Frau und Mann im AT

Themen des alten Testaments
Hiob
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Frau und Mann im AT

Beitrag von Hiob »

Ich bin da über die Stelle Deut. 21,11 gestoßen, weil sie ziemlich unterschiedlich übersetzt wird:

Luther:
"11 und siehst unter den Gefangenen eine schöne Frau und gewinnst sie lieb, dass du sie zur Frau nimmst, 12 so führe sie in dein Haus"

Schlachter:
"11 und du unter den Gefangenen eine schöne Frau siehst und dich in sie verliebst und sie zur Frau nimmst, 12 so führe sie in dein Haus"

Buber:
" 11 du siehst unter dem Fang ein Weib schön von Gestalt, du hängst dich an sie, willst zum Weib sie dir nehmen,
12 laß sie in den Binnenraum deines Hauses kommen"

Lese ich zu empfindlich, wenn ich in den ersten beiden Übersetzungen eine Dominaz des Mann sehe und bei Buber eine Dominanz der Frau? --- Interessant finde ich, dass sich einmal die Frau aktiv "schön macht", während im anderen Fall der Mann sich an das Weibliche „hängt“. - Überinterpretiert?
CoolLesterSmooth
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von CoolLesterSmooth »

Hiob hat geschrieben: Do 28. Nov 2019, 22:56 Lese ich zu empfindlich, wenn ich in den ersten beiden Übersetzungen eine Dominaz des Mann sehe und bei Buber eine Dominanz der Frau?
Ja und nein. Ich würde sagen, dass sich die drei Fassungen nicht unterscheiden, aber wo man die Dominanz sieht, hängt davon ab, wonach man fragt. In allen drei Versionen begehrt der Mann die Frau, das heißt geht man nach Anziehung, beeinflusst sie ihn, sie hat so gesehen Macht über ihn. Ob er auch sie in ähnlichem Maße anzieht ist nicht gesagt, in Anbetracht der Situation zweifelhaft und letztendlich auch nicht relevant, denn die Frage ob sie ihn zum Mann möchte wird gar nicht gestellt, das heißt bei der Entscheidung, ob es zur Ehe kommt, ist eine klare Dominanz des Mannes zu sehen.
Interessant finde ich, dass sich einmal die Frau aktiv "schön macht"
Woran machst du das fest?
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Hiob
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von Hiob »

CoolLesterSmooth hat geschrieben: Do 28. Nov 2019, 23:40 Interessant finde ich, dass sich einmal die Frau aktiv "schön macht"

Woran machst du das fest?
Indirekt durch die Beschreibung "schöne Frauen". - Wenn eine Frau schön ist, dann deshalb, weil sie sich darum kümmert.
CoolLesterSmooth hat geschrieben: Do 28. Nov 2019, 23:40 Ich würde sagen, dass sich die drei Fassungen nicht unterscheiden
Vom Ergebnis ganz sicher richtig. - Ich spüre nur beim Lesen etwas Unterschiedliches, ob der Mann dargestellt wird als Dominanzling ("Schöne Frau - her damit - meins") oder als Bedürftiger, der sich "dranhängt" (Assoziation: Kind am Rockzipfel).
CoolLesterSmooth
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von CoolLesterSmooth »

