Hitler-Deutschland

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sven23
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von sven23 »

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ganz so beliebig ist es nun auch wieder nicht.
Und trotzdem kommen unterschiedliche Historiker bei gleicher Quellenlage zu unterschiedlichsten ERgebnissen.
Nein, in dieser Frage gibt es heute einen weitgehenden Konsens. Anders war die Situation im Nachkriegsdeutschland, als Verdrängung noch oberste Bürgerpflicht war. Die meisten wußten oder ahnten mehr, als sie später - auch sich selbst gegenüber - eingestehen wollten. Die große Lebenslüge der Deutschen, wie ein Historiker treffend schreibt.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht weniger um die Zeit 39-45, in der jeder mit dem eigenen Überleben beschäftigt war, sondern um die Zeit davor, als sich für jeden ersichtlich abzeichnete, wohin die Reise gehen sollte.
Das war wohl so ab 1936 rum - vorher hatten viele noch Hoffnung, dass nicht so heiß gegessen wird wie gekocht. - Trotzdem: Wenn die Leute damals genauso waren wie heute, war es NICHT für viele ersichtlich. - Ein großer Geist wie Thomas Mann hat es schon 1933 erkannt - aber das ist die Ausnahme.
Man muss kein großer Geist sein, um zu ahnen, dass die Bücherverbrennungen 1933 der Auftakt zu einem totalitäten Staat waren. Die wenigsten hatten Probleme damit. Zuerst werden Bücher verbrannt, dann die Menschen. Auch da hätte man aus der Kirchengeschichte lernen können.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Milgram Experiment hat doch gerade gezeigt, dass man Autoritäten misstrauen soll.
Moment: Das Milgram-Experiment zeigt, dass der Mensch kultur-übergreifend zum Mörder wird, wenn man es richtig anstellt. - In anderem Gewand wäre das Milgram-Experiment auch heute noch "erfolgreich".
Weil Menschen sich gerne Autoritäten unterordnen, die ihnen Verantwortung für ihre eigenes Handeln abnehmen. Parallelen zum religiösen Fundamentalismus sind nicht zufällig. Vielleicht war Deutschland hier auch durch die preussische Tradtion des Obrigkeitsstaates besonders gefährdet.
Übrigens: mit einem Mindestmass an wissenschaftlichem Verständnis hätte man auch drauf kommen können, dass man selbst das Versuchskaninchen ist. Aber an diesem Verständnis hapert es bis heute. (siehe Studien zur Homöopathie)
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Erfolgsrezept von Diktaturen liegt ja u. a. daran, dass sie anbieten, die eigene Verantwortung an höhere Autoritäten bzw. Führer abgeben zu können. Ein ähnliches Schema findet sich beim religiösen Fundamentalismus.
Richtig - und bei demokratischen Mainstream-Gesellschaften. - Vergiß nicht: Sowohl Hitler als auch Trump wurden demokratisch gewählt.
Du vermischst wieder alles zu einem Einheitsbrei. Es ist ein großer Unterschied, ob der heutige Mainstream das Grundgesetz ist, oder ob der Mainstream war, sich einer korrupten und verbrecherischen Nazibande auf Gedeih und Verderb blind anzuvertrauen.
closs hat geschrieben: Deshalb wäre es wichtig, sich auf WIRKLICHE Aufklärung einzulassen - und das ist sicherlich NICHT zu haben in einer bewusstlosen Mainstream-Gesellschaft aus programmatischen Individualisten. - Da gehört mehr dazu..
Dieses "mehr" wurde relativ gut nach WK II geleistet -
Dieses "mehr" bestand aus kollektiver Verdrängung und ziemlich skrupelloser Übernahme alter Nazigrößen in den neuen Staat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zumdindest wurde kollektiv gewußt, dass immer mehr Menschen aus der Gesellschaft verschwanden und dass sie nicht in einem Ferienlage waren. Natürlich kann man sich das hinterher immer schön reden, der Selbstbetrug ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft.
Das "umgesiedelt" haben wirklich viele geglaubt - den Holocaust konnte sich der normale Mensch auch damals nicht vorstellen. - Und dass solche "Umsiedlungen" nicht zum Vorteil der Betroffenen waren, war auch klar - und da spielen jetzt traditionelle antisemitische Strömungen hinein, dass man dies nicht empörend fand.
Genau, 2000 Jahre Gehirnwäsche durch Bibel und Kirche hatten in puncto Anitjudaismus ganze Arbeit geleistet. Jetzt konnte man die Früchte "ernten".
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs »

