Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Philosophisches zum Nachdenken
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Fr 23. Jul 2021, 23:08
Claymore hat geschrieben: Fr 23. Jul 2021, 21:02 Es war so gemeint wie es gesagt war und nicht als Verwirrspiel gedacht.
Bei Descartes ist kein Verwirrspiel, aber es wird zum Verwirrspiel, wenn man heute Descartes in eigener semantischen Umwandlung versteht. Mit anderen Worten: Heute versteht man unter "Person" und "Bewusstsein" etwas anderes als Descartes.
Ich sehe das ganz pragmatisch: eine “Nicht-Person” ist jemand, den man ausnutzen darf. Und da gehören Tiere faktisch dazu; aber ob das so sein sollte ist eine andere Frage.

Descartes hat ganz im Geist der Aufklärung dann eine scheinheilige Begründung geliefert.
Es ist reine Fleißarbeit, den Satz "Die Menschen sind NICHT gleich erschaffen" ebenfalls als self-evident zu begründen. Zumal es der weltlichen Realität entspricht.
Mit einer Begründung wäre es nun nicht mehr selbstevident.

Aber gut… das Gegenteil entsprach schon damals der Realität: Haben diese Amerikanischen Patrioten wenigstens ihre Peitschen versteckt als sie von der Gleichheit aller Menschen schwafelten? (=> Aufklärung in Aktion).

Jedenfalls sprachen sie von “selbstevident” und nicht von “glaubensmäßiger Setzung”. “glaubensmäßige Setzung” ist etwas, was zumindest in der Aufklärung nicht gut ankam.

Naja, was soll’s? Ich wollte die These, Rechtfertigung müsse mit Axiomen beginnen (Foundationalismus) hier aus Fairness gegen das Allerabsurdeste verteidigen.

Dann halt nicht. Wenn du unbedingt sagen willst: Axiome = glaubensmäßige Setzungen, bitte. Da rennst du offene Türen ein.
Natürlich kann man geschlossene Systeme in sich logisch rechtfertigen. Mein Anliegen ist die Verknüpfung von "dem, was wirklich ist" mit solchen Ketten (wenn ich sie richtig verstanden habe). Und das geht meines Erachtens nur mit Vorannahmen, weil die Ketten selber nicht Inhalt, sondern Instrument sind.
So ist es aber nicht gedacht, die unendliche Kette qua unendlich führt ja irgendwann heraus aus dem System, macht es porös. Wie ein Baum, dessen immer weiter wachsende Wurzeln das Fundament sprengen.
Claymore hat geschrieben: Fr 23. Jul 2021, 21:02 D. h. die Kette darf nicht bloß aus logischen Implikationen bestehen.
Eben.
Claymore hat geschrieben: Fr 23. Jul 2021, 21:02 Wenn man es probabilistisch ausdrückt, muss eine Überzeugung eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben, selbst wenn der angeführte Grund falsch ist.
Wie willst Du rausfinden außer experimentell?
Das ist wohl eine gewisse Lacuna in der Theorie.

Aber selbst wenn es nur (da keine Experimente möglich sind) bloße Vermutungen über Plausibilitäten sind, die in die Kette eingehen, besteht zur stupiden Glaubenssetzung wenigstens der Vorteil, dass:
  1. sich das Risiko von Fehlern wenigstens verteilt
  2. andere nie mit der Antwort “Glaubenssetzung” abgespeist werden können
  3. man nicht buchstäblich alles behaupten kann
Zusammengefasst:
Eine unendliche Rechtfertigungskette durch bloße logische Implikation ist wie ein unendlich lange Kette von Pumpen, die evtl. nicht ans Wasser angeschlossen sind. Nicht besser als glaubensmäßige Setzung.

Bei der verbesserten (probabilistischen) Rechtfertigungskette ist es aber so, als ob jede Pumpe aus der Umgebung auch ein klein wenig Wasser beiträgt. Die Bedeutung der Vorannahmen “verblasst” immer weiter und verschwindet schließlich ganz. Rechtfertigung emergiert stattdessen aus der Kette.
Nee - der "wohlwollende Gott" ist absolut nötig, um eigene Wahrnehmung als authentisch mit ontischem Denken verstehen zu dürfen. OB aber die Wahrnehmung authentisch ist, ist Glaubenssache und nicht Wissenssache (Wissen sensu Sokrates).
Mit deiner Philosophie des Daherglaubens kann man ALLES rechtfertigen.

Jedes willkürliche Dogma, wie man gerade Lust hat. Und sein Gegenteil. Das kann doch nicht ein ernsthafter Vorschlag sein?

Setzen wir glaubensmäßig
“Der Kaiser von Japan stammt von der Sonnengöttin Amaterasu ab”
dann sind wir gerechtfertigt darin das zu glauben. Und ganz genauso gerechtfertigt ist es zu glauben:
“Der Kaiser von Japan stammt nicht von der Sonnengöttin Amaterasu ab”.

Eine wirkliche Rechtfertigung sieht so aber nicht aus.

Wenn dogmatischer Glaube der einzige Grund für die Annahme eines “Seins” ist, dann wäre es verantwortungsvoller, sich eines Urteils zu enthalten: Ob es sowas gibt und wie es beschaffen ist => Agnostizismus.

