Paul hat geschrieben: ↑Mi 21. Dez 2022, 16:02
wir empfinden uns alle als ein kontinuum, die einen nennen es ich/selbst, die anderen nennen es seele
Claymore würde diese Vorstellung von Seele höchstwahrscheinlich zurückweisen (wenn ich ihn richtig verstehe).
Paul hat geschrieben: ↑Mi 21. Dez 2022, 16:02
im laufe unseres lebens wird die materie, aus der wir bestehen, komplett durch andere materie ausgetauscht, wir bleiben aber wir...oder?
Nein, natürlich bleiben wir nicht wir. Wenn es stimmt, was du sagst und sich die Materie unseres Körpers im Laufe unseres Leben komplett austauscht, dann können wir nicht diesselben bleiben, jedenfalls nicht materiell-körperlich, - oder bist du etwa der Ansicht, dein Körper gehöre nicht ZU DIR.
Was gleich bleibt im Laufe meines Lebens nennt Kant das
reine Ich. Es garantiert die
Einheit meines Bewusstseins und die
Einheit der Apperzeption (das sind meine Wahrnehmungen, die ich als
meine Wahrnehmungen empfinde), die alle meine Vorstellungen begleiten können muss, damit es meine Vorstellungen sein können. Vorstellen und Denken gibt es nur, wenn es auch etwas gibt, das denkt und vorstellt. Das ist mein (reines) Ich.
Das „Ich denke“, die reine Apperzeption (s. d.), „muß alle meine Vorstellungen begleiten können“, denn sonst wären sie nicht meine Vorstellungen. Daher hat alles Mannigfaltige der Anschauung eine „notwendige Beziehung auf das: Ich denke“. Allen Vorstellungen liegt also zugrunde die reine Apperzeption als dasjenige „ursprüngliche Selbstbewußtsein“, das alle anderen Vorstellungen muß begleiten können. Die Einheit desselben, die „transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins“ ist eine Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis. „Denn die mannigfachen Vorstellungen, die in einer gewissen Anschauung gegeben werden, würden nicht insgesamt meine Vorstellungen sein, wenn sie nicht insgesamt zu einem Selbstbewußtsein gehörten.“ Die Identität (s. d.) des (reinen) Selbstbewußtseins manifestiert sich in der Synthesis (s. d.) des in der Anschauung Gegebenen zur Einheit des Bewußtseins. Ich bin mir des „identischen Selbst“ bewußt, weil ich die mir gegebenen Vorstellungen als „meine“ Vorstellungen zu einer Einheit zusammenfasse, Kant, KrV tr. Anal. § 16 (I 151 ff.— Rc 173 ff.).