41jHAUgLzqL._AC_UY327_QL65_ML3_.jpg
Die These von Kopatz besagt, dass man beim Klimaschutz zwischen dem Verhalten des Einzelnen und den Regeln der Gemeinschaft unterscheiden muss, zwischen einer individuellen und einer kollektiven Moral. Letztere meint politische Vorgaben und Normativität, was darüber hinausgeht, wie der Einzelne als Konsument mit seinen Kaufentscheidungen das Klima beeinflussen kann. Auch die Verhältnisse müssen sich also ändern, damit sich der Einzelne gar nicht mehr groß zu ändern braucht. Andererseits ist der heroische Einsatz einer Öko-Elite klimapolitisch sinnlos, weil sich dieser vor allem in Symbolhandlungen manifestiert, stellt Kopatz weiterhin fest.
Deshalb sollen die Weichenstellungen auf der politischen Ebene uns nicht nur die moralischen Alltagsdebatten abnehmen, sondern zugleich eine ökologische Wende herbeiführen, deren Konsequenzen uns als solche gar nicht weiter auffallen. Nicht das schlechte Gewissen des Einzelnen soll Antrieb zur Veränderung sein, sondern gute Gesetze der Gemeinschaft.
Diesen Ansatz nennt Kopatz „Ökoroutine“. Durch eine Strukturveränderung wird ökologisch bewusstes Leben leicht. Dazu stellt er zehn Öko-Geboten auf. Damit hat er in der Sache durchaus Recht, auch wenn einige der zehn Öko-Gebote sich offensichtlich an die recht kleine Gruppe der jungen urbanen Eliten wendet, die nicht mit dem Auto fahren müssen. Hier wird der Vorwurf an die Grünen bestätigt, sie seien eine Partei der städtischen Besserverdiener.
Kopatz erläutert, was in der Gesellschaft in Sachen Mobilität, Ernährung, Energie getan werden muss, damit den Menschen das öko-korrekte Leben leichter fällt. Es soll nämlich gar nicht mehr auffallen, wie „bio“, wie „öko“, wie „nachhaltig“ das Leben nach der neuen Norm ist. Der Autor verschweigt nicht, dass es ohne Verzicht nicht geht. Doch macht er deutlich, dass dies ein Verzicht auf Dinge oder Dienste ist, die wir nicht wirklich brauchen oder die z.B. auch andere haben (teilen von Konsumgütern). Wenn sich der kollektive Lebensstil ändert, kann sich auch der des Individuums ändern, ohne dass dieses das ungute Gefühl haben muss, etwas zu versäumen oder in der Entwicklung zurückzubleiben. Andere Verhältnisse fördern anderes Verhalten, das ist eine wichtige Erkenntnis. Sie wird anhand vieler Praxisbeispiele aus relevanten Lebensbereichen erläutert.
In dem Buch wird vielen Beteiligten der sehr aufgeheizten Klimadebatte der Spiegel vorgehalten: den unpolitischen Aktivisten, die meinen, die Wende gelinge, indem man ab und zu auf ein Schnitzel verzichtet, ebenso wie den Skeptikern, die eine „Öko-Diktatur“ fürchten, wenn sich in der Politik neue Ideen durchsetzen, und auch den Klimadebatte-Verweigerern, die dahinter Verschwörung und Ideologie vermuten, aber dies nur wegen ihrer eigenen Ideologie.
Deshalb: Ein gutes Buch zur richtigen Zeit, gerade weil das "Klimapaket" unbedingt neu geschnürt werden muss.