Es lernt jeder trotzdem, dass es schmerzt in Fußangeln zu treten, und lernt das zu vermeiden – “echt” hin oder her. Pragmatisch ändert sich da nichts.
Laut Duden "echt; den Tatsachen entsprechend". - Wobei in unserem Zusammenhang "Tatsache" mit "ontischer Wirklichkeit" zu ersetzen wäre.
Diese Idee der “Entsprechung” lehne ich ab. Wie sollte man diese Entsprechung überhaupt definieren – zwischen einer Überzeugung/Vorstellung/Idee und einer rohen “ontischen Wirklichkeit”? Wie sagte George Berkeley: Eine Idee kann nur einer Idee ähnlich sein.
Da überrascht mich Agrippa mehr. - Wie kommt er auf die Idee, dass etwas ungerechtfertigt sei, nur weil es nur axiomatisch darstellbar ist?
Weil “axiomatisch setzen” eine reine Glaubenssache ist. Das hast du ja selbst bestätigt. Du hast nicht einmal versucht es anders zu verteidigen.

Und damit lässt sich halt jede Überzeugung U durch glaubensmäßige Setzung “rechtfertigen”. Und mit gleichem Recht ihre Negation ~U.
Nüchterner: Es kann so oder so sein - wir können es nicht wissen. - Also schaltet man eine Vorannahme vor, die das Nicht-Wissen-Können in Glaube aufhebt.
Damit ist rein gar nichts gewonnen.
Methodisch richtig - andererseits kann man durch Ignorierung das Sein nicht loswerden.
Warum? Die ganze Zeit hieß es doch: Sein = glaubensmäßige Setzung. Diese glaubensmäßige Setzung zu hinterfragen ist kein ignorieren.
Altes Beispiel: Man kann nicht die hand vor die Augen tun und fragen: "Mama, siehst Du mich noch?"
Außer Mama lebt nicht mehr und Papa hat erzählt: “Mama wacht vom Himmel aus über dich”. Dann hört’s auf pragmatisch zu sein und geht in Richtung deines “ontischen Denkens” … und in dem Kontext ist die Bemerkung des Kindes nicht mehr so dumm.
Missverständnis. - Ich meine es im Sinne von "Uns erscheinen Wellen der Länge x als grün, weil menschliches Auge und Gehirn so gebaut sind. Auch das, was ein Wissenschaftler misst, sind Phänomene von "etwas", das uns als Welle der Länge x und als grün erscheint. Ontisch geht es dagegen um das "etwas", also das, aus dem es Wellen und grün geben kann - und das kann nicht das Nichts sein.
Warum eigentlich nicht? Ich nehme dazu einen agnostischen Standpunkt ein.
Rechts steht "Wirklichkeit" !?!?!
Die – nach deiner eigenen Aussage – nur eine Glaubenssetzung ist.
Mir konnte noch keiner sagen, was "am Sein an sich" hinterfragbar ist.
Das hast du doch die ganze Zeit selbst getan!!
Hiob hat geschrieben: Do 15. Jul 2021, 08:01 Gibt es den Baum, den Du siehst, wenn Du aus dem Fenster guckst? Gibt es das Fenster, Deinen SChreibtisch, etc? Oder ist dies alles "meine" "Einbildung"?
usw. usf.

Ich denke “Sein” soll den Zusammenschluss von all dem, was ist, bezeichnen. Nur leider hat “ist” dutzende von Bedeutungen, abhängig vom Kontext usw. Nix was man einfach zusammenbündeln könnte. Von daher lehne ich das Konzept “des Seins” ab.

Als Outsider bzgl. der ganzen Seins-Geschichte stelle ich z.B. fest: Die Vergangenheit wird landläufig “nicht so sehr” zum Sein gezählt wie die Gegenwart. Kann sowas wie “Italien gewann das EM-Finale am 11. Juli 2021” überhaupt “ontisch wahr” sein? Oder ist das zwangsläufig ein “methodisches Ergebnis”? :lol:
--- Doch: Eine Sache ist hier schon hinterfragbar: Werden die Ergebnisse der Quantenmechanik dazu führen, "Sein" als rein subjektive Sache zu verstehen? (Vor dem Hintergrund des QM-Nachweises, dass Sein erst durch Wahrnehmung entstehen kann). --- Leider ist Janina nicht da, die dazu Interessantes zu sagen wusste.
Als ob man dafür die QM bräuchte. Lies J.G. Fichte oder sonst irgendeinen subjektiven Idealisten deiner Wahl.
Wobei wir wieder beim Diener Lampe wären. - Im übrigen stimme ich Dir zu - solche Gespräche wie hier gibt es in meinem Lebens-Umfeld ganz und gar nicht. Das Problem ist die sog. intellektuelle Elite, die utilitaristisch philosophiert, dies aber als ontologisch bezeichnet. Diesen Anthropozentrismus halte ich philosophisch für gefährlich.
Hab ich noch nicht beobachtet. Wenn z. B. jemand wie Drewermann sagt “Der Mensch hat keine Seele, die Hirnforschung hat das bewiesen” dann frag ich mich: Wie soll das ein utilitaristisches Ergebnis sein, das er als ontologisch bezeichnet?

