Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Hiob hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 09:14
Paul hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 08:12 .ich glaube, die kontroverse zwischen euch beiden hat schon occam beackert
Es wäre interessant, was er zum Seins-Ansatz der Quantenmechanik gesagt hätte.

Dein indirekt gegebenes Stichwort "Modallogik" hat mich gerade in wik nachgucken lassen, wo von einem Richard Rorty die Rede ist. Dort heißt es:
wik
Er schließt zwar die Möglichkeit, innerhalb von Begriffsystemen Wahrheit abzubilden, nicht prinzipiell aus. Rorty erklärt jedoch jede Reflexion darauf, wie sich ein solcher Wahrheitsstatus generieren ließe, für müßig. Damit behauptet er in polemischer Stellung gegen insbesondere den klassischen Idealismus und Realismus, dass Wahrheit letztlich nicht nur ein zufälliger, sondern zudem auch ein willkürlicher Modus der Rede sei.
Es kann sein, dass mir langsam klar wird, wo hier der Irrtum ist - nämlich in der Definition von "Wahrheit". - Wenn man "Wahrheit" als Schlussfolgerung aus einer Wahrnehmung versteht bzw. als inner-systemische Größe, hat jeder Recht, der gegen einen absoluten Seins-Begriff argumentiert. - Denn dann ist "Wahrheit" in der Tat letztlich willkürlich.

Insofern ist Rortys polemische Stellung gegen den Idealismus und Realismus (ich vermute, dass er damit auch den Szientismus meint) richtig. - Das Problem: Gescheiter Idealismus weiß das selber und wird deshalb nie seine eigenen Abbildungen von dem, was er als Wahrheit postuliert, als Wahrheit bezeichnen.

Eigentlich sollte Theologie die höchste Form des Idealismus sein. Da ist ein postuliertes Sein namens "Gott", dessen Beschreibungen/Erfühlung bestenfalls ein authentischer Abklatsch davon ist. Dieser Abklatsch ist aber nicht "die Wahrheit" selbst. - Manchmal hat man den Eindruck, dass die Menschen "Wahrheit" und "wahrgenommenen Schlüssigkeit" gleichstellen. Das ist falsch.
kenne rorty nicht besonders...ich empfehle in dem zusammenhang john d. barrow's "die natur der natur", ein m.m. nach gelungener versuch einer darstellung, welche impliziten vorannahmen auch in den naturwissenschaften gemacht werden... auch für nichtphysiker geeignet

https://www.spektrum.de/magazin/die-nat ... eit/822321
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 09:41 ein m.m. nach gelungener versuch einer darstellung, welche impliziten vorannahmen auch in den naturwissenschaften gemacht werden
Was da in spektrum steht, ist im Kern nahe an dem, was Descartes meint. - Letztlich scheint descartes' und barrow's Schlussfolgerung dieselbe zu sein:
1) Wir liegen falsch, wenn wir meinen, aufgrund menschlicher Möglichkeiten einen Wahrheitsanspruch zu haben.
2) Trotzdem dürfen wir glauben, dass diese unsere Möglichkeiten gut genug sind, diesen Weg authentisch zu beschreiten.

Das Modale ist also nichts Skeptizistisches, sondern etwas Demütiges. - Dem gegenüber steht die heute überwiegende Haltung: "UNSERE Vernunft ist der Maßstab für die Entscheidung, was Wahrheit ist". - Gegen diesen Anthropozentrismus gehe ich seit langem vor - mit wenig Erfolg. - Warum (in den Worten von Spektrum):
spektrum
Immer wieder macht Barrow deutlich, daß die Naturwissenschaften – und darin unterscheiden sie sich gerade nicht von der Religion – auf Annahmen beruhen. Diese sind mitunter so fest in unserem Weltbild verankert, daß sie uns schwerlich bewußt werden; das macht es so schwierig, sie zu überwinden, wenn sie sich als falsch herausstellen. Der erste Schritt zu einer solchen Überwindung ist, die Annahme explizit zu machen.
Dies WÄRE Aufklärung, was aber nicht gelingt, weil die heutige "Aufklärung" eine anthropozentrische Aufklärung ist, die sich dessen nicht bewusst ist und somit KEINE Aufklärung ist. Man bringt also ein Opfer, von dem man nichts weiß - wie praktisch.

