CoolLesterSmooth hat geschrieben:
Zu aller erst einmal wäre es wichtig gewesen, Ruhe zu bewahren. Ja, Adam und Eva haben einen Fehler gemacht, das lässt sich jetzt nicht mehr ändern, aber wir wollen doch einmal herausfinden, warum sie diesen Fehler gemacht haben. Waren es wirklich nur die Worte der Schlange, die Eva zum Ungehorsam bewogen haben oder war es auch das eigene Verlangen? War es wirklich nur Eva, die Adam dazu gebracht hat Gottes Befehl zu missachten oder steckt da mehr dahinter. Und was da dahinter steckt, warum es womöglich schlecht ist und was man aus der Sache lernen kann und wie man es vielleicht wieder gut machen kann, sind alles Dinge über die man hätte reden können. Hat man aber nicht.
(...)
Könnte es etwa sein, dass es deiner Ansicht nach einfach nicht sein darf, da eine Bereitschaft von Adam und Eva, für ihre Fehler gerade zu stehen bedeuten würde, dass Gott übertrieben oder gar ungerecht reagiert hat?
Du unterstellst mir ich würde versuchen, "üble Nachreden gegen Gott" zu konstruieren. Der Unterschied zwischen uns beiden ist einfach, dass ich mich nicht in ein gedankliches Korsett gezwängt habe, bei dem ich davon ausgehe, dass der Gott der Bibel zu 100% und ohne Ausnahme gut ist.
Aus diesen Gründen fühle ich mich dem Gott Re weit mehr zugetan als dem biblischen Gott.
Das "Buch von der Himmelkuh" enthält eine Geschichte mit ganz ähnlichen Elementen wie die Paradiesvertreibung und die Sache mit der Sintflut, doch ganz anderen Reaktionen des Gottes.
Die Geschichte beginnt in einer Urzeit, als "Menschen und Götter noch gemeinsam wohnten" und Re war ihr König.
Re aber ist alt geworden, und eines Tages bekommt er mit, dass einige Menschen gegen ihn eine Verschwörung planen.
Re versammelt die Götter als Ratgeber und diskutiert das weitere Vorgehen. Erst als die anderen ihm dazu raten, ergreift er Maßnahmen gegen die Rebellen: Er schickt seine stärkste Waffe aus, die Göttin Hathor, um sie zu töten.
Als er aber sieht, wie Hathor unter den Menschen wütet, da bereut er, was er getan hat. Er erinnert sich daran wie schön/gut die von ihm erschaffenen Menschen sind (das altägyptische Wort "nefer" kann sowohl "schön" als auch "gut" bedeuten) und befiehlt der Göttin zurück zu kehren.
Die Göttin aber ist in einen Blutrausch verfallen und hat sich in die Löwin Sachmet verwandelt. Sie weigert sich, Res Befehl zu folgen und verkündet, dass sie am nächsten Morgen weiter Menschen töten wolle, egal ob schuldig oder nicht.
Re muss auf eine List zurückgreifen, um sie zu stoppen: er lässt riesige Mengen Bier mit roter Farbe versetzen, und lässt diese Mischung ausgießen, so dass sie gleich einer Flut die Felder bedeckt. Sachmet hält am nächsten Morgen das rote Bier für Menschenblut und betrinkt sich daran so sehr, dass sie nicht weiter morden kann. Re tritt zu ihr und kann sie nun besänftigen und in ihre Gestalt als Hathor zurück verwandeln.
Danach lässt sich Re von der Himmelsgöttin Nut hoch ans Firmament heben, wo er sich von nun an täglich verjüngt und die Menschen nur noch aus der Ferne beschützt.
Sehen wir uns die Elemente im Vergleich mit der biblischen Paradies- und Sintflutgeschichte an:
1. Beide beginnen mit einem paradiesischen Urzustand
2. Dieser Urzustand wird durch "Ungehorsam" der Menschen beendet - in meinem Fall aber kein Biss in den Apfel, sondern eine handfeste Rebellion. (Vielleicht dadurch motiviert, dass der König Re älter und damit schwächer wurde? Der ägyptische Text sagt das nicht explizit, aber man kann es so deuten)
3. Im Gegensatz zu Jahwe greift Re nicht sofort strafend ein. Er bespricht sich zunächst mit seinen Ratgebern
4. Er beschließt eine Strafaktion, bereut sie aber bald wieder, da er die Menschen trotz allem liebt (Während der allmächtige Jahwe den Genozid durch die Sintflut nicht zu bereuen scheint...)
5. Re ist offensichtlich nicht allmächtig: die Waffe, die er einsetzt, entgleitet seiner Kontrolle.
6. Während nach christlicher Theologie der Gottessohn durch sein Opfer den Fehler der Menschen ausbügeln muss, gelingt es bei den Ägyptern dem Gott Re, seinen EIGENEN Fehler durch eine List auszugleichen.
7. Als Konsequenz der Geschichte werden nicht die Menschen aus dem Paradies verbannt, sondern der Gott zieht sich aus der Welt zurück. Wie ein Vater, der sich aus dem Leben seiner Kinder zurück zieht, wenn sie erwachsen geworden sind - der aber dennoch noch über sie wacht.
Daher ist mir Re als Vaterfigur viel sympathischer... ist das verständlich? (wenn man natürlich die Bibel als EINZIGE Quelle von Heilsgeschichte und Offenbarung sieht, zählen andere Mythen nicht und sind alle Lug und Trug des Satans... schon klar
)
liebe Grüße
Mirjam