Ja, aber es ändert sehr viel bezüglich der Argumentation in der Religionskritik. Aus religionskritischer Sicht ist es ein qualitativ wichtiger Unterschied, ob ein kritikwürdiges Verhalten einer religiösen Strömung oder Gemeinde einer schlüssigen Interpretation der zugrundeliegenden Schriften entspringt, oder ob es sich um eine Korrumpierung und somit Abkehr von diesen handelt.Novalis hat geschrieben:Das sehe ich ebenso, doch das ändert nichts daran, dass es so interpretiert wurde.Halman hat geschrieben:Dies war eindeutig eine Fehlinterpretation, wie aus dem Präkontext und Postkontext ersichtlich ist. Bitte schaue Dir das nachfolgende Video an.Novalis hat geschrieben:Selbst Jesus Christus ist mit Vorsicht zu genießen, denn er sagte, dass er nicht gekommen ist, nicht um den Frieden, sondern um das Schwert zu bringen. Das wurde ebenfalls wortwörtlich von den Kreuzrittern in die Tat umgesetzt.
Nimm als Beispiel Das Manifest der Kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich Engels. Damit lässt sich meines Wissens Gewalt als Mittel zum Zweck für eine erfolgreiche Revolution durchaus "rechtfertigen", aber die Greuel von Mao Zedong, Pol Pot und Nordkorea lassen sich damit meiner Meinung nach nicht begründen. Dies extrem-radikalen Fehlentwicklungen kommunistischer Revolutionen Marx anzulasten, halte ich für verfehlt. Allerdings kann man Marx sehr wohl anlasten, die Keimzelle der Gewalt in Form eines "legitimen Mittels" in seinem Manifest verankert zu haben.
Und nun der Schwenk von der politischen Ideologie zur Religion. Bite denke bezüglich der katholischen Kirche nur an den Stellenwert der Kirchenväter, inbesondere an Augustinus von Hippo, und an die Bedeutsamkeit von Martin Luther in den evangelisch-lutherischen Kirchen.
Ähnlich ist es im Islam. Nicht ohne Grund werden die Sunniten nach der Sunnah benannt, schließlich orientieren sie sich streng an ihr. Dabei handelt es sich um sechs Hadith-Sammlungen und vier Prophetenbiographien (Sira-Literatur). In Verbindung mit diesen Schriften wird der Quran ausgelegt.
Bedeutsam für Schrift- und Offenbaraungsreligionen sind, neben den Schriften, auch ihre Theologien, welche entscheident die Rezeption der Heiligen Schriften in der Glaubengemeinschaft prägen.
Im sunnitischen Islam ist neben den oben bereits genannten Quellen die Tafsir (Koranexegese) für die Auslegung des Qurans entscheidend. Da denke ich an die Tafsīr nach al-Ṭabarī und Tafsir al-Jalalayn.
Schummeln wir und daran vorbei, so verlassen wir den Geltungsbereich sunnitischer Theologie. Dieses "Vorbeischummeln" mag den verlockenden Vorteil vesprechen, dass eine speziell auf den sunnitischen Islam gezielte Kritik nicht mehr greift, doch dies ändert nichts an der Wirksamkeit der Islamkritik am sunnitischen Islam selbst.
Eine weitere logische Konsequenz besteht darin, dass eine Apologetik, welche nicht mehr auf dem sunnitischen Fundament steht, und somit aus sunnitischer Sicht gem. der Idschma´ (الإجماع) der Rechtschulen als unerlaubte Bid'ah einzustufen ist, nicht geeignet ist, den sunnitischen Islam zu verteidigen. Dies trifft meiner bescheidenen Meinung nach auf die Apologetiken von K. M. Hübsch, L. Kaddor und M. Korchide zu.
Ja, allerdings können die verschiedenen Kontexte durchaus zu verschiedenen Antworten bezüglich ethischen Fragen führen. Der Islam kennt kein chronologisches Prisma.Novalis hat geschrieben:Selbstverständlich muss der Kontext beachtet werden, um die Bibel zu verstehen, aber das Gleiche gilt für den Koran und jede andere Heilige Schrift.
Dem könnte ich entgegenhalten, dass Du dich von einer sozialromantischen Denkweise leiten lässt, welche der Realität nicht gerecht wird. Immerhin führte ich viele Quellen und Fakten an.Novalis hat geschrieben:Bei der Koranexegese spielt die Lehre von den Offenbarungsanlässen (Asbāb an-Nuzūl) eine zentrale Rolle, welche den zeitlichen und kulturellen Kontext genauer betrachtet. Es ist schlicht ungerecht mit zweierlei Maß zu messen und den Glauben der Muslime auf die Gräueltaten irgendwelcher Fanatiker und die Koranexegese auf ihre extremen Lesarten zu reduzieren. Das wird der Realität nicht gerecht. Du hast Dich leider von einer einseitigen schwarz-weiß Denkweise infizieren lassen und ich kann das gerne auch belegen.
Denkst Du wirklich, dass ich nur eine Randerscheinung im Islam kritisiere?
Diese „Aufklärer" stehen meiner Meinung nach außerhalb des Geltungsbereich der Idschma im sunnitischen Islam. Das ist in etwa so, als würde man das Gewaltpotential des Marxismus' mit den Verweis auf den legitimen Arbeitskampf der Gewerkschaften verteidigen.Novalis hat geschrieben:http://www.huffingtonpost.de/winfried-f ... 12576.htmlWie auch immer: Die Irrsinnigen (und die Gaza-Demos) oder zuletzt die omnipräsente Anzeige eines Osnabrücker Muslims gegen Dieter Nuhr waren und sind Anlass dafür, dass viele Leitmedien und ihre führenden Köpfe, also die Träger unserer demokratischen Kultur und unseres gesellschaftlichen Diskurses, nun nicht mehr nur die Islamisten und andere Verirrte zu Recht kritisieren, sondern „den Islam" an und für sich als Objekt einer fundamentalen Kritik entdeckt haben.
Das scheint eine neue Qualität zu sein. So titelte zuletzt der Focus „Die dunkle Seite des Islams" (Nr. 45, 2014) und berichtete in der Islam-Ausgabe nicht mehr spezifisch über den Islamismus, sondern generell über den „Glauben zum Fürchten"
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Dabei gibt es seit vielen Jahren „Aufklärer" im Dialog der Kulturen wie Professor Hans Küng als ein Aufklärer „des Westens" oder z.B. neuerdings ein Professor Mouhanad Khorchide als ein Aufklärer „des Islams", die beide in ihren Kontexten nicht unumstritten sind. Sie blieben aber im Medien-Sturm ungehört.