Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Philosophisches zum Nachdenken
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 13:55 seh schon, du hast dich für die idealisten entschieden
Für BEIDES. - Das eine ist Orientierung, das andere ist Arbeitsebene.
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Do 17. Feb 2022, 23:56Was Descartes macht, ist trotzdem "Ad maiorem gloriam Dei". Oder meinst Du nicht?
Möglicherweise. Sein Gottesbild ist dennoch nicht meines, nicht das seiner Zeitgenossen und auch nicht christlich. Mir erscheint es primär deistisch.
Ich auch nicht. - Ehrlich - ich suche immer noch den EINEN Satz, der unsere verschiedenen Ansätze erklärt.
Wir sind uns darin einig, dass Descartes den Skeptizismus respektierte aber seine eigene Philosophie anti-skeptizistisch war.

Ja?

Nun aber zur Bedeutung von “respektieren”: Wer den Skeptizismus respektiert, wird niemals meinen, ihn bloß durch Glauben überwinden zu können.

Diese Vorstellung ist doch völlig absurd. Glaube ist keine Antwort auf Skeptizismus – niemals.

Eine respektlosere Antwort als eine, die sich auf Glaube beruft, kann es auf skeptische Fragestellungen nicht geben.

Wer so antwortet, der respektiert den Skeptizismus eben nicht und hat ihn auch niemals respektiert.

Ergo: Descartes war entweder unaufrichtig, oder für ihn war es zentral, eine Antwort geben zu können, die nicht auf Glaube basiert.

Eben genau das lehnst du ab. Das ist der fundamentale Unterschied wie wir Descartes auffassen.
Diesen Eindruck hatte ich eher nicht. - An der Uni Frankfurt wurde Descartes als Vorbote des Materialismus gefeiert - das galt als schick. - Umgekehrt konnte man Vorträge hören, die sich gegen diesen Mainstream verwahrten. Das scheint abzuhängen von der Grundhaltung des Lesers.

Das kennt man übrigens auch bei Kant: Die einen sehen ihn als Vorläufer von Materialismus/Existenzialismus/Naturalismus - andere (u.a. ich) sehen ihn als Vorbereiter der Romantik (wenn man Romantik nicht "romantisch" versteht). --- Oder Hegel: Die einen sehen ihn als Urvater der atheistischen Dialektik, die anderen als höchste intellektuelle Rechtfertigung des Christentums.

Warum erwähne ich dies? - Weil ich glaube, dass wirklich große Philosophen Dinge sagen, deren Reichweite sie selber nicht im Griff haben (das ist übrigens bei Komponisten ähnlich). - Das führt zur Frage: Was ist DEINE Grundlage, aus der Du Descartes interpretierst?
Du nennst deine Grundlagen doch selbst nicht. Du verweist nur auf irgendwelche Feuilleton-Artikel, Vorlesungen, Seminarvorträge, Bayern-Alpha-Sendungen, “vor vielen Jahren”, wo durch die Bank nicht überprüfbar ist, was da tatsächlich gesagt wurde.

Ich würde mich schon wundern, wenn in einem einigermaßen seriösen “Kanal” jemand behaupten würde, dass Antworten auf skeptizistische Probleme, die sich auf den Glauben berufen, auch nur im weitesten Sinne in Descartes’s Philosophie enthalten waren.

Dass man meint, Descartes wäre der Vorläufer des Materialismus, das kann ich verstehen. Aber bloß im Sinne der ideengeschichtlichen Abfolge. Als Interpretation wäre das schlicht falsch: Descartes’s Philosophie ist eindeutig dualistisch.

Aber ja, zumindest die Welt dachte Descartes nun mal materialistisch, mechanistisch – eines der größten Probleme, die ich mit Descartes habe! Mit der einzigen Ausnahme des menschlichen Geistes – also auch sehr anthropozentrisch!

Es ist dennoch nach seiner Theorie konsistent. Jedoch war es nur eine Frage der Zeit, bis weniger präzise, weniger disziplinierte Denker, die materialistisch gedachte Welt eben diesen Geist, der doch sie (die Welt) überhaupt erst materialistisch denken konnte, verschlucken ließen.

Im Sinne von “die Geister, die ich rief” ist Descartes Vorläufer des Materialismus, bestimmt!

