Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Aber wie können wir seine Philosophie verstehen, wenn wir uns nicht eine Kausalkette vorstellen an dessen Anfang das Ding an sich steht?
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Da versprichst du doch etwas und versuchst es nachzuweisen und bist auch felsenfest davon überzeugt
Überzeugt, ja - aber Nachweis? - Es geht nicht um (systemischen) Nachweis, sondern um Erkenntnis.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Nehmen wir mal deine Behauptung “Die Welt kann nicht Nichts sein” – etwas, das du als absolut sicher ansiehst.
Ja - weil sonst Du und ich "Nichts" wären. - Wie könnte man aus Deiner Sicht "Nichts" definieren, dass Du oder ich "Nichts" sein könnten?
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
versuchst es nachzuweisen
Logisch schon. Denn wie kann logisch alles Nichts sein, wenn es Dich und mich gibt? Doch nur dann, wenn wir beide Nichts sind. Wenn wir aber beide Nichts sind, liegt dies an einer darauf abgestimmten Definition des Wortes "Nichts". - Macht das Sinn?
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Tatsächlich basiert das nur auf einer unbewussten Annahme der Gedankengänge von Parmenides (Nichts ist nicht)
Nee, das sagt einer. Es gibt Nichts als Nihil negativum - bspw.: Claymore ist ein Nicht-Auto (wobei hier "ist" als Hilfsverb und nicht als Vollverb zu verstehen ist).
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Ist “objektiv” nicht ontologisch?
Kategorial nein. - Objektiv ist eine methodische Größe, von der wir annehmen (auch ich), dass sie sich deckt mit ontisch. Aber diese Annahme ist Glaube.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
IMHO hat da Kant diffuse Mischungen kreiert. Er versteht Ding an sich nicht wie du. Es ist eher 1,25 vs. 1,75 sozusagen – und nichts dazwischen. Es gibt für ihn zwei Pole und nicht drei.
Wenn man es nicht so versteht wie Du, geht das sogar. Dann ist der Baum das wahrgenommene Erscheinungsbild des Dinges an sich (eigentlich sind wir hier bei Platon). Aber: Der Baum ist nicht Er-findung der Wahrnehmung, sondern Ge-fundenes durch die Wahrnehmung - WENN er ERscheinungsbild des Dinges an sich ist. - Man könnte jetzt diskutieren, ob es auch rein erfundende Erscheinungen gibt. Falls ja, hieße dies, dass beides nicht sicher unterscheidbar ist - per Wahrnehmung.
Im Grunde ist Kant mit seiner Aussage Romantiker (bei brutalem Verständnis dessen, was Romantik ist).
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Kann man nicht beantworten. Kommt darauf an, ob man Kant phenomenalistisch oder metaphysisch interpretiert.
Stimmt. - Aber es ändert nichts daran, dass es diese Fragestellung gibt. - Ich verstehe Kant metaphysisch, weil meines Erachtens die phänomenologische Sicht eher eine Sache der praktischen Vernunft wäre. Vor allem aber, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Großer wie Kant NICHT bei der Metaphysik landet.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Aber wie können wir seine Philosophie verstehen, wenn wir uns nicht eine Kausalkette vorstellen an dessen Anfang das Ding an sich steht?
Um den Hermeneutischen Zirkel kommt niemand drum rum.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Kannst du mal ein echtes Beispiel bringen? Also nicht nur eine bloße Behauptung, sondern wirklich mal ein konkretes Beispiel?
