Vorstellungen der Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Claymore
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

PS: Auch wenn sich für mich (hauptsächlich der Oberflächlichkeit und pseudo-Rationalität von Materialismus-Verteidigern geschuldet) der Rahmen dessen, was ich für möglich erachte habe, sehr weit geöffnet hat, glaube ich nicht gleich an alles, nur weil es sich mit deren Weltbild beißt.

Ich würde auch meinen Glauben oder was mir sonst wichtig ist, nicht an irgendwelche Berichte über Paranormales hängen.

Ehrlich gesagt, mich interessiert das Thema nicht so. Daher weiß ich auch nicht, wie groß die Menge an "glaubwürdigen Berichten" ist. Kann da jemand eine Zahl nennen? 100? 1.000? 10.000?

Den philosophischen Zugang können sie so oder so nicht ersetzen. Und ich meine das nicht nur im Detail, ich meine das im großen Stil:

Selbst wenn sich die Sterne am Himmel verschieben und die Worte "Gott existiert" formen würden, würde das am Ende nichts aussagen.

Sind offensichtliche Tricks (David Copperfield ließ ja die Freiheitsstatue "verschwinden") und Halluzinationen ausgeschlossen, dann würde nur folgen, dass eine uns sehr überlegene Macht will, dass wir an Gott glauben.

Und ebenso gilt: wenn wir die Authentizität paranormaler Phänomene beweisen könnten - und die sind weit weniger dramatisch - könnte alles die Ursache sein.
Claymore
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Thaddäus hat geschrieben: So 18. Dez 2022, 14:58 So war das nicht gemeint. Ich wollte lediglich nicht weiterschreiben, weil ich - an dieser Stelle meines Geschreibsels angekommen - keine Lust mehr hatte.
Ich habe deine Antworten aufmerksam gelesen, will aber jetzt nicht wiederum auf jeden Abschnitt antworten, da ich denke, dass wir mit diesem Verfahren nicht weiterkommen, sondern uns unweigerlich immer mehr gedanklich und argumentativ zersplittern.
Ja, das ist wahr. Ich habe zwar alles gelesen (aufmerksam - Ehrenwort :wave: ) werde auf das meiste aber nicht mehr eingehen. So interessant manches wäre, es berührt das eigentliche Thema nur noch indirekt.

Nur noch ein paar allgemeine Bemerkungen. Aber als Fließtext und nicht Abschnitt-für-Abschnitt.

I.

Du hast eine zu enge bzw. falsche Vorstellung von Modalität. "Undenkbar" bezieht sich nicht auf die Verhältnisse und Relationen in unserer Welt. Sondern, dass der Widerspruch in-sich vorliegt, sich durch Begriffsanalyse oder a priori Einsicht feststellen lässt. Also sind Einhörner und Todessterne denkbar, aber Escher-Wasserfällen und runde Quadrate nicht.

Ich finde daher Descartes' Argument nicht so völlig falsch wie du. Ja, "Denkbarkeit ist kein Kriterium für eine realistische Möglichkeit", aber das ist hier irrelevant - darauf zielt er gar nicht ab.

Das Argument ist schlüssig, abgesehen von dem einen zentralen Schritt, dass er von "denkbar" auf "metaphysisch möglich" schließt. Es kann doch sein, dass ich das essentielle an einem Begriff nicht vollständig verstehe! Wenn ich z. B. etwas ahnungslos in Geometrie bin, kann ich mir einbilden, ein Quadrat mit Seitenlänge 5 und Diagonale 7 denken, obwohl das genauso metaphysisch notwendig nicht existieren kann wie das runde Quadrat.

Wenn wir die Essenz des "Stofflichen" nicht verstehen, dürfen wir uns nicht anmaßen, etwas als metaphysisch unmöglich zu deklarieren.

Sonst erscheint mir das Argument von Descartes schlüssig, aber der Fehler ist fatal.

II.

