Hiob hat geschrieben: ↑Do 16. Sep 2021, 01:33Eine Abfuhr an die Wissenschafts-Gläubigkeit. Man kann heute den übelsten Quark mit der Begründung "wissenschaftlich geprüft" loslassen. Die Leute wissen einfach nicht, dass gerade in geisteswissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen das Ergebnis ein Spiegel des Modells ist und nicht der Wirklichkeit (dass beides in Überstimmung sein kann, steht nicht in Abrede).
Sicher, wenn man es schafft bei jedem Hund, den man sieht, ernsthaft zu denken “Das ist möglicherweise ONTISCH kein Hund. Sondern z. B. ein formwandelnder Außerirdischer”, dann wird man konsequenterweise auch sozialwissenschaftliche Ergebnisse als fragwürdig ansehen.
Aber geht das nicht auf etwas weniger extreme Art? Die meisten Menschen gehen nun mal so vor: “Ich sehe einen Hund, also ist da ein Hund”. Papierzweifel hin oder her,
das beeinflusst menschliches Handeln, z. B. vermeidet man, dem Hund in die Nähe zu kommen.
Reicht es nicht aus z. B. auf die Replikationskrise hinzuweisen? Warum kann man einen Hund nicht einfach einen Hund sein lassen?
Wissenschaftlich ist "Wissen", wenn eine Beobachtung zur Welt in Überstimmung mit (s)einem Modell dazu steht. Ist das Modell bescheuert, kann Wissen demgemäß inhaltlicher Blödsinn sein.
Sicherlich nicht. Überspitzt formuliert: Für jedes abstruse Modell gibt es zumindest eine Beobachtung, die damit in Übereinstimmung stehen würde. Es braucht schon “etwas” mehr. Außerdem gilt als Wissen i. S. d. Naturwissenschaft, was aus naturwissenschaftlichen Theorien gefolgert wurde. Z. B. “Proxima Centauri ist über 4 Lichtjahre entfernt”.
- Die von Dir gemeinte Definition ist eher volkstümlich - also ohne Reflexion, was eigentlich "wahr" oder "gerechtfertigt" ist.
Nun ja, es ist die von Platon.
Aber benötigt denn “wahr” eine Definition? “Wahr” ist ein seltsames Wort. Es scheint ganz überflüssig zu sein. Was sagt
“‘Die Sonne geht im Osten auf’ ist wahr.” denn bitte mehr oder was sagt es anderes aus als schlicht
“Die Sonne geht im Osten auf!”
Vielleicht gibt es das Wort “wahr” nur deshalb, weil es sonst zu
umständlich wäre bestimmte Aussagen zu machen. Wie
“Alles, was in diesem Buch steht, ist wahr!” – oder die angesprochene Definition von Wissen.
Mit “gerechtfertigt” ist es auch so eine Sache… es klingt doch vernünftig, dass Opa
weiß, dass er zwei Ohren hat. Auch wenn er über die Frage, woher er das weiß, eventuell so verdutzt ist, dass er keine Rechtfertigung dafür geben kann. D. h. es ist nicht klar, ob einem die Rechtfertigung für eine Überzeugung unbedingt bewusst sein muss.
IMHO sollte man erstmal tolerant bzgl. den verschiedenen Auffassungen sein und es bei der Definition von Wissen offen lassen, wie “wahr” und “gerechtfertigt” genau zu verstehen sind. Evtl. gibt es gängige Interpretationen, die sich mit der Definition beißen… aber das sieht man dann.
Laienhaft würde man erklären mit "das, was wirklich ist". - Siehe das Beispiel mit den Inzidenzzahlen:
1) Modellergebnis 1 = 8000
2) Modellergebnis 2 = 8500
3) "Was wirklich ist" = "alle diejenigen, die zum Stichtag x um 24:00h tatsächlich infiziert sind".