Hiob hat geschrieben: Do 28. Nov 2019, 23:47 Wenn eine Frau schön ist, dann deshalb, weil sie sich darum kümmert
Da muss ich deutlich widersprechen, denn Schönheit liegt im Auge des Betrachters und Schönheit, Attraktivität, also Anziehung ist nicht rein auf Äußerlichkeiten beschränkt und gerade in der der hier behandelten Situation darf der Faktor der Schutzlosigkeit, der Verletzlichkeit, der oft als anziehend empfunden wird, nicht unterschätzt werden. Es ist natürlich auch nicht auszuschließen, dass sich Frauen in einer derartigen Situation präsentieren, sozusagen aktiv angeboten haben, aber auch hier darf der Kontext nicht vergessen werden, ich denke "notgedrungener Opportunismus aus Angst vor einer noch schlimmeren Alternative" kratzt schon am Maximum der noch vertretbaren positiven Darstellung.
Ich spüre nur beim Lesen etwas Unterschiedliches, ob der Mann dargestellt wird als Dominanzling ("Schöne Frau - her damit - meins") oder als Bedürftiger, der sich "dranhängt" (Assoziation: Kind am Rockzipfel).
Kann man das so sehen, ich sehe in der Buber-Übersetzung aber keinesfalls weniger "Mann will, Mann nimmt", eher im Gegenteil, durch das Nichterwähnen eines Verliebens und durch die (in diesem Vergleich exklusive) Verwendung von "wollen" und "dranhängen" klingt diese Fassung viel mehr nach Begierde, nach triebhaftem Lüstern. Das kommt, finde ich, auch durch, wenn man "dass du sie zur Frau nimmst/und sie zur Frau nimmst" und "willst zum Weib sie dir nehmen" vergleicht. Durch das kleine "dir" schwingt noch einmal mehr Besitzergreifung und weniger Einvernehmen mit. Je mehr ich drüber nachdenke, umso mehr scheint mir, dass die Buber-Fassung zumindest unter diesen drei letztendlich die brachialste und damit auf eine perverse Art die wohl leider ehrlichste Darstellung ist.
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von Magdalena61 »

Hiob hat geschrieben: Do 28. Nov 2019, 22:56 Lese ich zu empfindlich, wenn ich in den ersten beiden Übersetzungen eine Dominaz des Mann sehe und bei Buber eine Dominanz der Frau? --- Interessant finde ich, dass sich einmal die Frau aktiv "schön macht", während im anderen Fall der Mann sich an das Weibliche „hängt“. - Überinterpretiert?
Eine Wertung dieser Art sehe ich jetzt nicht unbedingt. Dieses "du hängst dich an sie" erinnert mich eher an 1. Mose 2,24.
Das Wort „hängen“ (hebr. dabaq) bedeutet: anhaften, ankleben; griech. kallao = anleimen.
Quelle
Das Anhangen passiert bei allen drei Versionen- das ist ja auch normal, wenn ein Mann Interesse entwickelt für eine Frau, sich in sie verliebt und sie "haben will". Die ersten beiden Übersetzungen sind halt etwas moderner.
LG
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Oleander
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von Oleander »

Hiob hat geschrieben: Do 28. Nov 2019, 23:47 - Wenn eine Frau schön ist, dann deshalb, weil sie sich darum kümmert.
Dann ist sie "gepflegt"

Denk an Aschenputtel(Cinderella)
Selbst verschmuzt(schlicht) war sie noch schön
Als Prinzessin erscheint das Bild anders- erhabener und gepflegt (Kleidung, sauber, geschmückt)
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von Hiob »

