Hiob hat geschrieben: ↑So 13. Feb 2022, 17:34Claymore hat geschrieben: ↑So 13. Feb 2022, 15:46
Höchstens wenn man “nachgewiesen” extrem zynisch versteht – ist es das, worauf du hinaus willst?
Ja, in etwa.
Oh, ok.
- Die Substanz ist: Descartes kommt zum Ergebnis, dass auf Basis eines Gottesverständnisses die Res extensae "echt" sind. - Descartes nennt die Ergebnis-Ermittlung fälschlicherweise "Nachweise", aus meiner Sicht war es de facto "Glaube". - Egal, wie man es sieht: Das Ergebnis selber ändert sich dadurch nicht.
Er nennt sie nicht nur so, er war fest davon überzeugt davon, dass es Nachweise sind.
Du stellst das so dar, als ob Descartes gesagt hätte: Es gilt X → Y. Und da X, folgt Y.
Wobei X : “der wohlwollende Gott existiert” und Y : “die
res extensae sind echt”.
Und jetzt willst du X → Y (d. h. “wenn der wohlwollende Gott existiert, dann sind die
res extensae echt”) retten, auch wenn X nicht bewiesen werden kann.
Für mich ist es absolut grotesk, X → Y da herauszureißen. Denn was ist das schon wert?
Aber abgesehen davon: derart simpel X → Y hat Descartes sowieso nie argumentiert. Denn er hat – auch
wenn die res extensae existieren – weiterhin das Problem, dass wir durchaus unter sehr schweren Fehlern der Wahrnehmung leiden oder uns im Traum befinden können.
Descartes beschränkte sich niemals allein auf die reine, abstrakte Existenz der
res extensae.
Er musste – um seinen Ansprüchen zu genügen – zeigen, dass es möglich ist aus
“Wie weiß ich, dass ich mich – unter der Annahme die res extensae existieren – nicht dennoch jetzt im Traum befinde?” systematisch rauszukommen:
René Descartes: “Meditationes de prima philosophia” hat geschrieben:Diese Erwägung hilft mir nicht bloß, alle Irrtümer, denen meine Natur unterworfen ist, zu erkennen, sondern sie auch zu vermeiden oder zu berichtigen. Denn wenn ich weiss, dass alle Sinne in Betreff dessen, was dem Körper nützlich ist, viel öfter das Wahre als das Falsche anzeigen, und ich immer mehrere Sinne zur Prüfung der Sache verwenden kann und außerdem auch das Gedächtnis, welches das Gegenwärtige mit dem Vergangenen verbindet, und den Verstand, welcher alle Ursachen des Irrtums durchschaut, hier benutzen kann, so brauche ich nicht mehr zu fürchten, dass das von den Sinnen mir täglich Gebotene falsch sei, und jene übertriebenen Zweifel sind als lächerlich zu beseitigen. Dies gilt vorzüglich von dem wichtigsten in Betreff des Träumens, was ich von dem Wachen nicht unterscheide. Denn jetzt erkenne ich, dass beide darin sehr unterschieden sind, dass die Träume in dem Gedächtnis niemals mit den übrigen Handlungen des Lebens verbunden werden, wie es mit dem, was der Wachende erlebt, geschieht. Denn wenn mir im Wachen plötzlich Jemand erschiene und gleich wieder verschwände, wie es in den Träumen geschieht, so dass ich weder sähe, woher er käme, noch wohin er ginge, so würde ich es nicht mit Unrecht für eine bloße Erscheinung oder für ein Phantasiebild im Gehirn, aber nicht für einen wirklichen Menschen halten. Wenn ich aber von dem, was geschieht, genau bemerke, woher, wohin und wann es sich ereignet, und diese Wahrnehmungen ohne Unterbrechung mit dem ganzen übrigen Leben verknüpfe, so bin ich ganz gewiss, dass es mir nicht im Traume, sondern im Wachen begegnet. Auch brauche ich über die Wahrheit dessen selbst nicht im Mindesten zu zweifeln, wenn ich alle Sinne, das Gedächtnis und den Verstand zu der Prüfung hinzunehme und von keinem dieser mir Etwas gemeldet wird, was dem Übrigen widerspricht. Denn da Gott nicht trügerisch ist, so folgt, dass ich überhaupt in solchen Fällen nicht getäuscht werde. Da indes die Notwendigkeit des Handelns nicht immer eine solche Frist zur genauen Untersuchung gestattet, so muss man zugestehen, dass das menschliche Leben in Bezug auf die Einzelheiten oft den Irrtümern ausgesetzt bleibt, und man muss die Schwäche unserer Natur anerkennen.
Und wie wir sehen braucht er dafür
clare et distincte. Wenn der Gottesbeweis jedoch fehlschlägt, dann ist
clare et distincte als Kriterium widerlegt. Also bricht wirklich alles in sich zusammen.
Ich weiß, das ist dir egal:
Hiob hat geschrieben: ↑So 5. Dez 2021, 23:42
Und wenn es dann doch einen gibt, der Halluzinationen hat und weiße Mäuse sieht, ändert das vom Grundsatz her nichts daran.
Was ja ok ist. Aber für Descartes war so eine flapsige Antwort absolut inakzeptabel.
Was du bringst ist nicht mal mehr eine
tendenziöse Interpretation Descartes’ (Descartes-Interpretationen gibt es wie Sand am Meer aber sie bewegen sich doch in einem gewissen Rahmen). Es ist einfach deine eigene Philosophie, die vage durch Descartes inspiriert wurde.
