lovetrail hat geschrieben: ↑Sa 10. Aug 2019, 20:01
Wieso?
Weil du versuchst, die problematischen Fälle (hier jemanden wie Phelps) aus der Stichprobe (Leute die diese Arbeit bereits eine bestimmte Zeit lang machen) rauszuargumentieren (sie seien unter Satans Kommando und werden daher weniger angegriffen), um die ursprüngliche Prämisse (wer diese Arbeit eine bestimmte Zeit lang durchhält, muss einen göttlichen Auftrag haben) aufrecht zu erhalten.
Es ist ein wenig wie mit Alkohol. Jeder Mensch ist verantwortlich dafür, wenn er sich betrinkt und dann was Blödes anstellt.
Und gleichzeitig macht die Trunkenheit etwas mit der Person, das sie nüchtern nicht gemacht hätte.
Ja und nein. Alkohol selbst hat keine Handlungsmacht, d.h. Alkohol kann dich nicht in dem Sinne verführen, wie es irgendwelche übernatürlichen Kräfte könnten (wenn es sie denn gibt). Du hast natürlich recht, wer sich betrinkt und Quatsch macht, ist verantwortlich. Aber was ist, wenn ich dich austrickse und gegen deinen eigentlichen Willen abfülle (oder anders unter Drogen setze) und dafür sorge, dass du völlig dicht irgendeine Straftat begehst, die du nüchtern nicht begangen hättest?
Involuntary intoxication, also unfreiwillige Berauschung ist vielerorts eine akzeptierte Verteidungsstrategie, um auf Schuldunfähigkeit (oder zumindest verminderte Schuldfähigkeit) zu plädieren.
Klar, ich kann nicht sagen "Herr Richter, ich wollte ja nicht saufen, aber die Flasche stand da so aufdringlich.", da werde ich nicht weit kommen. Aber was wäre, wenn ich tatsächlich von überlegenen höheren Mächten, deren innerstes Wesen durch ihre Manipulativität charakterisiert wird, verführt werde? In welchem Maß bin ich dann noch verantwortlich, wenn ich derart starken und manipulativen Mächten unterliege?
Wieviel technische Rationalität beherrscht dein Leben? Musst du nicht im Alltag auch qualitative Urteile fällen? (nicht bloss quantitative?)
Na klar, da bin ich ja auch bei dir, ich hab nur versucht etwas näher an deiner Baummetapher zu bleiben.
Das Problem bei einer qualitativen Bewertung von Blairs Arbeit ist, dass wir zwei aufgrund unserer Positionen schon gar keine Einigkeit erreichen können, worin der positive Effekt von Blairs Arbeit eigentlich besteht.
Aus deiner Sicht (und bitte, bitte, bitte korrigier mich, wenn ich das falsch wiedergebe) bringt Blair Menschen tatsächlich zu Gott. Aus meiner Sicht kann ich ihm das in Ermangelung eines Gottes nicht zugestehen. Was ich ihn zugestehen kann und auch tue, ist dass der Glaube, den er bei den Menschen auslöst oder stärkt einen positiven psychologischen Effekt auf das Leben dieser Leute haben kann, selbst wenn ich keinen Grund habe, anzunehmen, dass der Glaube der Wahrheit entspricht. Ich weiß aus Erfahrung aber auch, dass Prediger wie Blair durch die Botschaft, die sie verbeiten und vor allem die Art und Weise wie sie sie verbreiten, Leid auslösen können. Es gibt einfach Leute denen die Angst vor ewiger Verdammnis massiv zusetzt.
Würde ich deine Ansicht vertreten, dann könnte ich das entschuldigen, dann würde ich sagen okay, ja, es gibt Leute die mit der Botschaft nicht so gut klar kommen, aber wichtig ist doch, dass sie zu Gott finden, denn dann wird das letztendlich schon alles in Ordnung kommen und darum geht es ja.
Aber weil ich diese Ansicht nicht teile, wird die Sache so extrem schwierig für mich, denn dann sehe ich auf der einen Seite Leute die leiden und aus Angst ihr Leben darauf verschwenden, sich für eine Erlösung zu qualifizieren, die niemals eintreten wird, da sie nie existiert hat und ich sehe auf der anderen Seite Leute, die zwar glücklich in ihrem Glauben sind, aber die ihr Leben (noch einmal: aus meiner Sicht!) um Unwahrheit herum aufbauen. Daher kann ich, auch wenn ich selbst unter meinem Weltbild einen positiven Effekt in Blairs Arbeit erkennen kann, unterm Strich nicht sagen, dass ich seine Arbeit gut finde. Mit dieser Bewertung würde ich mich nicht wohl fühlen.
Und natürlich sehe ich, dass sich diese Form der Argumentation 1 zu 1 aus deiner Sicht auf meine Position übertragen lässt, das macht die Sache ja so schwer.
Gut, aber das kannst du im Grunde dem Christentum, Jesus, Gott und der Bibel auch vorwerfen. Das Negative wird nicht verschwiegen.
Zu einem gewissen Grad mache ich das auch, also zumindest dem Christentum. Gott oder dem (biblischen) Jesus kann ichs in Ermangelung eines Glaubens an deren Existenz ja nicht vorwerfen. Die Stärke des Vorwurfs variiert natürlich, es gibt innerhalb des Christentums bei dieser Thematik ja keine einheitliche Position, jede Grupierung kocht ihr Süppchen. Aber pauschal gesagt bewerte ich bestimmte Aspekte des Christentums als psychologischen Missbrauch, ja, da stehe ich ganz offen dazu.
Natürlich ist es nicht verwerflich, wenn Negatives nicht verschwiegen wird, im Gegenteil. Aber die Bewertung steht und fällt eben mit der Frage, ob hier von real existierendem Negativen die Rede ist oder von erfundenem und solange kein Beweis erbracht wurde, dass es real ist, kann ich nicht davon ausgehen, dass es real ist und mein Leben danach ausrichten. Auch die Idee hinter der Pascalschen Wette zieht nicht, da sie die negativen Auswirkungen den Glaubens ignoriert. Zumal ich auch gar nicht wüsste welchem der unzähligen unbewiesenen Gottesbilder ich dann eigentlich anhängen sollte.