An einer Stelle schreibst du, dass starke künstliche Intelligenz prinzipiell möglich ist, weil ja auch das Gehirn evolutionär auf natürliche Weise hervorgebracht wurde (und man dieses nur nachahmt).

Wenig Überraschung: für mich fehlt in der Gleichung die Seele.

Die Lehre des sog. Generatianismus, also dass von existierenden Seelen neue Seelen ausgehen, ist imho auch ein "natürlicher" Prozess (im Gegensatz zum sog. Kreationismus, der Erschaffung der einzelnen Seelen durch Gott). In beiden Fällen kann die Seele jedoch nicht durch rein materielle Prozesse hervorgebracht werden (und dem würde ich zustimmen).

Ich schließe starke künstliche Intelligenz nicht aus, aber dafür bräuchte es imho eine künstliche Seele. Ja, man kann auch mal mit einem so übergeschnappten Gedanken etwas spielen. ;-)

Die Art wie Aristoteles Artefakte (u. a. Maschinen, Mechanismen) betrachtete, ist hoffnungslos veraltet nicht mehr zeitgemäß. Die Grundidee war, dass Artefakte nur über akzidentelle Formen verfügen.

Eine Tür ist weniger wirklich, keine Substanz - im Vergleich zu der Eiche von der das Holz stammt (bis in jede Zelle ist das "Eiche"). Die Grundidee ist verständlich, denn dass Objekte, die bloße Aggregate sind, wie "ein Haufen Sand", auch Grundelemente der Realität sein sollen, ist absurd.

Gewisse moderne Artefakte besitzen dagegen komplexe, strukturelle Einheit. Beispielsweise eine CPU (Prozessor). Ich halte es nicht für gerechtfertigt, solche Artefakte als bloße Aggregate zu betrachten und ihnen eine substantielle Form abzusprechen.

Auch mit dem Zugeständnis sind und bleiben derartige Artefakte natürlich 100% materiell, aber haben zumindest eine künstlich geschaffene substantielle Form - ein Schritt, den sich Aristoteles niemals hätte vorstellen können. Als weiterer Schritt lässt sich evtl. wenigstens indirekt Kontrolle über immaterielle Prozesse erlangen, die schließlich zum Entstehen einer Seele führen. Vorausgesetzt natürlich, dass Gott einem solchen Treiben voll Hybris nicht einen Riegel vorschiebt.

Wenn wir schon bei so seltsamen Ideen sind, bei der Gelegenheit ein paar Bemerkungen zu hypothetischen Wesen, die bereits vollständig immateriell geschaffenen wurden. Aka... "Engel" (alle Bilder der hold-blonden, geflügelten Humanoiden in weißen Kleidchen bitte so weit wie möglich ausblenden).

Nüchtern betrachtet ähneln Engel der menschlichen Seele nach dem Tod. Sie sind reine, nicht in Materie instantiierte Formen. Nur dass sie schon von ihrer ganzen Natur her immateriell sind.

Engel sollen denken können, und so müsste man schließen, dass sie die Essenzen der Dinge unmittelbar erfassen können - wofür wir Menschen den Umweg über Sinne und Vorstellung benötigen.

So ein Engel-Intellekt würde instantan all das universelle Wissen erlangen, welches er überhaupt erlangen kann. Korrektur durch Sinneserfahrungen und Kursänderung des Willens wären unmöglich.

Eventuell gilt das auch für die menschliche Seele nach dem Tod: sie ist "eingerastet". Aber gegen diese "Verdammungslehre" würde ich einwenden, dass sie, in ein anderes Medium verfrachtet, noch weitere Chancen zur Umkehr bekommen könnte.

Engel waren wohl historisch so beliebt, weil sie die Scala Naturae vervollständigen: Gott hat die Materie geschaffen, damit das eigenartige halb-immaterielle Wesen Mensch existieren kann. Aber ohne Engel würde es ohnehin eine Lücke geben.