Vom gewöhnlichen, alltäglichen Verständnis würde ich dir Recht geben. Wo Uneinigkeit ist, ist (meistens) Irrtum. Aber dein Skeptizismus ist so korrosiv, dass es unmöglich ist zu glauben, dass irgendwelche Konzepte die “Wirklichkeit” zu fassen bekommen.
Wenn man mal die Extensa-Diskussion weglässt, ist es doch (wie ich bereits schrieb) der absolute Hammer, dass eine Geisteswissenschaft (Mathematik) in der Lage ist, naturwissenschaftliche Gegebenheiten so zu beschreiben, dass es in der PRaxis funktioniert, nicht wahr? - Diesen Umstand würde ich in Richtung "wohlwollender Gott" interpretieren - will heißen: Uns sind Dinge gegeben, die uns geistig die natürliche Welt beschreiben lassen.
Man kann nicht gleichzeitig (a) Gott als Garant dafür einspannen, dass wir die Welt richtig verstehen, und (b) den als vernünftig erkannten Aufbau der Welt als Argument für die Existenz Gottes anführen.
Richtig - da hat er bleibende Bedeutung. In den Naturwissenschaften war er dagegen nicht immer glücklich.
Niemand bestreitet, dass Descartes bleibende Bedeutung in der Philosophie hat. Das ist leider so. Allerdings kann man ja mal über den eigenen philosophischen Tellerrand schauen.
Homo unius philosophi timeo. Mal so rum: Eine Primzahl weiß selber nicht, dass sie eine Primzahl ist. - Descartes hätte möglicherweise gesagt, dass mathematische Phänomene ein Gedanke des "Cogito Gott" sind. - Mit fällt auch nichts besseres ein.
Auch wenn du es anfangs nicht überzeugend fandst, Augustinus hat so seinen Gottesbeweis aufgebaut (und damit den Skeptizismus überwunden). Okay, vielleicht ist das
tatsächlich wenig überzeugend…
Aber es gibt nichts, absolut nichts, das weniger überzeugend ist als dein “Glaub
einfach an einen wohlwollenden Gott!”.
Es gibt vieles, da wünschte ich mir sehr, ich könnte einfach Glauben ein- und ausknipsen wie ich wollte. Aber das geht halt nicht.
Wir müssen das, was wir "Mathematik" nennen, unterscheiden von dem, was uns ermöglicht, etwas "Mathematik" nennen zu können. - Mit anderen Worten: Das, woraus Mathematik kommt, halte ich sehr wohl für eine Entität, weil dieses eine geistliche Größe ist, die auch ohne uns existiert, also keine Erfindung des Menschen ist.
Dann gäbe es ja schon mal was außerhalb von uns selbst. Und dafür reicht Platon. Ein (falsch verstandener) Descartes ist irrelevant.
PRinzipiell schon - aber das ist eine Routine für Spezialisten. ICh kann als Außenstehender nicht oder nur sehr schwer überprüfen, ob ein Wissenschaftler bei einer Untersuchung sauber gearbeitet hat. Nur dass muss er tun, um ein sauberes systemisches Ergebnis zu erzielen.
Ja, aber du maßt dir ja auch sonst an, die erlebte Wirklichkeit von anderen Menschen einfach so komplett zu hinterfragen.
Der Unterschied zwischen gewöhnlichen / alltäglichen und wissenschaftlichen Beobachtungen ist fließend und in manchen Fällen nicht gegeben. Wenn der Biologe denkt
“Da ist ein Quastenflosser (also ist diese Spezies nicht wirklich ausgestorbenen)” oder der südafrikanische Fischer
“Da ist ein Quastenflosser, den ich fangen will” – was ist da der wesentliche Unterschied? Es gibt keinen!
