Die Erziehung des Menschengeschlechts

Philosophisches zum Nachdenken
Spice
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Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Spice »

Was ist der Sinn des menschlichen Lebens auf dieser Erde? Hat es überhaupt einen Sinn?

Lessing hat dazu, auch heute noch gültige und beachtenswerte, Gedanken geliefert, und das nicht nur in seiner gleichnamigen Schrift, also "Die Erziehung des Menschengeschlechts".

Er geht davon aus, dass das allgemeine Menschenleben tatsächlich einen Sinn hat, also tatsächlich der "Erziehung" dient.
Diese "erfolgt im Wesentlichen in drei Stadien:
Im ersten geschieht sie durch unmittelbare sinnliche Strafen und Belohnungen (=AT); im zweiten Stadium werden durch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele Lohn und Bestrafung ins Jenseits verlagert (=NT); und in einem dritten Stadium wird es keine Belohnungen und Strafen mehr geben, weil die menschliche Vernunft so weit entwickelt ist, dass die Menschen das Gute tun, weil es das Gute ist (=Ewiges Evangelium). Diese drei Stadien durchlaufen alle Völker, so dass man an ihren positiven Religionen den jeweiligen Entwicklungsstand ihrer Vernunft erkennen kann."

Zwischen der "göttlichen Offenbarung" und der menschlichen Vernunft sieht er keinen Widerspruch, vielmehr seien "die fremdgesteuerte Offenbarung (durch einen außerweltlichen Gott) und die selbstgesteuerte Vernunft (durch einen innerweltlichen Gott) nur als zwei Seiten einer dialektischen Einheit [zu betrachten] (nahegelegt auch durch die §§ 36, 37) und die autonome menschliche Vernunft als deren tiefere Struktur [zu] begrei[en]. Dann erscheint die göttliche Offenbarung nur als ein Bild für den jeweiligen Entwicklungsstand der menschlichen Vernunft und Gott als Bild für den innermenschlichen Imperativ zu ebendieser Weiterentwicklung, die in einer zunehmenden Konkretisierung des Bildes von der Offenbarung besteht. Die Offenbarung wird damit zum „Noch-Nicht“ der Vernunft. Die „Erziehung“ eines „ausgewählten Volkes“ durch „göttliche Offenbarung“ steht also dafür, dass die gesamte Menschheit sich durch mythologische Erklärungen der Natur und durch die schrittweise Entmythologisierung dieser Erklärungen, d. h. rein immanent, entwickelt. Offenbarung erscheint Lessing hierbei lediglich als historisches Faktum, während die Vernunft ewig ist."

Er kommt dann auch auf die Reinkarnation zu sprechen, und fragt: "Warum könnte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen sein? Ist diese Hypothese darum so lächerlich, weil sie die älteste ist? - weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterey der Schule zersträut und geschwächt hatte, sogleich darauf verfiel?....Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal so viel weg, dass es der Mühe wiederzukommen etwa nicht lohne? Darum nicht? - Oder, weil ich es vergesse, dass ich schon dagewesen? Wohl mir, dass ich das vergesse. Die Erinnerung meiner vorigen Zustände würde mir nur einen schlechten Gebrauch des gegenwärtigen zu machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessen muss, habe ich denn das auf ewig vergessen? Oder weil zu viel Zeit für mich verloren gehen würde? - Verloren? - Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein? " (Wiki)

Was Lessing vielleicht noch nicht durchschaute: Eine Erziehung des Menschengeschlechts könnte es gar nicht geben ohne Reinkarnation. Denn "Lernen" bedeutet ja, dass eines auf dem anderen aufbaut. Das Äußere muss also verinnerlicht, und so im Gedächtnis aufbewahrt werden, damit es Grundlage für eine tiefere/umfassendere Aufnahme wird.
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Travis
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Travis »

Spice hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 11:58Was ist der Sinn des menschlichen Lebens auf dieser Erde? Hat es überhaupt einen Sinn?
Aus biblischer Perspektive lässt sich der Sinn des Lebens recht einfach beschreiben. Mit Erziehung hat das allerdings nur sekundär zu tun. Da geht es um Gott als den, zu dem hin Menschen erschaffen wurden.
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Spice »

Travis hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:00
Spice hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 11:58Was ist der Sinn des menschlichen Lebens auf dieser Erde? Hat es überhaupt einen Sinn?
Aus biblischer Perspektive lässt sich der Sinn des Lebens recht einfach beschreiben. Mit Erziehung hat das allerdings nur sekundär zu tun. Da geht es um Gott als den, zu dem hin Menschen erschaffen wurden.
Es hat schon damit zu tun, denn der Mensch steht, solange er nicht vollendet ist, zwischen Freiheit und Notwendigkeit (Natur, Gesellschaft, Technik). Das Ziel ist also der Gottmensch, wie ihn Jesus repräsentierte.
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Travis
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Travis »

Spice hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:02 Es hat schon damit zu tun, denn der Mensch steht, solange er nicht vollendet ist, zwischen Freiheit und Notwendigkeit (Natur, Gesellschaft, Technik). Das Ziel ist also der Gottmensch, wie ihn Jesus repräsentierte.
Menschen sollen zum Lob Gottes Leben und sein. Wie dies erreicht wird, beschreibt Paulus prima im ersten Kapitel des Epheserbriefes.
Eph 1,3-14 hat geschrieben: 3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. 4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe; 5 er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, 6 zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. 7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, 8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. 9 Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, 10 um die Fülle der Zeiten heraufzuführen, auf dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn. 11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, 12 damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. 13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Rettung – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, 14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Auf das "in ihm" kommt es an, da wir in ihm, in Christus, unseren Sinn haben. Es geht also, wie erwähnt, nicht primär um Erziehung, sondern um Identität. Aus dieser Identität erwächst ein Leben zum Lob Gottes. Darin besteht der Sinn der Menschheit. Wie man zu diesem "in ihm" wird, spricht der Apostel in den zitierten Zeilen ebenfalls an.
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