sven23 hat geschrieben:Nein, in dieser Frage gibt es heute einen weitgehenden Konsens.
Es gibt Konsens, dass die Leute von "KZ" wussten - aber sie wussten nicht, was sich dahinter verbirgt. - Es ist ein Unterschied, ob man darunter ein Lager für Verbrecher und Juden versteht oder eine Holocaust-Stätte.
sven23 hat geschrieben:Die meisten wußten oder ahnten mehr, als sie später - auch sich selbst gegenüber - eingestehen wollten.
Auch das ist richtig - aber auch hier: Stell Dir vor, in 50 Jahren würden die Abtreibungen allgemein als holocaust-vergleichbarer Vorgang bewertet - was würden die Leute da sagen? - "Ich wusste davon, habe aber gemeint, dies sei legal". - "Aber sie wussten doch, dass hier Leben zerstört wird?" - "Ja - schon. - Aber man hat zu uns gesagt, dies sei in diesem Fall ok". - etc. - Es wäre dasselbe psychologische Muster.
sven23 hat geschrieben:Man muss kein großer Geist sein, um zu ahnen, dass die Bücherverbrennungen 1933 der Auftakt zu einem totalitäten Staat waren.
Wenn unter der Führung des Nationalistischen Deutschen Studentenbundes in deutschen Städten Bücher verbrannt werden, interessiert dies erst mal wenige Leute - wir wissen heute mehr darüber als die Leute damals. - Kaum einer hat gezuckt, als nach WK II "Mein Kampf" als Lektüre verboten wurde - das hat auch nur einige Intellektuelle interessiert.
sven23 hat geschrieben:Weil Menschen sich gerne Autoritäten unterordnen, die ihnen Verantwortung für ihre eigenes Handeln abnehmen. Parallelen zum religiösen Fundamentalismus sind nicht zufällig. Vielleicht war Deutschland hier auch durch die preussische Tradtion des Obrigkeitsstaates besonders gefährdet.
Möglich - hier kommen einige Strömungen zusammen. - Aber immer wieder - heute ist es auf anderem Level nicht anders: Heute sind die Autoritäten die gesellschaftlichen Trends und der Zeitgeist.
sven23 hat geschrieben: mit einem Mindestmass an wissenschaftlichem Verständnis hätte man auch drauf kommen können, dass man selbst das Versuchskaninchen ist.
Unterschätze die Durchführer der Tests nicht ...
sven23 hat geschrieben: Es ist ein großer Unterschied, ob der heutige Mainstream das Grundgesetz ist, oder ob der Mainstream war, sich einer korrupten und verbrecherischen Nazibande auf Gedeih und Verderb blind anzuvertrauen.
Objektiv richtig, subjektiv irrelevant - zumal "verbrecherischen Nazibande" ein Begriff ist, den man damals nicht kannte. - Vergleiche die Nazis von der Anmutung her mit PiS und Orban, ERdogan - sie sind demokratisch legitimiert. - Sie wurden aus einer Protesthaltung gegenüber das Herrschende (heute: EU und westliches Gesellschaftsbild, damals Versailles-Gewinner und deren Unterdrückung Deutschlands) gewählt.

Was glaubst Du, was in D los wäre, wenn wir aus irgendwelchen Gründen in eine Situation Griechenlands hineinkämen:
* Zusammenbruch der Vermögen
* Nur noch einige Oligarchen
* 50% der Bevölkerung auf Hartz-Niveau
* etc.