Er posaunt seine Meinung in die Welt hinaus mit dem impliziten Zusatz: Widerspruch unerwünscht. Das ist alles.
Weil sie jeder nutzt, auch wenn er es nicht merkt.
Steile These. Seltsam nur, dass Bedeutung da gar nicht mehr vorkommt, obwohl es doch eine Art Hermeneutik sein soll…
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Irgendwie gibt es hier immer noch erstaunliche Missverständnisse:
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Die ganze Zeit hieß es doch: Sein = glaubensmäßige Setzung.
Nicht das Sein IST eine Setzung (gerade NICHT), sondern der Glaube, dass eigene Wahrnehmung mit Sein übereinstimmt. Das ist etwas gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz anderes.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Ich sehe das ganz pragmatisch: eine “Nicht-Person” ist jemand, den man ausnutzen darf.
Mag sein - aber damit triffst Du das Niveau von Descartes nun wirklich nicht.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Mit einer Begründung wäre es nun nicht mehr selbstevident.
??? - "Self-evident" bedeutet doch, dass es eine Begründung in sich trägt, oder nicht?
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 “glaubensmäßige Setzung” ist etwas, was zumindest in der Aufklärung nicht gut ankam.
Es war auch nicht nötig, weil Gott damals als derart real verstanden wurde, dass man ihn gar nicht als Setzung verstanden hat. Neutral gesehen war es trotzdem eine.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Ich wollte die These, Rechtfertigung müsse mit Axiomen beginnen (Foundationalismus) hier aus Fairness gegen das Allerabsurdeste verteidigen.
Das verstehe ich. Aber das erledigt sich doch sowieso über den hermeneutischen Prozess. - Wenn ich setze, dass Claymore ein reinkarnierte Lurch aus der griechischen Mythologie ist, darf ich das - aber ich werde im hermeneutischen Begründungs- und Weiterführungs-Prozess scheitern.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 So ist es aber nicht gedacht, die unendliche Kette qua unendlich führt ja irgendwann heraus aus dem System, macht es porös. Wie ein Baum, dessen immer weiter wachsende Wurzeln das Fundament sprengen.
Wenn ich Dich richtig verstehe, wäre das eine Aussage, die in die Chaos-Theorie passt.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Aber selbst wenn es nur (da keine Experimente möglich sind) bloße Vermutungen über Plausibilitäten sind, die in die Kette eingehen, besteht zur stupiden Glaubenssetzung wenigstens der Vorteil, dass
Glaubens-Setzungen sollen ja nicht stupide sein. - Es ist ein Unterschied, ob ich glaubens-setze "Claymore ist ein reinkarnierter Lurch aus der griechischen Mythologie" oder Descartes glaubens-setzt "Das, was unser Cogito außerhalb des Cogito wahrnimmt, ist Entität".
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Bei der verbesserten (probabilistischen) Rechtfertigungskette ist es aber so, als ob jede Pumpe aus der Umgebung auch ein klein wenig Wasser beiträgt. Die Bedeutung der Vorannahmen “verblasst” immer weiter und verschwindet schließlich ganz. Rechtfertigung emergiert stattdessen aus der Kette.
Da sind wir sehr nahe am Hermeneutischen Zirkel - eigentlich ist es dasselbe, so wie Du es ausdrückst.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Mit deiner Philosophie des Daherglaubens kann man ALLES rechtfertigen.
Das ist nicht MEINE Philosophie. - In DEINEN Worten ist meine Philosophie die der "probabilistischen Rechtfertigungskette" (ich habe diesen Begriff vorher nicht gekannt) - ich nenne es "Hermeneutischen Zirkel".
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Wenn dogmatischer Glaube der einzige Grund für die Annahme eines “Seins” ist, dann wäre es verantwortungsvoller, sich eines Urteils zu enthalten
"Dogmatischer Glaube" ("hermeneutische Vorannahme" täte es auch) bezieht sich nicht - s.o. - auf das Infragestellen des Seins an sich, sondern auf die Übereinstimmung von Wahrnehmung und Sein. - In Deinen Worten hieße also der Glaubenssatz: "Wenn ich (Cogito) auf einem Thermometer eine Temperaturanzeige ablese, GLAUBE ich, dass dies keine in mir gemachte Vorstellung ist, sondern eine Entität". - Vereinfacht: "Ich GLAUBE, dass der Thermometer echt ist und nicht ein Trugbild".