Derart verstanden, d. h. als bloßer Anstoß, als Inspiration durch Fehlinterpretation, mag ja Descartes der Vorläufer der modernen Schule der “reformierten Epistemologie” sein. Denn als das klassifiziere ich grob deine Einlassungen hier – ich weiß nicht ob du Plantinga kennst.

Offensichtlich kann jemand Inspiration für etwas sein, das er selbst zu Lebzeiten auf schärfste abgelehnt hätte.

Aber ok, so verwunderlich ist das nicht.

Antwort auf die an mich gerichtete Frage: Die Interpretation von Descartes ist erst mal meine eigene Interpretation.

Wohl wäre es eine bessere Verwendung meiner Zeit, Descartes nochmal zu lesen anstatt diese Posts (die immer noch voller Dreiviertelswissen sind) zu verfassen. Aber der Mensch ist manchmal unvernünftig. Und das gleiche gilt für dich!

Es gibt aber tatsächlich Interpretationen, die mir voll aus der Seele sprechen, z. B. die von Keiji Nishitani: “Das Ich des modernen Menschen ist ein Ich vom kartesianischen Typus, das sich selbstbewusst als etwas konstituiert, das gegen und über der Welt und allem, was in ihr ist, steht.”

Oder von Donald Crosby: Descartes als Vorbote des Nihilismus (“The Specter of the Absurd”).

Am meisten überwiegen jedoch die umweltethischen und antispeziesistischen Auseinandersetzungen mit Descartes. Denn was gibt es da noch herumzudeuteln? Tiere: wertlos, Umwelt: wertlos, Materiewüste – das ist Descartes.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Wir sind uns darin einig, dass Descartes den Skeptizismus respektierte aber seine eigene Philosophie anti-skeptizistisch war.

Ja?
Unterm Strich ja. - Ich würde vertiefend hinzufügen, dass Descartes den Skeptizismus thematisiert, um ihn zu überwinden.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Glaube ist keine Antwort auf Skeptizismus – niemals.
Doch. Denn wenn erkennbar wird, dass die Grundlage des Skeptizismus prinzipiell nicht falsifizierbar ist, bleibt einem nichts anderes übrig.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Du verweist nur auf irgendwelche Feuilleton-Artikel, Vorlesungen, Seminarvorträge, Bayern-Alpha-Sendungen, “vor vielen Jahren”, wo durch die Bank nicht überprüfbar ist, was da tatsächlich gesagt wurde.
Klar - man schreibt da nicht mit, weil man nach Jahrzehnten oder Jahren oder Monaten noch mal genaue Quellenangaben bräuchte. - Du hast richtig erkannt, dass ich da lässig bin. Bei wissenschaftlichem Arbeiten geht das natürlich nicht, aber wenn es rein um Inhalte geht, meine ich schon, dass es geht. Und zwar deshalb, weil es mir gar nicht so sehr drum geht, was Descartes GEMEINT hat (das natürlich auch), sondern was er BEDEUTET. - Wie bereits erwähnt: Hegel hat meines Wissens nicht an marxsche Fortführung seiner Dialektik gedacht, wie er sich auch nicht primär als Metayphysiker verstanden hat (oder doch?), sondern als "Diesseitler". - Trotzdem wurde aus ihm Marx möglich, und trotzdem bietet seine Dialektik, wenn man sie vertikal aufrichtet, eines der besten Erklärungs-Modelle für das Verhältnis von Gott und Mensch. Dasselbe gilt übrigens auch für Heidegger bei seiner Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem.

