Was ist Theologie?

Rund um Bibel und Glaube
Hiob
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Hiob »

Travis hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 11:31 Die Ausprägung der "Wunder-kritik", dessen Grundlage heute weite Teile universitäre Theologie ist, kann der Bibel in ihren Selbstzeugnis gar nicht gerecht werden.
Richtig - das sind Vorverständnisse, die präjudizierende Wirkung haben.

Baum hat ja den Unterschied zwischen "kritisch im seriösen Sinne (Kant, etc.)" und "kritisch im weltanschaulichen Sinne (Wunderkritik)" sehr deutlich gemacht. - Schlimm genug, dass er es muss. Denn viele Diskussionen, an die ich mich erinnern kann, scheiterten daran, dass dieser Unterschied NICHT präsent war. - ich habe mich gefreut, dass diese Klarstellungen endlich mal aus der Uni kamen (vielen Dank an Dich für das Verlinken).
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Travis
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Travis »

Hiob hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 14:59 Schlimm genug, dass er es muss. Denn viele Diskussionen, an die ich mich erinnern kann, scheiterten daran, dass dieser Unterschied NICHT präsent war. - ich habe mich gefreut, dass diese Klarstellungen endlich mal aus der Uni kamen (vielen Dank an Dich für das Verlinken).
Dir ist aber klar, dass die FTH in Gießen keine staatliche Universität (freilich staatlich anerkannt) ist, oder? Dies sei nur erwähnt, weil sich "normale" Unis bei der implizierten Vereinnahmung mit der FTH unangemessen dargestellt sehen könnten.
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Hiob
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Hiob »

Travis hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 15:03 Dir ist aber klar, dass die FTH in Gießen keine staatliche Universität (freilich staatlich anerkannt) ist, oder?
Nee - war mir nicht klar.
Travis hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 15:03 Dies sei nur erwähnt, weil sich "normale" Unis bei der implizierten Vereinnahmung mit der FTH unangemessen dargestellt sehen könnten.
Naja - sie sollten sich ein Vorbild nehmen. - Denn das, was Baum gesagt hat, sollte Grundlage überall sein - er hat schlicht referiert, wie unterschiedlich "historisch-kritisch" verstanden wird und was Wissenschaft kann und was nicht. - Das MUSS jeder Wissenschaftler wissen. Nebenbei: Die wirklich guten wissen das überall, aber sie sind nicht die Lautesten.
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PeB
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von PeB »

Zippo hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 11:23 Die historisch , kritische Methode fragt im positiven Sinne: " Was ist passiert ?" Das finde ich, ist eine sinnvolle Frage.
Die historische Methode fragt das. Bei der historisch-kritischen Methode ist die Beantwortung der Frage sehr stark abhängig von der gemeinten Bedeutung von "kritisch". Wie im Beitrag zu sehen: "wunderkritisch" ist hier kontraproduktiv.
Zippo hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 11:23 Das verstehe ich jetzt nicht so ganz. Der Herr Jesus kann doch ein ganz naheliegendes Ereignis bringen und dann mit Ereignissen fortfahren, die am Ende des Zeitalters kommen.
Das findet man oft in der Prophetie.
Es ging mir darum zu zeigen, dass historisch-kritische Theologen oftmals das Übernatürliche als nicht wissenschaftlich belegbar ausblenden. Das bedeutet dann aber, dass Prophetie als Offenbarungsmöglichkeit Gottes ausgeschlossen wird.
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Re: Was ist Theologie

Beitrag von Zippo »

Helmuth Michael
Mehr direkte Stellungnahmen habe ich nicht gefunden. Wer will, kann aber gerne nachholen oder ergänzen bzw. korrigieren.

Mein erstes Resümee lautet, dass ich eine klare Antwort für mich nur von Lena erhalten habe, die recht spontan Stellung bezogen hatte, ohne dies weiter zu diskutieren oder näher zu erläutern.

Die anderen Stellungnahmen (Otto, Zippo, PeB) beantworten die Frage m.E. nicht, sondern wären die Antwort auf die Frage: "Was ist ein Theologe?" Dass der Theologe in der Folge Theologie betreibt sollte einleuchten. Was genau betreibt er aber nun?
Eine klare Antwort ist für dich eben nur, was du hören willst. Aber es trifft nicht wirklich den Sinn des Wortes Theologie.

Wann ist dieses Wort überhaupt entstanden ? Vielleicht hat man nur einen Namen für einen Studiengang gesucht. Es gibt da neben der Biologie , der Soziologie oder der Geologie auch noch einen Studiengang der Theologie.

