Ein Geschmack von Leben

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Spice
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Ein Geschmack von Leben

Beitrag von Spice »

Jesus hatte keine andere Absicht als uns vom Dahinvegetieren zum LEBEN zu führen. Das wird nicht immer klar, wenn diese wunderbare Wahrheit von einem Gestrüpp geistiger Verrenkungen - resultierend aus unverstandener Bibellektüre und den Dogmen falscher Prediger - überwuchert ist. Da hilft es mal den Text eines Menschen auf sich wirken zu lassen, der davon etwas gespürt hat.

Auf diesen Text bin ich heute zufällig gestoßen. Er stammt von Oscar Wilde

" Die wahre Vollkommenheit des Menschen liegt nicht in dem, was er hat, sondern in dem, was er ist.

Sie wird etwas Wunderbares sein – die eigentliche Persönlichkeit des Menschen – wenn sie sich uns zeigen wird. Sie wird in natürlicher und einfacher Art wachsen, wie eine Blume, oder wie ein Baum wächst. Sie wird nicht im Streit liegen. Sie wird nie argumentieren oder disputieren. Sie wird nichts in der Welt beweisen. Sie wird alles wissen. Und doch keinen Wissenschaftsbetrieb kennen. Sie wird weise sein. Ihr Wert wird nicht mit materiellen Dingen messbar sein. Sie wird nichts haben. Und wird doch alles haben, und soviel man ihr auch nimmt, sie hat noch immer, so reich ist sie. Sie wird sich nicht immer um andere kümmern oder von ihnen verlangen, sie sollten ebenso sein wie sie selbst. Sie wird sie lieben, weil sie anders sind. Und doch, während sie sich um andere nicht kümmert, wird sie allen helfen, wie etwas Schönes uns hilft, indem es ist, wie es ist. Die Persönlichkeit des Menschen wird sehr wundervoll sein. Sie wird so wundervoll sein, wie die Persönlichkeit eines Kindes.

Denn sie wird sich nicht um Vergangenes zerreissen und wird sich's nicht kümmern lassen, ob sich etwas ereignet hat oder nicht ereignet hat. Auch wird sie keine Gesetze anerkennen als ihre eigenen und keine Autorität als ihre eigene. Doch lieben wird sie die, die ihre Mächtigkeit vorbereitet haben, und wird oft von ihnen sprechen. Und derer einer war Christus.
»Erkenne dich selbst,« stand über dem Portal der antiken Welt zu lesen. Ueber dem Portal der neuen Welt wird stehen: »Sei du selbst.« Und die Botschaft Christi an den Menschen lautete einfach: »Sei du selbst.« Das ist das Geheimnis Christi. "
Faust

Re: Ein Geschmack von Leben

Beitrag von Faust »

Spice hat geschrieben: Di 9. Jul 2019, 16:39»Erkenne dich selbst,« stand über dem Portal der antiken Welt zu lesen. Ueber dem Portal der neuen Welt wird stehen: »Sei du selbst.« Und die Botschaft Christi an den Menschen lautete einfach: »Sei du selbst.« Das ist das Geheimnis Christi. "
Schön gesagt :thumbup:

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Spice
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Re: Ein Geschmack von Leben

Beitrag von Spice »

weiter bei Oscar Wilde:
"Was Jesus gemeint hat, ist folgendes. Er sagte dem Menschen: »Du hast eine wundervolle Persönlichkeit. Bilde sie aus. Sei du selbst. Wähne nicht, deine Vollkommenheit liege darin, äußere Dinge aufzuhäufen oder zu besitzen. Deine Vollkommenheit ist in dir. Wenn du die nur verwirklichen könntest, dann brauchtest du nicht reich zu sein. Der gemeine Reichtum kann einem Menschen gestohlen werden. Der wirkliche Reichtum nicht. In der Schatzkammer deiner Seele gibt es unendlich wertvolle Dinge, die dir nicht genommen werden können. Und also, suche dein Leben so zu gestalten, dass äußere Dinge dich nicht kränken können. Und suche auch das persönliche Eigentum loszuwerden. Es führt niedriges Gebaren, endlose Angst, ewiges Unrecht mit sich. Persönliches Eigentum hemmt die Individualität bei jedem Schritt.«