Auf Descartes bezogen: Sein "Cogito e(r)go sum" und seine Ausführungen zu Res cogitans und Res extensae führen automatisch, wenn nicht durch ihn, dann durch andere, zum Ergebnis, dass man (s.o.) Grundlagen glauben muss, weil man sie ab einer gewissen Tiefen nicht mehr verifizieren/falsifizieren kann.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Descartes’s Philosophie ist eindeutig dualistisch.
So nennt man das. - Ich frage mich allerdings, ob man von "Dualismus" sprechen kann, wenn die Gegenspieler in unterschiedlichen Dimensionen spielen. - Persönlich verstehe ich die weltliche Wahrnehmung als Ableitung der geistlichen Wahrnehmung und nicht als Gegenspieler (nur EIN Beispiel).
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Im Sinne von “die Geister, die ich rief” ist Descartes Vorläufer des Materialismus, bestimmt!
Zustimmung. - Das nennt man "Kollateralschaden".
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Aber ja, zumindest die Welt dachte Descartes nun mal materialistisch, mechanistisch – eines der größten Probleme, die ich mit Descartes habe! Mit der einzigen Ausnahme des menschlichen Geistes – also auch sehr anthropozentrisch!
Rein praktisch gefragt: Wie kann die Welt NICHT materialistisch sein, so weit sie keinen Geist hat? Beseelt ist sie ja christlicherseits, aber halt nicht begeistet, oder wie siehst Du das?
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 “Das Ich des modernen Menschen ist ein Ich vom kartesianischen Typus, das sich selbstbewusst als etwas konstituiert, das gegen und über der Welt und allem, was in ihr ist, steht.”
Auf den modernen Menschen passt das. - Bei Descartes gibt es eine Aporie: Wie kann man NICHT das sein, was Du hier "anthropozentrisch" nennst, wenn es als göttliche Anweisung "Macht Euch die Erde untertan" gibt sowie der Mensch als Einziger "ebenbildlich" (alias mit ich-bewusster und gott-erfragungsfähiger Ausstattung) genannt wird? - Mir ist nach wie vor schleierhaft, wie man "Geist sensu Geistlichkeitsbefähigung" allein aus der evolutionären Weiterentwicklung der Trockennasenaffen definieren kann.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 20:26
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Wir sind uns darin einig, dass Descartes den Skeptizismus respektierte aber seine eigene Philosophie anti-skeptizistisch war.

Ja?
Unterm Strich ja. - Ich würde vertiefend hinzufügen, dass Descartes den Skeptizismus thematisiert, um ihn zu überwinden.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 Glaube ist keine Antwort auf Skeptizismus – niemals.
Doch. Denn wenn erkennbar wird, dass die Grundlage des Skeptizismus prinzipiell nicht falsifizierbar ist, bleibt einem nichts anderes übrig.
Ich denke, darüber werden wir uns nicht einig werden…

Das ist für mich absolut, 100%, fundamental falsch.

Respektiert man den Skeptizismus und erkennt, dass er prinzipiell nicht widerlegbar ist, dann bleibt als einzige Konsequenz der Skeptizismus.

Was denn auch sonst?

Da müsste schon ein verdammt gutes Argument von dir kommen.

Tatsächlich kommt aber nichts.
Klar - man schreibt da nicht mit, weil man nach Jahrzehnten oder Jahren oder Monaten noch mal genaue Quellenangaben bräuchte. - Du hast richtig erkannt, dass ich da lässig bin. Bei wissenschaftlichem Arbeiten geht das natürlich nicht, aber wenn es rein um Inhalte geht, meine ich schon, dass es geht. Und zwar deshalb, weil es mir gar nicht so sehr drum geht, was Descartes GEMEINT hat (das natürlich auch), sondern was er BEDEUTET.
Viele Interpretationen der Bedeutung von Descartes haben ihre Berechtigung, aber das heißt nicht, dass es nicht auch falsche Interpretationen gibt. In dem Sinne wäre es schon interessant, was in den Originalquellen, aus denen du deine Meinung zu ziehen meinst oder die dich scheinbar in dieser bestätigen, tatsächlich zu finden ist.
- Wie bereits erwähnt: Hegel hat meines Wissens nicht an marxsche Fortführung seiner Dialektik gedacht, wie er sich auch nicht primär als Metayphysiker verstanden hat (oder doch?), sondern als "Diesseitler". - Trotzdem wurde aus ihm Marx möglich, und trotzdem bietet seine Dialektik, wenn man sie vertikal aufrichtet, eines der besten Erklärungs-Modelle für das Verhältnis von Gott und Mensch. Dasselbe gilt übrigens auch für Heidegger bei seiner Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem.

