Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Philosophisches zum Nachdenken
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Jack Sparrow hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 20:16 Es gibt nicht die menschliche Herangehensweise
Darum geht es nicht. Es geht darum, dass jede menschliche Herangehensweise eine Herangehensweise des Subjekts/des Untersuchenden ist, das kein normatives Mandat über das hat, was es untersucht (nämlich das Objekt).
Jack Sparrow hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 20:16 Allerlei Monotheisten, Idealisten, Platonisten, Neoplatonisten und Kantianer glauben noch immer an einen Maßstab, der sich außerhalb des Menschen befände
Andere glauben, dass der Mensch das Maß der Wirklichkeit wäre. Reine Glaubensfrage.
Jack Sparrow hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 20:16 il n'y a de réalité que dans l'action
es gibt keine Wirklichkeit außer in der Tat
(Sartre, 1946, "L’existentialisme est un humanisme")
So meint es der Existentialismus. Wir haben übrigens als junge Protestler in den 70er Jahren solche Sätze als Provokation empfunden und deshalb für gut befunden - aber wir haben nicht im Ernst daran gedacht, dass sie ontologisch ernst gemeint sein könnten. Das ist mir erst viele Jahrzehnte später gekommen.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

ich illustriere das mal an einem beispiel...natürliche zahlen, eins, zwei, drei und so weiter, nichts besonderes...dann hat man aber entdeckt, daß es doch besondere gibt, primzahlen sagen wir mal...könnt ihr damit was anfangen :mrgreen:
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

btw, primzahlen spielen in der digitaltechnik nicht so die rolle

wenn ich aber naturalist wäre, würde ich sagen, primzahlen sind albern, bringen mein ganzes konzept durcheinander...dann auch noch die was weß ich noch für zahlen...also ehrlich :lol:
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Jack Sparrow »

Hiob hat geschrieben: Mi 30. Mär 2022, 21:22Es geht darum, dass jede menschliche Herangehensweise eine Herangehensweise des Subjekts/des Untersuchenden ist, das kein normatives Mandat über das hat, was es untersucht (nämlich das Objekt).
Was jemand als "normativ" empfindet hängt davon ab, wie autoritär oder dominant derjenige auftritt, der die Norm jeweils verkündet.

Es gibt für den Menschen keine andere Herangehensweise als die menschliche, während "das Objekt" stets nur das Ergebnis menschlicher Betrachtung und somit stets nur eine Erfindung des Verstandes sein kann:

Was das Auge, das Ohr, die Hand empfindet, ist nicht die Anschauung: es sind bloße Data. Erst indem der Verstand von der Wirkung auf die Ursache übergeht, steht die Welt da, als Anschauung im Raume ausgebreitet
(Schopenhauer, 1818, "Die Welt als Wille und Vorstellung")

Was ist Religion und Philosophie anderes als der Versuch von Menschen, die eigenen Moralvorstellungen als (gottgegebene) Norm zu etablieren?
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Jack Sparrow hat geschrieben: Sa 9. Apr 2022, 22:00 Es gibt für den Menschen keine andere Herangehensweise als die menschliche
Richtig - man kann dies "Wahrnehmungs-Ebene" nennen.
Jack Sparrow hat geschrieben: Sa 9. Apr 2022, 22:00 während "das Objekt" stets nur das Ergebnis menschlicher Betrachtung und somit stets nur eine Erfindung des Verstandes sein kann
Denkfehler: Das Objekt ist nicht Ableger der Wahrnehmung, sondern eigene Entität. - Die uns heute unbekannte Galaxis "ist", was sie ist, unabhängig von unserer Betrachtung.
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:03Das Denken hört da auf, wo es erkennt, dass Denken nicht weiterführt. Kant hat das ja erkannt mit seinem "man müsse Wissen aufheben, um Platz für den Glauben zu haben". Wobei ich "aufheben" hier instinktiv hegelianisch verstehe, selbst wenn das Kant vor Hegel sagt. Wir sind auch hier wieder bei dem Punkt, dass wirklich große Philosophie mehr ist als das, was der aussprechende Philosoph damit aussagen konnte. Die Substanz großer Philosophie zeigt sich darin, dass sie hermeneutisch weiter entwickelbar ist.
Da kam noch was, und das war sehr relevant:
Claymore hat geschrieben: Sa 19. Mär 2022, 21:43Nur willst du lieber bei diesem Punkt mit dem Denken aufhören. Die Atheisten dagegen tun es vielleicht bei der Materie (“das Physikalische”), oder schlicht bei der Welt.
I. Ü. habe ich “Denken” geschrieben, nicht “Wissen”.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:03Wir sollen GAR nichts versprechen oder nachweisen, sondern erkennen. Man muss "erkennen" im Sinne von "jada" kategorial trennen von dem, was man systemisch, also etwa wissenschaftlich, als "Wissen" versteht. Wobei beides selbstverständlich deckungsgleich sein kann.
Aber du machst das doch die ganze Zeit, pausenlos.