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Travis hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:00 Mit Erziehung hat das allerdings nur sekundär zu tun.
Lessing als Freimaurer dachte an den sich selbst vergöttlichenden Menschen, wenn er nur genügend vernünftig ist. Von daher ist es für Lessing primär, denn für ihn kann Erziehung nicht von Gott ausgehen (das ziehen Gottes bis zur Be-ziehung), sondern nur vom Menschen.
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Spice »

Travis hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:11
Spice hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:02 Es hat schon damit zu tun, denn der Mensch steht, solange er nicht vollendet ist, zwischen Freiheit und Notwendigkeit (Natur, Gesellschaft, Technik). Das Ziel ist also der Gottmensch, wie ihn Jesus repräsentierte.
Menschen sollen zum Lob Gottes Leben und sein.
Gott interessiert überhaupt nicht, ob wir "Ihn" loben oder fluchen. Die Menschen, die die Wahrheit kennen, können allerdings nichts anderes als Gott zu loben, da alles in Wahrheit so herrlich ist.
Aber das wäre er sonderbarer Gott, der bedürftig ist und der sich an geheuchelten Lob erfreuen würde, während man das Leben verflucht, weil man noch darunter leidet.
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Travis
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Travis »

Rembremerding hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:14 Lessing als Freimaurer dachte an den sich selbst vergöttlichenden Menschen, wenn er nur genügend vernünftig ist. Von daher ist es für Lessing primär, denn für ihn kann Erziehung nicht von Gott ausgehen (das ziehen Gottes bis zur Be-ziehung), sondern nur vom Menschen.
Danke für Deine Zeilen. Das erklärt einiges. Der Sinn des Menschen liegt aus biblischer Perspektive halt nicht im Menschen selbst, sondern in Jesus Christus. Der Heilige Geist in einem Menschen ändert daran nichts. Im Gegenteil treibt er genau in die Arme des Messias.
Spice hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:17Gott interessiert überhaupt nicht, ob wir "Ihn" loben oder fluchen. Die Menschen, die die Wahrheit kennen, können allerdings nichts anderes als Gott zu loben, da alles in Wahrheit so herrlich ist.Aber das wäre er sonderbarer Gott, der bedürftig ist und der sich an geheuchelten Lob erfreuen würde, während man das Leben verflucht, weil man noch darunter leidet.
An diesen Zeilen kann man gut erkennen, wohin mangelhafte Schriftkenntnis führen kann. Das Gott kein geheucheltes Lob will, versteht sich von selbst. Ihm generelles Desinteresse an ihm von Menschen gebrachtes Lob, Ehre und Ruhm zu attestieren, kann (hoffentlich) nur aus fehlender Schriftkenntnis rühren.
Zuletzt geändert von Travis am Di 12. Nov 2019, 12:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Spice »

Rembremerding hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:14
Travis hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:00 Mit Erziehung hat das allerdings nur sekundär zu tun.
Lessing als Freimaurer dachte an den sich selbst vergöttlichenden Menschen, wenn er nur genügend vernünftig ist. Von daher ist es für Lessing primär, denn für ihn kann Erziehung nicht von Gott ausgehen (das ziehen Gottes bis zur Be-ziehung), sondern nur vom Menschen.
Ob Freimaurer oder nicht, das spielt doch überhaupt keine Rolle. Wenn die Freimauerei vernünftiger Ideen anbieten kann als eine inkonsistente Theologie, dann ist das doch wunderbar!

Wahrheit hat nichts mit irgendwelchen Sekten oder Zirkeln zu tun, sondern ist universal.
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Spice »

Travis hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:18
Rembremerding hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:14 Lessing als Freimaurer dachte an den sich selbst vergöttlichenden Menschen, wenn er nur genügend vernünftig ist. Von daher ist es für Lessing primär, denn für ihn kann Erziehung nicht von Gott ausgehen (das ziehen Gottes bis zur Be-ziehung), sondern nur vom Menschen.
Danke für Deine Zeilen. Das erklärt einiges. Der Sinn des Menschen liegt aus biblischer Perspektive halt nicht im Menschen selbst, sondern in Jesus Christus. Der Heilige Geist in einem Menschen ändert daran nichts. Im Gegenteil treibt er genau in die Arme des Messias.
Genau. Da werden wieder Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu irgendwelchen Vereinen stigmatisiert.
Es ist bezeichnend, dass man gute und vernünftige Gedanken immer noch mit Gewalt aus der Welt schaffen will. Anstatt zu Argumenten, greift man zur Gewalt. Denn auch Stigmatisation ist eine Form von Gewalt!
Spice
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Re: Die Erziehung des Menschengeschlechts

Beitrag von Spice »

Travis hat geschrieben: Di 12. Nov 2019, 12:18 An diesen Zeilen kann man gut erkennen, wohin mangelhafte Schriftkenntnis führen kann. Das Gott kein geheucheltes Lob will, versteht sich von selbst. Ihm generelles Desinteresse an ihm von Menschen gebrachtes Lob, Ehre und Ruhm zu attestieren, kann (hoffentlich) nur aus fehlender Schriftkenntnis rühren.
Schriftkenntnis genügt eben nicht, um von Gott und göttlichen Dingen etwas zu wissen, sondern man muss auch begreifen, und dann weiß man, dass Gott keine menschlichen Bedürfnisse und Emotionen hat, ja Gott zutiefst unpersönlich ist.
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