Auf Descartes bezogen: Sein "Cogito e(r)go sum" und seine Ausführungen zu Res cogitans und Res extensae führen automatisch, wenn nicht durch ihn, dann durch andere, zum Ergebnis, dass man (s.o.) Grundlagen glauben muss, weil man sie ab einer gewissen Tiefen nicht mehr verifizieren/falsifizieren kann.
Ok, gut. Das mag ich akzeptieren. Also dass du Descartes so “interpretierst” wie Marx nun Hegel (“er hat Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt” – war nicht so oder ähnlich das Friedrich-Engels-Zitat?).
So nennt man das. - Ich frage mich allerdings, ob man von "Dualismus" sprechen kann, wenn die Gegenspieler in unterschiedlichen Dimensionen spielen. - Persönlich verstehe ich die weltliche Wahrnehmung als Ableitung der geistlichen Wahrnehmung und nicht als Gegenspieler (nur EIN Beispiel).
Geist – Materie. Zwei Substanzen. Mehr ist mit Dualismus hier nicht gemeint.
Rein praktisch gefragt: Wie kann die Welt NICHT materialistisch sein, so weit sie keinen Geist hat? Beseelt ist sie ja christlicherseits, aber halt nicht begeistet, oder wie siehst Du das?
Oh je – ich habe geschrieben “materialistisch, mechanistisch”.

Traditionell bedeutet immateriell: nicht-korrumpierbar, existierend als unzerstörbare, ewige Essenz; in der Substanz nicht dem ewigen Wandel unterworfen.

Die menschliche Seele wurde im Westen (und auch in Indien) in diesem Sinne immateriell gedacht – die Welt jedoch materiell.

Aber wenn wir heute von Materialismus sprechen, so verstehen wir darunter doch nicht irgendwelche uralten Schulen wie Charvaka, Epikureismus, o. ä., die nur eben diese These ablehnen.

Wir verstehen darunter: es gibt nichts, was nicht letztlich durch die Physik analysierbar wäre (auch “nicht-materielles” [Anführungszeichen!] im Sinne von Energie, Wellen, Feldern, …). Die Abläufe im Universum werden durch rein beschreibende, nicht-teleologische (mathematische) Gesetze vollständig bestimmt.

Rein auf theoretischer Ebene sind die alten materialistischen Schulen, die keine Aussage darüber machten ob die Materie sich nun mechanistisch verhält oder nicht, weit weniger angreifbar als die modernen.

Entgegen aller Vorurteile ist philosophisch gesehen also der traditionelle Materialismus ein respekteinflößender Gegner. Aber der moderne Materialismus hat den wirklich gigantischen rhetorischen Vorteil, dass er unsinnigerweise mit der Naturwissenschaft selbst vermischt wird.

Also präzisiert: zwar wurde (im Westen) die Welt meist materiell gedacht, aber doch nicht im modernen Sinne, d. h. rein mechanistisch.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 19:30 “Das Ich des modernen Menschen ist ein Ich vom kartesianischen Typus, das sich selbstbewusst als etwas konstituiert, das gegen und über der Welt und allem, was in ihr ist, steht.”
Auf den modernen Menschen passt das. - Bei Descartes gibt es eine Aporie: Wie kann man NICHT das sein, was Du hier "anthropozentrisch" nennst, wenn es als göttliche Anweisung "Macht Euch die Erde untertan" gibt sowie der Mensch als Einziger "ebenbildlich" (alias mit ich-bewusster und gott-erfragungsfähiger Ausstattung) genannt wird? - Mir ist nach wie vor schleierhaft, wie man "Geist sensu Geistlichkeitsbefähigung" allein aus der evolutionären Weiterentwicklung der Trockennasenaffen definieren kann.
Ich mag diese Etikettierungen à la “das ist anthropozentrisch” überhaupt nicht und habe damit – ehrlich gesagt – nur angefangen als eine Art Kontrapunkt zu deinen andauernden Etikettierungen.
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 23:04 Respektiert man den Skeptizismus und erkennt, dass er prinzipiell nicht widerlegbar ist, dann bleibt als einzige Konsequenz der Skeptizismus.
Das sehe ich wirklich anders. - Das beginnt damit, dass "Widerlegen" immer eine systemische Größe ist (ohne Modell keine Widerlegung). - Nun erwische ich mich ja auch zu sagen, dass Descartes nachgewiesen habe, dass man streng genommen mit dem eigenen Cogito prinzipiell nicht nachweisen könne, ob etwas außerhalb des Cogito eigene Entität sei oder Vorstellung des Cogito. - Selbstkritisch würde ich sagen: Es kann Dinge jenseits der Logik geben, die diesen Nachweis (nach menschlichem Vermögen) kippen. - Aber ich glaube es halt nicht und habe überhaupt keine Lust, meine Zweifel bis ins Unendliche zu pflegen. - Es gibt einfach einen Punkt, wo der Mensch zu schwach ist, um alles zu Ende zu denken.

