Was ist Theologie?

Rund um Bibel und Glaube
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Sunbeam
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Sunbeam »

Hiob hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 14:22
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 10:28 Wenn Theologie eine Wissenschaft ist, dann ist Theologie auch eine illegitime Verdinglichung, Verweltlichung und "Verbürokratisierung" des christlichen Gottes.
Das muss nicht so sein. Denn jedes wissenschaftliche Modell hat seine nicht falsifizierbaren Vorannahmen - genau das aber wird von modernen Wissenschafts-Freaks gerne geleugnet. --- Mit anderen Worten: Man kann sehr wohl wissenschaftlich arbeiten, selbst wenn Vorannahmen (hier bspw. die Annahme von Gott) nicht falsifizierbar sind.
Glaubst du diesen Unsinn wirklich, ich meine jetzt den hervorgehobenen Absatz?

Ich würde behaupten, das thologische Aussagen, die Begriffe wie Gott enthalten, also niemals wirklich verifizierbar sind, diese haben keinen kognitiven Sinn. Religionen haben aus Sicht des Logischen Empirismus deswegen keinen kognitiven Sinn und können nicht in einem rationalen System behandelt werden, können aber sehr wohl einen emotiven Sinn haben, und darum geht es doch, im Glauben.

Ähnlich geht es der Theologie mit den oft strapazierten Begriffen wie Ethik und Moral, aber hier muss sie, die Theologie, auf Werte Bezug nehmen, die aber keine Sinnesdaten in der Welt darstellen. Und wir behalten hier immer im Hinterkopf - es gibt eine katholische und eine evangelische Theologie.

Abschießend würde ich das so formulieren: ein wirklich religiöser Mensch, ein Mensch Gottes in der sozusagen Nachfolge, der hat ein unerschütterliches Vertrauen in eine vorgegebene, göttliche Ordnung der Welt und in den unbedingten, unverlierbaren Sinn unseres endlichen, begrenzten Daseins. Nur, wozu braucht es dann noch Theologie...

Gott als der Unverfügbare ist mir wesentlich sympathischer als der gezähmte und zahnlose Gott der theologischen Erklärbären.
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ProfDrVonUndZu
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 Glaubst du diesen Unsinn wirklich, ich meine jetzt den hervorgehobenen Absatz?
Was ist daran Unsinn ? Er behauptet ja nicht, dass es in Wissenschaften keinerlei Falsifizierbarkeiten geben würde. Es geht hier aber um Modelle und Theorien. Die müssen/sollten in sich stimmig sein. Prämissen sind dabei für Fundamentalisten und Eiferer sehr unbequem und werden dann gerne aus dem Diskurs ausgeblendet.
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AlTheKingBundy
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von AlTheKingBundy »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 19:41
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 Glaubst du diesen Unsinn wirklich, ich meine jetzt den hervorgehobenen Absatz?
Was ist daran Unsinn ? Er behauptet ja nicht, dass es in Wissenschaften keinerlei Falsifizierbarkeiten geben würde. Es geht hier aber um Modelle und Theorien. Die müssen/sollten in sich stimmig sein. Prämissen sind dabei für Fundamentalisten und Eiferer sehr unbequem und werden dann gerne aus dem Diskurs ausgeblendet.
Dann hast Du den Unsinn nicht verstanden. Jede "Vorannahme" in der Wissenschaft kann durch das Experiment widerlegt werden. Beispiel: Einstein sagt als Grundannahme der SRT: die Lichtgeschwindigkeit ist in jedem Inertialsystem dieselbe. Ein Experiment mit gegenteiligem Ergebnis widerlegt die Grundannahme.
Beste Grüße, Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
(Albert Einstein, 1879–1955)
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Sunbeam
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Sunbeam »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 19:41
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 Glaubst du diesen Unsinn wirklich, ich meine jetzt den hervorgehobenen Absatz?
Es geht hier aber um Modelle und Theorien.
Um welche Modelle? Und um welche Theorien? Gott ist weder beobachtbar noch empirisch "feststellbar". Sollten nicht auch theologische Aussagen nur formulierbar sein, wenn sie auch überprüfbar sind? Von den Methoden einer Verifikation in der Theologie jetzt einmal höflich zu schweigen. Ich würde Religion nicht einmal als ein rationales System bezeichnen.
Wenn für K. Barth Gott der ganz Andere, der radikal Transzendente war, dann wäre das ein theologischer Ansatz, der mein Interesse hervor rufen würde.