Ich habe mal den Lehrplan der Uni Göttingen ganz wahllos als Beispiel herausgesucht:
https://www.uni-goettingen.de/de/inhalt ... 09109.html

Da wird deutlich , was die so unter Theologie alles verstehen.
PeB hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 18:19
Zippo hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 11:23 Die historisch , kritische Methode fragt im positiven Sinne: " Was ist passiert ?" Das finde ich, ist eine sinnvolle Frage.
Die historische Methode fragt das. Bei der historisch-kritischen Methode ist die Beantwortung der Frage sehr stark abhängig von der gemeinten Bedeutung von "kritisch". Wie im Beitrag zu sehen: "wunderkritisch" ist hier kontraproduktiv.
Dazu mußt du dir das Wort " Kritik" noch mal vornehmen. Es bedeutet eben nicht ein "bemängeln" , sondern ein "beurteilen".
Insofern geht es bei der historisch , kritischen Methode im positiven Sinne , um ein historisches Beurteilen eines Textes.
Dann betreibst du keine Wort zu Wort Auslegung, sondern du fragst eben, was da eigentlich passiert ist.
Die Wort zu Wort Auslegung würde bei Betrachtung meines Beispiels ergeben, daß es sich bei den Kindern Bethlehems nicht um die Kinder Rahels , sondern um die Kinder Leas handelt.
Aber die historische Beurteilung ergibt ganz klar, daß die Kinder Rahels sich in der Stadt in Bethlehem niedergelassen haben. Rahel bekam ihren Sohn Benjamin, als sie auf dem Wege nach Bethlehem waren. 1 Mo 35,16 Dort steht bis heute das Grab von Rahel.

Die Stammesgebiete lagen ja direkt nebeneinander und es ist eigentlich auch einleuchtend, wenn die Stammesgrenzen nicht unbedingt mit den ethnischen Grenzen übereinstimmen. Da hat natürlich auch eine Durchmischung stattgefunden. In Bethlehem waren wohl bis zu dem Kommen Jesu die Kinder Rahels anzutreffen.

Die Frage bleibt nach wie vor, ob man Methode haben muß , um die Bibel zu verstehen.
Ist das jetzt so eine besondere Marotte, derjenigen, die aus dem Bibellesen eine Wissenschaft gemacht haben ?
Texte unter gewissen Gesichtspunkten zu untersuchen ist bestimmt richtig.
Das haben die Leser geistlicher Literatur wohl zu allen Zeiten immer gemacht.

Aber wir brauchen doch eigentlich keine Methode , hinter deren Namen sich alles mögliche verbergen könnte.

Liebe Grüsse Zippo
2 Kor 13,14 Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Hiob »

Zippo hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 21:11 Insofern geht es bei der historisch , kritischen Methode im positiven Sinne , um ein historisches Beurteilen eines Textes.
Genau so sollte es sein. - Das heißt gleichzeitig: Es geht NICHT um eine geistliche Beurteilung.
Zippo hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 21:11 Aber wir brauchen doch eigentlich keine Methode , hinter deren Namen sich alles mögliche verbergen könnte.
Da ist was passiert, was in den letzten Generationen oft passiert ist: Begriffe werden umdefiniert. - Das führt dann so weit, dass eine Generation später die Leute nur noch die neue Definition kennen und mit der ursprünglich gemeinten nichts mehr anfangen können. - - In Orwells "1984" nennt man das "Neusprech".

Trotzdem: Seriöse historisch-kritische Forscher arbeiten noch nach der ursprünglichen Definition. Das Problem liegt eher in der Vermittlung "ins Volk", also auf populär-"wissenschaftlicher" Ebene und in den Medien. - Historisch-kritische Methode und Theologie als Ganzes ist aus meiner Sicht sehr wichtig, WENN sie in seriösen Händen sind.
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Travis
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Travis »

Hiob hat geschrieben: Do 11. Jun 2020, 23:45 Da ist was passiert, was in den letzten Generationen oft passiert ist: Begriffe werden umdefiniert. - Das führt dann so weit, dass eine Generation später die Leute nur noch die neue Definition kennen und mit der ursprünglich gemeinten nichts mehr anfangen können. - - In Orwells "1984" nennt man das "Neusprech".
DIe HKM tritt in Bezug auf ihre "Kritik" leider hauptsächlich dadurch in Erscheinung, Grundvertrauen in die Bibel zu demontieren. Was wir hier als "Wunder-Kritik" bezeichnen, zieht sich entsprechend in allen Bereichen der HKM durch. Selbst die eigentlich rein historischen Bereiche werden beeinflusst wenn man weiß, dass "Wunder-Kritik" sich nicht auf einzelne Wunder beschränkt sondern im Grund jedwedes übernatürliche Handeln Gottes ausschließt. Den Mittelweg versuchten Theologen zu gehen, in dem sie Gott zwar prinzipielles Handeln unterstellten, ihn jedoch auf einen von jeder erkennbaren Übernatürlichkeit "befreiten" Rahmen beschränkten. Was daraus folgt, kann man sich vorstellen. Für die Forschung der HKM wurde Gott quasi systemisch ausgeschlossen. Im Grunde kann die HKM auch arbeiten, wenn es gar keinen Gott gibt, wobei sie sich dabei als seperaten Forschungszweig selber demontiert und der Forschung insgesamt eher im Wege steht als dienlich wäre. Denn prinzipiell können beispielsweise Historiker oder Archäologen mit ausgeprägten ideologischen (theologischen) Vorannahmen, gar nicht ergebnisoffen arbeiten. Entsprechend gibt es außerhalb der HKM meist die besseren Experten.

