Das Christentum aus einer aufgeklärten Perspektive

Philosophisches zum Nachdenken
Hiob
Beiträge: 7473
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Das Christentum aus einer aufgeklärten Perspektive

Beitrag von Hiob »

Rembremerding hat geschrieben: Fr 19. Jul 2019, 06:46 Ursprünglich war die Aufklärung ein christliches Phänomen (etwa bei Pico della Mirandola). Diese Aufklärung wollte nichts "altes" mit "neuem" ersetzen, sondern eben aufklären, die der Sünde geschuldete Trübung des menschlichen Geistes mithilfe von Wissenschaft vermindern. Ihr noch eigen war, dass diese Aufklärung einen holistischen, gesamtheitlichen Blick auf Natur und Geist hatte.
Die Zerteilung der Welt und des Menschen begann erst später.
Chrischi88 hat geschrieben: Fr 19. Jul 2019, 11:26 Jeder Versuch, das Christentum “aufgeklärt” zu machen, es mit dem “Licht” nichtchristlicher Religionen zu “erleuchten”, verdunkelt es in Wahrheit
Die heutigen Versuche, das Christentum "aufgeklärt" zu machen, kommen weitestgehend nicht von anderen Religionen, sondern von den säkulären Weltanschauungen - und in der Tat: Damit wird die "lux aeterna" verdunkelt.

Ich habe lange nachgedacht, worin sich verschiedene Aufklärungs-Definitionen unterscheiden und komme zum Ergebnis: Der Unterschied liegt in der Antwort auf die Frage: "Was ist der Maßstab/das Zentrum dessen, was ich Aufklärung nenne?". - Darauf gibt es zwei Antworten:
1) anthropozentrische Aufklärung
2) theozentrische Aufklärung

Die europäische Aufklärung war, wie Rem schon sagt, ursprünglich christlich, also theozentrisch. - Inzwischen ist sie extrem anthropozentrisch und damit theozentrik-feindlich. - Man muss sich bewusst sein, dass der Begriff "Aufklärung" heute etwas ganz anderes bedeutet, als es ursprünglich gemeint war.
Rembremerding

Re: Das Christentum aus einer aufgeklärten Perspektive

Beitrag von Rembremerding »

Hiob hat geschrieben: So 21. Jul 2019, 23:38 1) anthropozentrische Aufklärung
2) theozentrische Aufklärung
Das ist richtig. Und dann gab es solche Genies in der Aufklärung, wie Isaac Newton, der aus der übernatürlichen Welt seine Ideen mit der natürlichen Welt verband. Er war wohl ein Nachklang der "doctor universalis", ein Magier und Wissenschaftler zugleich.
Man muss sich bewusst sein, dass der Begriff "Aufklärung" heute etwas ganz anderes bedeutet, als es ursprünglich gemeint war.
Und damit begann die Zerteilung und Atomisierung der Welt, parallel dazu die Individualisierung und Selbsterhöhung des Menschen. Es ist richtig, dass die Wissenschaft einzelne Phänomene beobachten muss, um auf das Ganze schließen zu können, aber man versäumte nun nach dem Wozu zu fragen, weil man sich im Wie versenkte.
Aufklärung wurde zu einem Synonym einer Position gegen Kirche und Gott, obwohl beispielsweise gerade durch die Kirche zur Zeit der Aufklärung beachtliche Entdeckungen etwa in Astronomie oder Biologie gemacht wurden.
Aber auch jene Bereiche, die weiterhin ein mehr holistisches Weltbild zur Grundlage der Forschung beibehielten (TEM, TCM, Anthroposophie, Homöopathie etc.) wurden vom nun "Qualitätsbegriff" Aufklärung ausgeschlossen, der sich nur mehr auf das materialistische Weltbild beruft.