Besonders die Szientisten meinen beispielsweise, dass nichts ontisch sein könne, dass nicht wissenschaftlich nachweisbar sei. Der ontologische Naturalist behauptet also, dass alle Entitäten, die es gibt – alle Einzeldinge, Eigenschaften, Tatsachen und Ereignisse –"natürliche" Entitäten sind, wobei mit "natürlich" nicht-meta-physisch gemeint ist. - Traditionell versteht sich die Ontologie jedoch als metaphysisch - siehe
wik:
Die Ontologie (im 16. Jahrhundert als griechisch ὀντολογία ontología gebildet aus altgriechisch ὄν ón ‚seiend‘ bzw. altgriechisch τὸ ὄν ‚das Sein‘ und λόγος lógos ‚Lehre‘, also ‚Lehre vom Seienden‘ bzw. ‚Lehre des Seins‘) ist eine Disziplin der (theoretischen) Philosophie, die sich mit der Einteilung des Seienden und den Grundstrukturen der Wirklichkeit befasst, z. B. mit Begriffen wie Existenz, Sein, Werden und Realität. Dieser Gegenstandsbereich ist weitgehend deckungsgleich mit dem, was nach traditioneller Terminologie „allgemeine Metaphysik“ genannt wird.
Also das pure Gegenteil - und das ist typisch für Vieles in der Philosophie des 20. Jh.: Die Umkehrung.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Gestern war Erkenntnistheorie noch ein Teilgebiet der Philosophie.
Geht auch. - Man kann Erkenntnistheorie auch als Unterabteilung verstehen, wenn sie über Methodisches hinausgeht und sich mit den unterschiedlichen Kategorien von Sein und Wahrnehmung auseinandersetzt.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Aus der Erfahrung erlernt der Mensch den Unterschied zwischen oberflächlicher Ansicht und gut begründeter Ansicht.
Geschenkt - das ist eh klar.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Auch nach monatelanger Debatte bleibt “was im absoluten Sinne ist” nur ein menschliches Konstrukt, dem du aus irgendeinem mysteriösen Grund zu-sprichst, von menschlichen Vorstellungen unkontaminiert zu sein.
Der Vulkan auf einem Planeten in einem Sonnensystem, das 3 Milliarden Lichtjahren entfernt ist, speit oder speit nicht - völlig unabhängig davon, ob wir es wahrnehmen (können). Dieser Vulkan "ist" nicht weniger oder mehr, wenn wir ihn dabei beobachten. Das Sein ist die Eiche, an dem sich das Schwein namens Wahrnehmung kratzt. ----- Selbstkritische Einschränkung: Was ist dieser Vulkan im Sinne der Quantenphysik? SChwierige Frage.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Mit der Vernunft fangen sie doch beide an – nicht mit Gott. Nur meint Descartes, dass die Vernunft Gott beweisen kann, allein aus angeborenen Ideen heraus – während Kant alle Beweisversuche diesbezüglich (über die spekulative Vernunft) prinzipiell zum scheitern verdammt ansieht.
Da ist Kant weiter als Descartes - übrigens genau der Grund, warum ich (historisch falsch, aber inhaltlich richtig) den descartschen "Beweis" als "Glaube" bezeichnet habe.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00??? Wirr.
Sprach-verpeilt - da habe ich was geändert und nicht alles Vorherige gelöscht. - Es geht um den Punkt, wo Kant gelandet wäre, wäre er nicht 1724, sondern 1744 geboren worden und hätte diese 20 Jahre Differenz gehabt, um bis in die 20er des 19. Jh. hinein zu denken und zu arbeiten. - Ich bin persönlich überzeugt, dass er Romantiker geworden wäre - oder konziliant im Sinne Goethes. (Schließt sich im übrigen nicht aus).
Claymore hat geschrieben: ↑Di 19. Apr 2022, 22:00
Denk mal ein wenig weiter: Es ging ihm doch da um die Anmaßung der Vernunft, ihre “überschwänglichen Einsichten” – genau dein Problem: das Postulat eines Ontischen als Fundament.
Denkfehler: Das Postulat des Ontischen ist doch das Gegenteil dessen, was Du hier schreibst - nämlich Ausdruck der Einsicht, dass Überschwänglichkeit der Einsichten nicht angebracht ist. - Das Postulat des Ontischen ist die (ich meine: zwingende) Folge der Erkenntnis, dass Vernunft begrenzt ist. - Genau das führt zum Glauben ("Ich musste all mein Wissen aufheben, um Platz für den Glauben zu haben" - Kant <aus dem Gedächtnis zitiert>)