Nehmen wir mal deine Behauptung “Die Welt kann nicht Nichts sein” – etwas, das du als absolut sicher ansiehst. Das bringt dich doch erst zu deinem Ontisch-Fundament.

Da versprichst du doch etwas und versuchst es nachzuweisen und bist auch felsenfest von der Korrektheit dieses metaphysischen Nachweises, der wie aus sich selbst erwächst, überzeugt.

Tatsächlich basiert das nur auf einer unbewussten Annahme der Gedankengänge von Parmenides (Nichts ist nicht), die nun mal in der westlichen Philosophie all-dominant waren.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:03Aus meiner Sicht: Kant zeigt, dass das Objektive durch das Subjektive der Wahrnehmung geprägt ist. Damit weist er eigentlich auf das, was heute in der Quantenmechanik gang und gäbe ist.
Vorhin hast du doch noch behauptet:
Hiob hat geschrieben: Mi 16. Mär 2022, 22:55Ich bin ziemlich sicher, dass Kant dies NICHT ontologisch meint, sondern als "für uns sind äußere Gegenstände nichts als bloß Erscheinungen" (= "das, was wir als blaues Haus wahrnehmen, kann für einen Lurch ein grünes Haus sein").
Ist “objektiv” nicht ontologisch? Was soll nicht ontologisches objektives sein?
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:03 Lassen wir mal Begriffe weg und sehen es nüchtern:
1) Ding an sich.
2) Menschliche Vorstellung davon (denn mit "Erscheinung" ist offensichtlich das gemeint, wie es einem Claymore oder Hiob erscheint, nicht wahr?)

Wenn es da kein 1,5) dazwischen gäbe, hieße es doch, dass es keine Eigen-Existenz des "Baumes in der Welt", der "Blume in der Welt", des "Bergs in der Welt" gäbe, oder nicht? - Da wäre nur das, aus dem Erscheinung projiziert wird (Ding an sich), und das, welches das Projizierte wahrnimmt ("Ich"), aber nicht die Verdinglichung des Projizierten selbst. Das kann ich nicht unterschreiben.
IMHO hat da Kant diffuse Mischungen kreiert. Er versteht Ding an sich nicht wie du. Es ist eher 1,25 vs. 1,75 sozusagen – und nichts dazwischen. Es gibt für ihn zwei Pole und nicht drei.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:03 Das klingt für mich wie "Hmm - der Weg über die objektive Welt funktioniert nicht ohne Annahme eines Dinges an sich, also versuchen wir es mal über das Subjekt". Ich kenne Kant nicht gut genug, um sagen zu können, in welcher eigenen Erkenntnisphase er diesen Satz gesagt hat. Aus meiner Sicht geht es übergeordnet um die Frage:
1) Ist das Ding (der Baum/die Blume/der Berg) eine dingliche Ableitung des Dings an sich (was sehr wohl mit Res extensa vergleichbar ist)?
2) Oder ist das Ding eine Projektion des Subjekts (was sehr wohl etwas mit Res cogitans zu tun hat, die aus sich Vorstellungen real erscheinen lässt)?
Kann man nicht beantworten. Kommt darauf an, ob man Kant phenomenalistisch oder metaphysisch interpretiert.
Die Frage wäre jetzt: Wenn Kant am Ende zur Erkenntnis gelangt, dass es ein Ding an sich gibt: Wie versteht er dessen Weg durch die poppersche Realität (= naturalistische Realität) bis ins Bewusstsein des Menschen? Ich meine, dass Kant und Popper sich hier nicht widersprechen, sondern dass Kant einfach nur weiter fragt.
Das ist halt das nächste Problem an seiner Philosophie: Kausalität ist eine bloße Kategorie, Projektion des Menschen. Aber wie können wir seine Philosophie verstehen, wenn wir uns nicht eine Kausalkette vorstellen an dessen Anfang das Ding an sich steht?
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:04Müsste. Oft ist es NICHT so. - Nur ein Beispiel: "Ontologisch" bedeutet im Naturalismus das glatte Gegenteil von dem, was man traditionell darunter versteht.
Kannst du mal ein echtes Beispiel bringen? Also nicht nur eine bloße Behauptung, sondern wirklich mal ein konkretes Beispiel?
- Ich denke sogar, dass dahinter Methode steckt: Man übernimmt bestehende Begriffe und deutet sie semantisch um, um aus ideologischer Sicht den alten Inhalt auszumerzen. Denn wenn ein Inhalt kein Wort mehr hat, ist er für die Wahrnehmung tot. Genau das ist der Sinn des orwellschen Neusprech.
Theoretisch möglich. Aber der entscheidende Punkt fehlt wieder einmal. Nämlich, dass du es plausibel machst, “ontologisch” werde im Naturalismus tatsächlich anders verwendet.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:04 Weil "Philosophie" die Frage stellt, was "ist", während "Erkenntnis-Theorie" fragt, was (davon) erkennbar ist. Das sind zwei komplett unterschiedliche Kategorien.
Gestern war Erkenntnistheorie noch ein Teilgebiet der Philosophie.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:04Genau da ist der Punkt. Du unterscheidest nicht zwischen "was im absoluten Sinne ist" und "was wir (davon) erfahren können". Mir geht es mitnichten darum, das, "was im absoluten Sinne ist", als absolut erfahrbar zu postulieren. Mir geht es gerade im Gegenteil darum, dass unser Erfahrungs-Vermögen irrelevant ist in Bezug auf das, "was im absoluten Sinne ist".
Das ist nichts neues. Ich lehne diese Unterscheidung jedoch ab.