Jesus also sagt, dass der Mensch seine Vollendung erreicht: nicht durch das, was er hat, nicht einmal durch das, was er tut, sondern ganz und gar durch das, was er ist. Daher also ist der reiche Jüngling, der zu Jesus kommt, als durchaus guter Bürger hingestellt, der kein Staatsgesetz, kein Gebot seiner Religion verletzt hat. Er ist ganz respektabel, im gewöhnlichen Sinn dieses ungewöhnlichen Wortes. Jesus sagt zu ihm: »Du solltest das Privateigentum aufgeben. Es hindert dich an der Verwirklichung deiner Vollkommenheit. Es ist eine Fessel für dich. Es ist eine Last. Deine Persönlichkeit braucht es nicht. In dir selbst, nicht draußen findest du, was du wirklich bist und was du wirklich brauchst.«

Seinen Jüngern sagt er dasselbe. Er fordert sie auf, sie selbst zu sein und sich nicht immer um andere Dinge zu ängstigen. Was bedeuten andere Dinge? Der Mensch ist in sich vollendet. Wenn sie in die Welt gehen, wird die Welt sich ihnen widersetzen. Das ist unvermeidlich. Die Welt hasst die Individualität. Aber das soll sie nicht kümmern. Sie sollen still und in sich gekehrt sein. Wenn jemand ihnen den Mantel nimmt, sollen sie ihm den Rock noch dazu geben, eben um zu zeigen, dass materielle Dinge keine Bedeutung haben. Wenn die Leute sie beschimpfen, sollen sie nicht antworten. Was liegt daran? Was die Leute von einem Menschen sagen, ändert den Menschen nicht. Er ist, was er ist. Die öffentliche Meinung hat keinerlei Wert. Selbst wenn die Leute Gewalt anwenden, sollen sie sich nicht zur Wehr setzen. Damit sänken sie auf dieselbe niedrige Stufe. Und schließlich kann ein Mensch selbst im Gefängnis völlig frei sein. Seine Seele kann frei sein. Seine Persönlichkeit kann unbekümmert sein. Friede kann in ihm sein. Und vor allem sollen sie sich nicht in andrer Leute Sachen einmischen oder sie irgendwie richten. Um die Persönlichkeit ist es etwas sehr Geheimnisvolles. Ein Mensch kann nicht immer nach dem, was er tut, beurteilt werden. Er kann das Gesetz halten und doch nichtswürdig sein. Er kann das Gesetz brechen und doch edel sein. Er kann schlecht sein, ohne je etwas Schlechtes zu tun. Er kann eine Sünde gegen die Gesellschaft begehen, und doch durch diese Sünde seine wahre Vollkommenheit erreichen.

Es war da eine Frau, die beim Ehebruch ergriffen worden war. Man berichtet uns nichts über die Geschichte ihrer Liebe, aber diese Liebe muss sehr groß gewesen sein; denn Jesus sagte, ihre Sünden seien ihr vergeben, nicht weil sie bereute, sondern weil ihre Liebe so stark und wunderbar war. Später, kurze Zeit vor seinem Tode, als er beim Mahle sass, kam das Weib herein und goss kostbare Wohlgerüche auf sein Haar. Seine Jünger wollten sie davon abhalten und sagten, es sei eine Verschwendung, und das Geld, das dieses köstliche Wasser wert sei, hätte mögen für wohltätige Zwecke, für arme Leute oder dergleichen verwendet werden. Jesus trat dem nicht bei. Er betonte, die leiblichen Bedürfnisse des Menschen seien groß und immerwährend, aber die geistigen Bedürfnisse seien noch grösser, und in einem einzigen göttlichen Moment, in einer Ausdrucksform, die sie selbst bestimmt, könne eine Persönlichkeit ihre Vollkommenheit erlangen."
Faust

