Die zweite Meile

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Magdalena61
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Die zweite Meile

Beitrag von Magdalena61 »

Mt. 5,41 (SLT): ... und wenn dich jemand nötigt, eine Meile weit zu gehen, so geh mit ihm zwei.
Dieser Vers kam mir am Sonntag in den Sinn.

Nun habe ich im Netz gesucht, ob ich Ausführlicheres dazu finde. Den Vers kennen wir alle sehr wohl. Aber verwirklichen wir ihn im praktischen Leben? Sollten wir das tun (?), und wenn ja: In welchen Situationen und wie?
Zur Zeit Jesu hatte ein römischer Soldat das Recht, sein Marschgepäck von Passanten unentgeltlich eine Meile weit tragen zu lassen. Danach bekam der Besatzer alles wieder vor die Füße gelegt.

Die zweite Meile ist eine einseitige Vorleistung. Von ihrer Wirkung auf den Römer ist Jesus überzeugt. In einer Welt von Gewalt, Vergeltung und tief verwurzeltem Hass verweist er auf die Praxis der kleinen Schritte.

Konfliktsituationen können so entschärft werden. Das ist nicht mit Stillhalten zu verwechseln. In Auseinandersetzungen ist ein hohes Maß an Kraft nötig, um dem Gang der Dinge einen anderen Verlauf zu geben.

Es geht darum, jemandem, der mir übel will, mit vertrauensbildenden Maßnahmen und versöhnlichem Umgang zu begegnen.

Gefühlsduselei? Selbstaufgabe? Nein: die andere Backe hinhalten, um dem, der zugeschlagen hat, die eigene Gemeinheit vor Augen zu führen. In der Hoffnung, dass er nicht noch einmal zuschlagen wird.

Darin besteht das Anders-Sein derer, die Christus folgen wollen: Überraschend, einfallsreich auf das Recht, das mir eigentlich zusteht, ganz unerwartet auch einmal verzichten. Dem Unrecht eine andere, stärkere Kraft entgegensetzen.
emk.de
"...jemandem, der mir übel will, mit vertrauensbildenden Maßnahmen und versöhnlichem Umgang zu begegnen"--- und dann treibt er es noch toller? Weil er nicht auf Widerstand stößt und sein Opfer deshalb für "schwach" hält?

So funktioniert Mobbing. Die Peiniger fokussieren sich auf Menschen, die sich nicht wirksam wehren können.

Grundsätzlich ist das ja eine gute Idee mit der zweiten Meile. Man entzieht der Bosheit die Landestelle, und somit läuft sie ins Leere. Sie erreicht nicht ihr Ziel. Die zweite Meile hinterlässt eine Ölspur auf der Straße, und wenn man Glück hat, rutscht der Verfolger darauf aus und lässt ab von seinem Vorhaben.

"...jemandem, der mir übel will, mit vertrauensbildenden Maßnahmen und versöhnlichem Umgang zu begegnen"-- meinte Jesus das wirklich so?

Was versteht man unter einer vertrauensbildenden Maßnahme?

Die Israeliten, die früher zu Gepäckträgern abkommandiert wurden, hatten wohl eher nicht im Sinn, das Vertrauen der unreinen Römer zu gewinnen.

Wenn jemand schräg drauf ist, dann ist er doch schräg drauf. Und nicht jeder reagiert positiv auf die ihm entgegengebrachte Großzügigkeit und Toleranz. Er hält diese für selbstverständlich und pflegt weiterhin seinen Narzissmus und/ oder seine Bosheit.
LG
God bless you all for what you all have done for me.
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Paul
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Re: Die zweite Meile

Beitrag von Paul »

es bedeutet, geduld zu haben ...glaube ich

fragen über fragen?
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
Aslan
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Re: Die zweite Meile

Beitrag von Aslan »

Denke ich auch.
Das war gleich das erste was mir in den Sinn kam: Geduld.
Geduld ist auch eine Frucht des Geistes (Gal. 5,22).
Rein menschlich gesehen handeln wir in Bezug auf unsere Mitmenschen oft ungehalten.
Wenn wir uns dann kurz darauf besinnnen was Jesus tun würde, können wir uns innerlich zurücknehmen und so reagieren, wie der Heilige Geist uns führt.
Wer schweigt, stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

Albert Einstein
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Helmuth
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Re: Die zweite Meile

Beitrag von Helmuth »

Magdalena61 hat geschrieben: Mo 31. Mai 2021, 00:22...jemandem, der mir übel will, mit vertrauensbildenden Maßnahmen und versöhnlichem Umgang zu begegnen"--- und dann treibt er es noch toller? Weil er nicht auf Widerstand stößt und sein Opfer deshalb für "schwach" hält?
So lege ich das nicht aus. Es muss nicht immer eine Konfliktsistuation vorherrschen. Darüber sprach Jesus zuvor. Er sagt, lediglich, dass man dich nötigt eine zweite Meile zu gehen. Ich denke an jemand, der mit seiner Bittstellung lästig wird. Nachdem er schon einmal zu dir gekommen ist kommt er wieder.