Ok, genug damit. Ich bin agnostisch bzgl. der Existenz von :engel: .

III.

Noch was zu Markus Gabriel: Umso mehr ich von ihm lese, umso mehr kommt er mir, überspitzt formuliert, wie ein Spaß-Philosoph vor (ja, nach meinem letzten Abschnitt sollte ich die Klappe halten, aber zu meiner Entschuldigung bin ich kein Profi).

Ich lese Gabriel und lese "hot takes". Das "radikale" scheint eher in seiner Präsentation zu liegen, also dem flockig-munter-leutseligen Daherschnattern mit viel Humor und sehr viel Provokation. Und nicht in großen neuen Ideen. Jedenfalls habe ich die bis jetzt noch nicht ausmachen können.

Mich erinnert kein Philosoph mehr als Gabriel an das Meme vom Philosophoraptor. :lol:

"Sinn und Existenz" ist 500 Seiten stark, und bevor ich mich an sowas ranmache muss ich schon überzeugter von einem Philosophen sein.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von oTp »

Claymore hat geschrieben: Fr 23. Dez 2022, 23:18 Wenn du fehlenden Glauben an Paranormales für Selbstbetrug, also irrational, hältst, dann solltest du irgendwie zeigen, dass Zweifel am Paranormalen nicht mehr vernünftig sind.

Ich sehe nicht, dass das in dem Thread jemand geschafft hat. Diese Hürde ist wesentlich höher als nur zu zeigen, dass man vernünftigerweise an Paranormales glauben kann.
Bisher sah ich jeden Skeptiker in einem Elfenbeinturm des Materialismus. Haben ein paar Kritiken gelesen, von Betrug und Spinnerei, aber werden nie die Anstrengung aufbringen, glaubwürdige Berichte zu durchforsten oder Nahtoderlebnisse zuergründen, was sie aussagen. Ist viel zu anstrengend und langwierig.

Es ist ja mit der Kriminalität schon ähnlich. Dass es sie gibt, weiß man ja. Gibt es die überhaupt ? Merke nichts davon in meinem Umfeld. Da sind vielleicht wenige Berichte von Bekannten. Ohne Zeitungen und TV wüsste ich nicht, ob Kriminalität überhaupt existiert.

Ohne langwierigen Informationsprozess weiss man überhaupt nichts von Paranormalem. Man muß dieses Thema erst mühsam in den Fokus der Aufmerksamkeit holen. Und alle Aspekte gründlich durchdenken. Dann legt sich oft ihr innerer Widerstand vieler irrationaler Vorstellungen darüber. Die der absoluten Ahnungslosigkeit entspringen.

Wie leer mir wiederum das Gefasel und die Hilflosigkeit der besten materialistischen Denker ist, dabei sich tiefgründig und wichtig anhört: Die wissen gar nichts und können die Mauer zum Jenseits auch nicht mit den besten Denkanstrengungen überwinden. Der Grundfehler dabei ist, anzunehmen, das Denken könne die Geheimnisse des Lebens ergründen.
Du darfst nicht alles glauben, was du denkst
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Thaddäus
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Statt einer Weihnachtspredigt