Auch dann würde DER gewählt werden, der als Führungs-Person eine starke Zukunft verspricht - und dann würde man vielleicht EU-Bücher öffentlich verbrennen und fände sich dabei "fortschrittlich". - Immer wieder: Du musst das aus der Zeit heraus sehen, also auch psychologisch sehen. - Die Ohrensessel-Empörungs-Lyrik unserer Zeit ist unangebracht.
sven23 hat geschrieben:Dieses "mehr" bestand aus kollektiver Verdrängung und ziemlich skrupelloser Übernahme alter Nazigrößen in den neuen Staat.
Das war die negative Seite nach WK II - davon abgesehen: Wie hätte es anders sein KÖNNEN?
sven23 hat geschrieben:Genau, 2000 Jahre Gehirnwäsche durch Bibel und Kirche hatten in puncto Anitjudaismus ganze Arbeit geleistet. Jetzt konnte man die Früchte "ernten".
Das ist wieder mal die bekannte ideologische Unredlichkeit. - Das Motiv "Judas hat unseren Jesus ermordet" ist in der Tat christliche Tradition - aber für die Zerstörung Israels im Jahr 70 kann die Kirche wirklich nichts. :lol: - Und erst dadurch wurden die Juden über die Welt zerstreute, wo sie seitdem überall Minderheiten sind. - Wären die Juden seit 2000 Jahren wie die Chinesen in ihrem Staat gewesen (den es dann halt nicht gab), hätte dies bis auf ein paar Kreuzzüge keine Rolle in Europa gespielt. - Der Nationalsozialismus und dessen Ziele sind nicht christlich motiviert - alles andere ist gefährliches ideologisches Gerede.
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sven23
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von sven23 »

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, in dieser Frage gibt es heute einen weitgehenden Konsens.
Es gibt Konsens, dass die Leute von "KZ" wussten - aber sie wussten nicht, was sich dahinter verbirgt. - Es ist ein Unterschied, ob man darunter ein Lager für Verbrecher und Juden versteht oder eine Holocaust-Stätte.
"Verbrecher und Juden" in einem Atemzug ist schon eine sehr verräterische Aufzählung.
Davon abgesehen: wäre es für dein völkisches Verständnis besser, wenn man die Juden nicht ermordet, sondern "nur" in Lagern eingesperrt hätte? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man muss kein großer Geist sein, um zu ahnen, dass die Bücherverbrennungen 1933 der Auftakt zu einem totalitäten Staat waren.
Wenn unter der Führung des Nationalistischen Deutschen Studentenbundes in deutschen Städten Bücher verbrannt werden, interessiert dies erst mal wenige Leute - wir wissen heute mehr darüber als die Leute damals. - Kaum einer hat gezuckt, als nach WK II "Mein Kampf" als Lektüre verboten wurde - das hat auch nur einige Intellektuelle interessiert.
Das ist falsch, man wußte auch damals, wes Geistes Kind die neuen Machthaber waren. Die Bücherverbrennungen wurden öffentlich zelebriert und in der Wochenschau für ganz Deutschland prapagandistisch ausgeschlachet.