Ist das "Daherglauben"?
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Diese Idee der “Entsprechung” lehne ich ab.
So habe ich das Wort "authentisch" immer verstanden und so steht es auch im Duden. So ist das Wort tatsächlich gemeint.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Wie sollte man diese Entsprechung überhaupt definieren – zwischen einer Überzeugung/Vorstellung/Idee und einer rohen “ontischen Wirklichkeit”?
Ein Kreis ist authentisch zu einer Kugel - selber nicht Kugel, aber Ebenbild in niedrigerer Dimension. - Die Frage bei Wahrnehmung/Vorstellung ist, inwieweit sie - um im Bild zu bleiben - Ebenbild in niedrigerer Dimension ist. - Die Wirklichkeit ist das, aus dem Wellen sind - die Vorstellung in unserer (auch wissenschaftlichen) Wahrnehmung sind die Wellen, die wir messen können und ggf. als "grün" wahrnehmen.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Mir konnte noch keiner sagen, was "am Sein an sich" hinterfragbar ist.
Das hast du doch die ganze Zeit selbst getan!!
Nochmals: Nicht das Sein an sich steht in Frage, sondern unsere Wahrnehmung dazu.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Ich denke “Sein” soll den Zusammenschluss von all dem, was ist, bezeichnen.
Was natürlich eine Tautologie ist. - Dazu kommen in der Tat definitorische Fragen - bspw. ob meine Einbildung, dass Du ein Lurch bist, ein Sein ist (heute würde man hier eher "ja" sagen). - Bei Descartes ist es einfacher (und aus meiner Sicht nach vor ausreichend klar): Einerseits "Ich", andererseits "Gott" und drittens "der Rest".
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Als ob man dafür die QM bräuchte. Lies J.G. Fichte oder sonst irgendeinen subjektiven Idealisten deiner Wahl.
Schopenhauer fällt mir gerade dazu ein - interessant bei der QM: Geistige Entwürfe werden plötzlich physikalisch relevant.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Hab ich noch nicht beobachtet. Wenn z. B. jemand wie Drewermann sagt “Der Mensch hat keine Seele, die Hirnforschung hat das bewiesen” dann frag ich mich: Wie soll das ein utilitaristisches Ergebnis sein, das er als ontologisch bezeichnet?
Ich dachte hier an die vorherrschenden naturalistisch orientierten Philosophien. ---- Was Drewermann angeht: Hat ER das gemeint oder zitiert er hier eine Falschaussage? Ersteres wäre für einen Theologen schlicht unmöglich.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 Seltsam nur, dass Bedeutung da gar nicht mehr vorkommt, obwohl es doch eine Art Hermeneutik sein soll…
Bedeutung ist der Grund, warum man den hermeneutischen Zirkel überhaupt anschmeißt.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 23:46Nicht das Sein IST eine Setzung (gerade NICHT), sondern der Glaube, dass eigene Wahrnehmung mit Sein übereinstimmt. Das ist etwas gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz anderes.
Ok, das Missverständnis war, dass ich meinte, du würdest ‘das Sein’ als eine Glaubenssetzung ansehen. Das erschien mir wie selbstverständlich. Aber anscheinend meinst du, bei ‘dem Sein’ würde es sich um irgendetwas sicher beweisbares handeln (d. h. der einzigen Ausnahme).

Das ist natürlich sehr, sehr seltsam. Wie gesagt, die Bedeutung von ‘Sein’ ist: “Zusammenschluss von all dem, was ist”.

Dass dieses ‘Sein’ existiert, genauso existiert, wie die Dinge, aus denen es sich zusammensetzt, kann sicherlich nicht als bewiesen gelten. Es ist nicht einmal plausibel.

Denn nach der obigen Definition muss dieses ‘Sein’ sich selbst in dem Zusammenschluss von “all dem, was ist” enthalten. Also Sein = { A, B, C, ..., Sein, ... }

Das ist zwar noch kein handfestes Paradox, lässt aber ‘das Sein’ als Konstruktion zumindest als suspekt erscheinen.
Mag sein - aber damit triffst Du das Niveau von Descartes nun wirklich nicht.
Ich denke schon. Hinter der Fassade des netten Aufklärers Descartes versteckt sich einer der schlimmsten Tierausbeuter. Die Details sind schockierend. Sein Gewissen hat er dabei erfolgreich mit “Tiere sind keine Personen, sind Automaten” beruhigt.
??? - "Self-evident" bedeutet doch, dass es eine Begründung in sich trägt, oder nicht?
Jede ausformulierbare Begründung wäre nicht Teil der These selbst; die Rechtfertigung würde dann auf diese ausformulierte Begründung verweisen, d. h. von etwas anderem abhängen.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Jul 2021, 20:12 “glaubensmäßige Setzung” ist etwas, was zumindest in der Aufklärung nicht gut ankam.
Es war auch nicht nötig, weil Gott damals als derart real verstanden wurde, dass man ihn gar nicht als Setzung verstanden hat. Neutral gesehen war es trotzdem eine.
Ob das 1776 tatsächlich immer noch so war, sei mal dahingestellt. Aber der Fokus lag hier eh nicht auf Gott, sondern auf “dass alle Menschen gleich erschaffen worden”.
Das verstehe ich. Aber das erledigt sich doch sowieso über den hermeneutischen Prozess. - Wenn ich setze, dass Claymore ein reinkarnierte Lurch aus der griechischen Mythologie ist, darf ich das - aber ich werde im hermeneutischen Begründungs- und Weiterführungs-Prozess scheitern.
Meiner Ansicht nach darf man so etwas eben nicht einfach setzen. QAnon-assoziierte Leute in den USA setzen z.B., dass die Demokratische Partei ein satanistischer, kannibalistischer Club von Pädophilen ist. Das ist auch nicht sehr viel eigenartiger als die Lurch-Theorie und dennoch glauben Millionen daran.

Wenn solche Leute ihre Meinung in die reale Politik importieren (d.h. es über einen Privat-Glauben hinausgeht), dann ist es doch Bürgerpflicht sie zu fragen: “Warum glaubst du das? Bist du dir sicher?”

