Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Wir bitten darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 4270
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Andreas »

Rembremerding hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 09:41 Mittels HKM die Allwissenheit Gottes widerlegen zu wollen, ist, wie mittels einer Bohrmaschine einen Nagel in die Wand zu schlagen, um ihn zu nichts zu verwenden. :)
Das wollen doch nur Anhänger des Neuen Atheismus. Diese Diskussion wollten wir hier doch nicht führen.
Rembremerding hat geschrieben: Do 16. Mai 2019, 19:55 Zunächst zur info: HKM = historisch-kritische Methode
wiki sagt:
Sie hat zum Ziel, einen (biblischen) Text in seinem damaligen historischen Kontext zu verstehen und schließlich auszulegen. Dabei spielen die Rekonstruktion der vermuteten Vor- und Entstehungsgeschichte des Textes und seine Einbindung in das damalige Geschehen eine besondere Rolle. Wichtige Teildisziplinen der historisch-kritischen Methode sind die Textkritik, die Textanalyse, die Redaktions-, Literar-, Form- und die Traditionskritik. Die historisch-kritische Methode ist heutzutage als grundlegende Methode der Bibelauslegung in der evangelischen und in der katholischen Kirche anerkannt,...
In diesem Thread soll es nicht um die Infragestellung von Glaube und Bibel mithilfe der HKM aus atheistischer Sicht gehen (bitte Unterforum beachten!), sondern um Ergebnisse der HKM, welche das Bibelverständnis vertiefen können und vielleicht dadurch den Glauben stärken und bereichern.
Natürlich nur, wenn Bedarf oder Wunsch zur Diskussion besteht. :)
Ich möchte darum bitten, auch meinen Glauben nicht infrage zu stellen. Der ist nämlich nicht das Thema hier.
Rembremerding hat geschrieben: Fr 17. Mai 2019, 11:19
Andreas hat geschrieben: Fr 17. Mai 2019, 11:06 Mir ist nicht ganz klar, worum es in diesem Thread gehen soll.
Siehe Threadtitel.
Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann.
Die HKM, so wie sie ist, und nicht die HKM wie sie manche gerne hätten.
Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 4270
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Andreas »

Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 02:37 Konkret: Eine christlich-spirituelle Interpretation würde beispielsweise die Garten Eden Erzählung "heilsgeschichtlich" auf Christus hin interpretieren, weil sie spirituell von einem spirituell inspirierten, d.h. geistgehauchten, Text Gottes, der das Ende kennt ausgeht. Das ist aber ein wissenschaftliches und historisches No-go.
Wissenschaftlich ist das KEIN No-Go - auch historisch muss es kein No-Go sein (es könnte ja tatsächlich in der Geschichte so stattgefunden haben). - Es ist historisch-kritisch ein No-Go - das ist was GANZ anderes.
"Es könnte ja so gewesen sein" steht gleichwertig neben "Es könnte ja nicht so gewesen sein". Dass du das immer unterschlägst ändert daran nichts.
So schafft eine Wissenschaft kein Wissen. Deine Behauptung, dass das eine etwas ganz anderes sei als das andere, hättest du bei dieser Gelegenheit auch gleich begründen sollen.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52Woher kommt das, dass man "HKM" synonym für "Wissenschaft" setzt und andere theologische Disziplinen nicht? Hat da eine Neusprech-Propaganda-Maschinerie gut funktioniert?
Nein. Es kommt daher, dass Wissenschaft vernünftig begründet. So begründet, dass auch ein Hindu, Buddhist, Atheist und der Bäcker von nebenan, diese Begründung nachvollziehen kann - ohne sich zu Gott, zu Jesus, zur Bibel, zum christlichen Glauben, oder eine der vielen Kirchen bekennen zu müssen. Die Historische Theologie mit ihrer HKM begründet auch etwas anderes als die Systematische Theologie, nämlich ihr Verständnis eines Textes und nicht den christlichen Glauben. Es geht in der Wissenschaft um Wissen und nicht um den Glauben von irgendjemanden und auch nicht darum "die Wahrheit" zu verkündigen.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 02:37 Wie will man mit einer ausschließlich zeitlich rückwärtsgewandten historischen Methode spirituell d.h. im christlich konservativen Kontext "heilsgeschichtlich" d.h. zukunftsorientiert bis zum Ende der Zeit interpretieren - ohne die Wissenschaftlichkeit aufzugeben?
Indem man seine Argumentation systematisch führt und intersubjektiv nachprüfbar macht. - Wir reden doch nicht von PRedigten in der Kirche, sondern von Forschungen etwa zur Frage "Wie ist die Offenbarung verstehbar, wenn Jesus göttlich ist?". - Das ist Wissenschaft, wenn man sich an gewisse Regeln hält.
Tatsache ist, dass du dir die Zähne dabei ausgebissen hast, gewissen Leuten intersubjektiv nachvollziehbar die Göttlichkeit Jesu nahe zu bringen. Intersubjektiv heißt nicht, dass sich zwei Katholiken gegenseitig geistlich erkennen, sondern zum Beispiel auch, dass ein Jude der Jesus als Messias ablehnt und ein Christ verstehen, was in einem Text steht. Wissenschaftlich zu argumentieren, wird in dem Juden oder einem Atheisten nicht das Wissen schaffen, dass Jesus göttlich ist. Glaube kann man schon gar nicht wissenschaftlich herbei argumentieren.

