Als wilder Tourist in Sibirien

Literatur, Malerei, Bildhauerei
Munro

Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Zuerst möchte ich einmal den vielleicht etwas merkwürdigen Titel erklären.

Es war so:

Schon seit vielen Jahren war ich von einer Deutsch-Lehrerin aus Perm zu einem Besuch nach Russland eingeladen.

Und dann 2003 hab ich es endlich gepackt und bin per Lufthansa hingeflogen.

Meine Gastgeberin Nina hatte einige Ausflüge geplant.

Doch als wir die beim Städtischen Reisebüro buchen wollten, da erfuhren wir, dass es immer noch sowjetische Sitten gab:

Nur ganze Firmen und Behörden konnten Reisen buchen, aber keine Einzelpersonen so wie wir.

Nur an einem Tag im Monat wurde eine Ausnahme gemacht, immerhin ein Zeichen des Fortschritts!

Und für diese Reisenden, die nicht zu einer Gruppe gehörten, prägte Nina den treffenden Ausdruck: "Wilde Touristen."

So war ich auch ein "wilder Tourist".
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

In Sibirien war ich eigentlich nicht, aber knapp davor.
Perm liegt auf der westlichen und europäischen Seite des Ural-Gebirges.

Doch scherzhaft sagte ich in jenem Jahr gerne: "Diesen Sommer mach ich Urlaub in Sibirien!"
Und so ganz falsch war das nicht!
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Nun, über meine Zeit in Perm könnte ich so viel erzählen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

Aber irgendwo muß ich ja anfangen.

Ich erzähle jetzt mal von meiner Reise innerhalb der Reise, von meinem Tagesausflug in die Stadt Kungur.
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Das kam so:

Nina hatte mich für eine Zeit eingeladen, von der sie annahm, dass sie da wenig Arbeit haben würde und sich um mich kümmern könnte, mir also Stadt und Land zeigen.

Doch wie so oft:

Irgendjemand im fernen Moskau hatte plötzlich die Idee, dass an Ninas Hochschule alle einen ewig langen Bericht abgeben müssten.

Das bedeutet drei Tage Extra-Arbeit, in der sich Nina also keine Zeit für mich nehmen konnte.

Doch fand sie gute Alternativen.

1. Eine schöne Schiffs-Fahrt auf dem Fluss Kama mit ihrer Tochter.
2. Eine Stadt-Führung mit ihrer Schwägerin
3. Kungur - eine Reise für mich allein.
Rembremerding

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Rembremerding »

Esperanzia hat geschrieben: So 24. Feb 2019, 19:33 Nun, über meine Zeit in Perm könnte ich so viel erzählen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
:shock:
Ich könnte von Beresniki erzählen (tue ich aber nicht), 280 km nördlich von Perm.
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Tue es doch ruhig - in einem eigenen Thread. :idea:
Zuletzt geändert von Munro am So 24. Feb 2019, 20:19, insgesamt 1-mal geändert.
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Ich erzähle weiter: :)

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Nina hatte große Bedenken, mich alleine nach Kungur reisen zu lassen.

Sie wollte unbedingt, daß ich da mit einer Reisegesellschaft in einem Reisebus fahren sollte.

Doch den gab es nicht für mich, ich war ja ein "wilder Tourist", wie ihr nun wisst!

So blieb der Zug.

Nina sagte, die internationalen Fernzüge seien ja OK, aber in einem lokalen Zug könnte ich womöglich überfallen werden, falls Kriminelle mich als Westler erkannten, bei dem sie Geld und Wertsachen vermuteten.

"Vor-ort-zug" sagte sie immer, obwohl die Fahrt ja zwei Stunden dauerte.

Die Entfernungen in Rußland sind eben andere.

Doch ich hatte keine Bedenken.

Ich würde mich eben etwas abgerissen kleiden, und meine Kamera und mein leuchtend-gelbes deutsch-russisches Wörterbuch (Langenscheidt!) in einer gebrauchten russischen Plastiktasche verstecken.

Schließlich war ich ja schon mal als undercover agent des nord-norwegischen Geheimdienstes im südlichen Süd-Schwarzwald auch nicht aufgefallen.

Es würde also schon klappen, dachte ich!
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Ich bin allerdings nicht vom Hauptbahnof in Perm abgefahren, sondern unterwegs an einer kleinen Vor-Ort-Station zugestiegen.

Das war schon etwas aufregend.

Es war nämlich lange nicht klar, ob der Zug überhaupt kommen würde.

So stand ich in leichtem Niesel-Regen auf dem sehr einfachen oder eher primitiven Bahnsteig, und suchte mich mühsam unter einer hölzernen Gleisbrücke vor dem Regen zu schützen.

Das wollten aber auch andere ...

Und einige sahen so verdächtig aus, als könnte ich schon überfallen werden, bevor ich die Reise überhaupt begonnen hatte. *ggg*

Vielleicht war ich aber auch nur durch Ninas ständige eindringliche Warnungen etwas übervorsichtig geworden.

Doch weiß ich noch, daß ich abwägte, was unangenehmer sei:

Draußen außerhalb der Überführung im Nieselregen zu warten, oder unterhalb der Holzbrücke mal eben so ein bißchen überfallen zu werden.

Wofür hättet ihr euch entschieden? *ggg*
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Ich erzähle nun mal weiter.
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Ich habe es abwechselnd gemacht ...

So kam ich in den Genuß von beidem:
In den Genuß des Regens, und in den Genuß der Nachbarschaft zu den etwas zwielichtigen Gestalten.

Aber schließlich und endlich kam dann doch der Zug, und ich bin unversehrt eingestiegen.
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