Die Leute einfach beliebig alles ontologisch setzen zu lassen und zu hoffen, dass irgendein “hermeneutischen Begründungs- und Weiterführungs-Prozess” (was immer das genau sein soll) den Unsinn aussortiert, funktioniert ja offensichtlich nicht.
Wenn ich Dich richtig verstehe, wäre das eine Aussage, die in die Chaos-Theorie passt.
Ja, das stimmt. Insbesondere da man bei den bedingten Wahrscheinlichkeiten P(Un | U(n+1)) auch nachfragen kann, und die sich dann auch wieder nach dem gleichen Schema begründen lassen. D.h. es geht nicht nur immer tiefer, sondern auch in die Breite – verzweigt sich, wie so ein Fraktal-Baum.
Glaubens-Setzungen sollen ja nicht stupide sein. - Es ist ein Unterschied, ob ich glaubens-setze "Claymore ist ein reinkarnierter Lurch aus der griechischen Mythologie" oder Descartes glaubens-setzt "Das, was unser Cogito außerhalb des Cogito wahrnimmt, ist Entität".
Definitiv, definitiv! Aber da musst du dich mal entscheiden; die meiste Zeit sah es doch so aus, als ob für dich erst einmal jede Setzung formal völlig gleichberechtigt ist und man nur hoffen darf, dass sich im Nachhinein der Unsinn aussortiert.

Falls man aber bei Setzungen unterscheiden kann wie vernünftig sie sind, muss man doch fragen: Wieso? Ist es die reine Ur-Intuition? Oder gibt es nicht doch eher implizite, versteckte Gründe dafür? Die sich offenlegen lassen? Irgendwie ausformulieren lassen? Denn, wie Charles Sanders Peirce (Question 7) meint, läge ansonsten der Grund für die ursprüngliche Intuition ja “völlig außerhalb des Bewusstseins” und wäre damit in Wirklichkeit gänzlich unerklärlich.
Da sind wir sehr nahe am Hermeneutischen Zirkel - eigentlich ist es dasselbe, so wie Du es ausdrückst.
Sicher nicht.
  1. Es geht hier nicht um eine Deutung der Welt oder der conditio humana.
  2. Es geht hier nicht um ein Wechselspiel Verständnis Einzelelemente <=> Verständnis Gesamtheit.
  3. Es geht hier nicht um die Frage “was ergibt sich aus X? Und ist das sinnvoll?” sondern “wie ist X gerechtfertigt?” – genau die andere Richtung.
"Dogmatischer Glaube" ("hermeneutische Vorannahme" täte es auch) bezieht sich nicht - s.o. - auf das Infragestellen des Seins an sich, sondern auf die Übereinstimmung von Wahrnehmung und Sein. - In Deinen Worten hieße also der Glaubenssatz: "Wenn ich (Cogito) auf einem Thermometer eine Temperaturanzeige ablese, GLAUBE ich, dass dies keine in mir gemachte Vorstellung ist, sondern eine Entität". - Vereinfacht: "Ich GLAUBE, dass der Thermometer echt ist und nicht ein Trugbild".
Dafür muss man das Sein ja erstmal setzen. Es ist eine dogmatische Setzung.

Und zum wiederholten Male: wir haben keinerlei Vorstellung davon, was “echt” im metaphysischen Sinne bedeuten soll. “Echt” und “Trugbild” sind 100% der Sphäre der gewöhnlichen Erfahrungen, der Welt-wie-Erlebt, entlehnt. Mit dieser Begrifflichkeit kommen wir nicht so einfach “hinter die Welt-wie-Erlebt”. Zumindest nicht ohne sehr viel Vorarbeit, welche dir aber leider gänzlich überflüssig erscheint.

Descartes meinte z. B. es gäbe kein Vakuum und die Materie wäre kontinuierlich aufgebaut – d. h. er hat sich radikal über das Wesen der Materie getäuscht. Qualifiziert sich das bereits als “nicht echt”?

Und auch zum x-ten Male, wenn wir mit eigenartigen idealistischen Weltanschauungen daherkommen wie “Das Individuum ist wie eine Wasserblase im Ozean Brahmans. Die gesamte Welt ist wie ein langer Traum und gänzlich ohne Substanz. Nur Brahman, die absolute, undifferenzierte Masse von Satchidananda, existiert.” (aus Yoga-Wiki) – und nehmen mal an, wir könnten das verstehen und es verhielte sich auch ganz genau so – ist das Thermometer an der Wand dann metaphysisch “echt” oder “nicht echt”? Im alltäglichen Sinne wäre es weiterhin echt – d. h. selbst die abgefahrenste idealistische Weltanschauung macht da keinen Unterschied.