Die Bibel ist so kraftvoll, weil sie nicht nur versucht den Menschen über seinen Verstand anzusprechen, sondern auch andere Wege zu dem Menschen beschreitet. Diese Wege sind oft unvernünftig, niemals intersubjektiv nachprüfbar, dafür führen sie dann auch in sein Herz. Auch da ist die HKM sehr bereichernd für mich, weil sie eben den Text für sich sprechen lässt, und kirchliche Prediger mit ihren unterschiedlichen Dogmatiken außen vor lässt.

Trotzdem gibt es Prediger in den Kirchen, und jeder kann und soll seine Exegese eines Bibeltextes machen, wie er es für richtig hält. Dafür setze ich mich auch ein, weil ich kirchlich orientierte Auslegungen ebenfalls schätze und zu Rate ziehe. Dabei bin ich nicht wählerisch und vergleiche die jeweiligen Standpunkte ganz unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Ganz bewusst lese ich gerade auch Exegesen vorurteilsfrei, die aus Glaubensrichtungen stammen, die mir eher fremd sind, und finde auch da viel Gutes.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 02:37 Das ist vermutlich einer der Gründe, warum progressive Theologien, wie die Prozesstheologie, sich von der überzeitlichen Allwissenheit Gottes verabschiedet haben und ein Gottesbild vertreten, in dem Gott die Zukunft nicht kennt.
Echt? - Mann, sind die dämlich. ------ "Wir kommen methodisch nicht auf die Reihe, ALSO ist Gott nicht allwissend". --- Echt klasse. :lol: :lol: :lol:
Offensichtlich bekommen sie das methodisch auf Reihe, sonst würden sie nicht so glauben. Sie haben halt vermutlich eine andere Methodik, eine andere Hermeneutik als du. Abgesehen davon urteilst du, ohne das Geringste darüber zu wissen, was du da verurteilst. Den Glauben von anderen als dämlich zu bezeichnen, sagt was über dich aus und nicht über diese anderen.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 02:37Da gibt es auch nichts dran auszusetzen, weil solches genau so falsch oder richtig ist, wie jeder andere Glaube oder jede andere Theologie auch.
Was richtig oder falsch ist, wird auf der Objekt-Ebene entschieden - hier: Von Gott.
Aber nur, wenn es Gott auch wirklich gibt, was du ja nicht wissen kannst. Es könnte ja (historisch, ontisch, wie auch immer ;) ) so sein, dass die Wirklichkeit ohne Gott da ist. Es fehlt dieser deiner Behauptung einer angeblichen Wahrheit, wie so oft eine intersubjektiv nachprüfbare BEGRÜNDUNG.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52 --- Ansonsten stimme ich Dir zu: Jeder darf mit seiner Hermeneutik unterwegs sein.
Na fein. Dann kannst du die HKM ja so lassen, wie sie ist.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 02:37 Wenn im auszulegenden Text selbst von solchen Dingen die Rede ist, braucht man es nicht "spirituell interpretieren", weil es ja schon spirituell da steht, und so auch schon von der historisch-kritischen Methode möglichst genau ausgelegt und spirituell dargestellt wird.
Nee - sehe ich anders:
1) Spirituell interpretieren muss man schon - siehe Apg. 8,30.
Der Kandake hatte den Philipus, den er fragen konnte - aber wen soll die HKM fragen? Dich, die Bibelkommission im Vatikan, die Chicago-Erklärung des Bibelbundes oder einen Theologen der Prozesstheologie? Wie hättest du das gerne? Darfs ab bisserl mehr sein?
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:522) Die HKM soll eben NICHT spirituell darstellen, sondern Dinge bereitstellen, mit denen man AUF ANDEREN EBENE ALS AUF DER HKM-EBENE die christliche Bibelauslegung bereichern kann.
WARUM um Gottes Willen soll sie die Aufgabe der Glaubensgemeinschaften und Kirchen übernehmen - und wenn, dann von WELCHEN?
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52Die HKM ist heute so theologie-unabhängig, dass die christliche Bibelauslegung von anderen gemacht werden muss.
Die christliche Bibelauslegung wurde immer schon "von anderen" gemacht.
Hiob hat geschrieben: Fr 17. Mai 2019, 13:13 Es gibt in der Wissenschaft den stehenden Begriff des "methodischen Atheismus", was aus meiner Sicht sehr sinnvoll ist. - Gemeint ist damit, dass es keine christliche, jüdische oder bhuddistische Methodik geben kann, also der Aufbau einer Untersuchung immer neutral sein muss.
EBEN.
Zuletzt geändert von Andreas am Sa 18. Mai 2019, 13:33, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 4270
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Andreas »

