Hiob hat geschrieben: ↑Di 4. Feb 2020, 08:31
Naja - das "krinein" nützt uns ja nichts, weil es ja ein Skundär-Produkt ist.
Allerdings liefert uns das NT dazu genug Kontexte. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet ; Mit welchem Maß ihr messt, so werdet ihr gemessen ; So wie du urteilst, so verdammst du dich selbst ;Tut den Leuten so, wie ihr wollt, dass sie euch tun. - Sind diese Stellen inhaltlich bekannt ?
Hiob hat geschrieben: ↑Di 4. Feb 2020, 08:31
--- Viel wichtiger: Was heißt eigentlich "Urteil"? - Der eine versteht darunter "Ich fälle ein Urteil", der andere meint damit "Ich mache mich urteilsfähig". - Das eine nennt man Judikative, das andere nennt man Anamnese bzw. Diagnose.
Ich komme immer wieder auf diesen Punkt zurück, weil "Richten" je nach Sichtweise "hin-richten" oder "her-richten" heißen kann.
Kann man so sehen, aber ich halte es für eine reflexive Ausdrucksweise. Anders gesagt, wie ich über jemanden rede, sagt weniger was über den anderen, als dass es was über mich selber sagt.
Das halte ich für das Geheimnis des Gerichts. Da steht kein Scharfrichter, der die Axt über andere schwingt.
Hiob hat geschrieben: ↑Di 4. Feb 2020, 08:31Das Wort "Verantwortung" ist auch so ein komisches modisches Wort, dessen einziger Zweck darin zu bestehen scheint, Leute mit Gewalt satisfaktions-fähig zu machen. - Als Ordnungs-Größe verstehe ich das ("Du warst Minister, also warst Du verantwortlich für den Mist Deines Mitarbeiters x"), aber das ist eine Größe, bei der mitschwingt "Ob Du WIRKLICH einen Fehler gemacht hast, interessiert uns nicht".
Da stimmt ich dir sogar weitgehend zu. Das Wort "Verantwortung" wird inflationär gebraucht dafür, als stehe man in der Schuld irgendwelche Pflichten zu erfüllen. Eigentlich heißt das oft nur ganz lapidar "Unterwirf dich meinen Bedingungen !" Biblisch gesehen bedeutet es (Apologetik), dass wir unser Handeln begründen können.
Hiob hat geschrieben: ↑Di 4. Feb 2020, 08:31
Mal ein Beispiel: Ich habe als Student mit relativ vielen Zeitzeugen der Hitlerzeit gesprochen und gefragt, was da wirklich los war und was sie gewusst haben. - Unterm Strich kam raus:
1) Es gab damals kein TV und nur eine Zeitung - die meisten Leute (hier: auf dem Land) hatten KEINE Zeitung.
2) Der Rundfunk kam in den 30ern auf - und da kam immer dasselbe aus Berlin - weit weg.
3) Wir mussten damals an 7 Tagen die Woche 12 Stunden arbeiten - wir hatten keinen Sinn und keine Kraft für Politik.
4) Mit 17 bekam ich einen Brief zugeschickt mit dem Inhalt "Herzlichen Glückwunsch - wir haben Sie in die Partei aufgenommen" - samt Anstecknadeln. - Wir haben darüber gelacht und rumgefragt, wer auch schon was bekommen hatte.
5) Die Juden wurden auch bei uns umgesiedelt - aber mit denen hatten wir eh nie viel zu tun - die haben sich immer abgekapselt.
6) etc.
Wenn da jetzt einer gekommen wäre und gesagt hätte "Du hattest Verantwortung für das, was politisch und gesellschaftlich läuft", hätten die Leute aufrichtig gelacht: "Oje - Du hast keine Ahnung, wie das wirklich war".
Kann ich alles verstehen, aber was bringt das ? Führt das letztlich zur Konsequenz, dass eigentlich gar nichts passiert ist, oder das Naziregime eine Naturkatastrophe war ? Sicher, Deutschland hat sich strukturell bürokratisch verstrickt, aber das ist eben auch von Menschen gemacht. Schau dir mal Daniels und Esras Bußgebete an. Sie haben für das ganze Volk gebetet. Die Sünden des Volkes werden aber nicht weniger strukturell hervorgerufen worden sein.
Den Bogen zurück:
Die LAST/SCHULD spürt man schon durch das, was passiert ist - aber das gilt auch für den Fall, dass man im Moment des Geschehens vollkommen arglos war. - Wo passt da jetzt "Gericht" und "Verantwortung" hin?
Da gibt es kein vollkommen arglos. Jeder, der in einem System lebt, internalisiert dessen Struktur und macht sich zum Teilhaber. Die arglose Alternative wäre, gar nie geboren worden zu sein. Die gute Nachricht ist die, dass Gott diese völlige Arglosigkeit von niemandem fordert. Wie soll das auch gehen ? Jeder Mensch kommt von anderen Menschen. Man müsste schon vom Nichts in einen toten Raum geworfen sein und dann wärs auch schnell vorbei mit einem. Deswegen schuf Gott auch zuerst die Welt und den Garten Eden und setzte erst danach den Menschen dort hinein.
Hiob hat geschrieben: ↑Di 4. Feb 2020, 08:31"Entscheidung" und "Erkenntnis" hängen auch bei mir zusammen - aber ganz anders, als es normalerweise gesehen wird. --- Aus meiner Sicht ist "Entscheidung", wenn man aus einem Erkenntnisstand sagen kann, "dass da was dran zu sein" scheint. ---- Entscheidung ist somit von Bedürfnis geprägt: "Ich erkenne etwas, ich will das Erkannte, weshalb ich mich dafür entscheide".
Im Allgemeinen wird "Entscheidung" eher so dargestellt, als würde man jetzt in den sauren Apfel beißen und dafür irgendwann belohnt werden - und wolle sich gegen diejenigen abgrenzen, die sich NICHT entscheiden. - Das ist etwas ganz anderes als mein Verständnis.
Hast du sehr gut formuliert. Das kann ich nur unterschreiben.
Aber zurück zu deinem per "Donnerschlag" zum Christen werden. Paulus sagt über Israel
Römer 2,2 Denn ich gebe ihnen Zeugnis, daß sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis.
3 Denn da sie Gottes Gerechtigkeit nicht erkannten und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten trachteten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen.
Paulus hatte vor seinem "Donnerschlag" schon Eifer für Gott, stand aber auf der falschen Seite. Ihn unterscheidet aber von den anderen, dass er Erkenntnis hatte. Und jetzt wiederhole ich mich
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: ↑Mo 3. Feb 2020, 13:58
Erkenntnis sollte man vielleicht nicht immer von der Vollendung her denken, sondern vom Vorgeschmack, wie ja auch Hebräer 6,4-5 andeutet.