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 24. Dez 2022, 00:00 Ich würde auch meinen Glauben oder was mir sonst wichtig ist, nicht an irgendwelche Berichte über Paranormales hängen.
Wenn man an einen Gott glaubt, nur deshalb weil der vermeintlich Dinge tut, die gegen die Naturgesetze verstoßen, dann glaubt man offenkundig an eine Art allmächtigen Zauberkünstler. Man glaubt an dessen Mirakelwirken, das in der Verletzung natürlicher Gesetzmäßigkeiten besteht. Der gesamte christliche und muslimische Mirakelglaube und alle angeblichen Wunder Jesu sind ihrer Zeit geschuldet. Ich habe ein ganzes Buch über antike Wundergeschichten in meinem Schrank, und Wunder wirken zu können, gehörte zum guten Ton jedes Predigers und Propheten. Derjenige, dem die meisten Wunder nachgesagt wurden, wurde als der Bedeutsamste angesehen. Allein die Philosophen haben sich schon damals über solche Zauberstückchen lustig gemacht und sie zurecht als geschickte Vernebelung der Sinne ins Lächerliche gezogen. Rudolf Bultmann hat in Glauben und Verstehen, Bd.1, "Zur Frage des Wunders" alles gesagt, was es sinnvoll Theologisches zum Wunderglauben zu sagen gibt.
Claymore hat geschrieben: Sa 24. Dez 2022, 00:00 Selbst wenn sich die Sterne am Himmel verschieben und die Worte "Gott existiert" formen würden, würde das am Ende nichts aussagen.
Das würde ich nicht sagen. Das wäre doch einmal etwas! Wenn jetzt zur Weihnachtszeit eine deutlich vernehmbare Stimme aus dem Himmel erschölle, die sagte: "Okay, ich verwandle jetzt für einen Tag den Kölner Dom und alle berühmten religiösen Bauwerke in allen Ländern dieser Welt in Zartbitter-Schokolade und nach einem Tag wieder zurück, denn ich bin euer Gott, der einzige Gott, an den alle Menschen glauben sollen. Jeder und jede, ob Christ oder Muslim, ob Hindu oder Zeuge Jehova oder was auch immer können kommen und sich selbst von der Süße Gottes überzeugen."

Genaus so etwas müsste passieren, wenn ein Gott tatsächlich wollte, dass ihn alle Menschen als das zur Kenntnis nehmen, was er ist.
Die Theologie hat extra das merkwürdige Konstrukt eines angeblichen deus absconditus erfunden, einen angeblich verborgenen Gott, der angeblich unerkennbar bleiben will (warum?), um der Frage ausweichen zu können, warum sich Gott nicht einfach allen Menschen so offenbart, dass sie ihn erkennen müssen. Angeblich ginge das nicht, weil die Menschen ja aus freien Stücken glauben sollen. Was für ein Blödsinn. Natürlich ginge das. Warum sollten Menschen an Gott nur glauben, wenn sie ihn wissen können? Wenn Gott wirklich wollte, dass er von allen Menschen erkannt wird, dann könnte er genau das jederzeit tun, indem er sich allen offenbart. Es gibt keine einleuchtende Erklärung, warum er das nicht macht, außer der, dass er es entweder nicht kann (was eine wirklich dumme Sache ist für ein angeblich allmächtiges Wesen) oder es gibt nichts, das sich offenbaren könnte. Die Bibel reicht jedenfalls nicht für eine anständige Offenbarung. 1. wegen der Konkurenz anderer heiliger Schriften, 2. weil nicht einmal klar ist, ob sich Gott in der katholischen oder evangelischen Bibel offenbart oder eben doch im Buch Mormon.

In den Mythen der Welt offenbart sich in der Tat etwas sehr sehr Wichtiges und Schönes. Nur hat das nichts mit einem jenseitigen allmächtigen Zauberkünstler zu tun.
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Oleander
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Re: Statt einer Weihnachtspredigt

Beitrag von Oleander »

Thaddäus hat geschrieben: Sa 24. Dez 2022, 13:04 "Okay, ich verwandle jetzt für einen Tag den Kölner Dom und alle berühmten religiösen Bauwerke in allen Ländern dieser Welt in Zartbitter-Schokolade...
Würde Putin heute Abend seine Soldaten abziehn und öffentlich bekennen, dass er falsch gehandelt hätte und dann Taten folgen liese- würden im Iran Frauen aus religiösen Gründen nicht mehr unterdrückt- würden ab Morgen alle hungernden Menschen plötzlich zu essen und trinken haben (weil Manna von Himmel fällt), dann würde ein Staunen durch die Menge gehn: Wer hats bewirkt? Oh, welch ein Weihnachtswunder... lasset uns in Zukunft ...
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Spice
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Re: Statt einer Weihnachtspredigt