Es steht auch nichts darüber ob die Bittstellung völlig rechtens ist oder nicht, sie erfolgt einfach. Aber deine möglicherweise ablehnende Haltung kritisiert Jesus, denn das ist keine Liebe. Darum geht es, wenn ich darüber nachdenke.

Was könnte man sich darunter vorstellen? Z.B. hier im Forum gibst du jemand eine Antwort. Dann kommt derjenige wieder mit derselben Frage. Es kann sein, dass die Frage völlig dumm war, aber du verlierst die Geduld, was zuvor m.E. recht gut erkannt wurde. Anstelle es nochmals (in Liebe) zu erklären und damit die zweite Meile zu gehen, reagierst du abweisend. Jesus würde das kritisieren, weil du nicht in der Liebe bist.

Oder es ist genau so, wie geschrieben steht. Jemand ersucht dich um eine Wegbegleitung, vielleicht sogar ein Unsympathler. Und nach einer Weile möchtest du dich trennen, aber er bittet dich noch ein Stück mitzugehen. Jesus sagt, tu es einfach. Desgleichen ein Besuch, vielleicht sogar ein lästiger. Dir reicht es und du möchtest gehen, aber man bittet dich noch ein wenig zu bleiben, dann sagt Jesus, tu es einfach.

Ich lege Jesu Wort aus wie es geschrieben steht in seinem Kontext und nicht, was gar nicht angesprochen wurde. Hier meine ich geht es darum dich zu überwinden, auch wenn es dir lästig und sogar unberechtigt escheint. Es geht sicher nicht darum eine Sünde zu begehen oder den Sünder noch zu bestärken, sondern in der Regel um eine aus Sicht des Nächsten triviale, aber für seine Maßstäbe notwendige Bitte.

Das ganze Kapitel dreht sich um die Nächstenliebe. Sie zeigt sich wie du mit denen umgehst, dir dir gar nicht nahestehen bzw. die du, aus welche Gründen immer, ablehnst. Für deine beste Freundin würdest du alles tun, das aber wäre nichts Besonderes. Desgleichen für jemand zu tun, der in deinen Augen wie eine üble Grätz'n ist, daran erkennt Gott, wie weit du in Sachen Nächstenliebe fortgeschritten bist.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
1Johannes4
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Re: Die zweite Meile

Beitrag von 1Johannes4 »

Hallo zusammen,

Innerhalb der Bergpredigt findet diese Aufforderung zum Mitgehen einer zweiten Meile meiner Meinung nach in einem Abschnitt statt, der mit Matthäus 5, 38 beginnt:
Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Auge um Auge und Zahn um Zahn.
Matthäus 5, 38 ELB
… und dem Ende von Matthäus 5 endet:
Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.
Matthäus 5, 48 ELB

Anhand mehrerer Beispiele macht Jesus hier deutlich, dass für die Gläubigen andere Maßstäbe gelten als solche, welche den Anderen bzw. Nichtgläubigen wahrscheinlich als vernünftig erscheinen würden. Dem Wesen nach unterbricht Jesus damit die typischen Handlungsabläufe, wie sie im Allgemeinen im zwischenmenschlichen Bereich vorkommen:
Vers 38-39 hat geschrieben:Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Auge um Auge und Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern wenn jemand dich auf deine rechte Backe schlagen wird, dem biete auch die andere dar;
Das normale Schema ist doch, dass wenn man angegriffen wird, sich wehren kann, darf und manchmal auch sollte, da dem Gegenüber ja ansonsten keine Grenzen aufgezeigt würden. Jesus verneint dies und fordert im Prinzip sogar zum Gegenteil dessen auf.
Vers 40 hat geschrieben:und dem, der mit dir vor Gericht gehen und dein Untergewand nehmen will, dem lass auch den Mantel!
Das normale Schema ist doch, dass wenn jemand versucht das eigene Eigentum einem streitig zu machen, dass man auch hier versucht sich zu wehren, also z.B. vor dem Gericht dann versucht den eigenen Anspruch durchzusetzen. Jesus verneint dies und fordert zu einem Verhalten auf, wo demjenigen sogar noch mehr gegeben werden soll.
Vers 40 hat geschrieben:Und wenn jemand dich zwingen wird, eine Meile zu gehen, mit dem geh zwei!
Das normale Schema ist doch maximal das, dass man einer solchen Aufforderung entsprechen würde - mehr zu geben, wozu Jesus aber auffordert, erscheint auf den ersten Blick geradezu abwegig.

