(Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Alle Themen aus Naturwissenschaft & Technik die nicht in die Hauptthemen passen.
Savonlinna
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna »

closs hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:closs macht das, indem er das Schreckensszenario einer "ent-Geistigten" Welt malt. ... Du, Pluto machst dasselbe, nur mit umgedrehten Vorzeichen.
Das wäre der Moment für die Frage, ob es etwas gibt, was NICHT ideologisch ist.
Keine Wissenschaft heute würde mehr außer Acht lassen, dass jeder Mensch von Vorentscheidungen geprägt ist, die zwar veränderbar, aber nicht strukturell abschaffbar sind, es sei denn, man entleibt sich oder wird entleibt.

Aber es gibt Extrema. Die sind charakterisiert durch eine Weltdeutung, die starrer als andere Weltdeutungen sind.
Wikipedia schreibt interessanterweise, dass Ideologie dann eintritt, wenn man andere LEHRMEINUNGEN nicht mehr reflektieren kann.

Die meisten Menschen vertreten gar keine Lehrmeinungen. Sie leben dahin und hangeln sich von Situation zu Situation.
Da tritt dann allerdings mitunter die Ideologiekritik auf, die möglicherweise nachweist, dass Menschen unbewusst sehr wohl nach Lehrmeinungen handeln, die sie nur selber nicht merken.

Ich unterscheide also die "Vorentscheidungen", die jeder Mensch notgedrungen in seinem Leben hat, von einer Ideologie, die als Lehrgebäude auftritt oder Ausfluss eines Lehrgebäudes ist.
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closs
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs »

Savonlinna hat geschrieben:Ich unterscheide also die "Vorentscheidungen", die jeder Mensch notgedrungen in seinem Leben hat, von einer Ideologie, die als Lehrgebäude auftritt oder Ausfluss eines Lehrgebäudes ist.
Was hältst Du von der These, dass "Lehrmeinungen" (also strukturell nachvollziehbar dargestellte Weltbilder) intersubjektiv nachvollziehbare Rechtfertigungs-Intrumente für "Vorentscheidungen" (also jeweils zeitgemäße gesellschaftliche Formatierungen) sind? - Wobei "Lehrmeinungen" und "Vorentscheidungen" zeitlich versetzt sein können.
ThomasM hat geschrieben:Da diesem Wort ein negativer Touch anhängt, wehren sich viele, auch gerade in diesem Forum, dagegen, dass sie eine Ideologie vertreten würden. Das Wort Weltanschauung ist neutraler.
Wie wäre es, wenn man verschiedene Weltanschauungen als Modelle/Perspektiven versteht und sie dadurch relativiert. - Denn zur "Ideologie" wird es doch erst dann, wenn man die eigene Perspektive als einzig satisfaktions-fähige Perspektive versteht - oder nicht?
Savolinna hat geschrieben:Wikipedia schreibt interessanterweise, dass Ideologie dann eintritt, wenn man andere LEHRMEINUNGEN nicht mehr reflektieren kann.
Genau das meine ich damit.
Savonlinna
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna »

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich unterscheide also die "Vorentscheidungen", die jeder Mensch notgedrungen in seinem Leben hat, von einer Ideologie, die als Lehrgebäude auftritt oder Ausfluss eines Lehrgebäudes ist.
Was hältst Du von der These, dass "Lehrmeinungen" (also strukturell nachvollziehbar dargestellte Weltbilder) intersubjektiv nachvollziehbare Rechtfertigungs-Intrumente für "Vorentscheidungen" (also jeweils zeitgemäße gesellschaftliche Formatierungen) sind? - Wobei "Lehrmeinungen" und "Vorentscheidungen" zeitlich versetzt sein können.
Ich bin erst mal vorsichtig, weil in Deinem Text mehrere Klauseln drin sind, von denen ich nicht genauß weiß, was sie bedeuten sollen. Ich meine damit z.B. "strukturell nachvollziehbar dargestellte Weltbilder", "jeweils zeitgemäße gesellschaftliche Formatierungen", "intersubjektiv nachvollziehbare Rechtfertigungs-Instrumente für Vorentscheidungen".
Das blau Markierte ist für mich Dunkelland, also nicht transparent.