Aus der Erfahrung erlernt der Mensch den Unterschied zwischen oberflächlicher Ansicht und gut begründeter Ansicht. Wir kennen die Skala – aber dass diese Skala zwei Pole hat, das ist halt nur ein Postulat.

Auch nach monatelanger Debatte bleibt “was im absoluten Sinne ist” nur ein menschliches Konstrukt, dem du aus irgendeinem mysteriösen Grund zu-sprichst, von menschlichen Vorstellungen unkontaminiert zu sein.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:04Diesbezüglich habe ich bei Wittgenstein nie verstanden, ob er mit seinem „ Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen" naturalistisch meint "Nur das, was erkennbar ist, ist wahrheits-möglich" oder metaphysisch "Unsere Erkennungsversuche dessen, was wahr ist, können erkenntnis-theoretisch an natürliche Grenzen stoßen". - Im ersten Fall würde er zeitgemäß, aber schwach meinen - im zweiten Fall wäre er näher am Christentum und übrigens auch an Kant (Kennst Du seine Schrift über die Systematisierung des Metaphysischen?).
Kenne ihn nicht, kann nichts dazu sagen.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:04 Natürlich ist Kant kein Nachfolger von Descartes (im Sinne von: in der cartesianischer SChule schreibend). Aber vieles stimmt halt auch zwangsläufig überein. - Kant würde bspw. nie auf die Idee kommen, einen Gottesbeweis zu wollen, weil er ihn für hirnrissig hält. Wobei wir hier wieder eine Brücke zu seinem zornigen SChreiben zur Mystik haben. - Der größte Unterschied zwischen Descartes und Kant ist aus meiner Sicht, dass Descartes die Welt via Gott erklären will, während es Kant via Vernunft tun will. - Am Ende gelingt ihm das auch recht gut, bis auf das "Ding an sich", dass er nicht aus der Welt schaffen kann.
Mit der Vernunft fangen sie doch beide an – nicht mit Gott. Nur meint Descartes, dass die Vernunft Gott beweisen kann, allein aus angeborenen Ideen heraus – während Kant alle Beweisversuche diesbezüglich (über die spekulative Vernunft) prinzipiell zum scheitern verdammt ansieht.
Und hier ist tatsächlich die Frage, ob "Ding an sich" nicht doch ein "vernünftiger" Statthalter für "Gott" ist. - Ebenso gilt dies für den Begriff "transzendental". Auch hier kommt Kant nicht um das Apriorische rum.
Ähm, ja. Um dessen Erklärung geht es Kant doch.
Jetzt ist der Punkt: Projiziert man das Transzendentale vertikal, wird daraus schnell "transzendent". - Mir wäre es sehr recht gewesen, wenn Kant seine Arbeiten 1744 geboren wäre, seine Arbeiten nach heutigem Stand mit 60 abgeschlossen hätte, so dass er noch Zeit gehabt hätte, weitere 20 Jahre (voll in die Romantik hinein) zu denken. Ich vermute, dass er sich dann genau solchen Fragen gewidmet hätte.
??? Wirr.
Hiob hat geschrieben: So 27. Mär 2022, 12:04Nee - ich denke schon, dass ich damit den Kern getroffen habe. Im Grunde sagt Kant, dass mit dem, was er als "Vernunft" definiert (also letztlich etwas Anthropozentrisches), manches, was wahr sein kann, nicht greifbar ist.
Denk mal ein wenig weiter: Es ging ihm doch da um die Anmaßung der Vernunft, ihre “überschwänglichen Einsichten” – genau dein Problem: das Postulat eines Ontischen als Fundament.