Und damit wären wir am SChnittpunkt zur Frage, was eigentlich "satanisch" ist (nämlich letztlich die Orientierung am Ich). - Zurückgedreht auf den ursprünglichen Thread "Kommt digitale Technik vom Teufel" bedeutet dies: Nein, Technik ist NIE satanisch, aber deren selbst-maßstäbliche Deutung ist satanisch.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 01:02 :?: - Meinst Du, er sei NICHT Teil des Seins?
Nein – denn das setzt ja schon voraus, dass es dieses übergeordnete Sein geben muss, von dem es ein Teil ist.
Ja was denn sonst??? - Das ist doch gerade der Sinn des Hermeneutischen Zirkels, dass er an einer Vorannahme ("Setzung") ansetzt, deren Richtigkeit man vermutet: "Diese Frau lächelt mich an und nimmt meine Einladung zu einem Drink an. Meine Vorannahme (vielleicht wäre das Wort "Anfangsverdacht" für Dich weiterführender) ist daraus, dass sie mich mag". - Hier setzt der Hermeneutische Zirkel an, indem man alles weitere beobachtet und qualifiziert: "Nimmt sie mich mit auf ihr Zimmer? Nimmt sie meinen Heiratsantrag an? Bleibt sie bei mir, als ich lange krank bin? Etc.". - Mit der Einlösung solcher Dinge wird meine Vorannahme "Sie mag mich" immer mehr begründet.
“Vorannahmen” würde ich einteilen nach dem Aspekt bzgl. dem sie vor dem Rest stehen:
  1. “Zeit”: Vermutungen, die weitere Untersuchungen motivieren: Rechtfertigungen und Begründungen gibt es prinzipiell, können aber erst zeitlich später geliefert werden, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind. Beispiel: Der Anfangsverdacht eines Detektivs motiviert ihn, eine bestimmte Person näher zu untersuchen … es finden sich später mehr und mehr Hinweise, dass es sich bei der Person um den Täter handelt.
  2. “Rechtfertigung”: Axiome, die eine Theorie begründen (und zeitlich oft erst spät formuliert werden), aber für die es keine Begründungen gemäß den Standards eben dieser Theorie geben kann. Beispiel: a × b = b × a für natürliche Zahlen a, b in der Mathematik.
    btw, ich meine eigentlich schon, dass es für dieses Axiom eine ausformulierbare Begründung gibt, nur eben keine mathematische Begründung
Dein Beispiel gehört zu Gruppe 1. Es enthält allerdings noch eine zusätzliche Komplikation (was bei zwischenmenschlichem oft der Fall ist): die Vorannahme wirkt auf die Realität. Denn ob man es ohne “sie mag mich” zum Hochzeitsantrag schafft, ist fraglich.

Egal wie – ich dachte immer es ginge um Vorannahmen der Gruppe 2. Das sind doch die einzig interessanten.