Nein. Du erweckst den Eindruck, als gäbe es eine objektive Möglichkeit, etwas ontisch zu überprüfen. - Das geht doch gerade prinzipiell NICHT. - Natürlich gibt es experimentelle Überprüfungen von theoretischen Ergebnissen. Aber diese gelten doch auch nur, nachdem man (wie es Popper tut) skeptizistische Fragen von vorneherein übergeht.
Es ist nicht meine Theorie, sondern deine. Und bis jetzt kam schlichtweg nichts, was den Unterschied zwischen “ontisch falsch” und “systemisch falsch” irgendwie erklären könnte. Von daher verschmilzt ontisch offensichtlich mit systemisch in deiner Theorie, auch wenn das natürlich nicht gewollt ist.
Hier ist es nicht skeptizistisch gemeint, sondern systemisch. Vulgo: Haben die Leute sauber gearbeitet.
Und was das bedeutet, das bleibt eben unklar. Man kann es einem Wissenschaftler nicht vorwerfen, wenn irgendein Konkurrent z, B. das Voltmeter manipulierte.
Möglich ist dieses Szenario. Der Wissenschaftler selbst hat sauber gearbeitet. Aber die Ergebnisse, die auf so einem manipulierten Voltmeter basieren, dürfen nicht ernsthaft als systemisch korrekte Ergebnisse durchgehen.
Nur wo die Grenze zu ziehen ist, ist halt eben komplett unklar. Ergo: Verschmelzung.
Im theoretischen skeptizistischen Fall - richtig. - Aber hier geht es darum, dass die Modell-Ergebnisse nicht DEN Wert angeben, der tatsächlich sensu Popper der Fall ist. - Die Modell-Ergebnisse sind systemisch richtig (und übrigens auch hilfreich). Aber die Wissenschaftler wissen selber, dass es ein purer Zufall wäre, träfen sie bei einem ihrer Messungen den Wert, der zum Zeitpunkt x im Raum y der Fall ist.
Ok, d. h. wir haben noch eine dritte Kategorie neben “ontisch” und “systemisch”. Nämlich “sensu Popper”. Und was mag das heißen?
Wieso denn das? Man braucht doch Hilfsmittel - und ich halte Wissenschaft für ein unverzichtbares Hilfsmittel, weil ich glaube, dass es sie dafür gibt => wohlwollender Gott.
Jeder wird zugeben, dass er mal gewisse Überzeugungen hatte, die er jetzt nicht mehr hat. Oder dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Menschen gibt. D. h. dass Menschen nicht unfehlbar sind, dass sie Irrtümern unterliegen. Wo aber genau die Grenze zwischen “normalem Irrtum” und “Irrtum zu heftig, dass es der wohlwollende Gott zulassen würde” liegt, steht in den Sternen! (vgl. Hindus & Maya)
Abgesehen davon ist “Glauben auf Knopfdruck” generell niemals eine ernsthafte Lösung.
Echter Zweifel ist ein ganz anderes Kaliber als dieses laue “man könnte theoretisch daran zweifeln”.
Wenn jemand wirklich zweifelt, z. B. zweifelt, dass er seinen Beruf kompetent ausübt, und von diesem Zweifel gerne befreit wäre – er wird ihn nicht einfach los per Glaube-auf-Knopfdruck.
Diese ganze Philosophie Descartes’ ist also einfach nur ein erbärmliches tun-als-ob.
Diesen Satz verstehe ich rein sprachlich nicht.
“Existieren Riesenkraken wirklich?” ist schlichtweg keine Ja/Nein-Frage. Ohne Präzisierung des Begriffs “Riesenkrake” ist sie nicht seriös zu beantworten. Mindestens gehört dazu, wie groß in Metern denn eine Krake sein muss, damit sie sich als “Riesenkrake” qualifiziert.
Aber unter dem skeptischen Szenario gibt es keinen Grund zu glauben, dass unsere Konzepte nicht so verqueert sind, das egal wie sehr wir versuchen sie zu präzisieren, unsere Thesen nicht mit “ja” oder “nein” zu beantworten sind.