“Hiob’s Philosophie cartesischer Art” vs. “Philosophie Descartes’” ist wie der Unterschied zwischen “Volkstümliche Musik” vs. “Volksmusik”, oder “Pesto italienischer Art” vs. “italienisches Pesto”. Behaupte nicht dauernd “Descartes hat gesagt” wenn du deine eigene Philosophie bringst. Das wäre schon mal ein Fortschritt.
S.o.: Da hat er sich objektiv geirrt (wie in manchen anderen Sachen auch). Aber dies setzt die SChlussfolgerung nicht außer Kraft.
Der Fehler ist irreparabel, er betrifft ja kein nebensächliches Detail wie die Sache mit der Zirbeldrüse.
Claymore hat geschrieben: ↑So 13. Feb 2022, 15:46
Es ist also fatal für seine Philosophie, dass ihm der Beweis nicht gelingt. Man kann nicht mit bloßem Glaube weitermachen, wo fundamental ein Beweis hingehört.
Denkfehler. - Es war doch gerade sein Fehler nicht zu erkennen, dass es in dieser Frage überhaupt keinen Beweis geben kann.
Beweise das mal.
Im Grunde SETZT er den wohlwollenden Gott, um ihn dann zu beweisen - geht nicht.
Ich finde der Fehler ist deutlich subtiler.
Denn es könnte immer noch sein, dass wir tatsächlich nur Vorstellungs-Wesen sind - glaubt zwar keiner (ich natürlich auch nicht), aber es ist logisch nicht ausschließbar. Somit ist sein "wohlwollender Gott" eine Hypothese/Arbeitsgrundlage vulgo "Glaube". - Vielleicht versteht Du meine Argumentation jetzt besser.
Wenn du den Gottesbeweis in der cartesischen Philosophie zu einem bloßen Glauben herunter-stufst, stürzt das ganze Gebäude in sich zusammen.
Davon abgesehen: Was ist nach DEINEM Verständnis an Descartes eigentlich "skeptizistisch", wenn die Res extensae "bewiesen" sind?
Danach ist er natürlich kein skeptizistischer Philosoph, denn er meinte ja den Skeptizismus überwunden zu haben.
Das lustige ist: bei Descartes war der Fehler recht subtil. Aber deine an Descartes angelehnte Philosophie kann
extrem offensichtlich den Skeptizismus nicht überwinden.
Claymore hat geschrieben: ↑So 13. Feb 2022, 15:46
Alles hängt davon ab, ob geglaubt oder bewiesen (ohne Anführungszeichen). Es gibt keinen wichtigeren Punkt.
Vielleicht für Menschen, die Wirklichkeit nur dann akzeptieren, wenn sie bewiesen ist (hört man ja in den modernen Philosophien gelegentlich). - Für mich ist das Ergebnis wichtig: Man muss die Schleife über Gott machen (egal ob per Beweis oder per Glaube), um die Res extensae als Entität sattelfest zu machen. DAS ist für mich die entscheidende Aussage.
Wenn man eh glauben muss, kann man gleich ohne Umwege an die res extensae glauben.
I. Ü. hat Descartes nie ein Argument gegeben, dass der Weg über Gott führen
muss.
Du machst aus “das ist meine Lösung” ein “das ist die einzige Lösung”.
Claymore hat geschrieben: ↑So 13. Feb 2022, 15:46
Den Beweis für die Existenz der Seele findet man in der sechsten Meditation. Da ist das mit dem wohlwollenden Gott schon längst alles passiert.
EBEN!!! - Sobald das passiert ist, kann man Wahrheiten präsentieren, die ohne diesen Einbezug Gottes präsentieren könnte.
Ja, eben. Der Beweis von der Existenz der Seele findet sich in der sechsten Meditation, wo das alles schon passiert ist.
Wenn Hollendung sich hier auf eine frühere Phase bezieht, macht er also einen Fehler. Oder er bezieht sich eben schon auf die sechste Meditation und du hast ihn falsch verstanden.
Claymore hat geschrieben: ↑So 13. Feb 2022, 15:46
Wenn damit gemeint ist: es ist vorstellbar, dass ich ohne meinen Körper existiere, ist das ok. Aber mehr nicht.
Das IST mehr. - Denn VOR der Einbeziehung Gottes und Ableitungen daraus, könnte es sein, dass alle Res extensae reine Vorstellung sind.
Ja, natürlich. Aber beim Beweis für die Existenz der Seele ist das kein Thema mehr.
Es kann ja. Aber kategorial sind das zwei Paar Stiefel. - Mathematik ist ein System, mit dem man erfahrungsgemäß Dinge beschreiben kann, die in dem, was man "Wirklichkeit" nennt, funktionieren - SOWEIT es eine Wirklichkeit gibt, die zur Mathematik passt. - Konkret: Es ist möglich, mit Expotentialzahlen von meinetwegen 12.000 zu rechnen, selbst wenn es dazu keine (Res-extensa-)Wirklichkeit gibt.
Überm Daumen würde ich sagen, dass Mathematik eine Geisteswissenschaft ist (Res cogitans), deren Ergebnisse auf Res-extensa-Ebene funktionieren, soweit diese Ebene bezüglich der mathematischen Aussage besetzt ist.
Es ging einfach darum, warum all deine metaphysischen Ausführungen hier nicht auch ontisches Wissen sind.
Du schüttelst das alles
a priori aus dem Ärmel und meinst doch, dass es sich auch wirklich so verhält. Also dass es z. B. kein (an Platon angelehntes) Ideenreich gibt, in der die Zahl 7 an sich “ontisch” existiert.
Eine Minute vorher hieß es aber noch “Nur das Cogito ist ontisches Wissen”.
In einem der vorausgegangen Beiträge meintest du sogar “Dass der Mond nicht aus Käse ist, ist ontisches Wissen”.
Mir scheint “ontisch” keine klare Bedeutung zu haben.