Vom zu viel geben

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Moderator: Moderation Helmuth

Rembremerding

Vom zu viel geben

Beitrag von Rembremerding »

In der Hl. Schrift wird der Reichtum keineswegs pauschal verurteilt. Materielle Werte sollen allerdings für das Reich Gottes da sein und es nicht verhindern, allein das ist für viele schon schwer genug. Als Abgabenorm dessen, was man erwirtschaftet, wird der Zehnt, der zehnte Teil, in der Hl. Schrift ausgewiesen. Manchmal wird aber auch gepredigt, dass man mehr an materiellen Werten, gar seinen Lebensunterhalt, geben soll und sich ganz der Versorgung durch Gott anvertrauen. Manche mögen dazu tatsächlich berufen sein, aber nicht jeder. Als Schriftbeleg werden hier der reiche Jüngling und die arme Witwe herangezogen. Aber ist das wirklich so?

Zumindest bei der armen Witwe scheint es sich anders zu verhalten. Der Text lautet (Mk 12:42-44 HSK):
„Es kam auch eine arme Witwe und legte zwei Heller, das ist so viel wie ein Pfennig, hinein. Da rief er seine Jünger herbei und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr hineingelegt als alle, die in den Opferkasten einlegten. Denn diese alle haben von ihrem Überfluß hineingelegt; sie aber legte von ihrer Armut alles hinein, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt.“
Die Textaussage scheint klar: Man soll mehr geben, als nur von seinem Überfluss, es soll richtig „weh tun“. Hier wird gar vom geben des Lebensunterhalts gesprochen. Für eine Witwe ohne Versorgung, war dies zur damaligen Zeit existenzbedrohend. Manche Prediger benützen diese Worte, um Christen ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie stets zu wenig für die Gemeinde spenden. Bei so manchen Christen kann es zu Unbehagen führen, wenn er sich doch einmal einen teuren Urlaub, eine teure Anschaffung gönnt.

Vielleicht sollte man die Worte des Herrn aber auch im Zusammenhang zu den vorhergehenden Versen betrachten. Dort heißt es (Mk 12:38-40):
„Weiter sprach er in seiner Unterweisung: Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die mit Vorliebe in langwallenden Gewändern einhergehen, gegrüßt sein wollen auf den Öffentlichen Plätzen, in den Synagogen die ersten Sitze und bei Gastmählern die Ehrenplätze suchen, die der Witwen Häuser verzehren und zum Schein lange Gebete verrichten; sie werden ein gar ernstes Gericht erfahren.“
Es ist die allein dem Herrn gestattete Verurteilung der Schriftgelehrten, die hier Markus anführt. Matthäus überliefert sie ausführlicher in den „Wehe-Rufen“ des Kapitels 23. Interessant ist es, dass Jesus ein Fehlverhalten der Schriftgelehrten anspricht, in dem sie „der Witwen Häuser verzehren“. Unmittelbar darauf sitzt dann bei Markus der Herr vor dem Opferkasten und belehrt seine Jünger am Beispiel der armen Witwe.

Gerade wegen jenem Zusammenhang kann es durchaus berechtigt sein, diese Episode als Abschluss der Verurteilung der Pharisäer und Schriftgelehrten zu betrachten. Denn Jesus macht auf ein Opfer von deren falschen Lehren aufmerksam: Die Witwe, die für sich zwar gerecht handelte und vom Herrn auch Würdigung erhielt, aber zu viel gab, nämlich ihren ganzen Lebensunterhalt. Das war gemeint, als Jesus die Schriftgelehrten verurteilte, weil sie „der Witwen Häuser verzehren“.

Matthäus unterstreicht diese falsche Bereicherung der Religionsführer noch, als er im Anschluss an seine „Wehe-Rufe“ im nächsten Kapitel jene Episode überliefert (Mt 24:1-2):
„Als Jesus den Tempel verließ und weiterging, traten seine Jünger zu ihm, um ihn hinzuweisen auf die Bauten des Tempels. Er aber sprach zu ihnen: Seht ihr dies alles? Wahrlich, ich sage euch: Kein Stein wird hier auf dem andern gelassen, ein jeder wird abgebrochen werden.“
Jesus zeigt sich in dieser Prophezeiung nicht beeindruckt von Tempeln, die sich mit ungerechter Bereicherung schmückten. Mit materiellen Werten kann man sich das Reich Gottes nicht erkaufen. Jesus spricht von sich als Tempel, den er in drei Tagen wieder aufbauen wird, seine Auferstehung. Das Reich Gottes kann demnach nur „erglaubt“ werden - an den Herrn. Dies ist der wahre Lebensunterhalt, den man geben soll: Sein ganzes Vertrauen, seinen ganzen Glauben an Jesus Christus, der den eigenen menschlichen materiellen Tempel dann durch seine Auferstehung schmückt. Dann erhält man das ewige Leben bei Gott.
Anthros
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von Anthros »

