Hiob hat geschrieben: ↑Fr 22. Dez 2023, 08:06
Für den Belesenen ist alles richtig gesagt - siehe den von mir eingestellten Vatikan-Text. Trotzdem würde ich Dir zustimmen, wenn Du in der Sache einen faulen Kompromis siehst. Faul, weil ihn der Vatikan anders versteht als weltliche Christen.
Die Formulierung "
weltliche Christen" ist auch wieder so ein komischer Spin, um die Sache zu bagatellisieren und in eine gewisse Richtung zu drängen.
Ein Christ, der meint, Homosexualität sei nicht sündig, muss nicht "weltlich" sein im Sinne von U-Boot Christ (an Weihnachten und Ostern taucht er auf). Er kann seine Religion ansonsten sehr ernst nehmen.
Genauso wenig muss er "weltlich" sein i. S. dass er sich bei "der Welt" anzubiedern will. Das ist sicher häufig der Fall, aber genauso oft nicht.
Jahrhundertelang waren Schwule (und auch Lesben – die blieben zwar
eher unter dem Radar, aber es gab auch solche Fälle, z. B. Katherina Hetzeldorfer) in Europa brutaler Verfolgung ausgesetzt.
Das Reichsstrafgesetzbuch von 1532 durch Karl V., das viele Jahrhunderte in Kraft war, bestrafte homosexuelle Akte mit der Todesstrafe.
Constitutio Criminalis Carolina hat geschrieben:Ferner, wenn ein Mensch mit einem Vieh, Mann mit Mann, Frau mit Frau, Unzucht treiben, haben sie auch das Leben verwirkt, und man soll sie nach allgemeiner Gewohnheit mit dem Feuer vom Leben zum Tode richten.
In den deutschen Nachfolgestaaten wurden ähnliche Gesetze entlassen, bis hin zum § 175 StGB der Bundesrepublik (von den Nazis übernommen, was die Alliierten hier ausnahmsweise abnickten), der erst 1969 wesentlich entschärft wurde. Im Rest der westlichen Welt ging es nicht anders zu, mit wenigen Ausnahmen wie Frankreich, wo diese Straftatbestände durch Napoleons Reformen abgeschafft wurden.
Jetzt kann man freilich von den "verschiedenen Systemen" schwafeln, aber das ist so unglaublich dünn. Denn eine Verbindung zwischen der Verdammung der Homosexualität durch Thomas von Aquin, der diese Kategorie der "Verbrechen gegen die Natur" überhaupt erst
schaffte, zu diesen Gesetzen drängt sich ja geradezu auf. Diese Gesetze kamen erst im Spätmittelalter auf. Im alten Frankenreich gab es sie nicht.
So, das ist das Ende des Crash-Kurses für Dich. Aus dem Grund denken viele Christen, dass sie - konfrontiert mit der historischen Brutalität - hier auf der "falschen Seite" stehen: "Das Naturrecht legitimierte diese Verfolgungen, also kann es nichts Gutes sein / nicht von Gott sein / nicht im Sinne Jesu sein".
(Das hört sich vielleicht an wie der Eingangspost, aber ich will hier die tieferen Zusammenhänge aufzeigen. "Putin ist homophob, also dürfen wir es nicht sein" ist eine Karikatur dieses Denkens)
Das hat erstmal nichts mit "weltlich" zu tun. Wenn Du das unbedingt etikettieren willst, weil Du es als Verirrung ansiehst, dann gibt es dafür doch ein passendes Wort, nämlich "häretisch". Von gr. hairesis - Auswahl. Der Häretiker wählt aus einer Religion gewisse Elemente aus, während er andere verwirft.
Hiob hat geschrieben: ↑Fr 22. Dez 2023, 08:06Zumindest Franziskus tut es, weil er die Barmherzigkeit über solche Gefahren stellt.
Seltsam, dass es immer die katholische Lehre war, problematische Handlungen und Aussagen zu vermeiden, schon lange bevor sie häretisch sind.
K. A., ob
Fiduccia supplicans "häretisch" ist, das ist eh nix Objektives sondern hängt von Vatikan-Machtverhältnissen ab. Aber einige konservative Theologen nennen es "häretisch". Denn der Papst kann nach der Selbstauffassung der RKK häretische Lehren verkünden, wenn er nicht
ex cathedra spricht.
Vielleicht wird Papst Franziskus ein Papst Honorius I. ?
Aber mal ehlrich: trifft "durch gewollte Zweideutigkeit verfänglich" (captiosa) oder "in der Ausdrucksweise missverständlich" (male sonans) etwa NICHT zu?
Wenn man meint, man müsse gleichgeschlechtliche Paare aus "pastoralen Gründen" nur
zusammen segnen, wenn sie sich schon mal in die Kirche verirren, dann kann man die Missverständlichkeit zumindest für das Paar immer noch dadurch aufheben, indem der Priester dabei sagt
"Möge Gott Euch die Kraft geben, in Keuschheit zu leben". Genau das will aber niemand hören, deswegen kommt es nicht. Es soll
de facto ein Ehe-Ersatz sein.
Hier zeichnet sich genau die Linie wie bei der Zinsnehmerei ab. Das wurde von den Kirchenvätern und -lehrern, von Päpsten usw. vollumfänglich verdammt, als schwere Sünde und Frevel gegenüber Gott. Aber die europäische Wirtschaft brauchte Kredite. Also hat man erstmal spitzfindige, jesuitische Unterscheidungen gemacht. Und nachdem sich die Gläubigen daran gewöhnt hatten, es klammheimlich als "erlaubt" erklärt.