Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

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Hiob
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Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Hiob »

Canon hat geschrieben: Di 15. Sep 2020, 21:07 darum ist die Kirche zu stärken, ein jeder soll sich bemühen, aber du bist in keiner Gemeinde.
Ja - da hast Du recht. - Ich bin zwar per Taufe irreversibel katholisch und war sogar letztes jahr mit einem katholischen Priester, mit dem wir befreundet sind, im Urlaub - aber für einen Wiedereintritt hat es bisher nicht gereicht.

Der Grund: Ich nehme es so ernst, dass ich Sätze wie "Ich glaube an die Heilige Katholische Kirche" nicht akzeptieren kann. - Meinem Pfarrer-Freund ist das zwar wurscht und er sieht bei mir mehr Glauben als bei den meisten seiner Schäfchen - aber ich stolpere halt drüber.

Ein weiterer Grund: Ich halte die Lehrsprache schlicht für katastrophal. - Und ich kenne einige Bischöfe persönlich, die schlicht geistliche Dünnbrettbohrer sind (übrigens ein Begriff meiner leider verstorbenen katholischen Theologie-Freundin - sehr konservativ, aber knall hart). - Ich fühle mich unwohl in Gemeinden, weil ich dieses geistliche Halbzeug spüre, sobald jemand den Mund aufmacht.

Und dann gibt es zwischendrin - meistens intellektuell einfache - Menschen, die geistlich volldrauf sind. Ich weiß nicht, ob Du diesen stillen, aber tiefen Blick kennst, der sieht ... - Wie auch immer: Dieses Thema ist bei mir noch nicht abgeschlossen.
Rembremerding

Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Rembremerding »

Hiob hat geschrieben: Di 15. Sep 2020, 22:01 Ich fühle mich unwohl in Gemeinden, weil ich dieses geistliche Halbzeug spüre, sobald jemand den Mund aufmacht.
Da sind wir wohl alle viel zu stolz, wenn wir meinen, eine Gemeinde müsse uns erst verdient haben. Die Kirche hat Gott für Menschen gestiftet, um Menschen zu ihm in den Himmel zu führen.
Zu meinen, Kirche wäre nur für geistliche Durchblicker, ist dasselbe, wie zu meinen, in der Kirche dürfe keine Sünde sein. Wo Menschen sind, sind Sünder, sind Dünnbrettbohrer, Dumme, Fromme, Heilige und Gescheite. Jeder kann dem anderen etwas geben und sei es nur, seine Geduld aneinander zu prüfen.

Der Erfolg des Christentums und damit der Kirche liegt schon immer darin, dass in ihr jeder seine Heimat finden kann. Zuerst wurde sie verachtet als Sklavengemeinde, weil in ihr die Sklaven erstmals Menschenwürde erfahren haben, dann auch als Sammlung von Kriminellen, weil in ihr erstmals von Vergebung gesprochen wurde.

Die "Qualität" der Kirche hängt nicht von den Menschen ab, die in ihr sind, sondern davon, was Gott in ihr aus ihnen gutes machen kann. Heutzutage würde ein Profiler und Personalrekruter Jesus sagen, der geschäftstüchtige und gut vernetzte Judas wäre der einzige aus seiner 12er-Truppe, der Potential hat, die anderen wären alle keine Teamplayer, sondern Rachsüchtige, Fanaten, Dummschwätzer, Fundamentalisten, Träumer, Lügner und Betrüger.
Canon

Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Canon »

Hallo Hiob und Hallo Rembremerding,

ja, das ist eine kontroverse Diskussion. Ich habe da noch etwas, das für die Kirche spricht.
Unter vielen Freikirchen gilt die Kirche als Gebäude nichts, es sei ein Steinhaufen und ähnliches, was sich daran anlehnt, der Tempel sei der Mensch selbst.

In der Kirche. Schon beim Eintreten. Schon beim Eintreten, weiß ich, ich bin im Hause Gottes und das es Missbraucht wird, halte ich für einen schändlichen Fehler, zur ERinnerung, Jesus ergriff der Heilige Zorn, als er die Weltlichen rausschmiss.