Vorannahmen der Gruppe 1 sind die reinste Banalität. Nichts ist an denen problematisch oder rätselhaft. Eine so gewöhnliche, alltägliche und seit dem Paläolithikum bekannte Tatsache, dass Begründungen zeitlich oft später eintrudeln als die ursprüngliche Vorannahme (Vermutung / Verdacht)… mit einem so hochgestochenen Begriff wie “hermeneutischer Zirkel” zu bezeichnen, ist 100% kontraproduktiv.
"Echt" ist hier ein faules, verkürzendes Wort für "ontisch existent". - Beispiel: Ist Gott eine ontische Entität (also existent, auch wenn es keinen einzigen Menschen gäbe = "echt sensu thread") oder ist er eine menschliche Projektion?
Na gut. Seltsam, dass du du dieses Wort dann in Erklärungen von “ontisch existent” verwendest, obwohl es per definitionem genau das gleiche bedeuten soll.
Diese Fehler reichen für gar nichts aus.
Ähm, warum?
- Davon abgesehen würde Descartes nie sagen, dass das Haus, in dem er wohnte, nicht "echt sensu thread" sei. Er würde sagen: "Es IST nach meinem Glauben 'echt' ". - Descartes ist zwar methodisch ein Skeptizist, aber ontisch genau das Gegenteil - ein "Ontizist", wenn es dieses Wort gäbe.
Woher willst du das denn bitte wissen?
Es ist mir ein grandioses Rätsel, warum die einfache Antwort "Das, was IST, egal, ob wir sein Sein nachweisen können" nicht verständlich ist. ---
Verständlich ist das schon. Aber es ist keine Antwort, da du hier nur deine idiosynkratische Privatdefinition von “echt” bringst.
Die Vulkane auf einem Planeten in einem Sonnensystem in 2 Milliarden Lichtjahren Entfernung sind allein dadurch "echt", dass es sie gibt - selbst wenn wir dies nie werden wahrnehmen/nachweisen werden können. - Es geht bei Descartes und auch bei mir um die kategoriale Entkopplung von Wahrnehmung und Existierendem sowie die Glaubens-Begründung, warum beides trotzdem zusammengehört. - Descartes öffnet den Weg zum Vertrauen in die Aussagen der Wissenschaft, weil er trotz seines Nachweises, dass das Cogito nie unterscheiden kann, ob Wahrgenommenes Projektion oder Entität ist ("Skeptizismus") , per Glauben postuliert/setzt/festlegt, dass Wahrnehmung im Normalfall auf Entität trifft.

Wie anders soll ich es noch ausdrücken? - Wo ist eigentlich genau Dein Problem?
Du hast dich doch mehrfach darüber beschwert, dass andere Leute auf der Basis von “unbewussten Glaubenssetzungen” argumentieren (ein fragwürdiger Vorwurf, meistens). Aber nun kommst du mit einer eindeutigen Glaubenssetzung und willst ne Extrawurst: “Wahrnehmung und Existierendes lassen sich kategorial entkoppeln. Und das ist keine Glaubenssetzung, das ist einfach so.”

Auch wenn “sein” im Alltag (und weiten Bereichen einigermaßen “gewöhnlicher” Naturwissenschaft) ein Wort mit massig Wumms ist, denn es scheint gar kein größerer Unterschied vorstellbar als zwischen “sein” und “nicht sein” – herausgelöst aus bekanntem Kontext, d.h. in völliger Allgemeinheit betrachtet (und das ist in der Metaphysik notwendig), bleibt nicht mehr viel von dem machtvollen Wort “sein”. Es ist ganz armselig, wie ein ans Ufer angeschwemmter Hai.

Was bedeutet es denn, metaphysisch, dieses “sein”? Genau das steht eben in den Sternen! Es wäre zu viel von dir verlangt, eine Definition zu liefern. Aber ein paar erhellende Kommentare, wenigstens… ein bisschen mehr als nur immer und immer wieder das alte Vulkan-Beispiel.

Das Vulkan-Beispiel übersetzen wir ja ganz schnell gedanklich in die gewöhnliche Sphäre des menschlichen Erlebens: “Wenn wir halt doch hin fliegen könnten, dann würden wir die Vulkane sehen” (bei einem Erwachsenen ist das so eingeübt, dass er das gar nicht bemerkt).

Das einfachste Verständnis von “sein” basiert also auf Wahrnehmung, das etwas komplexere auf kontrafaktischem Denken + Wahrnehmung. D. h. da ist erstmal kein von Wahrnehmung abgekoppeltes Verständnis von “sein”.

Auf metaphysischer Ebene erscheint mir “sein” / “existent” mit Worten wie “hip” oder “cool” vergleichbar. Das Problem mit “hip” ist nicht: “Etwas ist entweder hip oder nicht. Nur können wir nie unterscheiden, ob hip oder nicht”. Das Problem mit dem Wort “hip” ist, dass es von seiner Bedeutung bereits extrem subjektiv, extrem relativ und extrem diffus ist.