Das ist also der Punkt, der mich am allermeisten stört: Du nimmst Begriffe wie “echt” und “Trugbild” – bekannt aus dem gewöhnlichen Leben – und verwendest sie naiv-direkt in der Metaphysik.
Ist das "Daherglauben"?
Natürlich – was denn sonst?
Ein Kreis ist authentisch zu einer Kugel - selber nicht Kugel, aber Ebenbild in niedrigerer Dimension. - Die Frage bei Wahrnehmung/Vorstellung ist, inwieweit sie - um im Bild zu bleiben - Ebenbild in niedrigerer Dimension ist. - Die Wirklichkeit ist das, aus dem Wellen sind - die Vorstellung in unserer (auch wissenschaftlichen) Wahrnehmung sind die Wellen, die wir messen können und ggf. als "grün" wahrnehmen.
Das Problem daran ist, dass du das ganze mit “ontisch wahr” verknüpfst. Da die Wahrheit kein “Bisschen”, “Etwas” oder “Lala” verträgt (eine Halbwahrheit ist schließlich falsch), muss die Entsprechung Überzeugung <=> Wirklichkeit präzise definiert sein. Eine Vorstellung und das Wirkliche sind aber grundlegend unterschiedliche Kategorien stimmen niemals überein (wie ein Foto und ein identischer Abzug übereinstimmen könnten). D. h. die “Übereinstimmung” muss definiert sein “in einer gewisser Hinsicht”. Was diese “gewisse Hinsicht” nun aber sein soll, das kann keiner erklären!

Aus dem Grund lehne ich die Vorstellung von “ontischer Wahrheit” ab. IMHO gibt es das nicht, das ganze Konzept macht keinen Sinn.
Nochmals: Nicht das Sein an sich steht in Frage, sondern unsere Wahrnehmung dazu.
Korrektur: Deiner Meinung nach steht das Sein an sich nicht in Frage.
Was natürlich eine Tautologie ist. - Dazu kommen in der Tat definitorische Fragen - bspw. ob meine Einbildung, dass Du ein Lurch bist, ein Sein ist (heute würde man hier eher "ja" sagen). - Bei Descartes ist es einfacher (und aus meiner Sicht nach vor ausreichend klar): Einerseits "Ich", andererseits "Gott" und drittens "der Rest".
Es ist keine Tautologie, schließlich zeigt das schon auf, warum man nicht glauben muss, dass es so etwas wie “das Sein” gibt.
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Ich dachte hier an die vorherrschenden naturalistisch orientierten Philosophien. ---- Was Drewermann angeht: Hat ER das gemeint oder zitiert er hier eine Falschaussage? Ersteres wäre für einen Theologen schlicht unmöglich.
Eugen Drewermann: Wozu Religion hat geschrieben:Im Sinne des Aristoteles ist die Materie zunächst unbelebt, aber wenn sie sich mit einer Substanz verbindet, die Leben setzt, mit der Seele eben, entsteht ein lebendiger Körper. So war die Vorstellung.

Diese Anschauung spielt vor allem in der katholischen Theologie bis heute noch eine große Rolle. Ich glaube, die meisten Katholiken stehen unter dieser dogmatischen Doktrin, dass sie an eine unsterbliche Seele glauben sollen, in dem Sinne, dass es eine Substanz im Menschen gibt, die in sich selber unzerstörbar ist und auch vom Tode nicht affiziert wird. Da ist sozusagen etwas im Menschen wie ein Edelmetall oder ein Edelgas, das durch keinerlei Veränderungen tangiert wird und das sich im Grunde im Tode freisetzt. Wenn der Körper zerfällt, ist dies um so einfacher. Es muss die Seele, so betrachtet, eine Art Gas sein, damit sie sich im Tod zum Himmel erhebt – sehr leichtförmig.

Ich karikiere diese Vorstellung etwas, weil sie naturwissenschaftlich und auch naturphilosophisch in Absurditäten hineinführt – nicht viel anders als die Theorien von einer Wärmesubstanz oder Lichtsubstanz in der Physikgeschichte.
Noch mehr Zitate gibt’s hier. Die habe ich allerdings nicht verifiziert. Drewermann hat sich auch in einer Sendung mal sehr deutlich dazu geäußert, aber die finde ich nirgends.

Man muss heutzutage gar nicht mehr zu den naturalistischen Philosophen gehen. Es reichen TV-Theologen wie Drewermann.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Ich denke, also bin ich...falsch hier :mrgreen:

descartes hat den dualismus sozusagen begründet :mrgreen:

res cogito vs res extensa, lustig :mrgreen:


dann gibt es da noch platon, popper und meinenseinen 8-)

hab ganz vergessen zu erwähnen, ich wohne in der lüsterklemme neben dem hauptzähler :mrgreen:

ok, ich kann auch ernst sein...vorannahmen sind immer eine glaubenssache, das einzige was sicher ist, ist dass ich der dreimal größte bin :mrgreen:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
Glimmer
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Glimmer »

Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:26Noch mehr Zitate gibt’s hier
Schöne Sammlung. Vielen Dank.
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Ok, das Missverständnis war, dass ich meinte, du würdest ‘das Sein’ als eine Glaubenssetzung ansehen. Das erschien mir wie selbstverständlich. Aber anscheinend meinst du, bei ‘dem Sein’ würde es sich um irgendetwas sicher beweisbares handeln (d. h. der einzigen Ausnahme).
Komisch. - Eigentlich meine ich, dass "das, was ist", weder Glaubenssetzung ist noch beweisbar sein muss, sondern die nüchterne Feststellung, dass die Welt nicht Nichts ist. DAVON, also von diesem Nicht-Nichts alias Sein kann man anthropozentrisch das eine oder andere glauben sowie dieses oder jenes beweisen. Entscheidend ist, dass unsere Reflexion, sei sie glaubend oder wissenschaftlich, eine Sekundär-Erscheinung ist, dem das, was ist, primär vorausgeht.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Sein Gewissen hat er dabei erfolgreich mit “Tiere sind keine Personen, sind Automaten” beruhigt.
Ob Tiere Personen sind, hängt von der Definition "Person" ab. Christlich ist "Person" definiert als geistliche Größe - insofern kann ein KI-Produkt nie Person sein. - Definiert man "Person" anders, kann unter Umständen sogar ein Kühlschrank eine Person sein. - Ich selber halte mich an den christlichen Ansatz, weshalb Tiere KEINE Person sind.