Doch ist mein Gott auch mein Gott, es ist sein Haus und ich betrete es entsprechend, es ist sein Haus. Er hat ein Haus auf der Erde. Kreti und Pleti lasse ich in meinem Herzen nun außen vor, ich schließe die Augen, den Rhytmus der Liturgie kenne ich in und auswendig, ich kenne alle Lieder, alle Lesungen, alles, in und auswendig, so wie du vielleicht nur das Vaterunser kennst. Meine Augen dürfen geschlossen bleiben, der Kopf ist leicht gesenkt, ich sitze gerade. Ich höre jeden Ton, ich erlbe jede Eucharestie Feier anders, jedesmal anders. Derweilen passiert in mir sehr viel. Als extrem störend empfinde ich den Lautsprecher, aus dem die nullachtfünfzehn Predigt dröhnt. Ich weiß, der da vorne nudelt die Eucharestie Feier herunter, er ist nicht mit dem Herzen dabei, er wartet, auf das Moment, da er vor der Kirche zum Ansprechpartner wird, es gibt Kuchen und Kaffee. Ich schlüpfe hinaus und bin frei. Ist sie offen ohne das Messe gehalten wird, singe ich und stehe vor dem Altar und der Herr lässt sich nicht säumen. Ich spüre ihn und ich weiß, er ist da, ja er ist da. Auf diese Weise nutze ich jede Kirche oder Kapelle, die im Krankenhaus genauso, wie die, in der Stadt ich mich gerade befinde. Die Kirche und ihre Messe strukturiert uns nicht nur, sie erdet, wie sie himmelt. Es liegt ganz bei dir, Hiob, was du daraus machst.

Du bist immer im Gedanken sonst wo, doch wo willst du Gott spüren, seine Kraft? Der Ort ist gut gewählt, gehe in die Kirche und verhalt dich still, lass dein Denken, harre der Dinge die in dich kommen. Daran wächst der Mensch. Er darf Gott erleben. Die Kirche gehört nicht dem dort Predigenden, noch der Gemeinde, sie gehört Gott. Den Unterschied versteht kaum einer. Es ist auch dein Gott, ganz persönlich, denn du wirst ganz persönlich vor ihm stehen. Dieses Elexier ist dir fremd, Hiob.

Wie ist das bei dir, Rembremerding, erlebst du Gottes Nähe?

LG Canon
Hiob
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Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Hiob »

Rembremerding hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 05:52 Da sind wir wohl alle viel zu stolz, wenn wir meinen, eine Gemeinde müsse uns erst verdient haben.
Nee, das ist was anderes. Es ist das nervöse Gefühl im Körper und das Nicht-zu-Hause-Fühlen.
Rembremerding hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 05:52 Zu meinen, Kirche wäre nur für geistliche Durchblicker, ist dasselbe, wie zu meinen, in der Kirche dürfe keine Sünde sein.
Zunächst: "Geistliche Durchblicker" ist meinerseits nicht intellektuell gemeint, sondern vom inneren geistlichen Feeling her. - Davon abgesehen: Mein unwohles Gefühl kommt daher, dass ich so etwas wie einen bewusstlosen Herdentrieb spüre - oder vielleicht auch kalkulierte gruppendynamische Mechanismen, je nach dem.
Rembremerding hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 05:52 Der Erfolg des Christentums und damit der Kirche liegt schon immer darin, dass in ihr jeder seine Heimat finden kann.
So sollte es auch sein - aber es sollte an der Spitze der Gemeinde jemand stehen, der geistlich fit ist. Das macht viel aus.

Da ist so viel aus dem Lot. - Einerseits die rein gruppendynamisch ausgelegte Gemeinde, in der man dann zwischendrin christliche Chiffren buchstabiert (in verfremdeter Sprache) - das sind die säkularen Gemeinden. --- Andererseits Gemeinden wie die, die man in einem katholischen TV-Sender sieht, in denen ein karikaturhaft abgehobener Priester in abgehobener, noch mehr verfremdeter Sprache Dinge an fromme Gegenüber sagt, die kein Wort verstehen, aber auch das nächste Mal kommen. - Und dann Gemeinden, die NICHT chiffriert reden, sondern in klarer deutscher Sprache, an der man dann merkt, dass sie theologisch vollkommen daneben liegen. --- Das ist alles so unwohl.
Rembremerding hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 05:52 Die "Qualität" der Kirche hängt nicht von den Menschen ab, die in ihr sind, sondern davon, was Gott in ihr aus ihnen gutes machen kann.
Da ist sicherlich was dran. --- Aber ist das geistliche Heimat? Das ist doch eher Besserungsanstalt. - ICh habe noch nie einen Psychologen gesehen, der in der von ihm betreuten Besserungs-Anstalt geistlich abspannt.
Hiob
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Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Hiob »

Canon hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 07:58 Dieses Elexier ist dir fremd, Hiob.
Jein. - Jeder Mensch hat eine andere Mission - meine ist zwischen den Stühlen. - Nämlich einerseits das Geistliche als Maßstab erkennen und andererseits das Weltliche verstehen. - Um das Geistliche ins Weltliche zu vermitteln (was mir gerade bei jungen Leuten schon einige Male gelungen ist), muss man Distanz halten. - Einerseits zu "esoterischen" Chiffren des gängigen Christentums, andererseits zu naturalistischen "Religionen" des Mainstreams. - Ersteres muss sein, um bei zu erreichenden Menschen überhaupt ernst genommen zu werden.

