Als wilder Tourist in Sibirien

Literatur, Malerei, Bildhauerei
verus
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Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von verus »

Bin neugierig geworden und habe in diesen Faden reingeschaut. Google zeigt mir an, dass das Dorf "Ольховка", wo ich meine ersten 5 Jahre verbracht habe, ca. 20-30 km süd-west-west-westlich von Perm liegt, an der U-Biegung vom Fluss (Südufer). Danach sind wir in die Nähe zum Schwarzen Meer gezogen.

Du kannst ja das Alphabet, so wird dir diese Seite mit einer virtuellen Tastatur beim schreiben behilflich sein: www.russtast.de

Und der Google-Übersetzer ist sehr gut, deutsch <--> russisch translate.google.de/?hl=de&tab=wT

Das ist das russische Wiktionary: ru.wiktionary.org/wiki/Заглавная_страница
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

verus hat geschrieben: Mi 6. Mär 2019, 22:20 Bin neugierig geworden und habe in diesen Faden reingeschaut. Google zeigt mir an, dass das Dorf "Ольховка", wo ich meine ersten 5 Jahre verbracht habe, ca. 20-30 km süd-west-west-westlich von Perm liegt, an der U-Biegung vom Fluss (Südufer). Danach sind wir in die Nähe zum Schwarzen Meer gezogen.
Und von wo aus schreibst du im Moment?
In jedem Falle kennst du wohl den Alltag in Russland.

Was meine Russisch-Kenntnisse angeht:
Sie sind zu gering, um fließend russische Texte schreiben zu können.
Wenn ich mal ein Wort brauche, so kopiere ich es mir hierher.

Also: Kungur = Кунгу́р

Aber danke für den Hinweis auf die Tastatur!
In Russland habe ich auch mit einer doppelt besetzten Tastatur geschrieben.
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Magdalena61
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Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Magdalena61 »

verus kennt die Gegend aus eigener Erfahrung. Das finde ich jetzt total schön. :D
LG
God bless you all for what you all have done for me.
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Das finde ich auch gut! :thumbup:
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Ich erzähle weiter: :)

-------------------------

Und wie in Schlesien hatte ich auch in Kungur wieder Glück.

Ich fand etwas abseits von der Hauptstraße das möglicherweise einzige Restaraunt von Kungur.

Ich weiß seinen Namen nicht mehr genau, entweder hieß es "Paradies" oder "Traum".

Für mich war es beides!

Ein großer Saal, der auf altmodische Art gemütlich war.

Eine echt nette Bedienung, die nicht etwas verschreckt oder muffig war, weil da unerwartet ein Ausländer hereingeschneit kam, der eher wenig Russisch konnte.

Sie kümmerte sich rührend freundlich um mich, und ich fand mich mit Hilfe meines Wörtebuchs auch gut auf der Speisekarte zurecht.

Ich weiß nicht mehr im einzelnen, was ich gegessen habe, aber daß alles sehr gut und etwas anders als gewohnt geschmeckt hat, das weiß ich noch.



Und dazu trank ich russisches Bier (Baltika) und georgischen Rotwein, das weiß ich noch ganz genau!




Im übrigen war ich lange Zeit der einzige Gast im Saale, bis schließlich eine Gruppe von Frauen erschien mit einem riesigen Rosenstrauß.

Offenbar eine Feier aus einem besonderen Anlaß.

Einfach nur eben so ging da wohl niemand in dieses Restaurant ....
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Nach dem Mittagessen machte ich noch einen Bummel durch das Städtchen Kungur.

Zu meiner Überraschung kam ich dabei zu einer Kirche, die KEIN Gefängnis war.

Draußen neben dem Eingang hing eine Tafel, deren kyrillischer Schrift ich die Information entnehmen konnte, daß dies eine aktive russisch-orthodoxe Kirche war.

Ich ging hinein - und erlebte die zweite Überraschung:

Statt prächtigem Gold, wie ich es von Perm her kannte, sah ich nur eine Baustelle im Halbdunkel.

Als meine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten, sah ich eine Schar von etwa 18-jährigen Mädchen, die mit Schaufeln bei der Arbeit waren, die Kirche zu renovieren.

Immer sind es die Frauen, die Russland zusammenhalten, dachte ich ....

"Do you speak English?" fragte ich in die Gruppe hinein.

Als Antwort kam erst mal ein allgemeines Gekicher.

Dann rannte eines der Mädchen auf und davon, fast wie auf der Flucht ....vielleicht aber auch, um jemand herbeizuholen, der vielleicht Englisch sprach ....so hoffte ich.

