"Unschärfen" in Bibeltexten?

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Larson
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

Röm 10,19 Aber ich sage: Hat Israel es etwa nicht erkannt? Zuerst spricht Mose: »Ich will euch zur Eifersucht reizen über ein Nicht-Volk, über eine unverständige Nation will ich euch erbittern.«
Paulus macht folgende Schlussfolgerung:
Röm 11,11 Ich sage nun: Sind sie etwa gestrauchelt, damit sie fallen sollten? Das ist ausgeschlossen! Sondern durch ihren Fall ist den Nationen das Heil geworden, um sie zur Eifersucht zu reizen.
Röm 11,14 ob ich auf irgendeine Weise sie, die mein Fleisch sind, zur Eifersucht reizen und einige aus ihnen erretten möge.



Was steht da wirklich?
5.Mose 32,21 Sie haben mich zur Eifersucht gereizt durch einen Nicht-Gott, haben mich gekränkt durch ihre Nichtigkeiten; so will auch ich sie zur Eifersucht reizen durch ein Nicht-Volk, durch eine törichte Nation will ich sie kränken.
Zunz: Sie haben mich ereifert durch Ungötter, Mich gekränkt durch ihren Tand (wertloses Zeugs): so will Ich sie ereifern durch ein Unvolk, durch Nichtswürdiges Volk sie kränken.

Luther (1545) übersetzte es wie folgt:
Sie haben mich gereizet an dem, das nicht GOtt ist; mit ihrer Abgötterei haben sie mich erzürnet und ich will sie wieder reizen an dem, das nicht ein Volk ist; an einem närrischen Volk will ich sie erzürnen.

Eigentlich schneidet sich Paulus ins eigene Fleisch, denn diese unverständigen Nationen sind töricht, nichtswürdig, und wollen mit „Nicht-Göttern“, das heisst falschen Göttern und Theologien dann Israel zur Eifersucht reizen, wie Israel den Ewigen mit falschen Göttern reizte.

Also im Kontext steht genau das umgekehrte, was Paulus hier darlegen will.
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
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ProfDrVonUndZu
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Ich kann dir nicht folgen, wieso du die "unverständige" Nation auch mit Nicht-Göttern in Verbindung bringst.

Die beschriebene Eigenschaft des Nichtvolkes ist doch einzig jene, die griechischen asynetos (Strong #801) und hebräisch nabal (Strong #5036) lautet.Asynetos ist die Negation von syn-eimi, was zusammen-sein bedeutet. Damit kann entweder die Fähigkeit des logischen Denkens gemeint sein oder ein kooperativer und solidarischer Charakter. Das Gegenteil davon wäre also folgerichtig sowas wie Unvernunft oder eine gesellschaftliche Flüchtigkeit, fehlender Zusammenhalt. Da muss ich gleich an die Füße des Standbildes von Daniel 2 denken, die aus Eisen und Ton sind, z.T. stark, z.t. schwach und nicht aneinander haftend. Und nabal bedeutet närrisch, unvernünftig, verwirrt. Ich erkenne hier eine Assoziation zu 1. Mose 11,7 wo Gott die Sprache verwirrt, was ja auch mit einem Derivat von nabal ausgedrückt wird, nämlich balal Strong #1101, wobei ja eigentlich nabal das Derivat ist. Man muss diese Herleitung jetzt nicht unbedingt teilen, aber es ist doch keinesfalls zwingend so, dass irgendwelche Vorwürfe gegen dieses Nicht-Volk in diesem Kontext im Raum stehen, sondern Mose erhebt dieses Lied an sein Volk im Blick auf dessen künftigen Werdegang. Für Paulus hingegen war diese Zukunft schon Realität geworden bzw. im Begriff, Realität zu werden.
Isai
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Isai »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 10:12 Und nabal bedeutet närrisch, unvernünftig, verwirrt. Ich erkenne hier eine Assoziation zu 1. Mose 11,7 wo Gott die Sprache verwirrt, was ja auch mit einem Derivat von nabal ausgedrückt wird, nämlich balal Strong #1101, wobei ja eigentlich nabal das Derivat ist.
So wie Nabal hier:
1. Samuel 25:25 hat geschrieben:Mein Herr, achte doch nicht auf diesen Mann Belials, den Nabal; denn er ist, wie sein Name heißt: »Narr« ist sein Name, und Narrheit ist bei ihm.
Sinnet um, und lasset euch auf den Namen Jesu Christi zur Erlassung eurer Sünden taufen, so werdet ihr das Geschenk des heiligen Geistes erhalten.
Apg 2:38

Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und er in Gott.
1. Joh 4:15
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ProfDrVonUndZu
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Isai hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 10:51 So wie Nabal hier:
1. Samuel 25:25 hat geschrieben:Mein Herr, achte doch nicht auf diesen Mann Belials, den Nabal; denn er ist, wie sein Name heißt: »Narr« ist sein Name, und Narrheit ist bei ihm.
Ja, ich finde es schon bemerkenswert, dass Eltern ihr Kind so nennen. Aber vielleicht kam es ja auch auf andere Weise zu dieser Namensgebung.
Jack Sparrow
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Jack Sparrow »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 10:12Ich kann dir nicht folgen, wieso du die "unverständige" Nation auch mit Nicht-Göttern in Verbindung bringst.
Die Septuaginta erwähnt einen Nichtgott:
αὐτοὶ παρεζήλωσάν με ἐπ᾽ οὐ θεῷ
https://en.katabiblon.com/us/index.php? ... k=Dt&ch=32,

Luther erwähnt einen Nichtgott:
Sie haben mich gereitzt an dem / das nicht Gott ist
http://www.zeno.org/Literatur/M/Luther, ... onomium+32

und der hebräische Text erwähnt ebenfalls einen Nichtgott:
https://scripture4all.org/OnlineInterli ... /deu32.pdf

Ich würde somit schlussfolgern der Spielstand steht 3:1 gegen Paulus.

Ja, ich finde es schon bemerkenswert, dass Eltern ihr Kind so nennen.
Ich sehe genau zwei Möglichkeiten:

1) Bei den Eltern handelte es sich um göttliche Propheten, da sie bereits Jahre im Voraus wussten, welche Rolle ihr Kind einmal spielen würde.

2) Bei den Bibelautoren handelte es sich um Scherzkekse, die ihre Figuren recht häufig mit sprechenden Namen ausstatteten (vermutlich weil die analphabetische Bevölkerung den anfangs nur mündlich überlieferten Geschichten sonst nicht hätte folgen können).
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ProfDrVonUndZu
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Jack Sparrow hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 16:59 Ich würde somit schlussfolgern der Spielstand steht 3:1 gegen Paulus.
Es ist laut 5. Mose 31,21 aber nicht das Nicht-Volk, was Gott durch seine Nicht-Götter reizt, sondern das hier angesprochene künftige Volk Israel, Jeschurun genannt, das, wie auch in Vers 16-17 beschrieben, Jahwe durch Götzendienst reizt. Das ist hier mit verschiedenen Worten ausgedrückt, wo man natürlich über die korrekte Übersetzung streiten kann, aber klar ist, dass es hier um Israels Vergehen geht.
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Larson
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 10:12 Die beschriebene Eigenschaft des Nichtvolkes i
נָבָל „naval“ dumm, böse, närrische oder abscheuliche Person.
Wurzel: Schande, welken, versagen usw.....

Paulus nimmt nun dieses „böse Volk“, dieses Zitat für seine neue Lehre, und meint, damit Israel reizen zu können (wie Israel mit seinen Nicht-Göttern den Ewigen reizte). Also einer Lehre, welche gemäss 5. Mo ebenso töricht und böse ist, wie die Abgötterei Israels.
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
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ProfDrVonUndZu
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

Paulus sagt über das Nicht-Volk aber auch
Römer 10,20 Jesaias aber erkühnt sich und spricht: "Ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchten, ich bin offenbar geworden denen, die nicht nach mir fragten". (Jes. 65,1)
Es ist also sicher nicht Paulus Absicht, über dieses Nicht-Volk abfällig zu reden.
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Larson
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 2. Apr 2022, 16:02 Paulus sagt über das Nicht-Volk aber auch
Römer 10,20 Jesaias aber erkühnt sich und spricht: "Ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchten, ich bin offenbar geworden denen, die nicht nach mir fragten". (Jes. 65,1)
Es ist also sicher nicht Paulus Absicht, über dieses Nicht-Volk abfällig zu reden.
Aber der Missgriff bleibt dennoch mit Röm 11.
Wobei es in Jes 65 auch um Israel geht, welches da widerspenstig war, und nicht um andere Nationen.
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
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Helmuth
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Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Helmuth »

Oleander hat geschrieben: Fr 6. Okt 2023, 13:19
Lk 24,46-48 hat geschrieben: hat geschrieben: So steht geschrieben, dass der Christus leiden und am dritten Tag auferstehen sollte aus den Toten und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen, angefangen von Jerusalem.
Bitte wo steht das so in den Schriften des AT?
Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Dabei dürfte es sich wohl um eine der raren Ungereimtheiten im Lk-Ev handeln. Jesus gibt an anderer Stelle nur einen indirekten Hinweis auf das Zeugnis des Jona. Mehr wüsste ich dazu nicht.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
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