stereotyp hat geschrieben: ↑Sa 19. Feb 2022, 21:36
Könntest du das für mich im Hinblick auf unsere Diskussion (hier) vielleicht etwas ausführen?
Magst du nur christliche Gruppierungen nicht gegeneinander abwägen, oder wägst du grundsätzlich nicht ab. Machst du es nicht, weil du nicht weißt woran du etwas messen solltest, oder weil du niemandem auf die Füße treten möchtest (siehst also großmütig über die Unzulänglichkeiten hinweg)?
Naja. Zuerstmal bin ich der Überzeugung, und das empfinde ich auch so, dass jede Religion gebührenden Respekt verdient, unbedingt, auch jeder Glaube, was auch immer es ist. So, wie ich mir wünsche, dass auch mein Glaube respektiert wird. (Was überhaupt nicht der Fall ist, aber egal.) So will ich natürlich auch jedem anderen Glauben Respekt entgegenbringen. Jeder ist von sich überzeugt, das muss ich ihm belassen, andernfalls wäre das wie ein Angriff, eine Abwertung, das geht einfach nicht.
Sicher habe ich meine Maßstäbe und ordne und bewerte Religionen entsprechend ein - für mich selbst. Das ist aber meine Sache, das ist nichts, worauf ich bestehe, es ist subjektiv, es ergibt sich von selbst und soll und darf niemals Ursache von Auseinandersetzungen sein. Was ich glaube und für wahr und richtig halte, das kann und darf ich äußern, vermitteln, auch anderen nahelegen auf eine freundliche, respektvolle Art, die Freiheit respektierend. Niemals aber steht es mir zu, auf Gläubige herabzuschauen oder sie mit erhobenem Zeigefinger zurecht zu weisen.
Abwägen tu ich aber nicht. Eine Religion ist, was sie ist. Ein Glaube ist, was er ist. Und ich will alles so sehen, wie es ist. Nichts anderes. Demut muss sich auch im Glauben und der Glaubenspraxis ausdrücken, spiegeln, wiederfinden. Demut bedeutet zB sich vor jedem anderen Glauben zu verneigen, nicht in dem Sinne, ihn anzunehmen, sondern einfach ihm gebührenden Respekt zu erweisen. Für die Sikhs ist der Adi Granth ein heiliges Buch. Für die Christen ist es die Bibel, für Muslime ist es der Koran. Religiöse Gefühle Gott gegenüber sind im Grunde immer gleich oder ähnlich, da ist einmal die Ehrfurcht und dann die Liebe oder Sehensucht. Worin liegt der Unterschied zwischen einem Christen, der den Rosenkranz betet und einem Hindu, Moslem, Buddhisten, der die Mala betet? Sie alle haben nur eines im Sinn: Den höchsten Gott zu erreichen, sich ihm zu nähern, ihm zu gefallen, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Empfindungen unterscheiden sich kaum. Alle empfinden das, was sie tun, als heilig. Empfinden ihre Schriften als heilig, ihre Religionsstifter als heilig. Als Mensch und Bruder aller Menschen muss ich das nachempfinden, muss darin meine eigene Suche und Sehnsucht nach Gott wiedererkennen. Bei allen Unterschieden, die es gibt, verneigen wir alle uns doch immer nur nach dem einen, der der Höchste ist.
stereotyp hat geschrieben: ↑Sa 19. Feb 2022, 09:23
Sicher. Aber dass das bei bei den östlichen Traditionen anders ist, liegt nicht etwa darin, dass man den Willen Gottes besser kennen würde. Sondern weil Gottes Wille in diesen Mysterien völlig belanglos ist. Gott ist dort entweder völlig unpersönlich und hat an der Welt so viel Interesse wie das Universum an Pluto, oder er ist der Opa mit Rauschebart (oder neuerdings eine beleibte Afro-Amerikanerin), der einfach nur will, dass jedermann auf seine Weise glücklich ist.
Da gibt es keine Regeln, die irgendeinen Unterschied machen würden. Und genau das ist es, was es heute so attraktive macht. Man denkt nicht mehr darüber nach, sondern es fühlt sich einfach gut an.
Der Wille Gottes ist überall ein Thema, in jeder Religion. Vieles wird über Gott gesagt, wer oder was er ist, was er will und was nicht. Ein Sikh will Gott genauso gefallen wie ein Jain oder eben ein Christ. Der Muslim will sich auch dem Willen Gottes unterwerfen - um nichts anderes geht es. Und Gott hat in allen Religionen riesiges Interesse an den Menschen. Übrigens auch in so vielen esoterischen Lehren und vor allem in der Spiritualität und Mystik, wo das Ziel die Unio Mystico mit dem Vater ist, so wie es auch in der Bibel steht. "Ich und mein Vater sind eins."
