Andreas hat geschrieben:"Cogito, e(r)go sum" ist demnach also vorbehaltliches Wissen, weil "Ich weiß, dass ich nichts weiß." Ziemlich widersprüchlich erscheint mir das.
Ich verstehe Deine Argumentation wirklich - und ihr ist auch schwer zu widersprechen, weil wir hier in logische Kreisel reinkommen. - Das würde zur Frage führen: Was ist Sprache, was kann sie und was kann sie nicht?
Andreas hat geschrieben:Diesen Satz verstehe ich nicht. Was willst du mit dem Wort "anthropogen" in diesem Zusammenhang zum Ausdruck bringen?
1) Du hast recht, dass die Aussage, dass etwas nicht anthropogen sei, selbst anthropogen ist. - Das lässt sich nicht vermeiden, weil der Mensch nur seine Position als Mensch hat, also gar nicht Nicht-Anthropogen sagen kann.
Wieso dann trotzdem diese Aussage? - Weil es ein Unterschied ist, ob man den Weltmaßstab als anthropogen versteht oder nicht. - Somit würde der Satz heißen: "Ich stelle anthropogen fest (weil es anders gar nicht geht), dass das Anthropogene welt-maßstäblich/nicht-welt-maßstäblich ist. - Um diese beiden gegensätzlichen Feststellungen geht es, wenn hier von "anthropogen" oder "nicht-anthropogen" gesprochen wird.
Andreas hat geschrieben:Deine "Antwort" auf "meine" Frage, scheint mir "meine" Frage verfehlt zu haben.
War das jetzt besser?
Andreas hat geschrieben:Dieses Cogito verstehe ich lediglich als Feststellung der eigenen Existenz, von mir aus auch als Ausgangspunkt von Fragen nach etwas anderem als mir selbst. Grundlagen kann ich da nicht erkennen, weil das Sagen oder Denken dieser Sätze, schon vorher einer Menge anderer Grundlagen bedurfte.
Welche? - Nach meinem Verständnis meint Descartes damit (in meinen Worten):
"Es etwas gibt, was ich 'Ich' nenne. - Selbst wenn ich daran zweifle, ist es etwas/jemand, das/der daran zweifelt. - Auch wenn es nur eine Illusion ist, ist es eine Illusion von etwas/jemand. - Dieses, von dem dieser Zweifel kommt und von dem diese Illusion kommt und von dem diese Wahrnehmung kommt (also egal, wie ich es interpretiere), nenne ich 'sichere Existenz'. - Das kann 'Ich' sein oder das, was mich 'Ich' denken lässt - aber es 'IST' jemand".
Letztlich gäbe es dann nur zwei Möglichkeiten: "Ich" ist das, welches "Ich" sagt oder das, welches "Ich" sagen lässt. - Ersteres wäre der Mensch, letzteres wäre nach sprachlicher Regelung seiner Zeit "Gott". - Egal, wie man es nennt: Es ist sicher, weil sogar jegliche Illusion ihren Urheber haben muss, also einen ontischen Nukleus haben muss.
Wäre damit Deine Frage nach "Grundlage" geklärt oder willst Du auf was ganz anderes raus?
Andreas hat geschrieben:Das Wissen um den Satz "Ich denke, also bin ich." soll ja angeblich das einzig sichere "Wissen" sein, wie du sagst: die Grundlage (von was eigentlich?). Hier aber ist jetzt plötzlich "Wissen" immer abhängig von Voraus-Setzungen. Das haut so beides einzeln für sich genommen einigermaßen hin, wird aber völlig unplausibel wenn man es nebeneinander stellt.
Das ist jetzt wieder mal ein Sprachproblem, bei dem ich auch nicht weiß, wie man es lösen soll.
Lassen wir diesen Satz "Ich weiß, dass ich nichts weiß" für den Moment weg und versuchen es auf Basis des "Cogito, e(r)go sum":
Egal, wie man es macht: "Ich" resp. "Gott" als Existenz ist sicher, weil selbst jegliche Illusion ihren Urheber haben muss, also einen ontischen Nukleus haben muss. Den haben wir jetzt.