Du bist nicht mal in der Lage deine Gedanken auszudrücken ohne dich in diesen problematischen Rahmen zu begeben.
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Aber wie können wir seine Philosophie verstehen, wenn wir uns nicht eine Kausalkette vorstellen an dessen Anfang das Ding an sich steht?
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Da versprichst du doch etwas und versuchst es nachzuweisen und bist auch felsenfest davon überzeugt
Überzeugt, ja - aber Nachweis? - Es geht nicht um (systemischen) Nachweis, sondern um Erkenntnis.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Nehmen wir mal deine Behauptung “Die Welt kann nicht Nichts sein” – etwas, das du als absolut sicher ansiehst.
Ja - weil sonst Du und ich "Nichts" wären. - Wie könnte man aus Deiner Sicht "Nichts" definieren, dass Du oder ich "Nichts" sein könnten?
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 versuchst es nachzuweisen
Logisch schon. Denn wie kann logisch alles Nichts sein, wenn es Dich und mich gibt? Doch nur dann, wenn wir beide Nichts sind. Wenn wir aber beide Nichts sind, liegt dies an einer darauf abgestimmten Definition des Wortes "Nichts". - Macht das Sinn?
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Tatsächlich basiert das nur auf einer unbewussten Annahme der Gedankengänge von Parmenides (Nichts ist nicht)
Nee, das sagt einer. Es gibt Nichts als Nihil negativum - bspw.: Claymore ist ein Nicht-Auto (wobei hier "ist" als Hilfsverb und nicht als Vollverb zu verstehen ist).
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Ist “objektiv” nicht ontologisch?
Kategorial nein. - Objektiv ist eine methodische Größe, von der wir annehmen (auch ich), dass sie sich deckt mit ontisch. Aber diese Annahme ist Glaube.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 IMHO hat da Kant diffuse Mischungen kreiert. Er versteht Ding an sich nicht wie du. Es ist eher 1,25 vs. 1,75 sozusagen – und nichts dazwischen. Es gibt für ihn zwei Pole und nicht drei.
Wenn man es nicht so versteht wie Du, geht das sogar. Dann ist der Baum das wahrgenommene Erscheinungsbild des Dinges an sich (eigentlich sind wir hier bei Platon). Aber: Der Baum ist nicht Er-findung der Wahrnehmung, sondern Ge-fundenes durch die Wahrnehmung - WENN er ERscheinungsbild des Dinges an sich ist. - Man könnte jetzt diskutieren, ob es auch rein erfundende Erscheinungen gibt. Falls ja, hieße dies, dass beides nicht sicher unterscheidbar ist - per Wahrnehmung.