jesher hat geschrieben: Do 16. Mai 2019, 09:33 Leider belässt es die HKM nicht dabei... sondern behauptet immer wieder was von "gesicherten Erkenntnissen"... wo nichts gesichert ist und von einer Erkenntnis jede Spur fehlt. Liest man sich dann mal konservative Literatur durch und hört sich entpsrechende Theologen an, fällt man anfangs aus allen Wolken. All Erkenntnisse die von der HKM so "gesichtert" vorgetragen werden, sind es in Wahrheit nicht oder längst nicht immer. Gut das es bei den größten theologischen Fakultäten fromme Studienbegleitungen gibt, um den ärgsten Murks der HKM-Theorien geradezurücken.
Ich weiß nicht, wie du zu solchen Behauptungen kommst und leider hast du mir keinen Hinweis dazu gegeben.

Ich kann das einfach nicht unkommentiert so stehen lassen. Wie ich zu meiner Sichtweise komme, kann ich aber darlegen. Hier mal zwei Beispiele von vielen, die ich dazu noch aus entsprechender Fachliteratur anführen könnte:
MELANIE KÖHLMOOS, Altes Testament, Tübingen 2005 (utbBasics), S. 36 hat geschrieben:
1. Historisch-kritische Exegese: Ziel und Funktion


Zu einer sachgemäßen Textauslegung gehört die Frage nach den Entstehungsbedingungen eines Textes, also nach Abfassungsort, -zeit und –zweck, dem Verfasser u.ä.

Um diese Fragen zu beantworten, hat die Bibelwissenschaft ihre eigene Methode entwickelt, die sog. historisch-kritische Exegese (auch: historisch-kritische Methode, historische Kritik).

Der Begriff weist bereits auf das Ziel dieser Methode hin: Sie will den geschichtlichen Hintergrund der biblischen Texte erfassen (darum „historisch“), und sie will den Text und seine Aussage(n) von späterer Auslegung unterscheiden (griech. krínein, „unterscheiden“, davon „Kritik, kritisch“). Es geht also nicht um Kritik im Sinne einer Bewertung der Texte!
Einzelne Methoden der historischen Kritik sind bereits in der Antike und im Mittelalter angewandt worden. Als Ganze wurde sie aber erst im 17./18. Jh. entwickelt; zur Zeit der Aufklärung. Gegen die kirchliche Lehre von der Verbalinspiration (=die Bibel ist vom heiligen Geist verfasst) wollten die Entwickler und Anhänger der historischen Kritik vernunftgemäß begründen, welchen historischen Sinn die biblischen Texte einmal hatten.