Auch hier wieder ein unzulässiger Vergleich. Das Verbot eines einzelnen Buches mit den Bücherverbrennungen der Nazis zu vergleichen, zeugt von wenig Geschichtsbewußtsein und Gespür für die dahinter stehende Motivation.
Ob das Verbot gesellschaftspolitisch eine kluge Entscheidung war, darüber kann man streiten.
Man wollte sicher damals aus Respekt vor den Millionen Opfern allen Verharmlosern, Relativierern und Leugnern die Grundlage entziehen. Ob es wirklich geholfen hat, ist fraglich. Trotz Verbots gibt es heute noch Alt- und Neonazis.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil Menschen sich gerne Autoritäten unterordnen, die ihnen Verantwortung für ihre eigenes Handeln abnehmen. Parallelen zum religiösen Fundamentalismus sind nicht zufällig. Vielleicht war Deutschland hier auch durch die preussische Tradtion des Obrigkeitsstaates besonders gefährdet.
Möglich - hier kommen einige Strömungen zusammen. - Aber immer wieder - heute ist es auf anderem Level nicht anders: Heute sind die Autoritäten die gesellschaftlichen Trends und der Zeitgeist.
Das ist mir zu undifferenziert. Gesellschaftliche Trends und Zeitgeist hat es zu allen Zeiten gegeben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: mit einem Mindestmass an wissenschaftlichem Verständnis hätte man auch drauf kommen können, dass man selbst das Versuchskaninchen ist.
Unterschätze die Durchführer der Tests nicht ...
Das tust du regelmäßig bei Studien zur Homöopathie. :lol:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Es ist ein großer Unterschied, ob der heutige Mainstream das Grundgesetz ist, oder ob der Mainstream war, sich einer korrupten und verbrecherischen Nazibande auf Gedeih und Verderb blind anzuvertrauen.
Was glaubst Du, was in D los wäre, wenn wir aus irgendwelchen Gründen in eine Situation Griechenlands hineinkämen:
* Zusammenbruch der Vermögen
* Nur noch einige Oligarchen
* 50% der Bevölkerung auf Hartz-Niveau
* etc.
Gerade deshalb ist es so wichtig, in guten Zeiten Vorsorge zu treffen und den Anfängen zu wehren. Wie schnell ein Regime ins Totalitäre abgleiten kann, sieht man an der Türkei.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dieses "mehr" bestand aus kollektiver Verdrängung und ziemlich skrupelloser Übernahme alter Nazigrößen in den neuen Staat.
Das war die negative Seite nach WK II - davon abgesehen: Wie hätte es anders sein KÖNNEN?
Geschichte kann immer anders sein, es ist eine Frage der Weichenstellung.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau, 2000 Jahre Gehirnwäsche durch Bibel und Kirche hatten in puncto Anitjudaismus ganze Arbeit geleistet. Jetzt konnte man die Früchte "ernten".
Das ist wieder mal die bekannte ideologische Unredlichkeit. - Das Motiv "Judas hat unseren Jesus ermordet" ist in der Tat christliche Tradition - aber für die Zerstörung Israels im Jahr 70 kann die Kirche wirklich nichts. :lol: - Und erst dadurch wurden die Juden über die Welt zerstreute, wo sie seitdem überall Minderheiten sind. - Wären die Juden seit 2000 Jahren wie die Chinesen in ihrem Staat gewesen (den es dann halt nicht gab), hätte dies bis auf ein paar Kreuzzüge keine Rolle in Europa gespielt. - Der Nationalsozialismus und dessen Ziele sind nicht christlich motiviert - alles andere ist gefährliches ideologisches Gerede.
Der Nationalsozialismus konnte sich aber christlicher Denkmuster bedienen, die auf den kirchlich gedüngten und fruchtbaren Boden fielen. Und die Kirchen ließen sich zum Steigbügelhalter ge- oder mißbrauchen. (Reichskonkordatsbeschluss)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Ziska
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von Ziska »

Halo!
In den 1930er Jahren haben Jehovas Zeugen in ihren Zeitschriften schon auf die KZs aufmerksam gemacht und was da vor sich ging. Denn sie waren Augenzeugen, sie erlebten es persönlich.
Ich denke, dass die Menschen sich einfach nicht vorstellen konnten, dass so etwas schreckliches passiert... :(
LG Ziska
:Herz2: “Gebt Jehova die Ehre, die seinem Namen gebührt“ (PS. 96:8):Herz2:
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closs
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs »

sven23 hat geschrieben:"Verbrecher und Juden" in einem Atemzug ist schon eine sehr verräterische Aufzählung.
Richtig - Juden waren sowas wie "Zigeuner" - auch so ein pejorativ verwendetes Wort - oder wie heute "Asylant" oder bis vor kurzer Zeit "Neger".
sven23 hat geschrieben:Davon abgesehen: wäre es für dein völkisches Verständnis besser, wenn man die Juden nicht ermordet, sondern "nur" in Lagern eingesperrt hätte?
Es wäre ebenfalls eines anspruchsvollen und guten Menschenbildes NICHT würdig, würde man Minderheiten "nur" "umsiedeln" - aber es wäre schon ein sehr großer Unterschied zu töten.
sven23 hat geschrieben:Die Bücherverbrennungen wurden öffentlich zelebriert und in der Wochenschau für ganz Deutschland prapagandistisch ausgeschlachet.
Davon abgesehen, dass man dazu einen Fernseher oder ein Kino brauchte, die es bei weitem NICHT überall gab, hast Du schon recht - nur: Man hat dies so verstanden, wie man es vor 50 Jahren verstanden hätte, wenn Pornos verbrannt werden würde ("Wir wollen sauber bleiben") - auf ähnlicher SChiene findest Du heute die Kopftuch-Diskussion - auch hier handelt es sich um die Abwehr kultureller Bedrohung (man könnte dafür auch heute Mehrheiten bekommen). - Psychologisch immer dasselbe, nur dass die Umstände heute (hoffentlich) keine Folgen wie damals zulassen.
sven23 hat geschrieben:Das Verbot eines einzelnen Buches mit den Bücherverbrennungen der Nazis zu vergleichen, zeugt von wenig Geschichtsbewußtsein und Gespür für die dahinter stehende Motivation.
Mannomann - Du willst es nicht verstehen: Hier geht es um PSYCHOLOGISCHE Prozesse - es geht nicht darum, welche Bedeutung das damalige Verhalten unter HISTORISCHEN Gesichtspunkten bedeutete (Antwort: viel), sondern wie es PSYCHOLOGISCH zu verstehen ist.