Beitrag von Spice »

Thaddäus hat geschrieben: Sa 24. Dez 2022, 13:04 Rudolf Bultmann hat in Glauben und Verstehen, Bd.1, "Zur Frage des Wunders" alles gesagt, was es sinnvoll Theologisches zum Wunderglauben zu sagen gibt.
Nein, hat er nicht. Er hat sich im materialistischen Zeitgeist verloren. Das, was aus Naturgesetzen unmöglich ist, geschieht doch alltäglich. Die Zeit der "Wunder" ist nicht vorbei.
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Thaddäus
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Gabriel

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 24. Dez 2022, 00:58 III.

Noch was zu Markus Gabriel: Umso mehr ich von ihm lese, umso mehr kommt er mir, überspitzt formuliert, wie ein Spaß-Philosoph vor (ja, nach meinem letzten Abschnitt sollte ich die Klappe halten, aber zu meiner Entschuldigung bin ich kein Profi).

Ich lese Gabriel und lese "hot takes". Das "radikale" scheint eher in seiner Präsentation zu liegen, also dem flockig-munter-leutseligen Daherschnattern mit viel Humor und sehr viel Provokation. Und nicht in großen neuen Ideen. Jedenfalls habe ich die bis jetzt noch nicht ausmachen können.

Mich erinnert kein Philosoph mehr als Gabriel an das Meme vom Philosophoraptor. :lol:

"Sinn und Existenz" ist 500 Seiten stark, und bevor ich mich an sowas ranmache muss ich schon überzeugter von einem Philosophen sein.
An Markus Gabriel scheiden sich die Gemüter. Viel von der Kritik an ihm ist im akademischen Raum aber einer teils erstaunlich heftigen Eifersucht auf seinen Erfolg geschuldet, was nicht heißt, dass es nicht auch seriöse, berechtigte Kritik gibt. Die ist im Philosophischen Jahrbuch Bde. 121 + 122, 2014 + 2015 gebündelt. Zwei Bände, weil Gabriel im Band 122 auf die Kritik in Bd. 121 antwortet. Gabriel wirkt zudem auf viele Kollegen arrogant, was sein mag, aber unerheblich ist. Wegen Arroganz wird ein gutes Argument nicht schlechter. Gabriel galt zudem von Anfang an als philospophisches Wunderkind, was er meiner Ansicht nach auch tatsächlich ist. Für einen Philosophoraptor halte ich eher Richard David Precht, dessen wichtigtuerisches Gefasel zumeist unerträglich ist. In meinen Augen ist Precht kein Philosoph, sondern jemand, der so tut, weil es auf manche Leute cool wirkt.

Um Gabriel zu verstehen ist folgendes wichtig: Gabriel legt großen Wert darauf, Philosophie einer möglichst breiten interessierten Bevölkerung nahezubringen. Er folgt ganz bewusst dem sokratischen Anliegen, Philosophie nicht nur im akademischen Raum (also in der Akademie), sondern auch auf der Agora, also auf dem Marktplatz, also in der Öffentlichkeit zu betreiben und wirksam werden zu lassen. Schon damit zieht er sich den Groll mancher akademischer Kollegen zu, die das grundsätzlich für eine Art Entweihung der Philosophie halten.

Dieser Ansatz führt dazu, dass Gabriel fast abwechselnd Bücher und Aufsätze veröffentlicht, die sich zum Einen als bewusst schlichter gehaltene popularwissenschaftliche Bücher an ein breites interessiertes Publikum wenden und zum anderen als Fachbücher und Fachaufsätze an seine Fachkollegen bzw. ein Experten-Publikum. In seinen populärwissenschaftlichen Büchern gibt es z.B. hinten immer ein Glossar, wo die wichtigsten philosophischen Begriffe erklärt werden, die Fußnoten werden nicht unter dem Text aufgeführt, sondern, - um den Lesefluss besser zu gewährleisten - ebenfalls am Ende des Buches gesammelt. In seinen populärwissenschaftlichen Büchern versucht Gabriel philosophische Fachsprache möglichst zu vermeiden und einfach zu schreiben. Seine Fachveröffentlichungen dagegen liegen sprachlich, argumentativ und inhaltlich auf dem höchsten Niveau philosophischer Forschung.