Der Kult um Meister und Avatare ist im Westen nicht begreiflich, er wird grundsätzlich missverstanden. Opa mit Rauschebart - viele Meister und Heilige sind nun mal gealterte Männer, die ihren Bart wachsen lassen. Also wird Gott mit ihnen assoziiert. Aber es ist nicht so, dass die Menschen glauben, dass Gott so aussieht, wie ein alter Mann mit Rauschebart. Wohl aber kann er sich einem gläubigen Menschen so zeigen. Das ist aber nur eine Form. Gott ist eine Kraft, die jede Form annehmen kann.
Du schreibst, Gott wäre unpersönlich. Dabei denkst Du vielleicht an den Buddhismus. Auch Buddhismus wird unterschiedlich verstanden. Sie sagen, da ist nichts, aber dieses Nichts ist in Wirklichkeit alles, nur eben nichts, was wir kennen oder was Teil dessen ist, was wir uns denken oder vorstellen können. Ich glaube schon, dass es im wahren Buddhismus den einen Gott gibt. Es gibt auch eine sehr schöne Beschreibung Gottes von Alexander Eben, wie er ihn in seiner Nahtoderfahrung erlebt hat. Er berichtet, dass er "im Zentrum" immer den Klang "OM" hörte. Da könnte man auch wieder sagen, dass das der Gott der Hindus und sogar der Buddhisten ist, wo OM als heilige Silbe gilt. OM - das ist der Klang ohne Ursprung, der ewig tönende Klang Gottes, ohne Ursache, aus sich selbst heraus bestehend und fortbestehend. Was Alexander Eben uns über diesen Gott berichtet, zeigt aber alles andere als einen "unpersönlichen" Gott, der sich nicht für uns interessiert. Das Gegenteil ist der Fall!
Eben Alexander, Blick in die Ewigkeit, Kapitel 9 "Das Zentrum"
»Om« war der Klang, den ich im Zusammenhang mit dem allwissenden, allmächtigen und bedingungslos liebenden Gott gehört hatte, aber jede Beschreibung von ihm greift zu kurz. ...... Das Wechselspiel aus Fragen und Antworten wurde fortgesetzt. Obwohl wir nach wie vor nicht in Form einer Sprache, wie wir sie kennen, kommunizierten, war die »Stimme« dieses Wesens warm und – ich weiß, das mag seltsam klingen – persönlich. Es verstand die Menschen und verfügte über Eigenschaften, die wir auch haben, nur in einem unendlich größeren Ausmaß. Es kannte mich in- und auswendig und sprudelte über vor Eigenschaften, die ich mein ganzes Leben lang mit menschlichen Wesen – und nur mit menschlichen Wesen – in Verbindung gebracht hatte: Wärme, Mitgefühl, Pathos … ja, sogar Humor und Ironie.
Es fühlt sich nicht unbedingt oder "einfach nur" gut an. In allen Religionen sind die Gläubigen gefordert in vielerlei Hinsicht. Sie müssen etwas tun, sie müssen sich anstrengen und das fühlt sich oftmals alles andere als gut an. In allen Religionen gelten hohe moralische Standards, gibt es diverse Gebote und Verbote. Natürlich gibt es auch eine Säkularisierung, eine Verwässerung, Spaltung, wohin man auch schaut.
Die Suche nach Gott drückt sich auf vielfältige Weise aus, so wie wir es in den Religionen und vielen unterschiedlichen Lehren sehen können. Meine Beobachtung ist, dass keine Religionszugehörigkeit eine Garantie für irgendetwas ist. Auch ein esoterischer oder spiritueller Weg bedeutet erstmal nichts, er kann scheitern, er kann in die Dunkelheit führen oder eben ins Licht. Für mich ist es so: Die Schöpfung besteht aus vielen Ebenen und der Weg zu Gott führt uns durch diese Ebenen. Und da kann man auch auf einer Zwischenstation landen.
Angenommen, der wahre Christ darf ans letzte, höchste Ziel. In Ordnung, das ist wunderbar. Aber vielleicht gibt es ja noch etwas zwischen der Dunkelheit und dem höchsten Ziel, etwas das nicht so licht ist aber auch nicht mehr dunkel. Vielleicht etwas sehr sehr hohes, nur eben vielleicht noch nicht das Allerhöchste. Was macht es für einen Sinn, auf dem Höchsten zu beharren und alles andere in die Dunkelheit zu verdammen? Viele Menschen können und wollen keine Christen sein. Sind aber dennoch Gott zugeneigt. Sollen sie lieber ein weltliches Leben führen, weltlich denken und nichts glauben? Warum sollte es nicht auch noch andere, gute Glaubensrichtungen geben, die den Menschen vielleicht nicht ans Ziel bringen aber doch nach oben führen, heraus aus der Dunkelheit? Und warum sollte man das den Menschen schlecht reden oder gar ausreden? Wenn jeder Mensch einer der Weltreligionen angehören und ihr wahrhaftig folgen würde, hätten wir dann noch Probleme auf Erden? Nein! Dann hätten wir den Weltfrieden schon.