Für alles andere gilt das nicht. - Denn nur dieser Nukleus ist gleichzeitig Beobachter ("Cogito") als auch Beobachtetes ("Gibt es mich als Entität?"). - Wir wissen also um diesen Nukleus, aber nicht um das, wo Subjekt und Objekt nicht identisch sind - logisch: Denn wir können ja nach wie vor an allem zweifeln - und bei allem außer dem, der zweifelt, kann es diese Rückkopplung ("Zweifel an meiner Existenz ist Zweifel am Zweifelnden") nicht geben - also ist alles andere NICHT sicheres Wissen, sondern nur mit Vorbehalt ("Voraus-Setzungen").
Deshalb sagt Descartes an anderer Stelle sinngemäß:
"Dass mein Cogito ontisch existent ist, weiß ich. - Aber ob mein Arm, der fuchtelt, während ich rede, und der Mund, der die Worte bildet, die ich höre, und die Ohren, womit ich höre, nur Illusion/Vorstellung meines Cogito sind oder tatsächlich materiell sind, kann ich nicht wissen. - Denn ich kann prinzipiell in meiner anthropogenen Gebundenheit beides nicht unterscheiden - ein vorgestellter Stein, der mir auf den Kopf fällt, kann genauso schmerzen wie ein materieller Stein".
Descartes könnte weiterfahren: "Damit weiß ich, dass ich nichts weiß, außer dass ich 'Ich' bin. Aber unter Voraus-Setzungen und NUR mit Voraus-Setzungen kann ich auch mehr wissen - allerdings nicht absolut, aber unter Vorbehalt". - Diese Voraus-Setzung ist bei Descartes die Annahme, dass Gott ein "wohlwollender Gott" ist - im Sinne von: "Gott würde uns als wohlwollender Gott keine materielle Welt vorsetzen, wenn sie nur Illusion wäre. - Und da ich einen wohlwollenden Gott voraus-setze, kann ich jetzt auch Naturwissenschaft betreiben, denn dann macht es - unter diesem Vorbehalt - auch Sinn".
Damit meine ich, wäre der sprachliche Widerspruch, den Du ansprichst, gelöst - was meinst Du?
Zum Wort "anthropogen":
Nochmals: Alles, was vom Menschen kommt, ist streng genommen anthropogen. - Aber der Unterschied, den ich meine, bezieht sich auf eine andere Ebene - nämlich:
Es ist ein Unterschied, ob man das Verstehen der Welt aus anthropogener Hand gibt und sagt "Unter Vorbehalt/nur mit Voraus-Setzung, die anthropogen nicht falsifizierbar sind" (= der Maßstab des Verstehens der Welt ist NICHT anthropogen) oder ob man - wie der Materialismus - sagt: "Wieso? Wir können doch mit unseren (anthropogenen) Modellen/Methodiken/Begrifflichkeiten selber nachweisen, was real ist und was Illusion ist" (= der Maßstab des Verstehens der Welt ist anthropogen"). - Das ist der Unterschied zwischen descartscher Früh-Aufklärung und heutiger Spät-Aufklärung - und der Grund, warum Descartes überhaupt auch heute noch interessant ist.
Nun sollten wir keinen Atem darauf verwenden, dass solche Unterschiede in der Alltags-Wissenschaft völlig irrelevant sind. - Aber philosphisch sind sie sehr interessant. - Denn an dieser Geschichte hängt ein ganzer Rattenschwanz an Irrtümern, von denen einer ist, dass "Wissenschaft" setzungsfrei arbeiten würde, während dies Theologie NICHT täte. - Das ist falsch: BEIDE arbeiten mit Setzungen, weil es nicht anders geht.
Wird das Deinen Fragestellungen im Wesentlichen gerecht?