Warum psychologisch? - Weil die Frage "Was wusste man damals und warum hat man sich so verhalten?" eine rein psychologische Fragestellungen ist - immer vorausgesetzt, dass man eine faire Antwort haben will. - Oder andersrum: Es wäre lächerlich, würde man sagen: "Nur dann, wenn dasselbe Verhalten große Folgen hat, kann man die Betroffenen dafür verurteilen".
sven23 hat geschrieben:Man wollte sicher damals aus Respekt vor den Millionen Opfern allen Verharmlosern, Relativierern und Leugnern die Grundlage entziehen. Ob es wirklich geholfen hat, ist fraglich. Trotz Verbots gibt es heute noch Alt- und Neonazis.
Wobei ich dies eher auf die Schiene "Provokation" schieben würde: "Wie muß ich mich verhalten, dass die Gesellschaft maximal empört ist?" - Und dann kommt noch die allmächtige Dummheit dazu.
sven23 hat geschrieben:Gesellschaftliche Trends und Zeitgeist hat es zu allen Zeiten gegeben.
Richtig - und wenn man Pech hatte, kam im Extremfall so was wie der Holocaust heraus. - Wir haben zu unserer Lebenszeit bisher Glück.
sven23 hat geschrieben:Gerade deshalb ist es so wichtig, in guten Zeiten Vorsorge zu treffen und den Anfängen zu wehren.
Prinzipiell richtig - aber bitte nicht mit Steilvorlagen, die befeuern statt abzuwehren. - Die AfD nährt sich von der Befeuerung der offiziellen(!) Mainstream-Gesellschaft - und jetzt ist das Volk inzwischen so selbstbewusst, dass es laut sagt: "Das sind nicht wir".
sven23 hat geschrieben:Geschichte kann immer anders sein, es ist eine Frage der Weichenstellung.
Nach WK II wurden doch Weichen gestellt - ansonsten hätte man nicht so schnell eine Demokratie einführen können. - Aber da gibt es halt noch die praktische Seite: Wer "macht" es von den Deutschen - und da blieben neben einigen Cleanen nur nazi-belastete Leute übrig. - Der vor dem Krieg amts-enthobene Adenauer koalierte nicht mit den nazi-cleanen SPD-ler - was blieb da an Cleanem noch übrig außer einigen konservativ-christlichen Außenseitern?
sven23 hat geschrieben:Der Nationalsozialismus konnte sich aber christlicher Denkmuster bedienen, die auf den kirchlich gedüngten und fruchtbaren Boden fielen. Und die Kirchen ließen sich zum Steigbügelhalter ge- oder mißbrauchen. (Reichskonkordatsbeschluss)
Ja - die Nazis haben sich eingeklinkt in eingeführte Muster - anders ging es nicht. - Und wie an anderer Stelle ausgeführt: Man kann der RKK zu Recht vorwerfen, dass sie den ausgehandelten Konkordats-Text noch schnell von Hitler ratifizieren lassen wollten, um ihre Schäfchen im Trockenen zu haben - aber danach ist man immer schlauer. -Chamberlain hat noch 5 Jahre später Appeasement-Politik gemacht (man nennt das heute "Deeskalation" - manchmal ist es der richtige Weg (Iran-Atom-Vertrag), manchmal nicht).
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sven23
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von sven23 »