Wir hatte schon Beispiele wie “qualitative Eigenschaften” und “mathematische Konzepte” durchexerziert: Existiert Süße? Existiert die 7?

Aber head-on zu den Vulkanen auf dem fremden Planeten: Warum sollte es die Vulkane metaphysisch gesehen geben? Warum nicht einfach sagen: “Vulkane sind nur eine façon de parler. Da ist ein Planet, der oberflächlich so und so beschaffen ist” :?: Oder: “Ontisch gesehen sind da sind bloß Atome” (mereologischer Nihilismus) :?:

Die harte Dichotomie “sein” vs. “nicht sein” – du importierst sie vom Alltag in die Metaphysik. Das ergibt eine Philosophie so absurd, so grotesk, dass wenn
  • Ontologie A sagt: “die Löcher im Schweizer Käse zählen zu ‘dem was IST’”
  • Ontologie B sagt: “Löcher existieren nicht ontisch, Löcher sind Nichts - da ist nur ein löchriger Schweizer Käse”
wir uns ernsthaft hinstellen müssten um zu proklamieren: “Entweder Ontologie A oder Ontologie B hat recht! Eine von beiden muss recht haben – wir wissen nur nicht welche!”

Also: “Projektion oder Entität” – woher diese Dichotomie? Als ob es nicht zigtausende von sonstigen Möglichkeiten dazwischen gäbe!

Genau diesen absolut entscheidenden Punkt umschiffst du: Ab wann genau liegen wir mit einem Konzept X so falsch, dass wir sagen müssten: “X existiert nicht” :?: Nicht dass wir diese Fehler jemals erkennen würden – aber die Kriterien dafür sollten wir doch wenigstens angeben können. Sonst ist dein “ontisch” eh ein Rohrkrepierer.
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Nochmal ein Versuch, verstanden zu werden: es lassen sich Beispiele konstruieren, an denen wir erkennen, dass die Bedeutung von “existieren” selbst in einem einigermaßen “erdverhafteten” (nicht-metaphysischen) Kontext subjektiv und nicht eindeutig ist (das ist die Ausnahme, aber es kommt vor):

“Riesenkraken existieren” – Stellungnahme? Wie ist diese These zu bewerten? Wissenschaftlich nachgewiesen gilt die Existenz von Riesenkalmaren mit 18 m Länge, 140 kg Gewicht. Das ist schon ziemlich “riesig”. Setzen wir für die weitere Diskussion voraus: die Meeresbiologie hat bzgl. Riesenkalmare die Realität 100% korrekt wiedergegeben und ihre Konzepte passen perfekt.

Aber… wie ist der obige Satz zu bewerten? Seemannsgarn? Riesenkraken existieren nicht? Oder existieren Riesenkraken doch, auch wenn die guten Seeleute sich zu einiger Übertreibung hinreißen ließen?

“Drachenknochen existieren” – Noch ein zoologisches Beispiel. Im alten China hat man bereits Fossilien von Dinosauriern gefunden. Die interpretierte man als Drachenknochen. Naja… so ein Dinosaurier wirkt ziemlich wie ein Drache… ist es denn soooo unverzeihlich, sooo falsch zu sagen: “Es gab früher Drachen, aber heutzutage sind sie ausgestorben”. Ich denke, im europäischen oder asiatischen Mittelalter hätten die Leute sehr ungeduldig reagiert, wenn man ihnen von gigantischen 30 m großen Untieren erzählt hätte – zu Land, zur Luft, zur See – die verdammt aussahen wie Drachen, aber aus irgendeinem Grund keinesfalls Drachen sein dürfen.