Allerdings: Descartes hat hier wohl den Fehler gemacht, alles, was nicht "Person" ist, als verfügbar zu verstehen. Dem würde ich widersprechen. Denn Tiere sind, selbst wenn sie nicht (christlich) "Person" sind, lebendige Schöpfung, die beseelt ist. Das heißt: Selbst wenn mangels Cogito kein Ich leidet, leidet die Schöpfung, wenn man einen Hund tritt. Dies ist schwerwiegend.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Jede ausformulierbare Begründung wäre nicht Teil der These selbst; die Rechtfertigung würde dann auf diese ausformulierte Begründung verweisen, d. h. von etwas anderem abhängen.
Mache das mal an einem Beispiel konkret.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Ob das 1776 tatsächlich immer noch so war, sei mal dahingestellt.
Kant war in seinen späten Jahren durchaus glaubens-orientiert - bezogen auf das, was durch die Vernunft nicht abgedeckt werden konnte.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Meiner Ansicht nach darf man so etwas eben nicht einfach setzen. QAnon-assoziierte Leute in den USA setzen z.B., dass die Demokratische Partei ein satanistischer, kannibalistischer Club von Pädophilen ist. Das ist auch nicht sehr viel eigenartiger als die Lurch-Theorie und dennoch glauben Millionen daran.
Hoho - es werden viele Dinge unbewusst gesetzt, auch von Intellektuellen. - Bspw. dass Mann und Frau nur per Sozialisierung unterschiedlich sind - oder dass die westliche Lebensordnung tauglich ist als Missions-Produkt für alle Länder der Welt - etc.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Die Leute einfach beliebig alles ontologisch setzen zu lassen und zu hoffen, dass irgendein “hermeneutischen Begründungs- und Weiterführungs-Prozess” (was immer das genau sein soll) den Unsinn aussortiert, funktioniert ja offensichtlich nicht.
Tja - das gilt auch für den durchschnittlich modernen Menschen. - Davon abgesehen: Irgendwann funktioniert ist, da jede Hermeneutik eine Teleologie hat.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 die meiste Zeit sah es doch so aus, als ob für dich erst einmal jede Setzung formal völlig gleichberechtigt ist und man nur hoffen darf, dass sich im Nachhinein der Unsinn aussortiert.
Aus Gründen der Disziplin gilt das auch jetzt noch, weil es kein Instrument gibt, zwischen Sinn und Unsinn zu unterscheiden. - Einfaches Beispiel:
1) Töten von Menschen ist böse.
2) Töten von Menschen ist gut.
Beide Thesen sind begründbar - einmal christlich, das andere mal darwinistisch. - Konkret: Im Sinne der Arterhaltung wäre es besser gewesen, Corona erst gar nicht zu bekämpfen, weil davon meist nur Alte betroffen sind.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 läge ansonsten der Grund für die ursprüngliche Intuition ja “völlig außerhalb des Bewusstseins” und wäre damit in Wirklichkeit gänzlich unerklärlich.
Genau so ist es. Das ist doch der Gag an "Gott", dass man selber nicht der Ursprung ist, sondern Widerhall, der zwar bedingt erkennen kann, aber nicht Maßstab ist. Das ist ein Sinn des Wortes "ebenbildlich". - Man hat immer wieder den Eindruck, dass der Mensch meint, er könne der Chef dessen sein, was "ist".
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Dafür muss man das Sein ja erstmal setzen. Es ist eine dogmatische Setzung.
Die Alternative wäre, das Nicht-Sein zu setzen. Führt das weiter? - Auch zu meinen, dass die eigene Wahrnehmung (ob sinnlich, geistlich oder wissenschaftlich) Maßstab für das, was ist, wäre, ist eine "dogmatische" Setzung. - Ich nenne das "hermeneutische Vorannahme".
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Und zum wiederholten Male: wir haben keinerlei Vorstellung davon, was “echt” im metaphysischen Sinne bedeuten soll.
Eben. Genau das versuche auch ich, ständig zu unterstreichen. :D - Ob physisch oder metaphysisch: Was wir als "echt" bezeichnen, ist Ausdruck anthropozentrischen Ordnungs-Begehrens. Ob dies mit dem, was ist, übereinstimmt, ist eine andere Frage, die nur unter Bedingungen mit Ja beantwortet werden kann.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Descartes meinte z. B. es gäbe kein Vakuum und die Materie wäre kontinuierlich aufgebaut – d. h. er hat sich radikal über das Wesen der Materie getäuscht. Qualifiziert sich das bereits als “nicht echt”?
Physikalisch hat Descartes einiges falsch gemacht - SEIN Problem. Das hat aber nichts zu tun mit seinen grundlegenden philosophischen Erkenntnissen.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 ist das Thermometer an der Wand dann metaphysisch “echt” oder “nicht echt”? Im alltäglichen Sinne wäre es weiterhin echt
Richtig. Und warum? Weil wir ein Einvernehmen haben, dass die Res extensae "echt" sind. Aber es ist ein EINVERNEHMEN alias "Glaube". - Diesen Glauben habe auch ich (Descartes sowieso). Die geistliche Leistung besteht darin, dies als Glaube zu erkennen und nicht als voraussetzungloses Faktum. - Konkret: Weil ich glaube, dass Sinne und Wissenschaft sich (normalerweise) nicht täuschen (da Gott uns nicht Gaben gibt, um uns zu verarschen), bezeichne ich den Thermometer an der Wand als Faktum.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Aus dem Grund lehne ich die Vorstellung von “ontischer Wahrheit” ab. IMHO gibt es das nicht, das ganze Konzept macht keinen Sinn.
Die Alternative wäre: Es gibt kein Sein. ---- Das willst Du sicherlich nicht sagen, aber mir scheint unser Problem klar zu sein: Du scheinst "Sein" zu verbinden mit "menschlicher Wahrnehmung" (egal ob sinnlich, geistlich, wissenschaftlich). Primär tue ich dies eben NICHT, wiewohl ich selbstverständlich menschliche Wahrnehmung (welcher Art auch immer) nicht in Frage stelle. Aber ich treffe keine verbindlichen Aussagen zur Qualität derselben (in Bezug auf Sein), sondern nur Glaubensaussagen.