Des weiteren: Nein - Glaube schlägt Skeptizismus. - Ich kann logisch nicht ausschließen, dass Gott etwas Böses ist und mir deshalb meine Sinne so verwirrt, dass ich Wirklichkeit gar nicht wahrnehmen kann. - Weil ich es nicht ausschließen kann, bleibt ein Rest an Risiko, also Platz für Skeptizismus. - Der Glaube schiebt aber diesen Skeptizismus weg - mit entsprechender Begründung.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 23:04 Viele Interpretationen der Bedeutung von Descartes haben ihre Berechtigung, aber das heißt nicht, dass es nicht auch falsche Interpretationen gibt.
Bestimmt. - Die Frage ist: "Falsch" in Bezug auf was? - Auf das, was er selber GEMEINT hat, oder auf das, was es BEDEUTET, wenn man es weiterdenkt? - Unabhängig davon: Ja, es gibt sicherlich falsche Verständnisse. ---- Ich vermute, dass das Denken der Zeit, in der interpretiert wird, eine noch größere Rolle spielt, als ich vermutet habe.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 23:04 Geist – Materie. Zwei Substanzen. Mehr ist mit Dualismus hier nicht gemeint.
Es wird aber auch heute ständig missverstanden. Dazu eine Frage: Ist eine 3D-Kugel dualistisch zu einer 2D-Kreisfläche? Nach meinem Denken, nein.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 23:04 Wir verstehen darunter: es gibt nichts, was nicht letztlich durch die Physik analysierbar wäre (auch “nicht-materielles” [Anführungszeichen!] im Sinne von Energie, Wellen, Feldern, …).
Schon klar. Aber was hat dies mit "Geist sensu metaphyisch" zu tun? - Die Ausweitung der Physik auf nicht-haptische physische Phänomene wie Wellen, etc. ändert doch nichts an der kategorialen Trennung von Physik und Metaphysik.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 23:04 Aber der moderne Materialismus hat den wirklich gigantischen rhetorischen Vorteil, dass er unsinnigerweise mit der Naturwissenschaft selbst vermischt wird.
Ja. - Es gab auch in Threads schon Überraschung darüber, warum manche Menschen (zu denen ich gehöre) Naturwissenschaft und Naturalismus kategorial trennen. - Aber das ist halt die neue Religion: Es gibt nichts, was nicht letztlich durch die Physik analysierbar wäre. - Falsch.
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 23:04 Ich mag diese Etikettierungen à la “das ist anthropozentrisch” überhaupt nicht und habe damit – ehrlich gesagt – nur angefangen als eine Art Kontrapunkt zu deinen andauernden Etikettierungen.
Unter Anthropozentrismus verstehe ich nicht "Etwas wird vom Menschen gemacht oder gedacht", sondern "Der Mensch macht sich QUALITATIV zum Mittelpunkt" - siehe: Es gibt nichts, was nicht letztlich durch die Physik analysierbar wäre.

SChwierig zu erklären ist es in der Tat beim Thema "Ebenbildlichkeit". - Da soll nach christlicher Lehre also nur der Mensch "ebenbildlich" sein, ohne anthropozentrisch zu sein. - Letztlich löst sich dies auf, wenn man den eigenen Willen/den Selbstbezug aufhebt (Hegel) in "Dein Wille geschehe".
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Mo 21. Feb 2022, 00:24
Claymore hat geschrieben: So 20. Feb 2022, 23:04 Respektiert man den Skeptizismus und erkennt, dass er prinzipiell nicht widerlegbar ist, dann bleibt als einzige Konsequenz der Skeptizismus.
Das sehe ich wirklich anders. - Das beginnt damit, dass "Widerlegen" immer eine systemische Größe ist (ohne Modell keine Widerlegung). - Nun erwische ich mich ja auch zu sagen, dass Descartes nachgewiesen habe, dass man streng genommen mit dem eigenen Cogito prinzipiell nicht nachweisen könne, ob etwas außerhalb des Cogito eigene Entität sei oder Vorstellung des Cogito. - Selbstkritisch würde ich sagen: Es kann Dinge jenseits der Logik geben, die diesen Nachweis (nach menschlichem Vermögen) kippen. - Aber ich glaube es halt nicht und habe überhaupt keine Lust, meine Zweifel bis ins Unendliche zu pflegen. - Es gibt einfach einen Punkt, wo der Mensch zu schwach ist, um alles zu Ende zu denken.
So einen Nachweis hat er ja nie geliefert – genau das Gegenteil ist der Fall. Deine 180°-Umdeutungen musst du schon als solche kennzeichnen und nicht mit “Descartes hat …” einleiten.