Insgesamt finde ich den Gedanken aber attraktiv, dass eine Lehrmeinung oder gar ein Lehrgebäude zur Rechtfertigung für Vorentscheidungen dienen soll.
Bei einer Staatsideologie kommt aber noch die Frage dazu, welchen Zweck sie verfolgt.
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closs
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs »

Savonlinna hat geschrieben:Ich bin erst mal vorsichtig, weil in Deinem Text mehrere Klauseln drin sind, von denen ich nicht genauß weiß, was sie bedeuten sollen.
Das wäre jeweils eigene Themen - deshalb zur Vermeidung von Ablenkung nur angedeutet.
Savonlinna hat geschrieben:Bei einer Staatsideologie kommt aber noch die Frage dazu, welchen Zweck sie verfolgt.
Die Macht. - Es lebe Macchiavelli. ;)
Savonlinna hat geschrieben:dass eine Lehrmeinung oder gar ein Lehrgebäude zur Rechtfertigung für Vorentscheidungen dienen soll.
Das ist meines Erachtens immer so - diese (bewussten oder unbewussten) "Vorentscheidungen" nenne ich "Setzungen". - Mit Lehrgebäuden bestätigt man SICH.

Das ist gar nicht abfällig gemeint, sondern dem Umstand geschuldet, dass der Mensch nichts anderes hat als seine (sinnliche wie geistige) Wahrnehmung. - Diesbezüglich war aus meiner Sicht Descartes mit seiner Unterscheidung von "Res cogitans" und "Res extensa" weiter, als wir es heute sind. - Und schon wären wir wieder in fundamentalen Themen, die ablenken, ohne die es aber meiner Ansicht nach nicht geht. :|
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna »

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich bin erst mal vorsichtig, weil in Deinem Text mehrere Klauseln drin sind, von denen ich nicht genauß weiß, was sie bedeuten sollen.
Das wäre jeweils eigene Themen - deshalb zur Vermeidung von Ablenkung nur angedeutet.
Ja, aber dann kann ich auf Deine Frage nicht antworten, ob ich Ideologie so sehe wie Du.
closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Bei einer Staatsideologie kommt aber noch die Frage dazu, welchen Zweck sie verfolgt.
Die Macht. - Es lebe Macchiavelli. ;)
Oder - oder und - das, was Naqual oben erwähnt hat:
Das Kernübel zu finden, was Menschen unglücklicht macht, und dieses zu beseitigen.
Das gleitet dann allerdings mitunter über in das Bedürfnis, andere zu bekämpfen, die eine andere Lösung für die Welt zu haben behaupten.
closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:dass eine Lehrmeinung oder gar ein Lehrgebäude zur Rechtfertigung für Vorentscheidungen dienen soll.
Das ist meines Erachtens immer so - diese (bewussten oder unbewussten) "Vorentscheidungen" nenne ich "Setzungen". - Mit Lehrgebäuden bestätigt man SICH.
BEWUSST gesetzt sind solche Vorentscheidungen - ich muss mal nach einem besseren Wort dafür suchen - aber oft nicht.
Eben zum Beispiel die Sprache, in der man aufgewachsen ist und Substantivierungen bevorzugt.
Man meint, die Welt sei so, wie die Sprachstruktur suggeriert.
Die westlichen Religionen kranken samt und sonders daran, sobald sie Lehrgebäude aufstellen.
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Pluto
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Pluto »

Savonlinna hat geschrieben:Insgesamt finde ich den Gedanken aber attraktiv, dass eine Lehrmeinung oder gar ein Lehrgebäude zur Rechtfertigung für Vorentscheidungen dienen soll.
In der Physik gibt es so etwas auch. Die Stringtheorien sind mathematische Konstrukte die perfekt zusammenhängen und basieren auf einwandfreie mathematische Überlegungen. Verfechter der theoretischen Physik bezeichnen ihre Strings als "too beautiful to fail".
Und doch... seit einiger Zeit werden die Rufe nach veri/falsifizierbare Vorhersagen in letzter Zeit so laut, dass die "ach so schöne" Theorie zu versagen droht.

