closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Aber keine dieser dogmatisch auf ihre Begründer verpflichteten Philosophenschulen haben je vertreten, dass man nicht anders denken DÜRFE, um sein persönliches Heil nicht zu verfehlen.
Vordergründig hast Du auf jeden Fall recht ...
Ich habe nicht nur vordergründig recht, sondern auch hintergründig.
Ich hoffe, es ist dir klar, lieber closs, dass nichts von dem, was du in deiner Antwort schreibst, meine Diagnose der Offenbarungsreligionen bezüglich ihres Ideologiecharakters und der kanonischen Exegese hinsichtlich ihrer (gewollten) antiwissenschaftlichen Ausrichtung entkräftet.
Es ist wirklich bemerkenswert, welche Verbiegungen du hinlegst, nur um das Offensichtliche nicht erkennen zu müssen. Man könnte fast meinen, du bekommst von den Katholiken Geld für jedes Post, in dem du einfach nur unbeirrt auf der dogmatisch vorgegebenen, erzkatholischen Position beharrst.
closs hat geschrieben:
Von katholischer Seite habe ich jetzt von verschiedenen Seiten gehört, dass "katholikon" eigentlich "allumfassend" heisst" (das ist wahrlich nichts Neues), aber auch andere Religionen umfasst (das habe ich nicht gehofft, von katholischen Theologen zu hören) - im Sinne von: "Jeder, der Gott auf seinem Erkenntnisstand sucht (kann auch ein Moslem sein), gehört bereits jetzt dazu". - Hinzuzufügen ist: "Am Ende wird keiner drum rumkommen, weil es nur EINEN Bahnhof gibt".
Da hat man dir aber einen schönen katholischen Bären aufgebunden. Selbst, wenn dir das der amtierende argentinische Papst höchstselbst in einem Augenblick unverhoffter aufgeklärter Erleuchtung zugeflüstert hätte, würde er damit gegen seinen eigenen katholischen Katechismus verstoßen.
Das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus erklärt:
„Nur durch die katholische Kirche Christi, die allgemeine Hilfe zum Heil ist, kann man die ganze Fülle der Heilsmittel erlangen. Denn einzig dem Apostelkollegium, dem Petrus vorsteht, hat der Herr, so glauben wir, alle Güter des Neuen Bundes anvertraut, um den einen Leib Christi auf Erden zu bilden, dem alle völlig einverleibt werden müssen, die schon auf irgendeine Weise zum Volke Gottes gehören" (UR 3).
Katechismus der Katholischen Kirche 1997, Absatz 3 DIE EINE, HEILIGE, KATHOLISCHE UND APOSTOLISCHE KIRCHE, 816
Kurzum: der Katholizismus beharrt in seiner religiösen Verstocktheit und Verblendung heute wie einst darauf, dass das Heil nur durch die Anerkennung der Glaubensgrundsätze der heiligen katholischen Kirche erreicht werden kann.
closs hat geschrieben:
Mit anderen Worten: Die Ideologie der Theologie besteht darin, dass keiner etwas daran ändern kann, am Ende an dem EINEN Bahnhof einzufahren - egal welches Ticket und welche Destination er gelöst hat.
Nö, mein Lieber, dass ist nicht die Ideologie der "Theologie", sondern die Ideologie der liberalsten Ausrichtung innerhalb der protestantischen Kirche (nicht der katholischen). So liberal wie du vorgibst, ist weder die protestantische Kirche im Allgemeinen und schon gar nicht die katholische.
closs hat geschrieben:
Ist das "Ideologie"?
Aber ja doch! Alle Offenbarungsreligionen sind ideologisch. Das müssen sie ihrer Natur nach auch sein, denn wenn man der festen Ansicht ist, der eigene Gott sei der einzig wahre und die eigenen Glaubensgrundsätze darum die einzig richtigen, dann müssen die anderen Gottheiten folgerichtig Götzen sein und deren Glaubensgrundsätze falsch. Dass die eigene Gottheit der Götze sein könnte und die eigenen Glaubensgrundsätze falsch, wird selbstverständlich ausgeschlossen: das ist so lupenreine Ideologie, wie es sie nur geben kann.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Weder die modernen Wissenschaften, noch die historisch-kritische Exegese sind ideologisch.
