Hallo liebes Forum,
nachdem die Diskussion sich gerade in persönliches Hin und Her zerfasert halte ich es nicht für vermessen, noch einmal die Eröffnungsfrage aufzugreifen.
Wie kann ein Mensch wissen, ob Gott existiert?
Meine Meinung: Kann er nicht. Ein Mensch kann es nur glauben. Wer das als objektives, rationales "Wissen" verkaufen möchte, der kann das versuchen, aber ich kaufe es es ihm nicht ab
Aus der Diskussion um den Gottesbeweis möchte ich nur einen Punkt noch herausgreifen, da er mich selbst auch schon viel beschäftigt hat. Dieser Gedanke:
Ist die Welt nicht so wunderbar, so gut eingerichtet und so komplex, dass notwendiger Weise ein Schöpfer existieren muss, da es nicht aus Zufall entstanden sein kann?
Und muss dieser Schöpfer nicht notwendig noch komplexer und wunderbarer sein als seine Schöpfung?
Diesem Gedankengang möchte ich zwei Beispiele entgegenstellen:
Beispiel 1:
Wenn ich Tinte in ein Glas Wasser gieße, entstehen wunderbare, verschlungene Formen in den Schlieren. Kunstvolle, vergängliche Gebilde voller Eleganz, nicht wahr? Trotzdem ist es kein „Wunderwerk“. Ich brauche keine höhere Intelligenz, die die Formen entwirft und vorbereitet. Nur ein wenig Physik – Gravitation auf der fallenden Tinte, etwas Bewegungsenergie, und dann Diffusion, wenn sich die beiden Flüssigkeiten allmählich vermischen. Einfache Ursache – komplexe Wirkung
Beispiel 2:
Gedankenexperiment: Stellt euch vor, einer Zeitreisenden aus dem Jahr 1920 wird das Internet gezeigt.
Könnte sie nicht leicht Folgendes denken: "Welcher große Geist, welcher geniale Erfinder, hat dieses Konstrukt erschaffen! Diese Vielfalt, diese schiere Größe, diese Bedeutung für die Menschen! Und ein einzelner Mensch ist doch gar nicht in der Lage, so viel zu programmieren. Also kein Zweifel: da muss ein höheres Wesen am Werk sein!! "
Freilich ist die Geschichte, die wir kennen, viel profaner. Die Erfinder des Internets konnten am Beginn gar nicht absehen, wohin die Reise gehen würde. Zuerst hatte man nur an der Universität ein paar Rechner vernetzt. Viele Menschen haben dann gewerkelt und entwickelt, haben programmiert und Serverfarmen gebaut. Ganz ohne einen echten Bauplan, jeder mit seinen eigenen Motivationen und Interessen.
Ich möchte damit sagen, dass Komplexität, Schönheit und Funktionalität nicht unbedingt einen „größeren“ Geist als Erfinder voraussetzen. Komplexe Systeme können aus der Kombination relative simpler Vorbedingungen entstehen.
Und die Beiträge vieler kleiner Baumeister können, sogar unbeabsichtigt, ein größeres Werk vollenden, das für einen einzelnen dieser Baumeister unmöglich wäre.
Sitzt dahinter ein göttlicher Schöpfergeist, ein Ur-Funke, der alles anstößt und steuert? Schon möglich. Aber nicht notwendig.
Nur so meine Meinung zum Thema
liebe Grüße
Mirjam