Im Kontext geht es nicht um eine temporale Frage, sondern darum wer höher steht, d.h. wer über wem steht bzw. wie wir sagen würden wer wem VOR-steht.
Temporal ausgelegt haben das die Juden im Streitgespräch, weil sie nicht begriffen hatten, was Jesus aussagt bzw. weil sie die Höherstellung über den Propheten als Lästerung ausgelegt haben. So war ihr Vorwurf: "Du bist doch noch keine 50" im Grund genommen nur ein wirrer Gedanke, den Jesus gar nicht fasste. Sie waren bloß nicht willig anzuerkennen, wer Jesus wirklich ist und so folgen auch wirre Argumente.
Beachte also zuerst den Kontext, ehe du dich heranwagst eine Grammatikanalyse vorzunehmen. Immer schön der Reihe nach ansonsten ist es keine Exegese. Der Präsens "ich bin" ist daher keine temporale Aussage.
Jesus entgegnete dem Vorwuf nicht in der Art, dass er schon länger lebte, sondern kategorisch. Egal, wer da je gelebt hatte, "ich bin" ihm zuvor. Also auch denen, die heute erst nach ihm geboren wurden, völlig unabhängig von der Kategorie Zeit.
Ginge es um tatsächlich nur um den ledigen Tempus wäre "ich bin" auch falsch, denn genau dann müsste man "war ich" sprich eine dafür vorgesehene Zeitform wählen. Aber es ist wie immer. So wie du vorprogrammiert bist, so suchst du die Auslegung. Es ist aber unzweifelhaft der Kontext, dass Jesu über seine Stellung und nicht über sein Alter spricht.
D.h. man kann sämtiche theologigschen Deutungskommentare samt deren Sprachanalyse veressen, wenn der gegebene Kontext nicht beachtet wird. Das geschieht leider bei vielen Stellen. Am Ende ist Jesus das Christkind, das alljährlich am 24. Dezember kommt. Auch dafür kann man eine entsprechende Theologie konstruieren.