Ich kann jedem nur sein Fachbuch Die Erkenntnis der Welt - Eine Einführung in die Erkenntnistheorie, Alber, Freiburg i.B.: 2012 empfehlen. Es ist anspruchsvoll, aber nach seiner verständigen Lektüre besitzt man einen signifikant höheren Intelligenzquotienten und erheblich erweitertes philosophisches Wissen.

Eine Auswahl von Gabriels anspruchvolleren Fachbüchern und Aufsätzen sind:
  • Der Mensch im Mythos: Untersuchungen über Ontotheologie, Anthropologie und Selbstbewußtseinsgeschichte in Schellings „Philosophie der Mythologie“
  • An den Grenzen der Erkenntnistheorie. Die notwendige Endlichkeit des objektiven Wissens als Lektion des Skeptizismus. Verlag Karl Alber, Freiburg i.Br./München 2014
  • Die Erkenntnis der Welt - Eine Einführung in die Erkenntnistheorie, Alber, Freiburg i.B.: 2012
  • Sinn und Existenz - Eine realistische Ontologie. 1. Auflage. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
  • Neutraler Realismus. In: Thomas Buchheim (Hrsg.): Jahrbuch-Kontroversen 2. Verlag Karl Alber, 2017.
  • Eine Diskussion mit Markus Gabriel. Phänomenologische Positionen zum Neuen Realismus. Hrsg.: Peter Gaitsch, Sandra Lehmann, Philipp Schmidt. 1. Auflage. Turia + Kant, Wien/Berlin 2017.
  • Der Geist untersteht nicht den Naturgesetzen, sondern seinen eigenen Gesetzen. In: Matthias Eckoldt (Hrsg.): Kann sich das Bewusstsein bewusst sein? Carl-Auer Verlag GmbH, Heidelberg 2017.
  • Fiktionen. 1. Auflage. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
  • Markus Gabriel, Graham Priest: Everything and Nothing. 1. Auflage. Polity Press, Cambridge 2022

Gabriels populärwissenschaftliche und sich an ein Laienpublikum wendende Bücher sind:
  • Antike und moderne Skepsis zur Einführung. Junius, Hamburg 2008
  • Warum es die Welt nicht gibt. 1. Auflage. Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2013
  • Ich ist nicht Gehirn: Philosophie des Geistes für das 21. Jahrhundert. 1. Auflage. Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015
  • Der Sinn des Denkens. 1. Auflage. Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018
  • Neo-Existentialismus. 1. Auflage. Verlag Karl Alber, Freiburg/München 2020
  • Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten: universale Werte für das 21. Jahrhundert. 1. Auflage. Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020
  • Markus Gabriel, Gert Scobel: Zwischen Gut und Böse: Philosophie der radikalen Mitte. 1. Auflage. Edition Körber, Hamburg 2021
  • Der Mensch als Tier: Warum wir trotzdem nicht in die Natur passen. 1. Auflage. Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022
Wer sich einen etwa 7-minütigen ersten Eindruck von der Qualität Gabriels machen will, dem sei seine kurze philosophische Miniatur beim Festakt zu 70 Jahre Grundgesetz empfohlen. Ab Timecode 01:38:10 wird Gabriel eingeleitet, dann tritt er auf und leitet philosophisch unsere Würde als Menschen als Ausdruck unserer Freiheit von Hegel ab. 7 Min. solide Live-Philosophiearbeit.