Im letzteren Fall ist es nämlich eine Interpretation und die ist hier nun mal schlicht falsch, was an zahllosen Textbeispielen gezeigt wurde.

Tatsächlich entwickelt Descartes seine skeptischen Szenarien und stellte dann seine eigene Lösung (nach seiner Meinung im Rahmen zwingender Logik) dar um diese zu überwinden. Ob es auch andere Lösungen geben könnte, dazu äußerte er sich überhaupt nicht.

Vielleicht meinte er das, aber einen Beweis, dass es nur seine Lösung gibt und sonst keine, der findet sich nirgends. Als Beweis müsste er ja einigermaßen explizit dargelegt sein.

Und selbst wenn wir nun zugeben, dass wir bis jetzt keine logische Widerlegung gefunden haben, beweist das noch lange nicht, dass es keine geben kann.
Des weiteren: Nein - Glaube schlägt Skeptizismus. - Ich kann logisch nicht ausschließen, dass Gott etwas Böses ist und mir deshalb meine Sinne so verwirrt, dass ich Wirklichkeit gar nicht wahrnehmen kann. - Weil ich es nicht ausschließen kann, bleibt ein Rest an Risiko, also Platz für Skeptizismus. - Der Glaube schiebt aber diesen Skeptizismus weg - mit entsprechender Begründung.
Das ist zu wenig. Viel zu wenig. Wer diese skeptischen Szenarien in irgendeiner Form respektiert, der muss allemal skeptisch bzgl. der Existenz Gottes sein.

Mir scheint die generelle Stoßrichtung, dass du eine Art tu-quoque-Argument konstruieren willst, der Sorte “Jeder Mensch braucht eine Glaubensgrundlage, und meine ist halt Gott”. Das ist nichts neues und wohl auch das langweiligste und dürftigste Manöver was diesbzgl. möglich ist.

Keinen Menschen überzeugt das. Niemanden. Es dient allein nur dazu, sich in eine dialektische Position zu bringen aus der einen kein direktes Argument verdrängen kann. D. h. ums bloße Recht behalten.
Bestimmt. - Die Frage ist: "Falsch" in Bezug auf was? - Auf das, was er selber GEMEINT hat, oder auf das, was es BEDEUTET, wenn man es weiterdenkt? - Unabhängig davon: Ja, es gibt sicherlich falsche Verständnisse. ---- Ich vermute, dass das Denken der Zeit, in der interpretiert wird, eine noch größere Rolle spielt, als ich vermutet habe.
Naja, das werden sie ja hoffentlich gesagt haben, ob sie Descartes nur Interpretieren oder seine weitere Bedeutung darüberhinaus analysieren. Aber da nichts davon überprüfbar ist, kann man rein gar nichts mehr dazu herausfinden.
Es wird aber auch heute ständig missverstanden. Dazu eine Frage: Ist eine 3D-Kugel dualistisch zu einer 2D-Kreisfläche? Nach meinem Denken, nein.
:?:
Schon klar. Aber was hat dies mit "Geist sensu metaphyisch" zu tun? - Die Ausweitung der Physik auf nicht-haptische physische Phänomene wie Wellen, etc. ändert doch nichts an der kategorialen Trennung von Physik und Metaphysik.
Gemeint war damit: Materialismus ist ur-alt. Descartes kann in diesem Sinne nicht der Vorbote von etwas sein, was längst da war.

Im Sinne des mechanistischen Physikalismus macht es eher Sinn Descartes da als Vorboten zu interpretieren; der war eine moderne Entwicklung.
Unter Anthropozentrismus verstehe ich nicht "Etwas wird vom Menschen gemacht oder gedacht", sondern "Der Mensch macht sich QUALITATIV zum Mittelpunkt" - siehe: Es gibt nichts, was nicht letztlich durch die Physik analysierbar wäre.

