Travis hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 22:06
PeB hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 21:33
Keineswegs.
Ich sprach von unüberwindlichen Hürden. Willst du nun sagen, die "Hürden" (oder Regeln) für das Presbyteramt seien unüberwindlich?
Was ich sagte war, dass der Begriff "Hürden" unpassend ist. Ich verwendete ihn, um an Deine Aussagen anzuknüpfen.
Ich verwendete ihn, weil ich nichts davon halte, aus befolgbaren biblischen Regeln heraus "unüberwindbare Hürden" zu folgern.
Travis hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 22:06
PeB hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 21:33
Du hast selbst festgestellt, dass der Alltag in norddeutschen Normalgemeinden ein anderer ist. Was ist nun deine Konsequenz daraus? Verloren geben?
"Verloren"? Ist das eine gewollte Überspitzung?
Ja, ist es. Denn es muss sich doch die Frage stellen, ob eine Gemeinde ohne Führung droht, verloren zu gehen.
Travis hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 22:06
PeB hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 21:33
Richtig. Ich habe dir vorgeworfen, dass du aus biblischen Vorgaben Hürden machst, die schier unüberwindlich wirken.
Dein Vorwurf ist ein totaler Fehlgriff. Denn wenn die biblischen Anforderungen für das Ältestenamt für jemanden als unüberwindliche Hürden wirken, sollte er das Amt nicht in Erwägung ziehen.
Darin sind wir einig.
Mir ging es nicht um die Frage der biblischen Anforderungen, sondern der gesetzlichen Darstellung derselben.
Travis hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 22:06
PeB hat geschrieben: ↑Mo 31. Aug 2020, 21:33
Absolut nicht. Was hättest du Petrus geraten, wenn er dich gefragt hätte, ob er Jesus nachfolgen solle? Hättest du ihn gefragt, ob er sich das reiflich überlegt hat und ob er auch die alttestamentarischen Voraussetzungen erfüllt, um dem Messias nahe kommen zu dürfen?
Doch, absolut. Ich hätte Petrus in der von Dir beschriebenen Situation geraten zu warten, bis der Pfingsttag eingetroffen wäre.
Und Jesus hat ihm einfach nur gesagt: "Folge mir nach!"
Wem sollte Petrus nun eher vertrauen: dem gut gemeinten Ratschlag des Freundes Travis oder der bedingungslosen Aufforderung Jesu?
Ist es denn nicht so, dass die Aufforderung Jesu Petrus, den Fischer, gerade "würdig" gemacht hat?
Konkret:
ich wurde von meiner Gemeinde um Hilfe gebeten, die darin besteht, als Presbyter zu kandidieren. Laut Kirchenleitung besteht bei Nichtbesetzung der Presbyteriumssitze die Gefahr der Auflösung des Presbyteriums - eine führungslose Gemeinde.
Meine
primäre Motivation besteht demnach darin, dazu beizutragen, dass die Gemeinde gemäß biblischer Vorgaben weiter bestehen kann.
Selbstverständlich lege ich bei mir den Maßstab an, der biblisch für das Ältestenamt vorgegeben ist.
Die Frage die ich aber stelle, lautet: sind die neutestamentlichen Anforderungen
gesetzlich zu betrachten?
Oder anders gefragt: wenn ich nun der Einzige wäre, der in diesem Fall breit wäre, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen - sollte ich dann bei einem Selbstzweifel ablehnen und eine Auflösung des Presbyteriums in Kauf nehmen? Nach mir die Sintflut?
Oder sollte ich als Christ in der Lage sein, den Hunger im Zweifel auch durch das Abreißen von Ähren am Sabbat zu stillen?
Matthäus 12, 11 hat geschrieben:Wer ist unter euch, der sein einziges Schaf, wenn es am Sabbat in eine Grube fällt, nicht ergreift und es heraufhebt?
Und jetzt können wir uns gerne einmal exemplarisch die viel zitierten Anforderungen ansehen und du wirst vielleicht einsehen, dass die "gesetzliche" Anwendung derselbsen leicht zu einem beinahe 100%igen Ausschluss von potentiellen Kandidaten führen kann:
1. ein Leiter muss ein Mann ohne Tadel sein
ungeachtet der Frage, was jeder Einzelne hier im Forum unter "untadelig" verstehen mag: es liegt gegen mich kein ausgesprochener oder verbriefter Tadel vor. Ob Jemand mich insgeheim gedanklich für etwas tadelt, kann ich nicht sagen. Ich bin mir keines Anlasses dafür bewusst, was jedoch nicht heißen muss, dass es keinen geben kann.
Nun: bin ich also untadelig?
2. der seiner Frau treu ist
ich bin meiner Frau treu. Aber ich bin geschieden und wieder verheiratet. Wie bewerte ich das? Bin ich nun eigentlich im biblischen Sinne noch mit meiner Ex-Frau verheiratet und ihr daher untreu?
3. Er muss sich besonnen und verantwortungsbewusst verhalten
Mein Selbstbild ist das eines besonnenen und verantwortungsbewussten Menschen. Zu meiner Besonnenheit und meinem Verantwortungsbewusstsein gehört aber auch die Einsicht, dass es schon Situationen gab, in denen ich unbesonnen und weniger verantwortungsbewusst gehandelt habe. Ein weniger besonnener und verantwortungsbewusster Mensch wird womöglich diese Selbsterkenntnis nicht besitzen.