Im Bereich christlicher Sekten oder auch nur sektiererischer Tendenzen wird "Neusprech" teilweise recht umfassend betrieben. Das merkt man schon hier im Forum. Als bekanntes Beispiel, welches auch außerhalb bestimmter Kreise längst Einzug gehalten hat, wäre der Begriff "Christ". Hier muss man bereits schauen, was damit gemeint ist. Während in der Bibel nur Menschen gemeint sind, die Christus tatsächlich folgen und seine Lehre verbreiten, hat man irgendwann auch all diejenigen hinzugenommen, die sich selber irgendwie christlich benennen. Der nächste Schritt wäre es dann, als "Christen" nur noch die zu bezeichnen, die sich zwar benennen, aber es vermutlich nicht sind. Letzteres unterstellt also bereits die fehlende Wiedergeburt während ersteres die Möglichkeit von vorhanener Wiedergeburt zumindest noch unterstellt.

Soetwas führt dazu, dass Gespräche nicht gelingen können. Benutzt man "Neusprech" dann noch, um sein Gegenüber absichtlich in die Irre zu führen oder am Ende bloßzustellen, verliert es jeden konstruktiven Charakter.
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Hiob »

Travis hat geschrieben: Fr 12. Jun 2020, 06:13 Den Mittelweg versuchten Theologen zu gehen, in dem sie Gott zwar prinzipielles Handeln unterstellten, ihn jedoch auf einen von jeder erkennbaren Übernatürlichkeit "befreiten" Rahmen beschränkten.
Das entscheidende Wort ist hier "unterstellen". Denn Wissenschaft hat nichts zu unterstellen: Weder Wunderkritik noch Wiedergeburt (also in BEIDE Richtungen), sondern sie hat zu beobachten und zu beschreiben. - Wenn sie daraus interpretiert, hat sie offenzulegen, auf welcher Basis sie interpretiert:
"Wir interpretieren im Folgenden,
* dass es keine Wunder geben kann,
* dass das Wort Gottes wörtlich zu verstehen ist,
* etc.

Das Problematische in der Praxis: Man unterstellt etwas und besteht darauf, dass es keine Unterstellung sei. Man begründet es damit, dass der eigene Vernunft-Begriff keine Unterstellung sei, sondern aufgeklärte Basis jeglicher Wissenschaft. Dies ist brutal irrig. - Ich bin schon daran verzweifelt, dass dies von den Verfechtern wunderkritischer Theologie intellektuell nicht gerafft wird.
Travis hat geschrieben: Fr 12. Jun 2020, 06:13 Im Bereich christlicher Sekten oder auch nur sektiererischer Tendenzen wird "Neusprech" teilweise recht umfassend betrieben. Das merkt man schon hier im Forum. Als bekanntes Beispiel, welches auch außerhalb bestimmter Kreise längst Einzug gehalten hat, wäre der Begriff "Christ".
Da hilft nur "definieren". - Allerdings ist das wirklich ein sehr schwieriges Thema. --- Für Dich ist nur derjenige Christ, der im Sinne Deines Bibelverständnisses wiedergeboren ist. - Für mich ist jemand dann Nachfolger Jesu, wenn er das Gebot der Nächstenliebe/LIebe befolgt - siehe 1. Kor. 13.

Siehe auch: "Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Matth. 25,40). - Trinitarisch verstanden heißt dies: "Was Ihr dem letzten Penner Gutes getan habt, habt Ihr direkt Gott getan". Wie könnte man da NICHT Christ sein? - Wichtig in diesem Kontext "Neusprech": Wir diskutieren das aus, während es auf ideologischer Seite einfach postuliert wird.