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Verbrecher und Juden" in einem Atemzug ist schon eine sehr verräterische Aufzählung.
Richtig - Juden waren sowas wie "Zigeuner" - auch so ein pejorativ verwendetes Wort - oder wie heute "Asylant" oder bis vor kurzer Zeit "Neger".
Nicht zu vergessen, dass sich viele Nazis an den Vermögen der jüdischen Bevölkerung schamlos bereicherten.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Davon abgesehen: wäre es für dein völkisches Verständnis besser, wenn man die Juden nicht ermordet, sondern "nur" in Lagern eingesperrt hätte?
Es wäre ebenfalls eines anspruchsvollen und guten Menschenbildes NICHT würdig, würde man Minderheiten "nur" "umsiedeln" - aber es wäre schon ein sehr großer Unterschied zu töten.
Eben, das Volk hatte kein anspruchsvolles und gutes Menschenbild, denn es dacht ja laut closs, dass die Menschen nur umgesiedelt würden. Aber selbst das gilt längst nicht für alle.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Bücherverbrennungen wurden öffentlich zelebriert und in der Wochenschau für ganz Deutschland prapagandistisch ausgeschlachet.
Davon abgesehen, dass man dazu einen Fernseher oder ein Kino brauchte, die es bei weitem NICHT überall gab, hast Du schon recht - nur: Man hat dies so verstanden, wie man es vor 50 Jahren verstanden hätte, wenn Pornos verbrannt werden würde ("Wir wollen sauber bleiben") - auf ähnlicher SChiene findest Du heute die Kopftuch-Diskussion - auch hier handelt es sich um die Abwehr kultureller Bedrohung (man könnte dafür auch heute Mehrheiten bekommen). - Psychologisch immer dasselbe, nur dass die Umstände heute (hoffentlich) keine Folgen wie damals zulassen.
Nein, es ist nicht dasselbe. Über Pornografie kann man sich meinetwegen aus moralischen oder religiösen Gründen erregen, aber niemand muss sich von einem Autor wie Mann oder Tucholksy kulturell bedroht fühlen.
Es betraf ja nicht nur die Literatur, sondern Kunst und Kultur im allgemeinen. Erlaubt war nur, was dem primitiven völkischen Geschmack der Nazis entsprach und der war unterirdisch. Was aber einige Kunstsammler wie Speer nicht daran hinderte, sich auch "entartete" Kunst unter den Nagel zu reißen und nach seiner Haftentlassung zu Geld zu machen, natürlich unter großer Diskretion.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Verbot eines einzelnen Buches mit den Bücherverbrennungen der Nazis zu vergleichen, zeugt von wenig Geschichtsbewußtsein und Gespür für die dahinter stehende Motivation.
Mannomann - Du willst es nicht verstehen: Hier geht es um PSYCHOLOGISCHE Prozesse - es geht nicht darum, welche Bedeutung das damalige Verhalten unter HISTORISCHEN Gesichtspunkten bedeutete (Antwort: viel), sondern wie es PSYCHOLOGISCH zu verstehen ist.
Warum psychologisch? - Weil die Frage "Was wusste man damals und warum hat man sich so verhalten?" eine rein psychologische Fragestellungen ist - immer vorausgesetzt, dass man eine faire Antwort haben will. - Oder andersrum: Es wäre lächerlich, würde man sagen: "Nur dann, wenn dasselbe Verhalten große Folgen hat, kann man die Betroffenen dafür verurteilen".
Auch unter psychologischen Gesichtspunkten ist der Vergleich nicht zulässig.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man wollte sicher damals aus Respekt vor den Millionen Opfern allen Verharmlosern, Relativierern und Leugnern die Grundlage entziehen. Ob es wirklich geholfen hat, ist fraglich. Trotz Verbots gibt es heute noch Alt- und Neonazis.
Wobei ich dies eher auf die Schiene "Provokation" schieben würde: "Wie muß ich mich verhalten, dass die Gesellschaft maximal empört ist?" - Und dann kommt noch die allmächtige Dummheit dazu.
Ich glaube nicht, dass Nazis heute nur provizieren wollen. Das braune Gedankengut ist ihn ihrer DNA festgeschrieben. Mit diesem Rest an traurigen Gestalten wird die Gesellschaft wohl leben müssen.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gesellschaftliche Trends und Zeitgeist hat es zu allen Zeiten gegeben.
Richtig - und wenn man Pech hatte, kam im Extremfall so was wie der Holocaust heraus. - Wir haben zu unserer Lebenszeit bisher Glück.
Das hat weniger mit Pech zu tun, sondern war eine gewollte Entwicklung, die oft genug lauthals angekündigt und von vielen bejubelt wurde.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Geschichte kann immer anders sein, es ist eine Frage der Weichenstellung.
Nach WK II wurden doch Weichen gestellt - ansonsten hätte man nicht so schnell eine Demokratie einführen können. - Aber da gibt es halt noch die praktische Seite: Wer "macht" es von den Deutschen - und da blieben neben einigen Cleanen nur nazi-belastete Leute übrig.
Eben, es bleiben nur die übrig, die von nichts wußten oder im Widerstand waren. :roll:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Nationalsozialismus konnte sich aber christlicher Denkmuster bedienen, die auf den kirchlich gedüngten und fruchtbaren Boden fielen. Und die Kirchen ließen sich zum Steigbügelhalter ge- oder mißbrauchen. (Reichskonkordatsbeschluss)
Ja - die Nazis haben sich eingeklinkt in eingeführte Muster - anders ging es nicht.
Es geht immer anders, wenn man es denn will. Hitler bediente sich der bekannten Muster des christlichen Antijudaismus.

