Hiob hat geschrieben: ↑So 29. Aug 2021, 01:02 - Meinst Du, er sei NICHT Teil des Seins?
Nein – denn das setzt ja schon voraus, dass es dieses übergeordnete Sein geben muss, von dem es ein Teil ist.
Ja was denn sonst??? - Das ist doch gerade der Sinn des Hermeneutischen Zirkels, dass er an einer Vorannahme ("Setzung") ansetzt, deren Richtigkeit man vermutet: "Diese Frau lächelt mich an und nimmt meine Einladung zu einem Drink an. Meine Vorannahme (vielleicht wäre das Wort "Anfangsverdacht" für Dich weiterführender) ist daraus, dass sie mich mag". - Hier setzt der Hermeneutische Zirkel an, indem man alles weitere beobachtet und qualifiziert: "Nimmt sie mich mit auf ihr Zimmer? Nimmt sie meinen Heiratsantrag an? Bleibt sie bei mir, als ich lange krank bin? Etc.". - Mit der Einlösung solcher Dinge wird meine Vorannahme "Sie mag mich" immer mehr begründet.
“Vorannahmen” würde ich einteilen nach dem Aspekt bzgl. dem sie
vor dem Rest stehen:
- “Zeit”: Vermutungen, die weitere Untersuchungen motivieren: Rechtfertigungen und Begründungen gibt es prinzipiell, können aber erst zeitlich später geliefert werden, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind. Beispiel: Der Anfangsverdacht eines Detektivs motiviert ihn, eine bestimmte Person näher zu untersuchen … es finden sich später mehr und mehr Hinweise, dass es sich bei der Person um den Täter handelt.
- “Rechtfertigung”: Axiome, die eine Theorie begründen (und zeitlich oft erst spät formuliert werden), aber für die es keine Begründungen gemäß den Standards eben dieser Theorie geben kann. Beispiel: a × b = b × a für natürliche Zahlen a, b in der Mathematik.
btw, ich meine eigentlich schon, dass es für dieses Axiom eine ausformulierbare Begründung gibt, nur eben keine mathematische Begründung
Dein Beispiel gehört zu Gruppe 1. Es enthält allerdings noch eine zusätzliche Komplikation (was bei zwischenmenschlichem oft der Fall ist): die Vorannahme wirkt auf die Realität. Denn ob man es ohne “sie mag mich” zum Hochzeitsantrag schafft, ist fraglich.
Egal wie – ich dachte immer es ginge um Vorannahmen der Gruppe 2. Das sind doch die einzig interessanten.
Vorannahmen der Gruppe 1 sind die reinste Banalität. Nichts ist an denen problematisch oder rätselhaft. Eine so gewöhnliche, alltägliche und seit dem Paläolithikum bekannte Tatsache, dass Begründungen
zeitlich oft später eintrudeln als die ursprüngliche Vorannahme (Vermutung / Verdacht)… mit einem so hochgestochenen Begriff wie “hermeneutischer Zirkel” zu bezeichnen, ist 100% kontraproduktiv.
"Echt" ist hier ein faules, verkürzendes Wort für "ontisch existent". - Beispiel: Ist Gott eine ontische Entität (also existent, auch wenn es keinen einzigen Menschen gäbe = "echt sensu thread") oder ist er eine menschliche Projektion?
Na gut. Seltsam, dass du du dieses Wort dann in Erklärungen von “ontisch existent” verwendest, obwohl es per definitionem genau das gleiche bedeuten soll.
Diese Fehler reichen für gar nichts aus.
Ähm, warum?
- Davon abgesehen würde Descartes nie sagen, dass das Haus, in dem er wohnte, nicht "echt sensu thread" sei. Er würde sagen: "Es IST nach meinem Glauben 'echt' ". - Descartes ist zwar methodisch ein Skeptizist, aber ontisch genau das Gegenteil - ein "Ontizist", wenn es dieses Wort gäbe.
Woher willst du das denn bitte wissen?
Es ist mir ein grandioses Rätsel, warum die einfache Antwort "Das, was IST, egal, ob wir sein Sein nachweisen können" nicht verständlich ist. ---
Verständlich ist das schon. Aber es ist keine Antwort, da du hier nur deine idiosynkratische Privatdefinition von “echt” bringst.