Mein Gottesbild und mein Gotteserleben ist dementsprechend nicht "insider-mäßig". - Allerdings spüre ich von Gott einen durchaus persönlichen Zuspruch im Sinne von "Fürchte Dich nicht" und "Du gehörst zu mir". - Darüber habe ich übrigens tatsächlich mit Nicht-Dünnbrettbohrern gesprochen, die das ziemlich gut verstanden haben. - Trotzdem: Du hast durchaus recht: Dieses Positionierung lädt nicht gerade ein, sich emotional tief ergießen zu können. Ich empfinde das als aufgeschoben.
Rembremerding

Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Rembremerding »

Hiob hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 08:35 Nee, das ist was anderes. Es ist das nervöse Gefühl im Körper und das Nicht-zu-Hause-Fühlen.
und
Canon hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 07:58 ..
Meine Heimat ist im Himmel. Das bedeutet keineswegs ein Träumer zu sein, sondern gerade die Welt dadurch realistisch betrachten zu können, so z.B. keine verklärte Ansicht, wie Kirche sein soll, damit ich mich wohl fühle. Kirche ist dort, wo der Herr ist, zunächst unabhängig von einer Gemeinde. Kirche ist aber auch dort, wo der Herr mitten in seinem Volk "sein Zelt aufgeschlagen hat", also in einem dadurch geheiligten Gebäude. Dort treffe ich auch sein Volk, unsere, meine Gemeinde.
Der Herr befriedigt mein zu-Hause-fühlen. So finde ich es auf der ganzen Welt, wo er wohnt, unabhängig, was ich bei seinen dort lebenden Gliedern fühle. Man nimmt ihn mit im Herzen und wenn der Leib (denn Glauben, so will es der Herr, passiert mit dem ganzen Menschen), einen heiligen Ort braucht, um ihn zu preisen, ihn an Sorgen, Nöten, Dank und Freude teilhaben zu lassen, dann führt er einen zu seinem Zelt (Tabernakel) in der Welt in eine Kirche.

Ein nervöses Gefühl zu haben, ist nicht beunruhigend. Es sind meist die Ecken des Gewissens, die reiben.

Die Quelle geistlicher Heimat ist der Herr, nicht seine Glieder. Vielleicht fühlen sich wegen mir manche nicht in einer Gemeinde zu Hause, dann wird der Herr es ändern, richten oder mich zurechtweisen. Ich würde mich aber niemals nur von einem Gefühl, weltlicher Kritik oder Missfallen von seiner Kirche auf Abstand halten lassen. Denn wohin sonst sollen wir gehen?
Canon

Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Canon »

Danke Rembremerding,

in der Gemeinde fühle ich mich trotzdem wohl, auch wenn nicht so kontaktfreudig bin. Dafür habe ich meine Gründe, einen kann ich so raushauen, ich mag keine Samalltalks, gar nicht. :lol:

LG Canon
Hiob
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Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Hiob »

Rembremerding hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 11:05 Die Quelle geistlicher Heimat ist der Herr, nicht seine Glieder.
Schon klar - aber was macht man, wenn die Glieder einen nervös machen und man sich dann gegenüber Gott gestört fühlt? - Um es klar zu stellen: Es gibt wunderbare Glieder, aber diese bestimmen in der Regel nicht die Atmosphäre einer Gemeinde.
Rembremerding hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 11:05 Ein nervöses Gefühl zu haben, ist nicht beunruhigend. Es sind meist die Ecken des Gewissens, die reiben.
"Gewissen" sehe ich hier nicht im Mittelpunkt, sehr wohl aber Un-Souveränität - man/ich könnte weiter sein.
Rembremerding hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 11:05 Ich würde mich aber niemals nur von einem Gefühl, weltlicher Kritik oder Missfallen von seiner Kirche auf Abstand halten lassen.
Darum geht es nicht. - Ein katholischer Pfarrer hat mir mal gesagt: "Nichts darf sich zwischen Gott und Mensch stellen - nicht mal die Kirche".
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Luther 1545
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Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Luther 1545 »

Hiob hat geschrieben: Mi 16. Sep 2020, 16:39 Ein katholischer Pfarrer hat mir mal gesagt: "Nichts darf sich zwischen Gott und Mensch stellen - nicht mal die Kirche".
Vor 500 Jahren wäre diese Aussage sein Todesurteil gewesen.
Wegen Blasphemie oder Ketzer verurteilt.
Hier sitze ich, ich kann nicht anders, so Wahr mir GOtt helfe!
Hiob
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Re: Die EKD entwickelt sich zu einer Kirche ohne Gott

Beitrag von Hiob »

Luther 1545 hat geschrieben: Sa 27. Mär 2021, 20:17 Vor 500 Jahren wäre diese Aussage sein Todesurteil gewesen.
Kann gut sein - es wäre eher ein Ausspruch von Luther gewesen. --- Die RKK hat sich seit dieser sehr macht-zugewandten Zeit durchaus zum Besseren gewandelt - heute ist sie aus meiner Sicht weitgehend die geistliche Einrichtung, die sie sein soll - bei allen Fehlern, die trotzdem noch da sind.
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