"So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn".
(Adolf Hitler)

Die katholische Kirche hat 1500 Jahre lang die Juden als Schädlinge angesehen...Ich gehe zurück auf die Zeit, was man 1500 Jahre lang getan hat...und vielleicht erweise ich dem Christentum den größten Dienst.
(Adolf Hitler)


So sagt Jules Isaac mit Recht:

Ohne die Jahrhunderte mit christlichem Katechismus, Predigten und Schmähungen wären Hitlers Lehren, Propaganda und Schmähungen nicht möglich gewesen.
(Jules Isaac, frz.-jüd. Wissenschaftler, über den Antisemitismus des Dritten Reiches)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von Novas »

sven23 hat geschrieben: Das braune Gedankengut ist ihn ihrer DNA festgeschrieben. Mit diesem Rest an traurigen Gestalten wird die Gesellschaft wohl leben müssen
Es gibt linke Demonstraten, die leidenschaftlich Parolen wie“Deutschland, du Stück scheiße! Deutschland verrecke!” wiederholen. Ist dieses Gedankengut ebenfalls in der DNA festgeschrieben? Aber - um bei deiner Wortwahl zu bleiben - mit solchen geistig verwahrlosten und degenerierten Menschen muss die Gesellschaft wohl leben müssen. Allerdings ist das nicht ganz richtig, denn es gibt für psychische Krankheiten viele gute und bewährte Therapiemöglichkeiten.




Wenn ich das so sehe, dann drängt sich mir die Assoziation mit einem Analfistel oder Furunkel am Hintern auf. Wobei das noch eine verschönigende Ausdrucksweise ist.
Zuletzt geändert von Novas am Sa 21. Okt 2017, 21:44, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs »

sven23 hat geschrieben:Nicht zu vergessen, dass sich viele Nazis an den Vermögen der jüdischen Bevölkerung schamlos bereicherten.
Klar.
sven23 hat geschrieben:das Volk hatte kein anspruchsvolles und gutes Menschenbild, denn es dacht ja laut closs, dass die Menschen nur umgesiedelt würden.
So ähnlich - wie es halt immer ist. - Heute verhungern weltweit so und so viele Tausende an Menschen täglich - man weiß es und drückt es genauso weg.
sven23 hat geschrieben:Nein, es ist nicht dasselbe. Über Pornografie kann man sich meinetwegen aus moralischen oder religiösen Gründen erregen, aber niemand muss sich von einem Autor wie Mann oder Tucholksy kulturell bedroht fühlen.
Sachlich ist es natürlich nicht dasselbe - aber für das Feeling der Menschen war es dasselbe - beides ist "Schmutz", beides möchte man verbrannt sehen.
sven23 hat geschrieben:Erlaubt war nur, was dem primitiven völkischen Geschmack der Nazis entsprach und der war unterirdisch.
Das ist jetzt wieder wertend - es gab Kunst, die durchaus unter neutraler Sicht als solche benannt werden kann - das gilt auch für den Sozialistischen Realismus, der momentan bei Kunstgeschichtlern an Ansehen gewinnt. - Oder denke an die Riefenstein-Filme, die heute als Meisterwerke gelten.
sven23 hat geschrieben:Auch unter psychologischen Gesichtspunkten ist der Vergleich nicht zulässig.
Ich denke schon - denn die Menschen sind immer gleich. - Der Unterschied: Das Umfeld und das, was man anrichten kann, ist je nach Zeit und Ort unterschiedlich.
sven23 hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass Nazis heute nur provizieren wollen. Das braune Gedankengut ist ihn ihrer DNA festgeschrieben.
Keiner wird als Nazi geboren - es gibt immer Gründe, warum jemand "Steine in die Hand nimmt". - Nebenbei: Eine der gesellschaftlichen Steilvorlagen ist die Benennung von allem als "braun", was rechts eines gewollten Gesellschaftsbildes ist - ich weiß bis heute nicht, wieviele der AfD-Mitglieder WIKRLICH "braun" sind: 5%? 50%?
sven23 hat geschrieben:Das hat weniger mit Pech zu tun, sondern war eine gewollte Entwicklung, die oft genug lauthals angekündigt und von vielen bejubelt wurde.
Das hast Du falsch verstanden: Mit "Pech" meine ich Zeitumstände, in die man hineingeboren wird. - Heute kann der Massenmensch machen, was er will: Er wird nie an einem Holocaust schuldig werden können.
sven23 hat geschrieben:es bleiben nur die übrig, die von nichts wußten oder im Widerstand waren.
Die im aktiven Widerstand waren ja (wie immer) eh wenig - also für den Aufbau der BRD als Gruppe nicht relevant. - Und dann waren die üblichen Mitläufer - mehr Opfer als Täter und doch dieses oder jenes gehört oder gar gewusst. - Und dann gab es die richtig aktiven Nazis - man nennt das heute Karrieristen. - Und genau diese hatten oft die "Business-Ausstattung", nach dem Krieg in Wirtschaft und Politik eine große Rolle zu spielen - und so war es dann auch. - Das is leider normal.
sven23 hat geschrieben:Es geht immer anders, wenn man es denn will. Hitler bediente sich der bekannten Muster des christlichen Antijudaismus.
Natürlich hat er das genutzt - er wäre ja blöde gewesen, wenn nicht. - Aber das erklärt den Zweiten Weltkrieg nicht - nicht nur nicht, sondern überhaupt nicht.