SChwierig zu erklären ist es in der Tat beim Thema "Ebenbildlichkeit". - Da soll nach christlicher Lehre also nur der Mensch "ebenbildlich" sein, ohne anthropozentrisch zu sein. - Letztlich löst sich dies auf, wenn man den eigenen Willen/den Selbstbezug aufhebt (Hegel) in "Dein Wille geschehe".
Der Anthropozentrismus Descartes’s geht unendlich über “Ebenbildlichkeit” hinaus.
Egon Friedell: “Kulturgeschichte der Neuzeit” hat geschrieben:Dies führt Descartes zu zwei merkwürdigen Folgerungen, die aber für ihn und seine Zeit ungemein charakteristisch sind, erstens nämlich: daß der Mensch, wenn er die cartesianische Methode mit der nötigen Vorsicht anwendet und nur dem zustimmt, was er klar und deutlich erkannt hat, niemals irren kann, daß der Irrtum seine eigene Schuld ist, der er nur dadurch verfällt, daß er von der göttlichen Gabe der Erkenntnis nicht den richtigen Gebrauch macht, und zweitens: daß, da denkende Substanzen nie ausgedehnt, ausgedehnte nie denkend sein können, der menschliche Körper eine Maschine ist, die mit der Seele nichts gemeinsam hat, und die Tiere, da sie nicht denken, überhaupt keine Seele besitzen und sich in nichts von komplizierten Automaten unterscheiden.
Jack Sparrow
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Jack Sparrow »

Hiob hat geschrieben:"Geist" im christlichen Sinne ist so was wie das, aus dem die Welt kommt und das die Welt letztlich zusammenhält.
Wenn wir ehrlich sind ist einem Christen doch vollkommen egal, woher die Welt kommt und was sie zusammenhält.
Manche sagen dazu "Gott".
Für das, aus dem die Welt kommt und für das, was die Welt zusammenhält, schlage ich der Einfachheit halber (und um religiös neutral zu bleiben) folgende beiden neuen Begriffe vor:

1) das, aus dem die Welt kommt
2) das, was die Welt zusammenhält

Selbstverständlich muss es sich bei Punkt 1 und Punkt 2 nicht zwangsläufig um ein und dasselbe Ding handeln.
Als Behelf ein hinkendes Bild: Wenn "die Welt" etwas 3- oder 4-Dimensionales ist ("4", falls man die Raumzeit mit reinnehmen will), ist "Gott"/"Geist" das Sein der Potenz D 100, aus dem D 3 oder D 4 abgeleitet ist.
Eine 100-dimensionale Raumzeit sollte man am besten folgendermaßen nennen:

100-dimensionale Raumzeit

Spice hat geschrieben: Sa 19. Feb 2022, 11:15wie sie sicher noch lange waren, ob nun die Sonne um die Erde dreht oder, wie umgekehrt, nachdem die Sache wissenschaftlich klar war.
Die Sache war niemals wissenschaftlich klar. Laut Einstein kann das Sonnensystem überhaupt keinen Mittelpunkt haben.

Ebenso ist physikalisch betrachtet nach der Allgemeinen Relativitätstheorie jedes frei fallende System gleichberechtigt und ein Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild nur eine Koordinatentransformation
https://de.wikipedia.org/wiki/Heliozentrisches_Weltbild
Du musst nur von deinem Tunnelblick weg, und dich nur vorurteilslos informieren!
Wann beabsichtigst du dich vorurteilslos über das Leib-Seele-Problem zu informieren?

Hier eine kurze Einführung für den geneigten Skeptiker:
https://www.spektrum.de/lexikon/neurowi ... oblem/6967
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Jack Sparrow hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 20:57 schlage ich der Einfachheit halber (und um religiös neutral zu bleiben) folgende beiden neuen Begriffe vor:

1) das, aus dem die Welt kommt
2) das, was die Welt zusammenhält
Bisschen lang. - Wobei Du da wahrscheinlich an Strings und Quarks denkst. :lol: --- In der Tat: Du bist gutes Anschauungsmaterial für die Philosophie eines Naturalisten.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

abgelehnt :lol: :lol: :lol:

warum...weil ich keinen bock auf einen bedeutungslosen haufen pixel habe, abgesehen davon dass es tautologien ohne jeglichen erkenntnisgewinn sind :mrgreen:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

ich kenne mich aber ein bisschen mit der speziellen und allgemeinen relativitätstheorie aus, falls jemand bedarf hat :mrgreen:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
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