“Columbus existierte nicht” – ein einfacher Mann lernte einmal in der Schule “Columbus heißt der Mann, der 1492 Amerika entdeckte”. Doch nun erfuhr er: “Leif Eriksson betrat um das Jahr 1000 zuerst das amerikanische Festland”. Er schließt: “Leif Eriksson… so hieß der Entdecker Amerikas wirklich… und eine Person, die 1492 Amerika entdeckte, genannt ‘Columbus’, gab es nicht. Amerika war zu dem Zeitpunkt bereits entdeckt.”. Warum existierte Columbus dennoch?
Hiob hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 01:19 Dann definierst Du "Sein" ganz anders als ich. Denn nach meinem Verständnis von "Sein" würde Deine Aussage bedeuten, dass es weder Claymore noch Hiob gäbe und wir hier nicht schreiben könnte. - Die Tatsache also, dass wir hier schreiben, ist die Falsifizierung Deiner Aussage, es gäbe kein Sein. --- Definiere "Sein".
“Sein” = “die Zusammenfassung von allem, was existiert”. Ist das überhaupt ein konsistentes Konzept? Fraglich… Und selbst wenn, warum sollte es als Ding aus eigenem Recht existieren?
Die Wahrheit ist erst mal das Sein sensu Hiob. Auf sekundärer Ebene kann man als "Wahrheit" bezeichnen, was dieses Sein authentisch spiegelt. - Hättest Du 4 Ohren, wäre das Wahrheit. - Sähe ich nur 2 davon, wäre dies eine unauthentische Spiegelung dieser Wahrheit, selbst wenn ich es wissenschaftlich beweisen könnte.
Genau dieses Verständnis von Wahrheit lehne ich 100% ab. 7 + 5 = 12 hat Wahrheitswert, aber wie spiegelt das ‘authentisch das Sein’? Konditionalsätze wie “Hätte ich den Flieger nicht verpasst, wäre ich nicht mehr am Leben” haben Wahrheitswert, wie spiegeln sie ‘authentisch das Sein’?
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 “Das Sein”, als eigenständig existierendes Ding, stelle ich tatsächlich in Frage.
Dann gäbe es NICHTS und unser Austausch hier wäre nicht möglich.
Ich stelle “das Sein” als eigenständiges Ding in Frage. Nicht, dass irgendwas existiert.
Solche Versuche, methodisch oder systematisch Ordnung zu schaffen, sind sinnvoll, haben aber mit dem Sein selber nichts zu tun. Das Sein ist die Eiche, an der sich unsere Wahrnehmung kratzt - das Sein merkt es nicht einmal.
Schön, nur leider ist das bloß ein Postulat von dir. Mit Vorstellungen aus altgermanischer Mythologie verziert? Yggdrasil…? Ok das war ne Esche, keine Eiche.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Mi 1. Sep 2021, 23:23 Nein – denn das setzt ja schon voraus, dass es dieses übergeordnete Sein geben muss, von dem es ein Teil ist.
"Sein" ist aus meiner Sicht nichts anderes als "nicht Nicht-Sein". - Beispiel: Eine Autobahn, die es in der Antarktis nicht gibt, ist ein "Nicht-Sein".

Die Problematik innerhalb dessen, was "nicht NICHT ist", ist dessen Einordnung. Ebenfalls ein Beispiel: Der Mount Everest ist genauso wie meine Vorstellung, dass Du 4 Ohren hast, ein "Nicht-Nicht-Sein". Trotzdem gibt es (mutmaßlich) einen Unterschied zwischen beiden: Der Mount Everest ist mutmaßlich eine Entität, die es auch ohne mich gibt, während meine Vorstellung, dass Du 4 Ohren hast, nichts als eine Vorstellung von mir ist. - Das Problem: Auch der Mount Everest wird erst durch meine Vorstellung/sinnlichen Möglichkeiten wahrnehmbar. Siehe Res-extensa-Problem.

Das, was Du als mein Postulat nach "übergeordnetem Sein" bezeichnest, ist im Grunde das, was den Mount Everest oder meine Vorstellung von Deinen 4 Ohren in meiner geistlichen oder sinnlichen Wahrnehmung ermöglicht. - Beispiel: Wir wissen, dass die Wiese nicht "übergeordnet" grün IST, sondern dass sie uns grün erscheint, weil unser Hirn dieses so ermöglicht. - "Grün" wäre also nach MEINEM Ansatz NICHT "übergeordnetes Sein", sondern Ableitung davon. - Übergeordnetes Sein wäre somit das, was es meinem Gehirn ermöglicht, daraus die Farbe grün abzuleiten.