Dietrich Bonhoeffer schrieb einmal: Gott ist nur eine Arbeitshypothese. Es zeigt sich, daß alles auch ohne Gott geht und zwar ebenso gut wie vorher.

Damit wäre doch eigentlich alles gesagt, warum nun die Theologie begehrlich um Einlass in die doch so verabscheuungswürdige weltliche und materialistische Wissenschaft buhlt, das ist mir weiterhin ein Rätsel.
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ProfDrVonUndZu
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

AlTheKingBundy hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 19:54 Dann hast Du den Unsinn nicht verstanden. Jede "Vorannahme" in der Wissenschaft kann durch das Experiment widerlegt werden.
In den Naturwissenschaften ja. Da ist das noch theoretisch am einfachsten.
AlTheKingBundy hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 19:54 Beispiel: Einstein sagt als Grundannahme der SRT: die Lichtgeschwindigkeit ist in jedem Inertialsystem dieselbe. Ein Experiment mit gegenteiligem Ergebnis widerlegt die Grundannahme.
Ja, dazu muss das Experiment aber auch durchgeführt werden können und durchgeführt werden.
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38 Um welche Modelle? Und um welche Theorien?
Hiob sprach von jedem wissenschaftlichen Modell.
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38Gott ist weder beobachtbar noch empirisch "feststellbar".
Yep.
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38Sollten nicht auch theologische Aussagen nur formulierbar sein, wenn sie auch überprüfbar sind?
Gott ist nunmal die Prämisse in der Theologie. Aussagen können für seine Existenz und gegen seine Existenz sprechen. Wenn man die Prämisse wegnimmt, gibt es die Disziplin schlicht nicht mehr. Oder sie bleibt als ein Zombie übrig um Arbeitsplätze zu erhalten.
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38Ich würde Religion nicht einmal als ein rationales System bezeichnen.
Ich auch nicht. Ich bezeichne meinen Glauben auch nicht unbedingt als Religion und erst Recht nicht als rationales System. Theologie die Offenbarungen leugnet, kann einpacken. Klaus Berger zeichnet in seinem Buch Die Bibel und ihre philosophischen Feinde nach, wie die Theologie als Disziplin der Philosophie nacheiferte und versuchte, wie Naturwissenschaft zu sein. Dazu musste sie sich verleugnen.

Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38 Dietrich Bonhoeffer schrieb einmal: Gott ist nur eine Arbeitshypothese. Es zeigt sich, daß alles auch ohne Gott geht und zwar ebenso gut wie vorher.
Hat er denn Gott mal testweise aus der Welt entfernt ? :D Ne, diese Aussage ist nicht besser als :"Wozu Kraftwerke ? Mein Strom kommt aus der Steckdose."
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38 Damit wäre doch eigentlich alles gesagt, warum nun die Theologie begehrlich um Einlass in die doch so verabscheuungswürdige weltliche und materialistische Wissenschaft buhlt, das ist mir weiterhin ein Rätsel.
Das ist mir auch ein Rätsel. Laut Berger habe Kant den Glauben von der Wissenschaft befreit. Berger führt dazu allerdings lediglich eine Sekundärquelle an. Theologie ohne Glauben, das ist unglaubwürdig.
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Sunbeam
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Sunbeam »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 21:43
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38 Um welche Modelle? Und um welche Theorien?
Hiob sprach von jedem wissenschaftlichen Modell.
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38Gott ist weder beobachtbar noch empirisch "feststellbar".
Yep.
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38Sollten nicht auch theologische Aussagen nur formulierbar sein, wenn sie auch überprüfbar sind?
Gott ist nunmal die Prämisse in der Theologie. Aussagen können für seine Existenz und gegen seine Existenz sprechen. Wenn man die Prämisse wegnimmt, gibt es die Disziplin schlicht nicht mehr. Oder sie bleibt als ein Zombie übrig um Arbeitsplätze zu erhalten.
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 20:38Ich würde Religion nicht einmal als ein rationales System bezeichnen.
Ich auch nicht. Ich bezeichne meinen Glauben auch nicht unbedingt als Religion und erst Recht nicht als rationales System. Theologie die Offenbarungen leugnet, kann einpacken. Klaus Berger zeichnet in seinem Buch Die Bibel und ihre philosophischen Feinde nach, wie die Theologie als Disziplin der Philosophie nacheiferte und versuchte, wie Naturwissenschaft zu sein. Dazu musste sie sich verleugnen.
Ich antworte jetzt einmal mit dem guten alten Marcel-Reich-Ranicki, mit dem dieser streitbare Kritiker damals seine Sendungen zu beenden pflegte:

Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.


PS: ist nicht jeder Mensch sein eigener und damit wahrhafter Theologe, der eine Bibel aufschlägt und versucht, diesen Text verstehend und begreifend zu lesen.
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 22:15 Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Die Betroffenheit kann sich in Heiterkeit verwandeln. Es ist doch besser, als wenn eine Kommission sich auf eine normativ verbindliche Wahrheit einigt, und alle Abweichler und Zweifler sanktioniert. Die Realität sieht aber leider eher so ähnlich aus.
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Sunbeam
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Sunbeam »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 23:18
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 22:15 Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Es ist doch besser, als wenn eine Kommission sich auf eine normativ verbindliche Wahrheit einigt, und alle Abweichler und Zweifler sanktioniert.
Wenn sich eine Kommission, welche immer das sein soll und in welchen Diensten diese auch immer agiert, sich auf eine - normativ verbindliche Wahrheit einigt, dann hat diese " normativ verbindliche Wahrheit" auch immer das Potential, zur ältesten und auch heiligsten aller Lügen werden.
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Re: Was ist Theologie?

Beitrag von Hiob »

Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 Glaubst du diesen Unsinn wirklich, ich meine jetzt den hervorgehobenen Absatz?
Natürlich - Rewtourkutsche: MAn erkennt das nur, wenn man über anthropomorphe Denkweisen hinausgeht.
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 Religionen haben aus Sicht des Logischen Empirismus deswegen keinen kognitiven Sinn und können nicht in einem rationalen System behandelt werden, können aber sehr wohl einen emotiven Sinn haben, und darum geht es doch, im Glauben.
Der große Irrtum moderner Denke. Denn die Begriffe sind nicht nach dem Kriterium "Wirklichkeit", sondern nach dem Kriterium "anthropogene Erfassbarkeit von Wirklichkeit" definiert (sogar das Wort "Wirklichkeit" wird gelegentlich so definiert).
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 ein wirklich religiöser Mensch, ein Mensch Gottes in der sozusagen Nachfolge, der hat ein unerschütterliches Vertrauen in eine vorgegebene, göttliche Ordnung der Welt und in den unbedingten, unverlierbaren Sinn unseres endlichen, begrenzten Daseins
Schöne Definition. - Aber geht es bei "Sinn" nicht um "Wirklichkeit"?
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 Nur, wozu braucht es dann noch Theologie...
Um dieses Sinn-System rational zu erklären. - Aber für den Glauben braucht man Theologie in der Tat nicht unbedingt - da stimme ich zu. (Du brauchst für SChwerkraft auch keine Naturwissenschaft)
Sunbeam hat geschrieben: Fr 3. Jul 2020, 15:52 Gott als der Unverfügbare ist mir wesentlich sympathischer als der gezähmte und zahnlose Gott der theologischen Erklärbären.
Ja - aber das Unverfügbare logisch zu erklären, ist schon spannend. - Allerdings bin ich diesbezüglich von heutiger Theologie enttäuscht.
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