Hier müsste man das Thema (geschichtliche und persönliche) "Heilsgeschichte" anschließen, wollte man hier tiefer einsteigen.
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Travis
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Travis »

Hiob hat geschrieben: Fr 12. Jun 2020, 06:50 Für Dich ist nur derjenige Christ, der im Sinne Deines Bibelverständnisses wiedergeboren ist. - Für mich ist jemand dann Nachfolger Jesu, wenn er das Gebot der Nächstenliebe/LIebe befolgt - siehe 1. Kor. 13.
Da müsste man vielleicht ergänzen:
Für Dich ist nur derjenige Christ, der im Sinne Deines Bibelverständnisses wiedergeboren ist. - Für mich ist jemand dann Nachfolger Jesu, wenn er nach meinem Verständnis das Gebot der Nächstenliebe/LIebe befolgt - siehe 1. Kor. 13.
denn wenn man seinem Gegenüber kein wahres "Bibelverständnis" im Bereich der Wiedergeburt unterstellen mag, trifft dies konsequenter Weise auch auf das eigenen Erkennen dessen zu, was in 1Kor 13 zur Nächstenliebe ausgesagt wird. Ganz abgesehen davon, dass die Reduzierung auf tätige Nächstenliebe von 1Kor 13 eine gravierende Beschneidung dieses Kapitels und des Themas "Wiedergeburt" insgesamt bedeutete.

Nicht ohne Grund ist kontextuales Lesen von großer Bedeutung. Thematisch steht 1Kor 13 nicht ohne Grund ausgerechnet zwischen 1Kor12 und 1Kor14. Hinzukommt, dass sichbar-tätige Bereich der Nächstenliebe selbst in 1Kor 13 nicht der Dreh-und Angelpunkt ist; also nicht als Synonym zu der dort hervorgehobenen Liebe verwendet werden kann.
1Kor 13,3 hat geschrieben:3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
und das ganze Kapitel eben nicht den Eindruck hinterlässt und hinterlassen soll, es ginge dort um ein Gebot, welches gar keine innere Veränderung notwendig machte. Wie Vers3 zeigt ist es möglich, das Gebot der Nächstenliebe zu befolgen, ohne die Liebe zu haben von der Paulus spricht. Damit hat die tätige Nachstenliebe (V.3) den selben potentiellen Makel wie Glaube, Zungenrede, Erkenntnis und Prophetie. Die in dem Zitat aus Deinem Beitrag erwähnte Kenngröße für einen Nachfolger Jesu würde dadurch also systemisch zu kurz greifen.

Kurz gesagt: Auch nach 1Kor 13 kann man jemanden die Wiedergeburt nicht deshalb zusprechen, weil er sichtbar das Gebot der Nächstenliebe befolgt.

Im Sinne "meines Bibelverständnisses" schließt erkennbare Wiedergeburt die tätige Nächstenliebe ein, lässt sich darauf als einziges erkennbares Merklmal aber nicht reduzieren. Denn die Innewohnung des Heiligen Geistes macht es überhaupt erst möglich, die in 1Kor 13 fokussierte Liebe in einem Menschen nicht nur als Basis des Handelns sondern des Seins zu haben.
Röm 5,5 hat geschrieben:5 Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Diesen Kern christlicher Existenz stellt Paulus mit voller Absicht inmitten einer Auseinadersetzung von Gaben, Rollen und Verhalten christlicher Nachfolge (Kap. 12 und Kap. 14).
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Hiob »

Travis hat geschrieben: Fr 12. Jun 2020, 07:17 "Für mich ist jemand dann Nachfolger Jesu, wenn er nach meinem Verständnis das Gebot der Nächstenliebe/LIebe befolgt - siehe 1. Kor. 13".
Das ist immer so. - Es gibt niemanden, der sein eigenes Verständnis objektiv umschiffen kann.
Travis hat geschrieben: Fr 12. Jun 2020, 07:17 Kurz gesagt: Auch nach 1Kor 13 kann man jemanden die Wiedergeburt nicht deshalb zusprechen, weil er sichtbar das Gebot der Nächstenliebe befolgt.
Was zur Umkehrfrage führen würde, was wichtiger ist: 1.Kor. 13 oder Wiedergeburt?

Aber jetzt sind wir schon wieder mittendrin. - In unserem Kontext hier ist jedoch wichtig, dass wir mit offenem Visier argumentieren. - Übertragen auf die Theologie: Von jeder Theologie müsste man erwarten dürfen, dass sie Grundbegriffe definiert - beispielswiese:
"Wir betreiben theologische Wissenschaft auf der Basis,
* dass Wunder aus maßstäblicher aufgeklärter Sicht nicht möglich sind.
* dass Gott auf jeder Ebene in das Dasein eingreifen kann, wenn er will".

Wenn dann unterschiedliche Ergebnisse rauskommen, ist das normal und zulässig - aber man weiß wenigstens, warum es so ist.
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