Historisch-kritische Exegese hat das Ziel, den Text in seiner Ursprungssituation zu erfassen und seinen Werdegang nachzuzeichnen.
Theißen, Gerd; Merz, Annette: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1996. S. 5f hat geschrieben:
Wissenschaft sagt nicht: „So war es", sondern: „So könnte es aufgrund der Quellen gewesen sein." Deshalb besprechen wir alle relevanten Quellen - nicht nur die kanonischen, sondern auch die apokryphen Evangelien, nicht nur christliche, sondern auch nicht-christliche Texte, die Jesus erwähnen. Auch sonst wird immer die Textbasis vorgestellt, die den Schlußfolgerungen und Überlegungen zugrunde liegt.

Wissenschaft sagt nie: „So ist es", sondern nur: „So stellt es sich uns auf dem Stand der Forschung dar." Und das heißt im Klartext: „auf dem Stand unseres derzeitigen Wissens und Irrens." Wir geben deshalb zu jedem wichtigen Thema einen kurzen Forschungsüberblick. Die klassischen Positionen, die in Variationen immer wiederkehren, werden knapp referiert. Das soll auch dazu helfen, die in diesem Buch vertretenen Entscheidungen einordnen, bewerten und relativieren zu können.

Wissenschaft sagt nicht: „Das ist unser Ergebnis", sondern: „Das ist unser Ergebnis aufgrund bestimmter Methoden" Der Weg, auf dem sie zu ihrem Ziel gelangt, ist ihr genauso wichtig wie das Ziel - oft sogar noch wichtiger. Denn der Weg kann richtig sein, auch wenn sich das Ziel als Zwischenstation erweist, die man wieder verlassen muß. Es finden sich daher in diesem Buch oft methodische und hermeneutische Überlegungen. Angesichts der Skepsis, ob man überhaupt etwas vom historischen Jesus weiß, ist das angebracht. Ein ganzer Paragraph (§ 4) beschäftigt sich mit dieser Frage.

Wissenschaft weiß schließlich, daß ihre Resultate vergänglicher sind als die Probleme, auf die sie eine Antwort zu geben versucht. Das gilt auch für die Jesusforschung. Trotz der ungeheuren Fülle von Meinungen und Positionen kehren einige Grundprobleme immer wieder. Sie bilden Konstanten. Daher ist unsere Darstellung problemorientiert. Schon aus Gründen der Durchsichtigkeit und Klarheit sagen wir aber jeweils, wo - auf dem Stand unseres Wissens und Irrens - die Lösungen liegen könnten.

Weil Wissenschaft nicht einfach von der Wirklichkeit „erzählen" kann, sondern über Quellen, Forschungslagen, Methoden und Probleme reflektiert, ist sie ein kompliziertes Geschäft. Wir sehen darin eine Herausforderung für die Wissenschaftsdidaktik. Unser Buch möchte differenziertes Problemwissen so klar wie möglich vermitteln und auch etwas von der Freude, die es macht, innerhalb des Wissenschaftsprozesses an der Suche nach Wahrheit und der Korrektur unserer Irrtümer teilzunehmen.
Hiob
Beiträge: 7474
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Hiob »

Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 "Es könnte ja so gewesen sein" steht gleichwertig neben "Es könnte ja nicht so gewesen sein".
1) Wir sollten Rems Thread nicht kaputt machen - ihm geht es darum, welche neutral-wissenschaftlichen Erkenntnisse es gibt, die glaubensmäßig neue Impulse geben.

