Jesus hat auch nur die geheilt, die zu ihm kamen. Und er hat ihnen so geholfen, wie sie selber wollten, dass ihnen geholfen wird. Er hat keine Hilfe aufgenötigt und auch die Art der Hilfe nicht paternalistisch nach seiner eigenen Agenda bestimmt. Seine Botschaft gilt allerdings allen Menschen.
Dann fällt mir da auch noch Petrus aus Apostelgeschichte 3 ein. Der Bettler wollte wohl Gold oder Silber, aber da Petrus das nicht hatte, gab er ihm Heilung im Namen Jesu. Danach hatte der Bettler zwar nicht gefragt, aber er schien sich ja auch dagegen nicht gewehrt zu haben. Deswegen kann man wohl von seiner Zustimmung ausgehen. Ob ihm das allerdings längerfristig half, könnte auch bezweifelt werden. Entweder schloss er sich den Aposteln an, oder er ging seines Weges und verdingte sich irgendwo als Tagelöhner. Dann wird er aber weiter sehr arm geblieben sein. In unseren Zeiten unter den harten Bedingungen und Anforderungen des Arbeitsmarktes ist es manchmal tatsächlich besser, als Kranker anerkannt zu sein und durch staatliche Hilfen unterstützt zu werden, als sich irgendeinem ausbeuterischen Arbeitgeber zu unterwerfen.
Das Verständnis von Nächstenliebe solcher Einrichtungen wie Caritas und Diakonie besteht ja größtenteils darin, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, statt sie davor zu bewahren. Dass die Betroffenen das zumindest teilweise auch selber so wollen, liegt an einem anerzogenen Arbeitsethos und einem Ideal von Unabhängigkeit.
So unschwer ist das gar nicht. Ich habe schon oft genug erlebt, wie manchmal eher Mütter, manchmal eher Väter, gegenüber Fremden Bedürfnissen total aufmerksam und sorgenvoll sind, den eigenen Kindern aber mit Härte und hohen Anforderungen gegenüber stehen. Die eigenen Kindern sollen nämlich nicht rum jammern, keine Schwächlinge sein, und gefälligst ihren Mann im Leben stehen. So hat man sie schließlich erzogen, zu starken Helden die einen im Alter mal versorgen sollen.
Jesus setzt schon bei der Feindesliebe einen extrem hohen Maßstab. Anhand des Beispiels vom Barmherzigen Samaratiter könnte man wohl sagen, dass nach dieser Feindesliebe gehandelt hat. Weiter oben sagte ich, dass er sich den Überfallenen zum Bruder machte. Das scheint sich auf den ersten Blick zu beißen. Allerdings war die Feindschaft zwischen Samaritern und Juden vor allem formal, also eine Art Verpflichtung durch den common sense, aber deswegen noch kein inneres Bedürfnis. Sein Über-Ich scheint der Samariter wohl zu Hause gelassen zu haben. Wenn wir Menschen also mit Vorbehalten gegenüber treten, scheint das sehr viel mit so einer Bestimmtheit durch den common sense vorgegeben zu sein und weniger dadurch, dass diese konkret einen privaten Zwist mit uns haben.
Anhand der Passage vom sogenannten Weltgericht in Matthäus 25, wie es in der Zwischenüberschrift meist heisst, geht es, wie ja schon anfangs angemerkt wurde, nicht um die, welche man selber für Brüder hält, sondern um Jesu Brüder. Der Herr kennt die Seinen. Weder Schafe, noch Böcke haben sie erkannt. Die Hilfe der Brüder Jesu untereinander steht hier kaum zur Debatte, weil ein Gefangener dem anderen Gefangen wohl kaum irgendwie helfen kann. Was die Brüder verbindet, dass sie um Jesu Willen ihr Leid auf sich genommen haben und in dem Sinne solidarisch miteinander sind. Wenn also der eine Bruder Jesu im Gefängnis landet, verachtet der anderen Bruder ihn nicht als einen Straftäter im Sinne des common sense, der zu Recht dort hin gehört.