10 Liebeserklärungen an das Grundgesetz
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 24. Dez 2022, 17:30, insgesamt 1-mal geändert.
Reinhold
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Re: Statt einer Weihnachtspredigt

Beitrag von Reinhold »

Oleander hat geschrieben: Sa 24. Dez 2022, 13:28 Würde Putin heute Abend seine Soldaten abziehn und öffentlich bekennen, dass er falsch gehandelt hätte und dann Taten folgen liese- würden im Iran Frauen aus religiösen Gründen nicht mehr unterdrückt- würden ab Morgen alle hungernden Menschen plötzlich zu essen und trinken haben (weil Manna von Himmel fällt), dann würde ein Staunen durch die Menge gehn: Wer hats bewirkt? Oh, welch ein Weihnachtswunder... lasset uns in Zukunft ...
Würde hätte Fahrradkette. ;) Dass aber alle Hungernden dieser Welt schwupp-die wupp bevor Jesus zum Richten der Menschheit zurückkommt nicht mehr in Armut leben-das kann unmöglich gem. seinen Worten in
Joh. 12:8 der Fall sein:
8 Denn Arme habt ihr allezeit bei euch
Erst nachdem das Reich Gottes im Auftrage ihres Königs Jesus Christus gem. Daniel 2:44 alle Reiche dieser Welt zerschmettert-sprich für alle Ewigkeit von der Erde hinweg gefegt hat-geht dein obiger Wunsch in Erfüllung:
44 In der Zeit dieser Königreiche wird der Gott des Himmels ein Reich errichten, das niemals untergehen wird. Dieses Reich wird nie einem anderen Volk überlassen werden, im Gegenteil: Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zum Verschwinden bringen, selbst aber ewig bestehen.
Bis es aber endlich soweit ist, bleibt die immer mehr zunehmende Armut gem. Prediger 8:6-9 eine bittere
Realität für uns Menschen:
6 Denn für jede Sache gibt es die richtige Zeit und Entscheidung. Das ist so, weil die Bosheit des Menschen schwer auf ihm liegt. 7 Er weiß ja nicht, was geschehen wird, denn wer könnte ihm das mitteilen? 8 Kein Mensch hat Macht über den Wind, keiner kann ihn zurückhalten. Und niemand hat Macht über den Tag des Todes. Im Krieg wird niemand entlassen, und das Unrecht rettet seinen Täter nicht. 9 Das alles habe ich gesehen, als ich mich mit dem beschäftigte, was unter der Sonne getan wird. Es gibt eine Zeit, in der ein Mensch über den anderen zu dessen Unglück herrscht.
Was aber den von dir o. angeführten Staatenlenker angeht-er wird gem. Daniel 11:40-45 in Kürze zu seinem urplötzlichen Ende kommen. Bevor ich es aber vergesse. Das wird dann ein weltenweites jubeln und frohlocken geben-aber nur sehr kurz.

