Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Themen des alten Testaments
Hiob
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Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Hiob »

Mal was Spezielleres. ---

Gen. 18,18
"Abraham soll doch zu einem großen, mächtigen Volk werden, durch ihn sollen alle Völker der Erde Segen erlangen".

Rut 1,16
"Dein Volk ist mein Volk, und Dein Gott ist mein Gott"

Nehemia 9,2
"Die, die ihrer Abstammung nach Israeliten waren, sonderten sich von allem Fremden ab"

Nehemia 13,1
Einheitsübersetzung: "Ammoniter und Moabiter dürfen niemals in die Gemeinde Gottes eintreten"
Buber: „Dass ein Ammoniter oder Moabiter in das Gesamt Gottes nicht eingehen dürfe auf Weltzeit“


Wir haben hier vier Aussagen (ich interpretiere):
1) Alle Völker sollen durch Israel zu Jahwe bekehrt werden = EIN großes Volk am Ende.
2) Die Moabiterin Rut nimmt Jahwe als ihren Gott an.
3) Israel sondert sich von allem, was nicht israelitisch ist, ab.
4) Moabiter dürfen niemals in die Gemeinde Gottes eintreten.

Welcher dieser Aussagen ist am neutestamentarischsten? - Wie passen diese 4 Aussagen innerhalb des AT zusammen?

Was meint Ihr?
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Magdalena61
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Magdalena61 »

Ruth: Da hat ja schon vorher einiges nicht gestimmt.

Rut1
Während einer Hungesnot zogen Elimelech und seine Ehefrau Noomi von Bethlehem- Juda in Richtung Moab- heute Jordanien.
Karte
- Dort starb Elimelech. Die beiden Söhne des Ehepaares heirateten moabitische Frauen; diese Partnerwahl war ja vermutlich nicht unbedingt im Sinne Gottes. Und ob der Ausflug nach Moab Gott gefiel, das darf man auch in Frage stellen.
Andere Leute waren im Land geblieben und hatten überlebt.

Auch die Söhne starben, da steht etwas von 10 Jahren, die sie im Moab wohnten. Ruth war immer noch eine gebürtige Moabiterin, aber halt die Witwe eines "Efratiters" aus Israel.
Noomi wollte wieder zurück in die Heimat. Ruth begleitete die Witwe und wurde von dieser an einen Verwandten ihres verstorbenen Ehemannes und Schwiegervaters der Ruth verkuppelt.

:) Wie das zu Neh. 13,1 passt? Das kann ich nur vermuten.

Ruth hatte sich von den Götzen der Moabiter distanziert und ein klares Glaubensbekenntnis ausgesprochen: "Dein Gott ist mein Gott" (Rut 1, 16).
LG
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Corona
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Corona »

Das Verbot bezog sich nur auf Männer aus Moab. Diese wiesen die Israeliten zurück, als sie nach dem Auszug aus Ägypten durch das Land zogen.

Die Moabiter hatten irgendwie vergessen, dass sie die gleichen Vorfahren haben wie die Israeliten.
Jer 23
Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da werde ich dem David einen gerechten Sproß erwecken; In seinen Tagen wird Juda gerettet werden und Israel sicher wohnen;
Hiob
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Hiob »

Magdalena61 hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 03:28 Wie das zu Neh. 13,1 passt? Das kann ich nur vermuten.
Mein Punkt kommt also nicht rüber. - Mein Punkt ist:
Warum kann Rut als Moabiterin zu "Gottes Volk" werden, wenn Moabiter laut Nehemia nicht "in das Gesamt Gottes eingehen" dürfen?
Corona hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 08:43 Das Verbot bezog sich nur auf Männer aus Moab.
Wäre Rut also ein Ruthard gewesen, hätte er nicht Mitglied des "Volk Gottes" werden dürfen?
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Corona
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Corona »

Hiob hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 09:21
Corona hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 08:43 Das Verbot bezog sich nur auf Männer aus Moab.
Wäre Rut also ein Ruthard gewesen, hätte er nicht Mitglied des "Volk Gottes" werden dürfen?
Korrekt
Jer 23
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Hiob
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Hiob »

Corona hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 09:58 Hiob hat geschrieben: ↑
Do 2. Jan 2020, 09:21

Corona hat geschrieben: ↑
Do 2. Jan 2020, 08:43
Das Verbot bezog sich nur auf Männer aus Moab.