Servus :wave:
Hiob
Beiträge: 7473
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Das Christentum aus einer aufgeklärten Perspektive

Beitrag von Hiob »

Rembremerding hat geschrieben: Mo 22. Jul 2019, 06:19 Und damit begann die Zerteilung und Atomisierung der Welt, parallel dazu die Individualisierung und Selbsterhöhung des Menschen.
Exactement. - Mein alter Prof sprach immer von einem "Verlust der Mitte", den er für das 20. Jh. beklagte. - Aber dagegen kommst Du nicht an - man fühlt sich allein schon dadurch "aufgeklärt", dass man gegen Kirche ist und nach Malle fährt.
Spice
Beiträge: 11501
Registriert: Di 22. Mai 2018, 15:38

Re: Das Christentum aus einer aufgeklärten Perspektive

Beitrag von Spice »

Rembremerding hat geschrieben: Mo 22. Jul 2019, 06:19 Aber auch jene Bereiche, die weiterhin ein mehr holistisches Weltbild zur Grundlage der Forschung beibehielten (TEM, TCM, Anthroposophie, Homöopathie etc.) wurden vom nun "Qualitätsbegriff" Aufklärung ausgeschlossen, der sich nur mehr auf das materialistische Weltbild beruft.

Servus :wave:
Um so mehr können wir uns freuen, dass der Threaderöffner "Aufklärung" wieder im ursprünglichen Sinn benutzte, nämlich Licht ins Dunkel zu bringen. Das ist ja bitter nötig.
Mimi
Beiträge: 616
Registriert: Mi 7. Aug 2013, 22:59

Re: Das Christentum aus einer aufgeklärten Perspektive

Beitrag von Mimi »

Hiob hat geschrieben: Mo 22. Jul 2019, 07:28 man fühlt sich allein schon dadurch "aufgeklärt", dass man gegen Kirche ist und nach Malle fährt.
:angel: :mrgreen:
....Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's denn nun im Fleisch vollenden? (Galater 3,3)
Benutzeravatar
Chrischi88
Beiträge: 42
Registriert: Sa 1. Jun 2019, 21:23
Kontaktdaten:

Re: Das Christentum aus einer aufgeklärten Perspektive

Beitrag von Chrischi88 »

Ams hat geschrieben: Fr 19. Jul 2019, 12:18
Chrischi88 hat geschrieben: Fr 19. Jul 2019, 11:26 Wären alle Religionen Manifestationen der göttlichen Wahrheit und würden sie lediglich unterschiedliche Stufen in der Entfaltung dieser Wahrheit sein, dann sollten wir annehmen, dass sie sich nicht gegenseitig widersprechen und gegenseitig ausschließen würden; vielmehr würden sie wie Zahnräder ineinandergreifen.
Tun sie ja auch... man muss nur das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden.
Fakt ist:

All jene, die behaupten, die Religionen dieser Welt seien mit dem christlichen Glauben kompatibel, können tatsächlich das Wesentliche vom Unwesentlichen nicht unterscheiden.

Es ist bspw. wesentlich, dass Jesus Christus der in die Welt gekommene, Mensch gewordene, am Kreuz für unsere Sünden gestorbene, begrabene, auferstandene, in die himmlische Herrlichkeit zurückgekehrte und am Ende des gegenwärtigen Zeitalters wiederkommende Sohn Gottes ist. Exakt all dies wird z. B. vom Islam radikal geleugnet. Der Islam erachtet es als wesentlich (!), dass dies alles geleugnet werden muss, um Allah in rechter Weise zu verehren.

Es sind nicht die Gemeinsamkeiten von Christentum und Islam, die wesentlich sind; es sind die radikalen Unterschiede, um die es geht: Hier liegt der Knackpunkt. Denn genau um diese wesentlichen Inhalte des Christentums geht es. Diese trennen es von jedweder Religion, die es außerhalb des Christentums gibt. Mögen alle Religionen miteinander vereinbar sein: An Jesus Christus und seinem Erlösunsgwerk scheiden sich die Geister. Er besitzt einen Alleinanspruch, und neben ihm hat keine Religion dieser Welt Platz.

Für eine nichtchristliche Weltanschauung, die mit Jesus Christus konfrontiert wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: (1) Entweder packt sie ein und geht, oder (2) sie lehnt Jesus ganz offen ab. Eine Vermischung von christlichem und heidnischem Gedankengut hat zwangsläufig zur Folge, dass das daraus hervorgehende Ergebnis kein Christentum ist, sondern irgendetwas anderes. In jedem Fall aber ist es heidnisch.
Antworten