Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 01:51
Thaddäus hat geschrieben: ↑Mi 1. Feb 2023, 15:15
Bei dir oben zeigt es sich in den beiden Grafiken, in denen Materie und Geist schön farblich getrennt auftauchen.
Die Grafik war nicht als ein Argument gedacht.
[...]
Dualismus ist i. Ü. kein Selbstzweck. Sondern er ergibt sich daraus, dass monistische Ansätze die Probleme nicht lösen können (oder zumindest noch weniger als der Dualismus).
In den beiden Grafiken wird nichts "verwechselt", denn sie sind beide schon vom Ansatz her fundamental falsch, was sich an ihrer Einfärbung sehr schön erkennen lässt. Zwei Farben zu verwenden, um "geistige" und "materielle" Anteile zu kennzeichnen verrät bereits das fulminant falsche Verständnis von Wirklichkeit. In diesem Sinne können monistische Ansätze in der Tat so wenig erklären, wie dualistische. Beides geht nämlich von einer immer schon vorausgesetzten Trennung von Geist und Materie aus. Die Vorstellung von Materie, deren Negation dann der Geist sein soll ist spätestens seit Platon fest und hartnäckig in unsere Hirne als Vorstellung und basaler Anschauung eingebrannt. Descartes hat mit seiner unseligen Zwei-Substanzen-Lehre diesen fatalen Grundirrtum unserer Weltauffassung noch einmal festgezurrt,- wobei allerdings die Frage ist, ob es sich dabei nicht um ein Missverständnis in der Rezeption des großen Rationalisten handelt?
Dummerweise bezeichnet Descartes beides als "res", womit sich unwillkürlich die Vorstellung eines Dinges, einer Sache eben, einstellt: das Materielle als die
ausgedehnte Sache, res extensa, und das andere, nämlich Denken und Geist, als die denkende
Sache, res cogitans.
In den Bildern und Vorstellungen, die unser Denken unwillkürlich und ganz ungewollt begleiten, vergessen wir, dass die "denkende Sache" eben nicht als "ausgedehnte" gedacht werden darf nach Descartes, sondern bloß als das "Denkende", das einen Ort, aber keine räumliche Verortung hat. Wir stellen uns den
objektiven Geist Hegels, die
platonischen Ideen und die
menschlichen Seelen am Ende immer schon wie gegenständliche und also irgendwie ausgedehnte Substanzen vor. Wenn in Raffaels Schule von Athen Platon mit dem Finger nach oben zeigt und Aristoteles auf den Boden zur Kennzeichnung ihrer abweichenden philosophischen Auffassung, dann ist das Kind des Geistes bereits in den Brunnen einer räumlich verorteten Materialität gefallen.
Warum sollten platonische Ideen - wie zum Himmel gerettete christliche Seelen übrigens auch - irgendwie "oben" sein und das geistlos-Materielle, das satanisch Böse und die verurteilten Seelen tief "unten" in der Erde? Es sind dies Bilder und Vorstellungen, die offenbar aus einer archaischen Zeit stammen, wo häufiger als heute nach Schwefel stinkende und brodelnd heiße Lavaströme aus der Erde quollen und Berge in Feuerstürmen explodierten und dabei ganze antike Städte zu Staub verbrannten und auslöschten.
Das Problem von Materie und Geist beruht auf dem, was Wittgenstein "
Ein Bild hielt uns gefangen" nannte. Wir trennen beides automatisch, weil wir gewisse Bilder und Anschaulichkeiten im Kopf haben, in denen beides eben immer schon fein getrennt ist: das eine zart blau, das andere rötlich eingefärbt. Das Eine als der feste Materie-Stein, der an den Kopf geworfen eine feiste Beule macht; das andere als luftige Idee im platonischen Himmel, als zwar feinen, aber eben doch
stofflichen Seelen-Odem, der aus dem Munde entweicht nach oben in das dort verortete himmlische Jerusalem.
Dieses Bild zweier Substanzen, von denen die eine so gegenständlich wie die andere gedacht und vorgestellt wird in den einschlägigen Bildern, die sie begleiten, muss radikal überwunden werden.
Deswegen gefällt es mir, wenn Gabriel den Geist definiert als dasjenige, das vorliegt, wenn wir "im Lichte einer Vorstellung davon leben, was der Mensch und man selbst ist". Diese Defintion konterkariert jedes vergegenständlichende Denken und jede vergegenständlichende Vorstellungen von Geist. Und dennoch bringt sie präzise auf den Punkt, was den menschlichen Geist ausmacht: er ist alles das, was Menschen an Kultur und Denken produzieren bei dem Versuch, sich ein Bild von sich selbst zu machen und sich in diesem kalten Kosmos zu verorten.
Der Geist steckt elementar in den Informationen, die die Natur für ein Wesen bereit hält, dass in der Lage ist, diese Informationen wahrzunehmen. Dann kann man über das Licht der Sterne deren chemische Zusammensetzung erkennen. Diese Information steckt immer schon im Licht der Sterne, das ein Vebrennungsprozess ist. Dann weiß man Erdschichten zu lesen und Rückschlüsse auf Metereoriten-Einschläge vor 65 Millionen Jahren zu ziehen. Und man kann Flugbahnen von Raumkapseln korrekt berechnen, um voraussagen zu können, wo sie landen werden und in welchem Winkel sie in die Atmosphäre eintreten müssen, damit die sie steuerenden Raumfahrer nicht verbrennen müssen. Die Naturgesetze und die logischen wie die mathematischen Grundgesetze sind Informationen, die ganz offenkundig etwas mit der Welt, in der wir leben zu tun haben. Dazu müssen Naturgesetze, Zahlen und der Energieerhaltungssatz aber nicht als getrennt von der Natur, sondern als immer schon vorhandener Teil von ihr gedacht werden, den man mit physikalischen Mittel allein freilich nicht erkennen kann. Und die Menschen produzieren immer neues Geistiges dazu. Warum? Weil sie es können.