Dazu nehme ich auch gerne Stellung. Jesus redete nicht Griechisch, sondern Hebräisch. Solches muss man bei der Exegese des Textes schon mal klar wissen. Ansonsten ist der Ansatz schon falsch.
Im Hebräischen gibt es die Präsensform "bin" nicht, das ist eine Eigenart dieser Sprache. Die gibt es für das Verb "sein" nur für Perfekt und Zukunft. So auch im AT, wo wir bei der Aussage "Ich bin der ich bin" gar keine Präsensform vorliegen haben (weil es eine solche eben nicht gibt), sondern wir lesen:
"Ich werde sein, der ich sein werde" --> vgl. dazu biblehub (wer ein wenig Hebräisch kann): https://biblehub.com/interlinear/exodus/3-14.htm
Genau das steht dort. Es ist also auch die Deutsch-ÜS damit eine Interpretation und keine korrekte ÜS. Ich verstehe es auch als "ich werde immer sein, der ich sein werde." Die gedankliche Einfügung von "immer" entspricht für mich auch dem Gedankengang Gottes und macht seine ewige Präsenz damit zeitlos. Aber die Jesu? Das ist der springende Punkt.
Was Jesus auf Hebräisch wirklich gesagt hatte, das wissen wir nicht, denn wir haben nur den Wortlaut, wie er auf Koine von den späteren Autoren des Jh-Ev interpretiert worden ist. Leider ist es die einzige Stelle und damit wird es ein Alleinstellungsmerkmal.
Hätte Jesus klar "ich war" gesagt, dann wäre der hebräische Wortlaut mit "hajiti" (hebr. "ich war") auch klar. Aber das hat er aller Voraussicht nicht, denn sonst wäre es auf Koine nicht anders zu übersetzen. Seine tatsächliche Aussage muss man daher zuerst mal rekonstruieren wie der hebräische Wortlaut gewesen sein müsste und wie gesagt, ein "ich bin" (ohne weiteren Objektbezug) gibt es darin nicht.
Ich meine daher, die temporale Interpretation kommt erst dadurch zustande, dass man sie auf Koine so formuliert hatte. Dass aber der Kontext auf keine temporale Aussge hinweist, war Gegenstand meines vorigen Beitrages. Letztendlich ist der Kontext entscheidend, die Grammatik ist das in dem Fall nicht, jedenfalls nicht die griechische.