WK II muss man vor allem vor dem Hintergrund von Versailles sehen (und wofür Versailles alles steht). - Dann war die Weimarer Republik für die Kaisertreuen so etwas Ähnliches, als hätte 1990 die SED die politische Macht in der BRD übernommen - es war ein Fremdkörper.

Der Judenhass hat eine seiner Quellen in der Tat im historischen kirchlichen Umgang mit den Juden - aber das hätte keine Rolle gespielt, wenn die Juden in ihrem Staat gelebt hätten (den es halt nicht gab). - Die Juden waren überall eine Minderheit UND vor allem: Aufgrund ihrer Geldgeschäfte und ihres Fleißes hatten sie manchmal viel Vermögen - und viele Schuldner, die sie gerne losgehabt hätten ("Die leben von unserem Geld"). - Dass dies deshalb so war, weil ihnen lange Zeit Handwerksberufe verwehrt waren, spielte dabei keine Rolle (da hätte man denken müssen). - Und dass es oft NICHT so war (es gab extrem viele arme Juden), spielte auch keine Rolle, weil es nicht ins Bild passte, das man gerne haben wollte: Man wollte einen Sündenbock haben - so wie man es heute mit Moslems und Asylanten macht. - Semper idem.

Deine Kirchen-Fixiertheit hat periphär seine Berechtigung, ist aber nicht ausreichend für eine seriöse Bewertung.
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Pluto
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von Pluto »

closs hat geschrieben:Deine Kirchen-Fixiertheit hat periphär seine Berechtigung, ist aber nicht ausreichend für eine seriöse Bewertung.
Naja...
Im Fall des Judentums eben schon. Oder glaubst du dass die Reichskristallnacht auf Luthers Geburtstag fiel, reiner Zufall war?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
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closs
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Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs »

Pluto hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Deine Kirchen-Fixiertheit hat periphär seine Berechtigung, ist aber nicht ausreichend für eine seriöse Bewertung.

Naja...
Im Fall des Judentums eben schon.
Wären die "Zigeuner" diejenigen gewesen, die über viele Jahrhunderte die gesellschaftliche Rolle der Juden gespielt hätten, hätte es Zigeuner-Progromme gegeben (die es dann ja auch tatsächlich gab). - Und Zigeuner haben keine besondere christliche Affinität.
Pluto hat geschrieben:Oder glaubst du dass die Reichskristallnacht auf Luthers Geburtstag fiel, reiner Zufall war?
Vermutlich nicht - ich nehme an, dass man damit etwas verschmelzen wollte. - Sicherlich gibt es dazu Arbeiten.
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