Die Vulkane auf einem Planeten in einem Sonnensystem in 2 Milliarden Lichtjahren Entfernung sind allein dadurch "echt", dass es sie gibt - selbst wenn wir dies nie werden wahrnehmen/nachweisen werden können. - Es geht bei Descartes und auch bei mir um die kategoriale Entkopplung von Wahrnehmung und Existierendem sowie die Glaubens-Begründung, warum beides trotzdem zusammengehört. - Descartes öffnet den Weg zum Vertrauen in die Aussagen der Wissenschaft, weil er trotz seines Nachweises, dass das Cogito nie unterscheiden kann, ob Wahrgenommenes Projektion oder Entität ist ("Skeptizismus") , per Glauben postuliert/setzt/festlegt, dass Wahrnehmung im Normalfall auf Entität trifft.
Wie anders soll ich es noch ausdrücken? - Wo ist eigentlich genau Dein Problem?
Du hast dich doch mehrfach darüber beschwert, dass andere Leute auf der Basis von “unbewussten Glaubenssetzungen” argumentieren (ein fragwürdiger Vorwurf, meistens). Aber nun kommst
du mit einer eindeutigen Glaubenssetzung und willst ne Extrawurst: “Wahrnehmung und Existierendes lassen sich kategorial entkoppeln. Und
das ist keine Glaubenssetzung, das
ist einfach so.”
Auch wenn “sein” im Alltag (und weiten Bereichen einigermaßen “gewöhnlicher” Naturwissenschaft) ein Wort mit
massig Wumms ist, denn es scheint gar kein größerer Unterschied vorstellbar als zwischen “sein” und “nicht sein” – herausgelöst aus bekanntem Kontext, d.h. in völliger Allgemeinheit betrachtet (und das ist in der Metaphysik notwendig), bleibt nicht mehr viel von dem machtvollen Wort “sein”. Es ist ganz armselig, wie ein ans Ufer angeschwemmter Hai.
Was bedeutet es denn, metaphysisch, dieses “sein”? Genau das steht eben in den Sternen! Es wäre zu viel von dir verlangt, eine Definition zu liefern. Aber ein paar erhellende Kommentare, wenigstens… ein bisschen mehr als nur immer und immer wieder das alte Vulkan-Beispiel.
Das Vulkan-Beispiel übersetzen wir ja ganz schnell gedanklich in die gewöhnliche Sphäre des menschlichen Erlebens: “Wenn wir halt
doch hin fliegen könnten, dann würden wir die Vulkane sehen” (bei einem Erwachsenen ist das so eingeübt, dass er das gar nicht bemerkt).
Das einfachste Verständnis von “sein” basiert also auf Wahrnehmung, das etwas komplexere auf kontrafaktischem Denken + Wahrnehmung. D. h. da ist erstmal
kein von Wahrnehmung abgekoppeltes Verständnis von “sein”.
Auf metaphysischer Ebene erscheint mir “sein” / “existent” mit Worten wie “hip” oder “cool” vergleichbar. Das Problem mit “hip” ist nicht: “Etwas ist entweder hip oder nicht. Nur können wir nie unterscheiden, ob hip oder nicht”. Das Problem mit dem Wort “hip” ist, dass es von seiner
Bedeutung bereits extrem subjektiv, extrem relativ und extrem diffus ist.
Wir hatte schon Beispiele wie “qualitative Eigenschaften” und “mathematische Konzepte” durchexerziert: Existiert Süße? Existiert die 7?
Aber head-on zu den Vulkanen auf dem fremden Planeten: Warum sollte es die Vulkane metaphysisch gesehen geben? Warum nicht einfach sagen: “Vulkane sind nur eine façon de parler. Da ist ein Planet, der oberflächlich so und so beschaffen ist”
Oder: “Ontisch gesehen sind da sind bloß Atome” (mereologischer Nihilismus)
Die harte Dichotomie “sein” vs. “nicht sein” – du importierst sie vom Alltag in die Metaphysik. Das ergibt eine Philosophie so absurd, so grotesk, dass wenn
- Ontologie A sagt: “die Löcher im Schweizer Käse zählen zu ‘dem was IST’”
- Ontologie B sagt: “Löcher existieren nicht ontisch, Löcher sind Nichts - da ist nur ein löchriger Schweizer Käse”
wir uns ernsthaft hinstellen müssten um zu proklamieren: “
Entweder Ontologie A
oder Ontologie B hat recht! Eine von beiden
muss recht haben – wir wissen nur nicht welche!”
Also: “Projektion oder Entität” – woher diese Dichotomie? Als ob es nicht zigtausende von sonstigen Möglichkeiten dazwischen gäbe!
Genau diesen absolut entscheidenden Punkt umschiffst du: Ab wann genau liegen wir mit einem Konzept X so falsch, dass wir sagen müssten: “X existiert nicht”
Nicht dass wir diese Fehler jemals erkennen würden – aber die
Kriterien dafür sollten wir doch wenigstens angeben können. Sonst ist dein “ontisch” eh ein Rohrkrepierer.