Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Literatur, Malerei, Bildhauerei
Nevis

Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Habt ihr auch schon mal ne Nachtwanderung gemacht?
Auch ganz allein?

Dann wisst ihr, wovon ich rede.

Es war im Sommer 2003, als ich mal dachte:
"Warum fährst du nicht in tiefer Nacht los, wanderst in der Nacht auf die Badener Höhe, so daß du beim Hellwerden schon oben am Berg bist?
Das müsste doch herrlich sein!"

Gesagt - getan!
Und von dieser Wanderung und einem unheimlichen Erlebnis dabei möchte ich nun erzählen.
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Nun erzähle ich:

In tiefster Nacht fuhr ich los, und in tiefster Nacht kam ich in Herrenwies an, einem kleinen Weiler am Fuße der Badener Höhe. Ich parkte mein Auto in der Nähe des Schwarzwaldkirchleins dort und wollte mit der Wanderung beginnen.

Dabei gab es eine erste kleine Schwierigkeit.

Die kleinen Wanderschildchen mit den Angaben zu den Wegen waren so hoch an den Bäumen angebracht, daß ich sie in der Dunkelheit nicht entziffern konnte.

Es war wohl sternklar, aber nicht mondhell.
Nun kannte ich die Gegend wohl von früheren Wanderungen her.
Aber das war vor Jahren gewesen, und so 100 % sicher war ich mir da nicht mehr.
Ohnehin sieht in der Nacht manchmal alles anders aus.

Doch ich sagte mir: Solange der Weg bergauf geht, bist du richtig!

Und so marschierte ich los ......
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Und hier an dieser Kirche hatte ich mein Auto geparkt. In dunkelster Nacht.

http://www.forbach.de/images/kirche_herrenwies.JPG

Gleich neben dem kleinen Friedhof hinter der Kirche ...
Das Bild zeigt die Kirche im Tageslicht.
Aber bei Nacht sah sie eher etwas unheimlich aus.
So in Friedhofsnähe am Rande des finsteren Waldes.
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Ich marschierte also los ....durch den stockdunklen Wald.

Dumm von mir, daß ich kein Taschenlampe dabei hatte, dachte ich.

Zur Sicherheit hätte ich gern schon mal ab und zu die kleinen Wegweiserchen hoch oben in den Bäumen angeleuchtet, um mich zu vergewissern, daß ich auf dem richtigen Weg war.


Denn wenn ich auch ein gutes Orientierungsvermögen habe - verirren kann man sich trotzdem mal - vor allem nachts in einem stockfinsteren Wald.


Nun, den Weg vor mir konnte ich beim schwachen Licht der Sterne schon ahnen.

Und auch Bäume und Büsche rechts und links von mir schemenhaft wahrnehmen.

Und nun geschah etwas mit mir, was wohl so uralt ist wie die Menschheit: Meine Fantasie spielte mir andauernd einen Streich:


Da mein Gehirn diese seltsam veränderten Formen der Büsche nicht so recht einordnen konnte, gab es ihnen die Form von allen möglichen Menschen oder Tieren: stehend, sitzend liegend .....

Ich wußte um diese Erscheinung und dachte nicht einen Augenblick ernsthaft, da stünden nun merkwürdige Menschen oder Halb-Menschen im Wald rum ...

Aber so ein leicht mulmiges Gefühl gab es mir schon ....sicher eine Warn-Instinkt, den der Mensch noch aus der Steinzeit hat.


Übrigens: Der gute alte Geheimrat Goethe hat das in einem Gedicht, in dem er in ähnlicher Situation war, mal so beschrieben:


... und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;

Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Gut gesagt, Herr von Goethe!
Und danke für das schöne Kompliment!


Denn mein Mut war auch ungeheurer als all die tausend Ungeheuer um mich rum!
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Ich vergleich mich jetzt mal mit Goethe. Ich denke, der Johann Wolfgang wird geschmeichelt sein.

Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.


Genau, Johann! So wars!

Nur standen bei mir nicht nur Eichen so als aufgetürmte Riesen da rum, sondern auch Tannen, Buchen, Fichten und sogar Lärchen!

Du bist ja auch nur im zahmen Auwald geritten!
Ich aber bin im finstern Nordschwarzwald gewandert, da wo er am schwärzesten ist!
Und ob die Finsternis bei mir auch mit hundert schwarzen Augen aus den Gesträuch sah?