Rembremerding hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 11:54 Als Abgabenorm dessen, was man erwirtschaftet, wird der Zehnt, der zehnte Teil, in der Hl. Schrift ausgewiesen.
Für die Belange der Wirtschaftspolitik ist der Mensch zuständig.
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Travis
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von Travis »

Rembremerding hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 11:54 Als Abgabenorm dessen, was man erwirtschaftet, wird der Zehnt, der zehnte Teil, in der Hl. Schrift ausgewiesen.
Das war die Regelung des Alten Bundes. Da wir wissen, dass die dortigen Gebote Schatten des Zukünftigen sind, könnte man sich also überlegen, wofür sie stehen, also geistlich und dessen Auswirkungen auf das praktische Leben.

Denkt man beispielsweise an Aussagen wie in Matth. 25 könnte man fragen, ob Gott nicht eh der gesamte Besitz eines Menschen gehört.
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von Anthros »

Travis hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 13:44 ob Gott nicht eh der gesamte Besitz eines Menschen gehört.
Was bei Matthäus auch immer wie gedeutet werden mag, so gilt für den freien Menschen: Was mir gehört, gehört mir!
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Travis
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von Travis »

Zumindest in der Bibel ist Freiheit kein Synonym für Bindungslosigkeit. Das würde man auch nicht Freiheit sondern eher Anarchie nennen.

Es stellt sich immer die Frage, von was oder wen man befreit ist und zu was oder wen man befreit ist. Wo kommt man her und wo will man hin.

Genau so stellt es sich in der Bibel bei den Erlösten dar. Sie wurden von etwas befreit, um etwas oder wem folgen zu können.

Aus biblischer Perspektive ist Freiheit daher auch kein generell positiv besetzter Begriff. Freiheit so wie Gott diesen Begriff sieht und sich für den Menschen wünscht, findet ein Mensch nur in der verbindlichen Beziehung zu ihm.

Aber man kann auch frei von guten Dingen sein. Frei von Gott, frei von Gerechtigkeit oder frei von Liebe, Geduld und Barmherzigkeit.
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Travis
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von Travis »

Rembremerding hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 11:54 Manche Prediger benützen diese Worte, um Christen ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie stets zu wenig für die Gemeinde spenden. Bei so manchen Christen kann es zu Unbehagen führen, wenn er sich doch einmal einen teuren Urlaub, eine teure Anschaffung gönnt
Manche Prediger weisen allerdings lediglich auf den verbreiteten Umstand hin, dass die Glieder einer Gemeinde für den eigenen Urlaub oder das eigene Vergnügen oftmals bereit sind weit mehr Geld auszugeben, als für ein Anliegen, welches Gott ihnen aufs Herz gelegt hat.

Was Mk 12:42-44 so steht diese Begebenheit natürlich nicht einfach "random" ausgerechnet da der Stelle. Wie immer, muss man sich den Zusammenhang anschauen. Weshalb setzte sich Jesus ausgerechnet zu der Gelegenheit dort hin gegenüber den Korbantruhen? Worum ging es in den Situationen zuvor? Dann versteht man auch, weshalb Jesus die Gabe der Witwe dort erwähnt, die sich dadurch womöglich ergebene bedrohliche Situation in Bezug auf ihre Versorgungslage, jedoch offensichtlich keine Rolle spielt.
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JayJay_02
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von JayJay_02 »

Anthros hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 14:36
Travis hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 13:44 ob Gott nicht eh der gesamte Besitz eines Menschen gehört.
Was bei Matthäus auch immer wie gedeutet werden mag, so gilt für den freien Menschen: Was mir gehört, gehört mir!
Wenn Gott existiert und alles geschaffen hat, gehörst nicht einmal du dir selbst! :P
Gott segne euch!

Gruß Jakob
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von Anthros »

JayJay_02 hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 17:36 Wenn Gott existiert und alles geschaffen hat, gehörst nicht einmal du dir selbst!
Ich gehöre mir selbst, so existiert (nach deiner Folgerung) kein Gott.
Anthros
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von Anthros »

Travis hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 15:32 Dann versteht man auch, weshalb Jesus die Gabe der Witwe dort erwähnt, die sich dadurch womöglich ergebene bedrohliche Situation in Bezug auf ihre Versorgungslage, jedoch offensichtlich keine Rolle spielt.
Wirtschaftliche Belange liegen in der Hand des Menschen.
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JayJay_02
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Re: Vom zu viel geben

Beitrag von JayJay_02 »

Anthros hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 18:15
JayJay_02 hat geschrieben: So 6. Sep 2020, 17:36 Wenn Gott existiert und alles geschaffen hat, gehörst nicht einmal du dir selbst!
Ich gehöre mir selbst, so existiert (nach deiner Folgerung) kein Gott.
Wenn kein Gott existiert was suchst du dan in diesem Forum?
Gott segne euch!

Gruß Jakob
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