Das heißt nicht, dass Wissenschaft eine Glaubens-Disziplin wäre. Es heißt jedoch sehr wohl, dass Wissenschaft nur systemintern objektiv ist.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Korrektur: Deiner Meinung nach steht das Sein an sich nicht in Frage.
Streng genommen ist diese Korrektur richtig. Die Alternative dazu ist, dass das Sein (an sich) in Frage steht. Aber da kommen wir wieder in den Kreisel von Sein und Nicht-Sein.
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Es ist keine Tautologie, schließlich zeigt das schon auf, warum man nicht glauben muss, dass es so etwas wie “das Sein” gibt.
Ok. - Das Problem: Es gibt nichts, was wir hier besprechen, was nicht menschlich, also relativ/reflexiv/beschränkt wäre. - Deine Aussage verstehe ich trotzdem nicht: Nicht glauben, dass es Sein gibt, heißt glauben, dass es etwas anderes als Sein gibt, was nur das Nicht-Sein sein kann. Das geht nicht auf.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

gibt da einen, für den das sein und das nichts identisch sind :mrgreen:

„Dies reine Sein ist nun die reine Abstraktion, damit das Absolut-Negative, welches, gleichfalls unmittelbar genommen, das Nichts ist.“
(Hegel)

:denken:

auf den ersten blick kompatibel mit markus gabriel `warum es die welt nicht gibt` :wave:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

@Hiob: du hast exakt die wesentlichen Punkte nicht verstanden / ignoriert.

Das wird anstrengend, das alles nochmal zu erklären…
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Paul hat geschrieben: So 22. Aug 2021, 11:58 gibt da einen, für den das sein und das nichts identisch sind :mrgreen:

„Dies reine Sein ist nun die reine Abstraktion, damit das Absolut-Negative, welches, gleichfalls unmittelbar genommen, das Nichts ist.“
(Hegel)

:denken:

auf den ersten blick kompatibel mit markus gabriel `warum es die welt nicht gibt` :wave:
Ich hab das Buch nicht gelesen, nur gerade eben eine Rezension. Aber das scheint mir ein guter Literaturtipp für Hiob zu sein, um seine Fragen, wie die folgende zu klären:
Hiob hat geschrieben: So 22. Aug 2021, 10:57 Nicht glauben, dass es Sein gibt, heißt glauben, dass es etwas anderes als Sein gibt, was nur das Nicht-Sein sein kann. Das geht nicht auf.
Hier ernsthaft nochmal die von Hiob ignorierten Textpassagen, wie z. B.
Spoiler: anzeigen
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Das ist natürlich sehr, sehr seltsam. Wie gesagt, die Bedeutung von ‘Sein’ ist: “Zusammenschluss von all dem, was ist”.

Dass dieses ‘Sein’ existiert, genauso existiert, wie die Dinge, aus denen es sich zusammensetzt, kann sicherlich nicht als bewiesen gelten. Es ist nicht einmal plausibel.

Denn nach der obigen Definition muss dieses ‘Sein’ sich selbst in dem Zusammenschluss von “all dem, was ist” enthalten. Also Sein = { A, B, C, ..., Sein, ... }

Das ist zwar noch kein handfestes Paradox, lässt aber ‘das Sein’ als Konstruktion zumindest als suspekt erscheinen.
die ja vorweg auf seine Einwände, die dann in seinem folgenden Beitrag unmodifiziert trotzdem kamen, bereits eingingen, nochmal, nochmal, erneut anzupreisen wie Sauerbier, dass er sie doch bitte lesen möge, macht auch keinen Spaß.
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