschaft.
na, das wär doch mal ein Anlass für dich, dich in die komplexen Systeme einzuarbeiten, wo es nicht nur um neue Inhalte geht (zB neue Arten von Molekülen), sondern um eine neue Art des Denkens.
- Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.
na, dann wirf mal die Linearität weg, der gibst du viel zu viel Bedeutung.

gruss, barbara
Anton B.
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Re: Lineares Denken in der Naturwissenschaft

Beitrag von Anton B. »

barbara hat geschrieben:Aber noch viel weniger ein Grund, unbedingt was Lineares herzustellen, das auf keinen Fall passt. Was aber immer wieder getan wird.
Wer macht denn wo sowas? Gibt es da ein Beispiel?
Das Problem: Es gibt auch eine Wirklichkeit, wie es historisch wirklich war.
Babs
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Re: Lineares Denken in der Naturwissenschaft

Beitrag von Babs »

Anton B. hat geschrieben:
barbara hat geschrieben:Aber noch viel weniger ein Grund, unbedingt was Lineares herzustellen, das auf keinen Fall passt. Was aber immer wieder getan wird.
Wer macht denn wo sowas? Gibt es da ein Beispiel?
Lies einen beliebigen Beitrag von Pluto, er ist der absolute König linearen Denkens und weicht keinen Millimeter davon ab. nie. auf keinen Fall.

gruss, barbara
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