Wäre Rut also ein Ruthard gewesen, hätte er nicht Mitglied des "Volk Gottes" werden dürfen?

Korrekt
Historisch mag das so sein - dazu aber zwei Fragen:

1) Was bedeutet das heilsgeschichtlich?

2) Wie ist in diesem Kontext zu verstehen, dass nur von israelitischen FRAUEN stammende Kinder als Juden anerkannt sind. - Konkret:
a) Ein Kind von meinetwegen Nehemia und einer "Heidin" wäre NICHT jüdisch.
b) Ein Kind von meinetwegen Rut und einem "Heiden" wäre jüdisch.
Rilke
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Rilke »

Das ist eine wirklich gute Frage.

Meine Überlegung hierzu:

Möglicherweise wurde Ruth durch den Glauben an Gottes Volk teilhaftig und somit auch gerechtfertigt? Werden im NT die Heidenchristen durch Jesus Christus in den Ölbaum eingepfropft, so sind sie nichtsdestotrotz durch den Glauben allein gerechtfertigt. Technisch gesehen werden sie in das Volk Gottes miteinbezogen. Schließlich kam Christus, um sein Volk zu erretten, das besteht nach wie vor aus einigen des fleischlichen Israels und den Völkern.

Das Konstitut der Errettung im AT war nicht Jesus Christus selbst, sondern der Glaube an den Gott Israels und somit auch an das Kommen des Moschiach, der in den Schriften prophezeit wurde. Gleich im AT und NT ist also, dass der Glaube an den Gott Israels rechtfertigt. Der Unterschied ist, dass in den Zeiten des AT nur wenige Heiden zum Heil erwählt wurden, während sich das nach dem Kommen Christi stark verändert hat.

- EDIT- Die Moabiterfrage habe ich zuvor gar nicht gelesen - also sozusagen überlesen. Das ist eine durchaus interessante Angelegenheit. In jüdischer Tradition gilt Ruth als Giyoret Zadek, als rechtschaffene Konvertitin. Den Titel Zadek (Zadik) erlangt in der Tat nicht jeder Mensch. Im Judentum gilt Ruth als eine der vorbildlichsten Konvertiten.
Möglicherweise ist ihre Beharrlichkeit, dem Volk Israels zu folgen, ausschlaggebend für die Annahme. Als Begründung für den Ausschluß der Moabiter gilt ja laut 5. Mose 23,5: "deshalb, weil sie euch nicht mit Brot und mit Wasser entgegengekommen sind auf dem Weg, als ihr aus Ägypten zogt".
Doch Ruth war nicht umzustimmen, als sie sagte: "Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, von dir weg umzukehren! Denn wohin du gehst, dahin will auch ich gehen, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott."
Das wird der Moabiterin so hoch angerechnet, dass der Fluch aufgehoben gilt. Denn Boas antwortete ihr: "Es ist mir alles genau berichtet worden, was du an deiner Schwiegermutter getan hast nach dem Tod deines Mannes, dass du deinen Vater und deine Mutter und das Land deiner Verwandtschaft verlassen hast und zu einem Volk gegangen bist, das du früher nicht kanntest. Der HERR vergelte dir dein Tun, und dein Lohn möge ein voller sein von dem HERRN, dem Gott Israels, zu dem du gekommen bist, um unter seinen Flügeln Zuflucht zu suchen!"
Was immer ein endliches Wesen begreift, ist endlich.
- Hl. Thomas v. Aquin
Hiob
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Hiob »

Rilke hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 12:28 Möglicherweise wurde Ruth durch den Glauben an Gottes Volk teilhaftig und somit auch gerechtfertigt?
Das denke ich auch. - Das hieße aber: Rut wäre eine Einlösung
1) von Gen. 18,18 "Abraham soll doch zu einem großen, mächtigen Volk werden, durch ihn sollen ALLE Völker der Erde Segen erlangen".
2) so wie vom NT anyway, das sich ja universal versteht.