Prinzipiell richtig - KEINE Wissenschaft dürfte weltanschaulich, geschweige denn ideologisch sein. -
Nur: Hält man sich daran?
Aber sicher, jedenfalls die wissenschaftlich arbeitenden Wissenschaftler! Es gibt natürlich immer mal schwarze Schafe, die in der Regel aber durch ihre korrekt arbeitenden Kollegen oder die Zeit korrigiert werden.
Wenn hier an anderer Stelle geschrieben wird, der Umstand, dass die Biologie nur noch die Evolutionstheorie in Betracht zieht, aber keine kreationistischen oder teleologischen Erklärungen beweise doch, dass sie nicht vorurteilslos wissenschaftlich sei, ist ausgemachter Unsinn. Wissenschaftliche Unabhängigkeit und Vorurteilslosigkeit heißt nämlich nicht, dass sie jederzeit jeden Blödsinn in Betracht ziehen müsste, den sie in den letzten 500 Jahren erst erfolgreich überwunden und als falsche Erklärungsmuster erwiesen hat.
closs hat geschrieben:
Theißen bspw. hält sich daran, weil er ausdrücklich in seinem Vorwort sagt, dass er "methodische Ergebnisse" bringt, also SEINE Methodik durchzieht und diese sauber durchziehen will, und fügt hinzu, dass "das, was wirklich ist" anders sein könnte (und zwar NICHT, weil sich die Quellenlage noch ändern könnte, sondern prinzipiell - ich füge hinzu: weil man nie weiß, ob die Vorannahmen einer Methodik authentisch zu dem sind, was bei einer konkreten Fragestellung der Fall ist).
Da missverstehst du Theissen gewaltig. Theissen will mit seinem Hinweis, dass er nach der etablierten historisch-kritischen Methodik arbeitet nicht etwa einräumen, dass jeder nach seiner beliebigen Methode arbeiten könne und es würden dabei ähnlich valide Ergebnisse herauskommen, wie bei der historisch-kritischen. Er will damit lediglich sagen, dass manche Ergebnisse nur mit hinreichender, aber nicht mit absoluter Sicherheit konstatiert werden können.
closs hat geschrieben:
2) Philosophie/Weltanschauung sagt in Umkehrung von 1): "Alles, was nicht falsifizierbar ist, IST irrelevant, weil es dann keine Entität/Realität/oä sein kann. - Wir untersuchen also mit dem Kritischen Rationalismus alles, was sein kann".
Tut mir sehr Leid, aber das ist Blabla. In keiner historisch-kritischen Arbeit findet sich zu Beginn eine Verpflichtung auf den kritischen Rationalismus. Zudem verstehst du gar nicht, was kritischer Rationalismus ist und was Falsifizierbarkeit eigentlich bedeutet. Das kommt ja noch hinzu ... Du hast dir da einen Theorie-Überbau zusammengeschustert, der mit dem, was wissenschaftliche Praxis ist nicht das Geringste zu tun hat. Du hast niemals selbst historisch-kritisch (und vermutlich auch nicht kanonisch-exegetisch) gearbeitet. Du hast niemals selbst eine Perikope in allen Einzelheiten analysiert. Belehre mich eines Besseren, wenn ich mich irre sollte ... aber du weißt im Grunde nicht, welches methodische Arbeiten du hier eigentlich genau kritisierst.
closs hat geschrieben:Der kritische Rationalismus ist bei der HKM ebenfalls vorgegebene Grundlage - konkret: Wäre Jesus historisch göttlich, könnte dies innerhalb der HKM prinzipiell nicht berücksichtigt werden - insofern sind die Unterschiede nicht so groß, wie Du es darstellst.
Das ist schlicht falsch. Der kritische Rationalismus ist doch nicht die Arbeitsgrundlage der HKM! Das macht die HKM schon allein darum nicht, weil sie sich wissenschaftstheoretisch weder festlegen muss noch will. Und wäre er ihre Grundlage, wäre es nicht die schlechteste wissenschaftstheoretische Wahl. Zudem gehört zum kritischen Rationalismus als Wissenschaftstheorie nicht die Vorgabe, Jesus könne nicht göttlich sein. Was ist das denn für ein irrsinniger Gedanke. Seine Methodik basiert doch nicht auf derart konkreten Annahmen.