Genauso, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen wie eine "Lehrmeinung" als Grundlage dienen kann. Wie will man feststellen, dass eine "Lehrmeinung" vorurteilsfrei ist?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von ThomasM »

Pluto hat geschrieben:
Genauso, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen wie eine "Lehrmeinung" als Grundlage dienen kann. Wie will man feststellen, dass eine "Lehrmeinung" vorurteilsfrei ist?
Das ist sie nicht, wenn ich Savonlinna korrekt verstehe.

So ist deine Lehrmeinung "eine Wahrheit muss objektiv messbar sein, sonst ist es keine Wahrheit" auch nicht vorurteilsfrei. Es ist eben deine Lehrmeinung. Diese nimmst du zur Beurteilung dessen, was dich umgibt, sowohl historischer als auch gegenwärtiger Ereignisse.

Da du Anzeichen gezeigt hast, dass du nicht mehr in der Lage bist, von dieser Lehrmeinung zu abstrahieren, könnte sich diese bei dir schon zu einer Ideologie erstarrt haben.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna »

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Genauso, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen wie eine "Lehrmeinung" als Grundlage dienen kann. Wie will man feststellen, dass eine "Lehrmeinung" vorurteilsfrei ist?
Das ist sie nicht, wenn ich Savonlinna korrekt verstehe.
Ja, Thomas, hast Du korrekt verstanden.

Wenn menschliche Vorentscheidungen - verflixt, ein besseres Wort muss her, also sowas wie "Anschauungen der Welt" - zu einem Lehrsystem erhoben werden, dann ist Gefahr angesagt, sobald es staatlich oder institutionell verankert wird.
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Pluto
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Pluto »

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Genauso, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen wie eine "Lehrmeinung" als Grundlage dienen kann. Wie will man feststellen, dass eine "Lehrmeinung" vorurteilsfrei ist?
Das ist sie nicht, wenn ich Savonlinna korrekt verstehe.
Danke.
Genau das wollte ich ausdrücken.

ThomasM hat geschrieben:So ist deine Lehrmeinung "eine Wahrheit muss objektiv messbar sein, sonst ist es keine Wahrheit" auch nicht vorurteilsfrei. Es ist eben deine Lehrmeinung.
Ich habe kein Lehramt, sondern nur eine persönliche Meinung, und die ist wie folgt:

Alle Dinge die wir erforschen oder untersuchen muss mit den Beobachtungen in der Welt übereinstimmen.
Wenn sie es nicht tun, sind sie wie Fahnen im Wind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
ThomasM
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Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von ThomasM »

Pluto hat geschrieben:
Ich habe nur eine persönliche Meinung, und die ist wie folgt:

Alles was wir erforschen oder untersuchen muss mit den Beobachtungen in der Welt übereinstimmen.
Wenn sie es nicht tun, sind sie wie Fahnen im Wind.
Genau so eine persönliche Lehrmeinung meine ich.

Wobei du mit Beobachtung eben Messungen meinst, interne Beobachtungen (wie z.B. Visionen, Gefühle usw.) zählen für dich nicht. Das sind bereits massive Einschränkunegn und Erstarrungen.
Dann müsstest du noch erkllären, was du mit deiner Metapher der Fahnen im Wind meinst. Du meinst doch, dass sie dann schlicht erfunden, erträumt, nicht real sind, nicht wahr?

Und bist du in der Lage, von dieser, deiner Lehrmeinung zu abstrahieren und dir vorzustellen, die Welt auch durch andere Annahmen zu betrachten?
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.
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