Dasselbe gilt für Gott: "Vater", "Sohn" und was auch immer ist kein "übergeordnetes Sein", sondern eine Offenbarung dessen, was es erlaubt, "Vater" und "Sohn" abzuleiten. - Dieses Übergeordnete ist das nicht Vorstellbare, was die Bibel ausdrücklich sagt mit "Du sollst Dir kein Bildnis machen". ---- Nun könnte ein Atheist kommen und sagen: "Nee, dieses Übergeordnete gibt es gar nicht - das ist nur Vorstellung des Menschen". - Dies wäre einerseits richtig, da wir nicht nachweisen können, ob es eine göttliche Entität gibt. - Andererseits ist es falsch, weil dann das Ableitende wäre "Das, was es mir ermöglicht, mir eine solche Vorstellung zu machen und es Gott zu nennen". - Also auch hier stießen wir irgendwann auf eine Entität.

Ich kann jetzt nicht weiter antworten, weil ich dringend weg muss. - Vielleicht hat diese kurze Antwort schon ein Missverständnis aufgelöst.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Claymore hat geschrieben: Mi 1. Sep 2021, 23:23 Vorannahmen der Gruppe 1 sind die reinste Banalität. Nichts ist an denen problematisch oder rätselhaft. Eine so gewöhnliche, alltägliche und seit dem Paläolithikum bekannte Tatsache, dass Begründungen zeitlich oft später eintrudeln als die ursprüngliche Vorannahme (Vermutung / Verdacht)
nun, spätestens seit einstein ist die vorannahme, bei zeit und raum handle sich um eigenständige kategorien, der raum als leinwand, auf dem sich das weltgeschehen abspielt (zeit hier absolut gesetzt), nicht mehr ganz so trivial...will sagen, seit newton war man der festen überzeugung, die welt funktioniert wie eine uhr, von gott aufgezogen...wurde bis einstein kaum hinterfragt, das konzept

inzwischen ist es in der gruppe 1 etwas bunter geworden...bin tippfaul, sorry...hint https://de.wikipedia.org/wiki/Blockuniversum

@hiob, gott wäre bei diesem konzept ein omnipotenter geist, der in der lage ist, nicht nur fragmente so wie wir menschen, sondern eben das ganze wahrzunehmen...in der tat ist es mühselig, gegen den von dir angesprochenen anthropozentrismus anzuargumentieren...it`s not easy beein` green :mrgreen:
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Do 2. Sep 2021, 10:15
Claymore hat geschrieben: Mi 1. Sep 2021, 23:23 Nein – denn das setzt ja schon voraus, dass es dieses übergeordnete Sein geben muss, von dem es ein Teil ist.
"Sein" ist aus meiner Sicht nichts anderes als "nicht Nicht-Sein". - Beispiel: Eine Autobahn, die es in der Antarktis nicht gibt, ist ein "Nicht-Sein".
Nur ist "Nicht-Sein" kein unproblematischerer Begriff; als ob man eher wüsste, was Nicht-Sein ist.
Die Problematik innerhalb dessen, was "nicht NICHT ist", ist dessen Einordnung. Ebenfalls ein Beispiel: Der Mount Everest ist genauso wie meine Vorstellung, dass Du 4 Ohren hast, ein "Nicht-Nicht-Sein". Trotzdem gibt es (mutmaßlich) einen Unterschied zwischen beiden: Der Mount Everest ist mutmaßlich eine Entität, die es auch ohne mich gibt, während meine Vorstellung, dass Du 4 Ohren hast, nichts als eine Vorstellung von mir ist. - Das Problem: Auch der Mount Everest wird erst durch meine Vorstellung/sinnlichen Möglichkeiten wahrnehmbar. Siehe Res-extensa-Problem.
Es ging doch darum, dass du "das was IST" als gänzlich unproblematische, problemlos verständliche Formulierung ansiehst.