2) Ja - prinzipiell hast Du recht - so wird es intern in den Unis gesehen, aber eben nicht in der Darstellung nach außen.
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 Es kommt daher, dass Wissenschaft vernünftig begründet.
Das tut Ratzinger auch. - Da stimmt was nicht - willst Du nicht einen eigenen Thread aufmachen?
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 Offensichtlich bekommen sie das methodisch auf Reihe, sonst würden sie nicht so glauben.
Klar - systemische Vorgänge sind in der Gewalt des Menschen - da kann man so ziemlich alles machen.
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 Es fehlt dieser deiner Behauptung einer angeblichen Wahrheit, wie so oft eine intersubjektiv nachprüfbare BEGRÜNDUNG.
Das ist IMMER so, wenn es ans Eingemachte geht.
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 WARUM um Gottes Willen soll sie die Aufgabe der Glaubensgemeinschaften und Kirchen übernehmen - und wenn, dann von WELCHEN?
:?: Verstehe ich nicht. - Die HKM soll Grundlagen bilden, die neutral und diesseits spiritueller Fragestellungen sind.
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56EBEN.
So - mache bitte einen neuen Thread zu diesem interessanten Thema - wir haben jetzt kein einziges Wort zu dem gesagt, was Rem wollte.
Rembremerding

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Rembremerding »

Ein anderes Beispiel aus der Textanalyse:
Und als er von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte;
auch wird man nicht sagen: Siehe hier! Oder: Siehe dort! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Lk 17:20-21 ELB
Es geht um "mitten unter euch". Die überlieferten griechischen Worte lauten: entos hymon.
Eine traditionelle Deutung besagt nach Gregor von Nanzianz, Thomas von Aquin, Nikolaus von Lyra oder auch Luther ("das reych Gottis ist ynnwendig ynn euch"), dass hier eine moralische, verinnerlichete und individualistische Auslegung angebracht ist. Das Reich Gottes ist also in unseren Herzen, in unseren Seelen vom Hl. Geist eingepflanzt.

Allerdings verwendet Lukas für den Ausdruck "mitten unter jemand sein" sonst einen ganz anderen Ausdruck. So schreibt er über den Zwölfjährigen Jesus im Tempel, dass ihn seine Eltern en mésō der Lehrer fanden (Lk 2:46). Der Ausdruck entos wird von ihm hier nicht verwendet.

Nun hat ein gutes exegetisches Bemühen zum Ziel, das Verständnis des Ausdrucks entos hymon zur Abfassungszeit des Lukas-Evangeliums zu bestimmen.
Ein in Oxyrhynchos/Ägypten gefundener Papyri kann hier weiterhelfen. Er kann aufgrund des Inhalts auf exakt den 16.3.102 datiert werden, eine Generation nach Lukas, aber noch in derselben Epoche.
In dem Papyrus geht es um die Klage des Weingroßhändlers Apion gegen Berenike, die Witwe seines verstorbenen Geschäftspartners Pasion. Der entscheidende Satz lautet in P. Oxy. 2342; Zeile 7-8:
Diese hat eine Ladung Wein "entos autēs", was sicher nicht bedeutet, dass dieser Wein in ihr oder unter ihr war. Es bedeutet, dass sie den Wein zu ihrer Verfügung hatte.

Diese Deutung hat auch Origenes in seinem Johanneskommentar vorgenommen. Er bringt es mit Dtn 30:11-14 ELB in Bezug:
Denn dieses Gebot, das ich dir heute gebiete, ist nicht zu wunderbar2 für dich und ist dir nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer wird für uns in den Himmel hinaufsteigen und es uns holen und es uns hören lassen, dass wir es tun?
Und es ist nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer wird für uns auf die andere Seite des Meeres hinüberfahren und es uns holen und es uns hören lassen, dass wir es tun?
Sondern ganz nahe ist dir das Wort, in deinem Mund und in deinem Herzen, um es zu tun.
Unabhängig von Origenes schreibt auch Tertullian (Tertullian, Adv. Marcionem IV, 35):
Wer wird nicht so übersetzen: unter euch, das bedeutet in eurer Hand, in eurer Macht, wenn ihr hört und wenn ihr die Weisung Gottes tut?
Cyrill von Alexandria legt in seinem Lukaskommentar aus:
Denn es ist entos hymon: das bedeutet, es liegt in dem euch gehörenden Entschluss und der Freiheit, es zu ergreifen. Denn es ist jedem Menschen möglich, der in Christus gerechtfertigt und der durch den Glauben offenbar reich geworden ist.
Auch für Cyrill steht das Reich Gottes also zur Verfügung.