Aber hallo, Johann!
Das kannste laut sagen!
Bei mir waren es mindestens tausend schwarze Augen, wenn nicht noch mehr!
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Ich hielt sie nicht für Straßenräuber.
Denn die sind heutzutage in den Innenstädten von Großstädten - und nicht nachts im einsamen Wald.

Doch dann sah ich in mittlerer Entfernung etwas, das ich mir nicht recht erklären konnte.
Mitten auf dem Weg vor mir stand eine Art übergroßer Stier ... oder Elch ... oder Hirsch .....
Dieser Monster-Hirsch ging nicht vorwärts und nicht rückwärts - und doch bewegte er sich irgendwie.

Es schien, als ob er eine Art Mantel oder Umhang trüge, den er ab und zu leicht bewegte ...


Der Wendigo aus Kanada kam mir in den Sinn.
Die kanadischen Indianer glauben daran.
Der Wendigo ist ein Naturgeist. Die Verkörperung des Urwalds, und den Menschen feindlich gesinnt.

Er erscheint in der Gestalt eins übergroßen Elches, ruft einen Memschen bei dem Namen, und dann muß dieser Mensch ihm folgen und wird selber zu einer Art Elch ....

Ob der Wendigo jetzt neuerdings auch im Schwarzwald zugange war?
RyanAir machts möglich ..
Aber ich war skeptisch.

Und was meint ihr? Was war das, was ich da gesehen hatte?
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Zwischenfrage:

Hat hier jemand schon mal was vom Wendigo gehört oder gelesen?
The Wendigo is a novella by Algernon Blackwood, first published in The Lost Valley and Other Stories (Eveleigh Nash, 1910)

Grace Isabel Colbron remarked in her 1915 essay, Algernon Blackwood: An Appreciation that: "For sheer naked concentrated horror, unexplained and unexplainable, such tales as "The Wendigo"... may be said to lead among the stories of the supernatural.
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Wendigo_(novella)
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Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Kolibri »

Nevis hat geschrieben: Mo 14. Okt 2019, 17:51 :


... und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;

Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Gut gesagt, Herr von Goethe!
Und danke für das schöne Kompliment!


Denn mein Mut war auch ungeheurer als all die tausend Ungeheuer um mich rum!
EIn sehr schönes Gedicht.

Ich bin im Regenwald aufgewachsen, wenn es dunkel ist, sieht man nicht mehr die Hand vor den Augen und da wir selten Taschenlampen hatten, nahmen wir meistens Öllampen mit uns mit.
Mit meiner Oma war ich oft Tagelang im Dschungel unterwegs, geschlafen haben wir immer auf Baumnester die wir gebaut hatten. Sie halten oft mehrere Monate so dass man sie immer wieder nutzen kann, manchmal sogar viele Jahre wenn man Lianen zusammenbindet. Wichtig ist, dass man sie vorher absucht nach Spinnen und Schlangen, also vor dem Dunkelwerden dort hochklettern. Auf dem Boden schlafen geht weniger, wegen den unzähligen Ameisen und Schlangen und Skorpionen.

Im Dunkeln werden die anderen Sinne sehr scharf, vor allem das Gehör, irgendwann unterscheidet man ganz genau ob gerade Wild vorbei läuft oder Menschen sich durch den Regenwald bewegen. Dann riecht man auch sehr gut, vor allem Wildschweine wenn sie kommen aber auch Menschen vor allem Männer weil sie oft nach Tabak riechen. Ausser die Igorot und einige Kinarayas die absichtlich ihren Geruch wegmachen mit einem Pflanzensud, den wir auch oft genutzt haben wenn wir auf jagd waren.
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Kolibri hat geschrieben: Mo 14. Okt 2019, 20:47 Im Dunkeln werden die anderen Sinne sehr scharf, vor allem das Gehör
Genauso ging es mir später dann auch! :!:
Nevis

Re: Das unsichtbare Tier. Oder: Nachts im Schwarzen Wald

Beitrag von Nevis »

Ich frage mal wieder, ob jemand den Wendigo kennt, bevor ich weiter schreibe. :idea:

Ich hoffe, es schaut auch ab und zu jemand hier rein? :idea:
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