CoolLesterSmooth hat geschrieben: Fr 29. Nov 2019, 00:45 Da muss ich deutlich widersprechen, denn Schönheit liegt im Auge des Betrachters und Schönheit, Attraktivität, also Anziehung ist nicht rein auf Äußerlichkeiten beschränkt
Oleander hat geschrieben: Fr 29. Nov 2019, 00:54 Selbst verschmuzt(schlicht) war sie noch schön
Schon klar - sehe ich übrigens genauso. - Mir ist eine Frau in Sackleinen, die geistig strahlt, schöner als ein Botox-Monster im neuesten Chic. ---- Trotzdem sehe ich in "schöne Frau" in diesem Kontext, dass die Frauen ja WISSEN, dass es diese Regelung 21,11 gibt. ---- Wie soll ich sagen: Wenn Frauen das damals wussten, haben sie sich auf Brautschau der Männer eingerichtet - vermutlich war es doch ein Vorteil, wenn sie erwählt wurden, oder nicht?
CoolLesterSmooth hat geschrieben: Fr 29. Nov 2019, 00:45 durch das Nichterwähnen eines Verliebens und durch die (in diesem Vergleich exklusive) Verwendung von "wollen" und "dranhängen" klingt diese Fassung viel mehr nach Begierde, nach triebhaftem Lüstern.
Ja - ich lese hier eher ein archetypisches Muster heraus: Der Mann spielt den starken Max (der er von der Macht her ja ist), der aber psychisch der Bedürftige ist - es klingt bei Buber so, als sei die Frau souveräner als der Mann.
Magdalena61 hat geschrieben: Fr 29. Nov 2019, 00:52 Dieses "du hängst dich an sie" erinnert mich eher an 1. Mose 2,24.
Da lese ich genau dasselbe - sogar dasselbe Wort. ---- Überleg mal: Der Mann als "Anhängsel" der Frau - irgendwie passt das doch nicht zu einem patriarchischen Denken.
Magdalena61 hat geschrieben: Fr 29. Nov 2019, 00:52 Das Anhangen passiert bei allen drei Versionen- das ist ja auch normal, wenn ein Mann Interesse entwickelt für eine Frau, sich in sie verliebt und sie "haben will". Die ersten beiden Übersetzungen sind halt etwas moderner.
Aber die Sinnrichtung mutet unterschiedlich an. - Rein praktisch ist es dasselbe, klar.

Es ist wirklich schwer, das mit Worten hinzukriegen. --- "Ich will diese Frau haben und nehme sie mir" (Frau ist Anhängsel des Manns) versus "Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen" (1.Mose 2,24) (Mann ist Anhängsel der Frau). --- Spürt Ihr das auch?
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von CoolLesterSmooth »

Hiob hat geschrieben: Fr 29. Nov 2019, 01:08 Trotzdem sehe ich in "schöne Frau" in diesem Kontext, dass die Frauen ja WISSEN, dass es diese Regelung 21,11 gibt.
Es geht dabei primär wohl eher nicht um israelitische Frauen, ob die in diesem Fall das Gesetz kannten ist fragwürdig. Aber man wusste eben, wie zu diesen Zeiten unabhängig von der Nation ganz allgemein vor allem mit weiblichen Kriegsgefangenen verfahren wurde.
vermutlich war es doch ein Vorteil, wenn sie erwählt wurden, oder nicht?
Das kommt wohl darauf an, wie scharf man darauf ist, sich in ein Verhältnis der regelmäßigen Vergewaltigung zu begeben. Hier liegt schon wieder ein leichter Hauch der Romantisierung in der Luft, da wollen wir doch bitte nicht vergessen, wovon wir hier eigentlich sprechen.
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von Travis »

Hiob hat geschrieben: Do 28. Nov 2019, 22:56 Lese ich zu empfindlich, wenn ich in den ersten beiden Übersetzungen eine Dominaz des Mann sehe und bei Buber eine Dominanz der Frau? --- Interessant finde ich, dass sich einmal die Frau aktiv "schön macht", während im anderen Fall der Mann sich an das Weibliche „hängt“. - Überinterpretiert?
DIe Motivationen zu erfassen, ohne die Übersetzer selbst zu befragen, lässt stets große Unsicherheiten zurück. Was mir allerdings auffällt ist, dass Herr Buber in seiner Übersetzung deutlicher herausstellt, wie abgesondert Israel damals war. In den umliegenden Völkern hatte die Frau eine wesentlich geringere Stellung als es quer durch die Bibel in Gottes Volk begründet und im Alltag ausgelebt wurde
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Re: Frau und Mann im AT in EINER Szene

Beitrag von Hiob »

Travis hat geschrieben: Fr 29. Nov 2019, 07:09 Was mir allerdings auffällt ist, dass Herr Buber in seiner Übersetzung deutlicher herausstellt, wie abgesondert Israel damals war. In den umliegenden Völkern hatte die Frau eine wesentlich geringere Stellung als es quer durch die Bibel in Gottes Volk begründet und im Alltag ausgelebt wurde
Interessant - diesen Blickwinkel hatte ich noch nicht.
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