Die antiken Ausleger, so denke ich, haben ganz richtig den Zusammenhang mit Dtn 30 erkannt. Zudem kommt die Übersetzung von entos hymon die dem zur Abfassungszeit des Lukas herrschenden Verständnis am Nächsten. Man müsste also schreiben: "Das Reich Gottes ist nicht da oder dort: es steht euch zur Verfügung – es ist in eurer Reichweite".
Anders ausgedrückt:
Don’t dream it – do it. :D

Servus :wave:
Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 4270
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Andreas »

Es gibt so viel Bereicherndes, das mittels der historisch-kritischen Methode ans Licht gekommen ist. Vieles davon ist selbst den verbittertsten Gegnern der HKM längst in Fleisch und Blut übergegangen, ohne dass ihnen bewusst ist, wie dieses Wissen zustande kam. Auch sie berufen sich gerne auf die Wissenschaft, sobald sie ihre heutige Sichtweise bestätigt - nur wird solches dann nicht mit der HKM in Verbindung gebracht, ohne die dieses Wissen aber nicht erlangt worden wäre.

Ein weiteres Beispiel aus den Textanalysen kommt daher wie bestellt, deshalb hole ich es hiermit ab. Seit heute online: Worthaus 8.6.1 - GIBT ES EINEN STRAFENDEN GOTT?

Ich habe ja schon vor langer Zeit auf die Vortragsreihe von Worthaus im Zusammenhang mit der historisch-kritischen Bibelforschung hingewiesen. Fast in jedem Worthaus-Vortrag, werden Früchte der HKM leicht verständlich und unterhaltsam präsentiert. Mittlerweile sind es 131 Vorträge geworden.

Ich sehe mir diese Vorträge immer wieder gerne, aber durchaus auch kritisch an. Auch dort stimme ich nicht allem zu. Trotzdem halte ich Worthaus für eine sehr ergiebige Fundgrube, in der ich für meinem Glauben bei so manchem schwierigen Entwicklungsschritt gute Impulse fand.
jesher

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von jesher »

Worthaus ist sehr durchwachsen und für Menschen, welche eine Exegese auf Basis der HKM ablehnen, überhaupt nicht zu empfehlen. Was soll ein methodischer Atheismus auch für die Exegese beitragen können? Diese Frage ist rhetorisch. Auch bei Worthaus werden Erkenntnisse aus der HKM als wahr dargestellt und nicht selten bekommen konservative Ansichten gleich noch ein Schild von Unglaubwürdigkeit umgehängt. Einige Dozenten dort sind gut, aber längst nicht alle. Alle dortigen Vorträge, welche die HKM als Grundlage haben, sollten von Menschen die sich damit nicht auskennen gemieden werden.

Die HKM ist nicht per se gut, sondern sie KANN unter bestimmten Umständen gutes zur Theologie beitragen. Daher ist auch dieses Thema hier "Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann" sehr berechtigt, da die Bereicherung durch die HKM erst einmal gefunden werden muss.

Grundsätzlich ist die HKM im Bereich Exegese eine destruktive Vorgehensweise, welche weder das Vertrauen in die gute Überleiferung der Schrift noch in Gott stärkt. Im Gegenteil. Die HKM ist geradezu berühmt für den Umstand, dass sie den Glauben der Studenten zerstört und durch irgendein wissenschaftliches (methodischer-Atheismus) Gottesbild ersetzt. Nicht ohne Grund gibt es die bereits seit jahrzehnten aktiven Studienbegleitungen... ich erwähnte es bereits.
Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 4270
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Andreas »

Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 15:16
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 Es kommt daher, dass Wissenschaft vernünftig begründet.
Das tut Ratzinger auch. - Da stimmt was nicht - willst Du nicht einen eigenen Thread aufmachen?
Doch, da stimmt alles, wenn du nicht nur meine Behauptung zitierst und die dazugehörige Begründung nicht unterschlägst. Einfach mal auf die Argumente einzugehen, statt sie zu ignorieren und scheinheilig nachzufragen, wär' doch mal was:
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52Woher kommt das, dass man "HKM" synonym für "Wissenschaft" setzt und andere theologische Disziplinen nicht? Hat da eine Neusprech-Propaganda-Maschinerie gut funktioniert?
Nein. Es kommt daher, dass Wissenschaft vernünftig begründet. So begründet, dass auch ein Hindu, Buddhist, Atheist und der Bäcker von nebenan, diese Begründung nachvollziehen kann - ohne sich zu Gott, zu Jesus, zur Bibel, zum christlichen Glauben, oder eine der vielen Kirchen bekennen zu müssen. Die Historische Theologie mit ihrer HKM begründet auch etwas anderes als die Systematische Theologie, nämlich ihr Verständnis eines Textes und nicht den christlichen Glauben. Es geht in der Wissenschaft um Wissen und nicht um den Glauben von irgendjemanden und auch nicht darum "die Wahrheit" zu verkündigen.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 15:16
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 Offensichtlich bekommen sie das methodisch auf Reihe, sonst würden sie nicht so glauben.
Klar - systemische Vorgänge sind in der Gewalt des Menschen - da kann man so ziemlich alles machen.
Du machst doch mit deinem Modell nichts anderes.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 15:16
Andreas hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 11:56 Es fehlt dieser deiner Behauptung einer angeblichen Wahrheit, wie so oft eine intersubjektiv nachprüfbare BEGRÜNDUNG.
Das ist IMMER so, wenn es ans Eingemachte geht.
Du bist so großzügig dir selbst gegenüber, wenn's ans Eingemachte geht.
Hiob hat geschrieben: Sa 18. Mai 2019, 08:52Indem man seine Argumentation systematisch führt und intersubjektiv nachprüfbar macht. - Wir reden doch nicht von PRedigten in der Kirche, sondern von Forschungen etwa zur Frage "Wie ist die Offenbarung verstehbar, wenn Jesus göttlich ist?".
Du bist so kleinlich anderen gegenüber, wenn's ans Eingemachte geht.

Solche Lachnummern kommen halt dabei raus, wenn du immer nur reflexartig auf einzelne Sätze reagierst.
Rembremerding

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von Rembremerding »

jesher hat geschrieben: So 19. Mai 2019, 16:35 Worthaus ist sehr durchwachsen und für Menschen, welche eine Exegese auf Basis der HKM ablehnen, überhaupt nicht zu empfehlen.
Die HKM ist ein Werkzeug zur Exegese. Worthaus wäre für mich dafür als Informationsquelle keinesfalls geeignet.
jesher

Re: Wie die HKM die christliche Bibelauslegung bereichern kann

Beitrag von jesher »

Rembremerding hat geschrieben: So 19. Mai 2019, 17:21
jesher hat geschrieben: So 19. Mai 2019, 16:35 Worthaus ist sehr durchwachsen und für Menschen, welche eine Exegese auf Basis der HKM ablehnen, überhaupt nicht zu empfehlen.
Die HKM ist ein Werkzeug zur Exegese. Worthaus wäre für mich dafür als Informationsquelle keinesfalls geeignet.
Rein strukutrell kann die HKM gar kein Werkzeug der Exegese sein, weil sie methodisch atheistisch vorgeht. Sie will wissenschaftlich sein, womit sie sich selbst für die Exegese disqualifiziert.

Das ist übrigens genau der Vorwurf, den der HKM von anderen Wissenschaftsbereichen vorgehalten wird. (Methodisch-atheistische) Wissenschaft will und kann, nach eigenen Grundsätzen, zu Gott GARkeine Aussagen machen. Weder positiv noch negativ. Daher ist es für eine solche Wissenschaft unsinnig, sich mit Theologie zu befassen. Es ist geradezu ein Paradoxon.

Aber die HKM umfasst eben noch mehr Bereiche als lediglich die Exegese. Wäre dem nicht so, wäre Dein Thread hier sehr kurz ausgefallen.

p.s.: Im Sinne dieses Threads fände ich es sehr angebracht, würden sich alle User solch unfreundlicher Rhetorik wie sie Andreas an den Tag legt, enthalten. Eine konstruktive Debatte ist sonst nicht möglich.
Antworten