Wenn man sagt "X ist" oder "X existiert", dann meint man damit doch nicht bloß, dass die X-Idee oder die X-Vorstellung existiert, sondern X selbst.

Natürlich, bei "Pegasus gibt es nicht", taucht Pegasus erst mal ganz normal auf. Und sophistisch könnte man fragen: wenn es ihn nicht gibt, wem wird die Existenz abgesprochen? Aber gemeint ist hier schlicht: nichts entspricht der Pegasus-Idee. Und nicht buchstäblich: "Pegasus existiert bloß als Idee".

Wir beobachten, dass Menschen ihre Überzeugung, die sie mit "X gibt es"/"X ist"/"X existiert" ausdrücken, manchmal ändern zu "X gibt es nicht"/"X ist nicht"/"X existiert nicht". Und andersherum.

Im normalen Sprachgebrauch kann X allerdings sehr vieles sein. Wir können doch sagen "Es gibt eine größte Primzahl". Und der Satz wäre allgemein verständlich, würde allgemein als falsch angesehen werden. Dennoch gehst du hin und schließt Zahlen kategorisch vom Sein aus.

Oder wir sagen "Es gibt ein Loch im Kopf von Cristo Redentor [der Jesus-Statue in Rio]". Ein verständlicher Satz. Wir reisen hin nach Rio und sehen: an der Statue ist noch alles dran, das Loch gibt es nicht. Ist das "Loch, was es nicht gibt" damit Sein? Nämlich der intakte Kopf? Irgendwas ist also seltsam an Begriffen, die Abwesenheit kennzeichnen wie Löcher, Höhlen, Schatten.

Genauso mit den qualitativen Eigenschaften, denen du nach deinem Ansatz absprichst außerhalb menschlicher Wahrnehmung zu existieren. Wir sagen doch "Es gibt einen Farbton zwischen Rot und Gelb, nämlich Orange". Auch das versteht jeder - aber (ohne zu sehr in die Details zu gehen) - nach deinem Ansatz muss das "ist" von Orange mit zahlreichen Einschränkungen versehen werden.

An diesen Fällen sieht man doch, dass es gar nicht um "das was ist" geht gemäß der gewöhnlichen Bedeutung von "ist" (bzw. "es gibt"). Fairerweise muss man zugeben: das normale "ist" würde unter der Annahme der Dichotomie "entweder X existiert oder X existiert nicht" auch zu Paradoxa führen - Kalenderweisheit für heute:

"Das Nicht-Sein des Sonnenlichts ist das Sein des Schattens unterm Sonnenschirm"

Es geht daher um ein spezielles "ist". Ein "ist-2", ein metaphysisches "ist". Dessen Bedeutung du bestimmen willst. Ein "ist" sensu Hiob. Allerdings nur ad-hoc ohne eine wirkliche Definition zu liefern.

Daher steht die Bedeutung von "Das, was ist-2, egal ob wir sein Sein nachweisen können" nun mal in den Sternen

Was hoffentlich
Hiob hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 01:02 Es ist mir ein grandioses Rätsel, warum die einfache Antwort "Das, was IST, egal, ob wir sein Sein nachweisen können" nicht verständlich ist
beantwortet.

Genau den Zusammenschluss von allem dem "was ist-2" habe ich als "übergeordnetes Sein" bezeichnet.