Im Grunde ist Kant mit seiner Aussage Romantiker (bei brutalem Verständnis dessen, was Romantik ist).
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Kann man nicht beantworten. Kommt darauf an, ob man Kant phenomenalistisch oder metaphysisch interpretiert.
Stimmt. - Aber es ändert nichts daran, dass es diese Fragestellung gibt. - Ich verstehe Kant metaphysisch, weil meines Erachtens die phänomenologische Sicht eher eine Sache der praktischen Vernunft wäre. Vor allem aber, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Großer wie Kant NICHT bei der Metaphysik landet.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Aber wie können wir seine Philosophie verstehen, wenn wir uns nicht eine Kausalkette vorstellen an dessen Anfang das Ding an sich steht?
Um den Hermeneutischen Zirkel kommt niemand drum rum.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Kannst du mal ein echtes Beispiel bringen? Also nicht nur eine bloße Behauptung, sondern wirklich mal ein konkretes Beispiel?
Besonders die Szientisten meinen beispielsweise, dass nichts ontisch sein könne, dass nicht wissenschaftlich nachweisbar sei. Der ontologische Naturalist behauptet also, dass alle Entitäten, die es gibt – alle Einzeldinge, Eigenschaften, Tatsachen und Ereignisse –"natürliche" Entitäten sind, wobei mit "natürlich" nicht-meta-physisch gemeint ist. - Traditionell versteht sich die Ontologie jedoch als metaphysisch - siehe
wik:
Die Ontologie (im 16. Jahrhundert als griechisch ὀντολογία ontología gebildet aus altgriechisch ὄν ón ‚seiend‘ bzw. altgriechisch τὸ ὄν ‚das Sein‘ und λόγος lógos ‚Lehre‘, also ‚Lehre vom Seienden‘ bzw. ‚Lehre des Seins‘) ist eine Disziplin der (theoretischen) Philosophie, die sich mit der Einteilung des Seienden und den Grundstrukturen der Wirklichkeit befasst, z. B. mit Begriffen wie Existenz, Sein, Werden und Realität. Dieser Gegenstandsbereich ist weitgehend deckungsgleich mit dem, was nach traditioneller Terminologie „allgemeine Metaphysik“ genannt wird.
Also das pure Gegenteil - und das ist typisch für Vieles in der Philosophie des 20. Jh.: Die Umkehrung.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Gestern war Erkenntnistheorie noch ein Teilgebiet der Philosophie.
Geht auch. - Man kann Erkenntnistheorie auch als Unterabteilung verstehen, wenn sie über Methodisches hinausgeht und sich mit den unterschiedlichen Kategorien von Sein und Wahrnehmung auseinandersetzt.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Aus der Erfahrung erlernt der Mensch den Unterschied zwischen oberflächlicher Ansicht und gut begründeter Ansicht.
Geschenkt - das ist eh klar.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Auch nach monatelanger Debatte bleibt “was im absoluten Sinne ist” nur ein menschliches Konstrukt, dem du aus irgendeinem mysteriösen Grund zu-sprichst, von menschlichen Vorstellungen unkontaminiert zu sein.
Der Vulkan auf einem Planeten in einem Sonnensystem, das 3 Milliarden Lichtjahren entfernt ist, speit oder speit nicht - völlig unabhängig davon, ob wir es wahrnehmen (können). Dieser Vulkan "ist" nicht weniger oder mehr, wenn wir ihn dabei beobachten. Das Sein ist die Eiche, an dem sich das Schwein namens Wahrnehmung kratzt. ----- Selbstkritische Einschränkung: Was ist dieser Vulkan im Sinne der Quantenphysik? SChwierige Frage.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Mit der Vernunft fangen sie doch beide an – nicht mit Gott. Nur meint Descartes, dass die Vernunft Gott beweisen kann, allein aus angeborenen Ideen heraus – während Kant alle Beweisversuche diesbezüglich (über die spekulative Vernunft) prinzipiell zum scheitern verdammt ansieht.
Da ist Kant weiter als Descartes - übrigens genau der Grund, warum ich (historisch falsch, aber inhaltlich richtig) den descartschen "Beweis" als "Glaube" bezeichnet habe.
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00??? Wirr.
Sprach-verpeilt - da habe ich was geändert und nicht alles Vorherige gelöscht. - Es geht um den Punkt, wo Kant gelandet wäre, wäre er nicht 1724, sondern 1744 geboren worden und hätte diese 20 Jahre Differenz gehabt, um bis in die 20er des 19. Jh. hinein zu denken und zu arbeiten. - Ich bin persönlich überzeugt, dass er Romantiker geworden wäre - oder konziliant im Sinne Goethes. (Schließt sich im übrigen nicht aus).
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Denk mal ein wenig weiter: Es ging ihm doch da um die Anmaßung der Vernunft, ihre “überschwänglichen Einsichten” – genau dein Problem: das Postulat eines Ontischen als Fundament.
Denkfehler: Das Postulat des Ontischen ist doch das Gegenteil dessen, was Du hier schreibst - nämlich Ausdruck der Einsicht, dass Überschwänglichkeit der Einsichten nicht angebracht ist. - Das Postulat des Ontischen ist die (ich meine: zwingende) Folge der Erkenntnis, dass Vernunft begrenzt ist. - Genau das führt zum Glauben ("Ich musste all mein Wissen aufheben, um Platz für den Glauben zu haben" - Kant <aus dem Gedächtnis zitiert>)
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

wollte zu einem deiner beiträge einen komentar abliefern, in einem anderen topic...kann ich aber nicht :lol:
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Das Nobelpreiskomitee wäre sicherlich ein Ort, das solche Kommentare dankbar entgegennehmen würde.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

weiß nicht, das wäre dann doch ein wenig zu viel der ehre...oder :mrgreen:
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