Und wirklich: Nach einer Weile kam das Mädchen mit einem Mann zurück, der Autorität ausstrahlte.

Der Kirchen-Vorsteher vielleicht?

Ich sprach auch ihn an: "Do you speak English?" Doch er reagierte nicht.

Schon wollte ich enttäuscht gehen, da gab es die dritte Überraschung .....
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Der vermutliche Kirchenvorsteher sprach auf einmal MICH an! Und zwar AUF DEUTSCH!

Und dann begann eine ungewöhnliche Unterhaltung.


Das Gespräch war schon deshalb ungewöhnlich:

Der Kirchenvorsteher konnte nämlich nicht viel mehr Deutsch als ich Russisch.

Und dennoch verstanden wir uns gut und führten ein längeres Gespräch.

Er war als Soldat in der ehemaligen DDR stationiert gewesen ....

.... in Weimar! ..... ich war ihm vielleicht damals 1977 mit Vanessa begegnet ... wer weiß?

.......und hatte dort etwas Deutsch aufgeschnappt. Die Zeit dort hatte er noch in guter Erinnerung.

Und dann führte er mich in einen Nebenraum, und da war die eigentliche Kirche!

So prächtig und goldstrahlend, wie orthodoxe Kirchen nur sein können! Man muss das einmal gesehen haben!

Es war eine provisorische Unterbringung, bis der Hauptraum durch die Schaufel-Mädchen und wohl auch andere Helfer wieder instand gesetzt sein würde.

Der Kirchenvorsteher erklärte mir einiges über die Kirchengegenstände, und führte mich dann in einen anderen Nebenraum zu dem Pfarrer dieser Kirche, dem Popen.

Dieser sprach nun zwar kein Deutsch, aber recht gut Englisch, und erzählte mir von der Geschichte der Kirche, die nach der Revolution enteignet worden war.

Die Kirche war dann auch zu einigen Zwecken gebraucht worden, hauptsächlich wohl als Scheune.

Und nun gehörte sie zu den Gebäuden, die die Regierung nach der Wende der orthodoxen Kirche zurückgegeben hatte.

Als ich mich nach einer Weile dann verabschiedet hatte, bat mich der Kirchenvorsteher, noch einen Moment zu warten, er wolle noch etwas holen.

Und dann folgte eine Szene, die mich immer noch rührt, wenn ich daran denke ...
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Es war so:

Der Kirchenvorsteher kam noch einmal zurück, um mir Geschenke zu bringen!

Eine Tafel Schokolade und zwei kleine Brote!

Das war richtig rührend. Denn ich weiß, daß viele der normalen Bürger Russlands sich eben gerade so durchschlagen, immer nahe an der Armutsgrenze entlang.

Von Deutschland nimmt man dagegen dort an, daß wir hier im Luxus leben.

So war es besonders zu schätzen, daß ich als Deutscher Geschenke bekam!

Die Brote habe seine Frau selber gebacken, sagte er.

Später in Deutschland habe ich erfahren, daß diese besondere Form der Brote in Russland auch als Hostie verwendet wird.
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Ein Gegengeschenk konnte ich ihm im Moment nicht machen, denn ich hatte ja nichts dabei.

Und Geld wäre ja eine Beleidigung gewesen.

Doch ich fand einen Weg.

Ich hatte in meinem Koffer in Perm noch einige Dinge, die ich als mögliche Geschenke mit nach Rußland genommen hatte.

Und Ninas Verwandte kamen ab und zu nach Kungur.

So konnte ich ihnen eine schöne Flasche Schwarzwälder Kirschwasser für Anatol (so sein Name) mitgeben.

Und er hat sich dann auch echt gefreut über diesen "deutschen Wodka".
Munro

Re: Als wilder Tourist in Sibirien

Beitrag von Munro »

Nun möchte ich noch erzählen, wie der Kungur-Besuch zu Ende ging.

Viel Zeit blieb nicht mehr bis zur Rückkehr zum Bahnhof.

Ich spazierte noch ein bißchen am Stadtrand herum.

Während in der Innenstadt eher moderne, aber gesichtslose Häuser standen, gab es da eher die traditionellen russischen Holzhäuser, wie man sie jetzt eher wieder baut.

Sie galten einmal als überholt und altmodisch, sind aber meiner Meinung nach viel schöner als die modernen Häuser.



Dafür war am Stadtrand nun nichts mehr asphaltiert, und ich mußte immer einen großen Bogen um Schlamm-und Wasser-Löcher machen.

Aber das ist normal in Rußland!
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