Die Idee, man könnte widerspruchsfrei, sich ohne jegliche Restriktion auf "alles" beziehen, erscheint mir i. Ü. auch suspekt.
Paul hat geschrieben: Sa 4. Sep 2021, 10:38 nun, spätestens seit einstein ist die vorannahme, bei zeit und raum handle sich um eigenständige kategorien, der raum als leinwand, auf dem sich das weltgeschehen abspielt (zeit hier absolut gesetzt), nicht mehr ganz so trivial...will sagen, seit newton war man der festen überzeugung, die welt funktioniert wie eine uhr, von gott aufgezogen...wurde bis einstein kaum hinterfragt, das konzept

inzwischen ist es in der gruppe 1 etwas bunter geworden...bin tippfaul, sorry...hint https://de.wikipedia.org/wiki/Blockuniversum
Da müsstest du etwas konkreter werden. Die zeitliche Abfolge war ja vom Standpunkt des Schließenden gemeint. Selbst Szenarien wie bei Dark oder Los Cronocrímenes (Bootstrap-Paradox) würden daran nichts ändern.
Hiob hat geschrieben:Das Modale ist also nichts Skeptizistisches, sondern etwas Demütiges. - Dem gegenüber steht die heute überwiegende Haltung: "UNSERE Vernunft ist der Maßstab für die Entscheidung, was Wahrheit ist". - Gegen diesen Anthropozentrismus gehe ich seit langem vor - mit wenig Erfolg. - Warum (in den Worten von Spektrum):
Ich sehe das genau umgekehrt

Letztlich sind es doch folgende Dogmen:
  1. Ein X existiert oder existiert nicht. Es kann nicht auf eine bestimmte Weise existieren und auf eine andere Weise nicht existieren.
  2. "Alles" ohne Einschränkung ist sinnvoll.
  3. Dem richtigen Verständnis von "existieren" kommt Objektivität zu, indem sich "das Sein" darüber definiert. Ich verfüge mittels "Sein = Nicht-Nicht-Sein" über ein richtiges Verständnis von "Sein".
  4. Wahrheit ist das Sein. Damit ist eine Überzeugung wahr, wenn sie das Sein authentisch spiegelt. Und dieses Verständnis von Wahrheit ist für die Menschen relevant.
  5. Res extensae sind Produkt der Res cogitans oder eigene Entitäten.
  6. Unserem Denken liegen immer nicht-falsifizierbare Setzungen zugrunde.
  7. Wahrnehmung und Sein lassen sich kategorial trennen.
… ist das Demut? Eher das Gegenteil: Absolutistisch und autoritär. Mit der Keule eines absoluten "ist" wird jeder Dialog niedergeknüppelt. Man könnte ja falsch liegen!

Dass am Ende niemandem geholfen wird, da es jeden Menschen knallhart einholt, wenn er nach einem sehr viel unprätentiöseren, pragmatischen Verständnis von Wahrheit falsch liegt, ist egal. Wichtig ist doch nur, dass man sich seiner Vorannahmen bewusst ist. /ironie-off

Es hat was von "wenn es kein Brot gibt dann sollen sie Kuchen essen".
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Claymore hat geschrieben: Sa 4. Sep 2021, 18:35 Da müsstest du etwas konkreter werden. Die zeitliche Abfolge war ja vom Standpunkt des Schließenden gemeint. Selbst Szenarien wie bei Dark oder Los Cronocrímenes (Bootstrap-Paradox) würden daran nichts ändern.
verstehe nicht was unklar ist, einsteins raumzeit ist ein qualitativ anderes konzept als newtons 3d-raum, der sich entlang der zeitachse richtung zukunft bewegt...als pragmatiker kommen wir in der regel mit newton zurecht, sollten uns aber bewusst sein, dass es nur eine approximation an die wahrheit ist

beim blockuniversum fließt die zeit nicht, es ist alles schon vorhanden, auch die zukunft...daneben gibt es noch weitere auffassungen, was zeit eigentlich ist...unter anderem auch die klassische, dass sie dafür sorgt, dass nicht alles auf einmal passiert :mrgreen:
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

fiel mir gerade noch ein

moses - das gesetz ist alles
jesus - liebe ist alles
karl marx - das kapital ist alles
freud - sex ist alles

einstein - alles ist relativ

:mrgreen:
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Travis
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Travis »

Paul hat geschrieben: So 5. Sep 2021, 11:18 moses - das gesetz ist alles
Da würde ich ein "Fragezeichen" hinter setzen. Im NT wird Mose als Mann des Glaubens betont.
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