Wenn man zurückschlägt, um sein Eigentum streitet oder maximal das tut, wozu man aufgefordert wird … man reagiert dann immer nur und rechtfertigt letztlich sein eigenes Verhalten mit dem vorangehenden Verhalten eines Anderen. Und genau das soll es bei Gläubigen nicht mehr geben. Es geht meines Erachtens aber auch nicht konkret um die konkreten Beispiele, die Jesus hier anführt, sondern um jegliches eigenes Verhalten: zu verstehen, dass wenn man nur reagiert bzw. das eigene Verhalten als verständliche Reaktion rechtfertigt, dass der Andere das eigene Verhalten bestimmt. Aber wenn man sich Anders verhält, man sich vom Anderen befreit und eigentlich erst dann sich nach Gottes Willen ausrichten kann - ob es sich dann konkret um die andere Wange, einen Umhang oder eine zweite Meile handelt, ist eigentlich (fast) egal.

Selbst beim Gebot der Nächstenliebe weist Jesus darauf hin, dass dieses losgelöst von der Person des Nächsten umzusetzen sei:
Vers 43-47 hat geschrieben:Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde[19], und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Söhne eures Vaters seid, der in den Himmeln ist! Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe? 47 Und wenn ihr allein eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die von den Nationen dasselbe?
Unterscheidet man bei dem Gebot der Nächstenliebe zwischen den Menschen, rechtfertigt man sich doch bereits für etwas Falsches, denn die Nächstenliebe ist also nicht eine eigene Wahl, sondern ein Anspruch des Hilfsbedürftigen.

Die andere Wange, der Umhang, die zweite Meile sind also meiner Meinung nach keine neuen Gesetzlichkeiten, sondern nur Beispiele für ein neues Verhaltensschema, wo der Gläubige sein Verhalten nicht mittels des Unrechts seines Gegenübers rechtfertigt, sondern anfängt danach zu fragen, was entsprechend dem Willen Gottes das Richtige wäre.

Grüße,
Daniel.
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten,
‭‭1 PETRUS‬ ‭1:3‬ ‭ELB‬‬
Anthros
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Re: Die zweite Meile

Beitrag von Anthros »

Magdalena61 hat geschrieben: Mo 31. Mai 2021, 00:22 Man entzieht der Bosheit die Landestelle, und somit läuft sie ins Leere.
Was du erläuterst, bezieht sich auf einen weltlich-sozialen Umgang. Das Nötigende muss nicht zwingend durch eine zweite Meile entschärft werden.
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Gehorsam

Beitrag von Anthros »

1Johannes4 hat geschrieben: Mo 31. Mai 2021, 11:22 ... was entsprechend dem Willen Gottes das Richtige wäre.
.. ist lediglich ein zu gehorchendes äußeres Gesetz.
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Magdalena61
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Re: Die zweite Meile

Beitrag von Magdalena61 »

Paul hat geschrieben: Mo 31. Mai 2021, 00:29 fragen über fragen?
Wer fragt, begibt sich auf den Weg zur Quelle.

Ein oberflächlicher Umgang mit entscheidenden Weisungen der Schrift begünstigt deren Abschiebung in die Belanglosigkeit. Sie haben keine Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Sie tragen keine Frucht. Das ist so aber nicht in Ordnung. Jesus verfluchte den Feigenbaum, der keine Frucht trug.

Die dem Thema zugrunde liegenden Verse sind schwere Kost, finde ich.

Theoretisch stimmt man natürlich zu. Aber weil die Interpretation und somit auch das Verständnis; die Verinnerlichung, irgendwo diffus bleiben, entsteht meiner Einschätzung nach eine zunehmende Diskrepanz zwischen Glauben und Handeln.

Wir glauben Jesus. Aber wir handeln-- instinktiv.

Man möchte wissen: Wo sind die Grenzen? Für mich und für meine Mitmenschen? Wer darf was?

Ohne Grenzen funktioniert das soziale Miteinander nicht. Jeder muss wissen, in welchem Rahmen er sich bewegen und handeln darf. Aber nicht nur der potenzielle Übertreter ist in der Verantwortung, sondern auch derjenige, der es ihm durch Passivität oder Gleichgültigkeit oder was auch immer ermöglicht, übergriffig zu werden.
LG
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Re: Die zweite Meile

Beitrag von Magdalena61 »

Anthros hat geschrieben: Mo 31. Mai 2021, 12:11 Was du erläuterst, bezieht sich auf einen weltlich-sozialen Umgang.
Ja, natürlich. Ich denke schon, dass Jesus diesen meinte.
Das Nötigende muss nicht zwingend durch eine zweite Meile entschärft werden.
Sondern?
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Lena
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Registriert: So 1. Sep 2013, 18:33

Re: Die zweite Meile

Beitrag von Lena »

Weiss sich der Mensch von Gott umsorgt, kann er gegenüber den Forderungen
seiner Mitmenschen, anstatt berechnend, grosszügig, ja überfliessend sich verhalten.
Er muss sich nicht ausgenutzt fühlen. Im Gegenteil: Es ist ihm eine Freude,
für andere ausgeteiltes Brot und ausgeschenkter Wein sein zu dürfen.
Je mehr er sich und seine Güter hingibt, je reicher ist seine Seele.
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