Ist also nun mein "Grad" an Besonnenheit und Verantwortungsbewusstsein ausreichend?
4. darf keinen Anstoß erregen
Ich meine, dass ich keinen Anstoß errege. Jedenfalls habe ich darüber keine Rückmeldung. Aber kann ich denn ausschließen, dass es Menschen gibt, die insgeheim Anstoß an mir nehmen?
5. muss gastfreundlich
Wer bei mir klingelt wird hereingebeten. Ich habe auch mal die Mormonen, die mich bekehren wollten zu einem Kaffee hereingebeten und freundlich mit ihnen geredet - ohne Mormone zu werden.
Aber andererseits genieße ich auch die Zeit ohne Gäste. Als gastfreundlich würde ich mich also selbst bezeichnen, womöglich würde ich einen anklopfenden Gast aber auch auf den nächsten Tag vertrösten, wenn ich gerne meine Ruhe hätte und sofern es nicht dringend ist.
Reicht das nun?
6. und zum Lehren befähigt sein
Interessantes Thema. Wenn ich mich mit dem Durchschnitt meiner Mitchristen vergleiche, halte ich mich durchaus für fähig; wenn ich mich aber mit Einzelnen (wie Travis) vergleiche, eher nicht.
Welchen Maßstab lege ich demnach hier an? Bedeutet "Befähigung" die theoretische Anwendung, die durch die Praxis perfektioniert werden kann? Oder bedeutet diese Anforderung eine 100%-Praxisfertigkeit?
7. Er soll kein Trinker
Ich konnte dem "Besaufen" noch nie etwas abgewinnen. Wenn wir früher als Jugendliche mal über die Stränge geschlagen haben, fanden die anderen das immer lustig, ich hingegen wurde nur müde und musste kotzen.
Aber ich trinke jeden Abend ein Bier vor dem Essen und zwei bis drei Gläser Wein nach dem Essen.
Nun - bin ich biblisch ein Trinker oder nicht?
8. und gewalttätiger Mensch sein, sondern ein freundlicher und rücksichtsvoller Mann
In meiner Selbstwahrnehmung bin ich fast immer ein freundlicher und rücksichtsvoller Mann. Aber vor ungefähr einem dreiviertel Jahr habe ich mal unsere TV-Fernbedienung gegen die Wand geworfen, weil ich wegen etwas sauer war - der Schaden war mein eigener. Macht mich das also im biblischen Sinne zu einem gewalttätigen Mann? -> siehe auch Punkt 3.
9. Er darf auch nicht am Geld hängen.
Ich bin froh, dass ich heute wieder anständig verdiene. Wir haben uns ein Haus gekauft und wollen es behalten. Deshalb hoffe ich, dass ich zukünftig keine finanziellen Einbrüche mehr erleben muss. Aber andererseits habe ich auch schon von der Hand in den Mund gelebt. Ich kenne Beides und ich schätze den Zustand der finanziellen Unbeschwertheit mehr als den des Mangels, wenngleich ich die Zeit des Mangels nicht missen möchte, denn sie war lehrreich.
Ich würde mich selber nicht als Jemanden einschätzen, der am Geld hängt. Aber wäre das auch die biblische Einschätzung?
10. Er muss sich in vorbildlicher Weise um seine Familie kümmern, sodass seine Kinder ihn achten und ihm gehorchen.
Ich bin geschieden. Schlechte Vorbedingung.
Aber ich liebe meine Ehefrau und kümmere mich um meine Kinder. Sie lieben und achten mich. Nachdem meine Töchter mittlerweile 24 und 26 sind, spielt das Gehorchen keine große Rolle mehr.
Was spielt also bei dieser Frage die größere Rolle: meine damalige Scheidung oder mein heutiges Verhalten?
11. Er darf nicht erst vor kurzem zum Glauben gekommen sein
Bin ich definitiv nicht.
Wie wohl: die Glaubenserkenntnis wächst jeden Tag und meine Glaubenstiefe von vor 5 Jahren ist nicht vergleichbar mit meiner heutigen. Ebenso muss ich prognostizieren, dass meine Glaubenserkenntnis und Glaubenstiefe sich auch in Zukunft entwickeln.
Wie also ist der Begriff "Glaube" hier qualitativ und quantitativ zu bewerten? Und was heißt: vor Kurzem?
12. Auch außerhalb der Gemeinde muss er einen guten Ruf haben
Offen gesagt: am Liebsten ist mir, gar keinen Ruf zu haben, denn ich stehe ungern im Rampenlicht. Aber ich behaupte: die Leute sind durchgängig gut auf mich zu sprechen.
Ich kann aber nicht in die Köpfe schauen.
Jeden der Punkte, die ich oben aus 1. Timotheus 3 aufgeführt habe kann sowohl "gesetzlich"-streng als auch im Sinn des Gesetzes betrachtet werden. Im Zweifelsfall kann die strenge Anwendung zu einem beinahe 100%-igen Ausschluss von Kandidaten führen - sofern es sich bei diesen um sterbliche Menschen handelt.