Re: Ein Geschmack von Leben

Beitrag von Faust »

Spice hat geschrieben: Mi 10. Jul 2019, 09:42Jesus also sagt, dass der Mensch seine Vollendung erreicht: nicht durch das, was er hat, nicht einmal durch das, was er tut, sondern ganz und gar durch das, was er ist
Sehr gut :thumbup:
Jesus sagt zu ihm: »Du solltest das Privateigentum aufgeben. Es hindert dich an der Verwirklichung deiner Vollkommenheit. Es ist eine Fessel für dich. Es ist eine Last. Deine Persönlichkeit braucht es nicht. In dir selbst, nicht draußen findest du, was du wirklich bist und was du wirklich brauchst.«
Es ist sehr hilfreich, wenn wir uns anschauen, was bereits in der Zeit vor Jesus in der ewigen Weisheitslehre (Sophia Perennis) Gültigkeit hatte, weil es sich seit Jahrtausenden bewährt hat: die vier Sadhana Chatushtaya (Eigenschaften des spirituellen Schülers) Die „Vierheit (Chatushtaya) der spirituellen Praxis (Sadhana)“ lautet wie folgt:

Mumukshutva würde ich auch übersetzen mit einem „Willen zu einem höherwertigen Sein und Leben“. Ohne diesen Willen wird sich nie etwas verbessern. Jesus wurde zu dem lebendigen Christus, einem vollkommen erwachten und befreiten Menschen (nur deshalb kann er „der Weg, die Wahrheit und das Leben“, der Retter und Salvator mundi für uns sein) weil er diese Eigenschaften besaß und den ganzen Weg vom Anfang bis zum Ende erfolgreich gegangen ist. Jesus ist, als der vollkommene spirituelle Mensch, der zutiefst menschlich und gleichzeitig vollkommen göttlich ist, das ultimative „Role-Model“. Wahrhaftes Mensch-Sein und Göttlichkeit in einer Person vereint und offenbart.
Spice
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Re: Ein Geschmack von Leben

Beitrag von Spice »

ff. " Wenn man einem Forscher sagte, die Ergebnisse seiner Experimente, und die Schlüsse, zu denen er gelangte, müssten dergestalt sein, dass sie die hergebrachten populären Vorstellungen über den Gegenstand nicht umstürzten, oder das populäre Vorurteil nicht verwirrten, oder die Empfindlichkeiten von Leuten nicht störten, die nichts von der Wissenschaft verstehen: wenn man einem Philosophen sagte, er habe ein vollkommenes Recht, in den höchsten Sphären des Denkens zu spekulieren, vorausgesetzt, dass er zu denselben Schlüssen käme, wie sie bei denen in Geltung sind, die überhaupt niemals in irgend einer Sphäre gedacht haben – nun, heutzutage würden der Forscher und der Philosoph beträchtlich darüber lachen. Aber es ist in der Tat nur sehr wenige Jahre her, dass Philosophie wie Wissenschaft der rohen Volksherrschaft und in Wirklichkeit der Autorität unterworfen waren – entweder der Autorität der in der Gemeinschaft herrschenden allgemeinen Unwissenheit oder der Schreckensherrschaft und der Machtgier einer kirchlichen oder Regierungsgewalt

Denn wonach der Mensch gesucht hat, das ist wahrhaftig nicht Leiden und nicht Lust, sondern einfach Leben. Der Mensch hat danach gesucht, intensiv, völlig, vollkommen zu leben. Wenn er das tun kann, ohne gegen andere Zwang zu üben oder ihn je zu dulden, und wenn all seine Betätigungen ihm lustvoll sind, dann wird er gesünder und kraftvoller sein, mehr Kultur haben, mehr er selbst sein. Lust ist das Siegel der Natur, ihr Zeichen der Zustimmung. Wenn der Mensch glücklich ist, dann ist er in Harmonie mit sich selbst und seiner Umgebung. Der neue Individualismus, in dessen Diensten der Sozialismus, ob er es will oder nicht, am Werke ist, wird vollendete Harmonie sein. "
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