Denn wenn die Führer dieser Welt dann "Frieden&Sicherheit" ausrufen gilt das für mich gem. 1.Thessalonicher
5:1-5 als die höchste Alarmstufe:
1 Über die Frage nach Zeit und Stunde brauche ich euch aber nichts zu schreiben, Geschwister. 2 Ihr wisst ja genau, dass der Tag des Herrn so unerwartet kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. 3 Wenn die Leute sagen: "Jetzt haben wir Frieden und Sicherheit!", wird plötzlich ein Verderben über sie hereinbrechen wie die Wehen über eine Schwangere. Da gibt es kein Entkommen. 4 Doch ihr, meine Geschwister, lebt ja nicht in der Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb überraschen könnte, 5 denn ihr seid Menschen des Lichts und Kinder des Tages. Nein, wir gehören nicht zur Finsternis und Nacht! 6 Deshalb wollen wir auch nicht schlafen wie die anderen, sondern wachen und nüchtern sein. 7 Denn wer schläft, schläft in der Nacht, und wer sich betrinkt, tut es in der Nacht.
Und erst danach geht dann dein obiges Wunschdenken in Erfüllung Linchen. Mach also hinne damit auch du (endlich) ein Kind des Lichtes wirst. (s. dazu Vers 5)
:wave:
Zuletzt geändert von Reinhold am So 25. Dez 2022, 00:09, insgesamt 1-mal geändert.
"Alles hat er so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit. Auch die Ewigkeit hat er den Menschen ins Herz gelegt. Aber das Werk Gottes vom Anfang bis zum Ende kann kein Mensch begreifen."
Pred. 3,11
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Paul hat geschrieben: Fr 23. Dez 2022, 16:25 ich hätte da mal eine kleine frage an thaddäus...analytische philosophie und so, was hat sie mit der seele zu tun?
ich denke,die alten griechen sind da angebrachter
Die Seele hat mit der analytischen Philosophie insofern zu tun, als man mit deren Methodik nachweist, dass die Vorstellung von Seele als einer Entität, die einerseits als unkörperlich-flüchtig, jenseitig-transzendent und unstofflich-geisterhaft angenommen wird, gleichzeitig aber ebenfalls als feinstoffliche, ätherische oder astral-körperliche Entität oder Form, welche zu leiblichen (Sinnes-)Empfindungen in der Lage ist, logisch nicht existieren kann und einen Kategorienfehler darstellt.

Die Annahme einer so gearteten Seele als Ausgangspunkt weiterer Überlegungen und Modellkonzeptionen trivialisiert diese Überlegungen und Modelle augenblicklich, da gegen das elementar-logische principle of explosion verstoßen wird. Ist in den Grundannahmen eines (logischen) Systems oder Gedankengebäudes ein Widerspruch beweisbar oder auch nur ableitbar, breitet sich dieser Widerspruch explosionsartig auf das ganze System und Gedankengebäude aus und macht es nichtig. Dies liegt daran, weil schon ein einziger Widerspruch in den Grundannahmen der eigenen Überlegungen, zu einer beliebigen Menge weiterer Widersprüche in diesem Gedankengebäude oder Sytem führt. Alles fällt in sich zusammen. Das Modell, die Theorie sind unbrauchbar, weil inkonsistent.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 24. Dez 2022, 18:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Oleander
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Re: Statt einer Weihnachtspredigt

Beitrag von Oleander »

Reinhold hat geschrieben: Sa 24. Dez 2022, 15:57 Würde hätte Fahrradkette.
Eigentlich wollte ich grade xxx, aber dann las ich den Artikel:
Wenig Sinn, „Gewehren mit Kerzen entgegenzutreten“
Bei der „Odessa-Weihnachtsmission“ der Caritas befragte „Krone“-Reporter Christoph Matzl im Land ausharrende Ukrainer nach der Hoffnung, die sie in dieser Horrorzeit hegen. Einhellige Antwort: „Der Glaube hilft uns sehr.“
https://www.krone.at/2889963

Ja, der Glaube (Hoffnung) an...hilft wohl so manchen, die "Realität" zu überwinden...
Der Glaube an- trägt und...erduldet
Augen zu-und durch...


Ich bin mir nur nicht sicher darüber, wem es leichter fällt mit "Realitäten" umzugehn.
Dem, der sich sagt: Ok, so is nun mal das Leben
Oder der, der bei Gott nach Erklärungen für die Theodizee sucht, weil er nicht nachvollziehn kann...?

Edit: Schau mal den FilM. Das Leben ist schön...
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Leben ... B6n_(1997)
Um seinen Sohn zu beschützen und ihn vor der grauenvollen Realität zu bewahren, erzählt ihm Guido, der Aufenthalt sei ein kompliziertes Spiel, dessen Regeln sie genau einhalten müssten, um am Ende als Sieger einen echten Panzer zu gewinnen. Hierbei versucht der Vater alles Mögliche, um seinem Sohn den Aufenthalt im Lager so angenehm wie möglich zu gestalten und die Fassade der Täuschung aufrechtzuerhalten.
Merry Christmas... :wave:
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