Umgekehrt hieße dies, dass Neh. 13,1 "Dass ein Ammoniter oder Moabiter in das Gesamt Gottes NICHT eingehen dürfe auf Weltzeit", falsch wäre, WENN man es spirituell/heilsgeschichtlich versteht (wie es historisch zu verstehen ist, ist eine ganz andere Frage).

Und jetzt kommt noch ein zusätzlicher feiner Haken: Es ist ein Unterschied, ob man hier übersetzt mit "dürfen NIEMALS in die Gemeinde Gottes eintreten" (Einheitsübersetzung) oder mit "auf Weltzeit" (Buber). - Denn "niemals" ist etwas Endgültiges, während "auf Weltzeit" nur die irdische Zeit umfasst. - Diese Stelle könnte also auch heißen (Buber), dass die Moabiter nicht prinzipiell nicht, sondern nur nicht "auf Weltzeit" Teil der Gemeinde Gottes sein können. - Echt kompliziert - oder lese ich zu fein?
Rilke hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 12:28 Der HERR vergelte dir dein Tun, und dein Lohn möge ein voller sein von dem HERRN, dem Gott Israels, zu dem du gekommen bist, um unter seinen Flügeln Zuflucht zu suchen!
Genau - und jetzt: Gilt das auch schon in der Weltzeit oder erst danach? :)
Rembremerding

Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Rembremerding »

Hiob hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 17:25 "auf Weltzeit"
Wenn wir es geschichtlich auffassen, dann muss auch die jüdische Eschatologie jener Zeit, wie sie heute vermutet wird, herangezogen werden. Der Zeitbegriff war ein anderer (als Nomadenvolk war alles ein Werden) und das Totenreich war ein ungewisser Ort, der nicht gleichzeitig Heil verhieß. "Weltzeit" bedeutet auch nicht, dass es "Himmelzeit" gibt, dies wäre eine nachträgliche Hinzugabe.
Tohuwabohu, Wirrwarr, Chaos, die Zeit, bevor Gott ordnend schuf, das ist am ehesten jenes, was nicht "Weltzeit" ist. Mache aus den Versen keinen Allversöhnungsbeleg.

Bezogen auf das NT wird dann die Erlösungstat des Herrn auch zu einer neuen Ordnung. Seine Menschwerdung lässt wieder die Ewigkeit in das menschliche Leben einbrechen, ER erschafft den Menschen durch sich neu in dessen Wiedergeburt. Was der Verwirrer durch die Sünde mit dem Menschen ins Chaos stürzte, bringt das göttliche Wort, Jesus, wie bei den Schöpfungstagen wieder in göttliche Ordnung.
Aus der Weltzeit, in der der Fürst der Welt regiert, wird die Zeit der Gnade.
Hiob
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Re: Wer gehört zum "Volk Gottes"?

Beitrag von Hiob »

Rembremerding hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 18:06 Tohuwabohu, Wirrwarr, Chaos, die Zeit, bevor Gott ordnend schuf, das ist am ehesten jenes, was nicht "Weltzeit" ist.
Das sehe ich aber schon so, weil ich "Weltzeit" als "Zeit des Irdischen" verstehe - also im weitesten Sinne "Fürstentum der Welt" vom Sündenfall bis zur Apokalypse.
Rembremerding hat geschrieben: Do 2. Jan 2020, 18:06 Aus der Weltzeit, in der der Fürst der Welt regiert, wird die Zeit der Gnade.
Aber diese "Zeit der Gnade" ist gleichzeitig "Fürstentum der Welt", oder nicht? --- Dass es dabei einen Unterschied zwischen AT-Weltzeit und NT-Weltzeit gibt, bleibt unbenommen.
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