4 Die Quelle der Annahme des Leidens und vieler Gnaden.
Gleichwohl lebt der so vielfach geprüfte Mensch nicht ohne den erleichternden Trost. Er sieht, dass ihm das ruhig getragene Kreuz einen sehr reichen Gewinn einbringt. Indem er sich ihm willig unterwirft, wandelt sich die ganze Last der Trübsal in die Zuversicht, dass ihm der göttliche Trost geschenkt werde. Je mehr der Leib durch die Heimsuchung geschwächt wird, um so mehr wird der Geist von innen durch die Gnade gestärkt. Ja, manchmal zieht er aus den Leiden und Kreuzen eine solche Kraft, dass er, um dem gekreuzigten Christus in der Liebe gleichförmig zu werden, nicht mehr ohne Schmerz und Trübsal sein möchte. Er ist nämlich überzeugt, dass GOTT ihn um so lieber hat, je mehr und je Schwereres er für IHN ertragen konnte. Doch ist das nicht die Kraft des Menschen, sondern die Gnade Christi, die in einem gebrechlichen Geschöpf solche Leistungen zustande bringt. Wovor er von Natur aus zurückschreckt und was er flieht, an das macht er sich in der Glut des Geistes heran und umfängt es mit Liebe. Es liegt dem Menschen nicht, ein Kreuz zutragen, das Kreuz zu lieben, den Leib zu züchtigen und in «Dienstbarkeit zu bringen» (1 Kor 9,27), die Ehre zu fliehen und Beleidigungen gern hinzunehmen, sich selbst zu verachten und zu wünschen, dass man verachtet werde, alles Widrige mit seinen nachteiligen Folgen zu erdulden und in dieser Welt kein Verlangen nach Glück und Wohlergehen zu tragen. Wenn du auf dich selbst zählst, wirst du nichts von alledem zustande bringen. Vertraust du aber auf Gott, dann wird die Kraft des Himmels dir zuströmen, und du wirst Herr werden über die Welt und den Leib. Ja selbst den teuflischen Feind wirst du nicht zu fürchten haben, wenn du die Waffenrüstung des Glaubens trägst und mit dem Kreuze Christi bezeichnet bist.
5 Der Aufruf zum tapferen Dulden.
Rüste dich, das Kreuz deines Herrn, der sich aus Liebe zu dir hat kreuzigen lassen, «wie ein guter und getreuer Knecht» Christi (Mt 25,23) mannhaft zu tragen. Bereite dich, in diesem elenden Leben viel Leid und vielerlei Drangsal zu ertragen. Denn das wird dein Los sein, wo du auch weilst, und das wirst du finden, wo du dich auch verbirgst. Es muss so sein, und es gibt kein Mittel. der Drangsal des Elends und dem Schmerz zu entrinnen, als sich zu gedulden. Trinke den Kelch des Herrn mit Freuden, wenn du sein Freund sein und mit ihm Gemeinschaft haben willst! Die Tröstungen überlass GOTT. ER mag es mit ihnen halten, wie es ihm gefällt. Du aber bereite dich, Trübsale zu erdulden und diese als ganz erquickende Tröstungen anzusehen. Denn die Leiden dieser Zeit reichen nicht aus, die künftige Herrlichkeit mit ihnen zu verdienen, (Röm 8,18) auch dann nicht, wenn du allein das ganze Leid auf dich nehmen könntest.
6 Dein Paradies auf Erden.
Hast du es einmal so weit gebracht, dass du die Trübsal um Christi willen als eine willkommene, schmackhafte Gabe empfindest, dann sei überzeugt, dass es gut um dich steht, dann hast du den Himmel auf Erden gefunden. Solange dir aber das Leiden schwer fällt und du ihm zu entfliehen suchst, solange steht es schlecht um dich. Die Flucht vor der Trübsal wird dir überall hin folgen. Bist du bereit zum Leiden und Sterben, wie es deine Aufgabe ist, wird es schnell besser mit dir, und du wirst Frieden finden. Wärest du auch mit Paulus in den dritten Himmel entrückt (2 Kor 12,2), so würdest du deshalb nicht vor jedem Leid bewahrt bleiben. «ICH», spricht Jesus, «werde ihm zeigen, wieviel er um meines Namens willen leiden muss“ (Apg 9,16). Das Leid bleibt also dein Anteil, wenn du Jesus lieben und ihm allezeit dienen willst. Dass du doch würdig wärst, für den Namen Jesu etwas zu leiden! Welche Ehre brächte es dir! Welche Freude allen Heiligen Gottes! Und welche Erbauung dem Nächsten! Denn alle empfehlen die Geduld, aber nur wenige wollen sie üben. Es ist nicht mehr als recht, dass du gern etwas für Christus leidest, da viele weit schwereres Leid für die Weit auf sich nehmen.
7 Die Mahnung: Stirb dir selbst.
Sei fest überzeugt: du musst deinen Lebensweg als ein Sterbender gehen. Je mehr einer sich selbst stirbt, desto mehr beginnt er für GOTT zu leben. Niemand ist befähigt, himmlische Dinge zu fassen, der sich nicht demütig entschließt, für Christus ein Kreuz zu tragen. Nichts ist Gott wohlgefälliger, nichts dir heilsamer in dieser Welt, als willig für Christus zu leiden. Wenn du die Wahl hättest, solltest du eher wünschen, Widriges für Christus zu leiden, als mit vielen Tröstungen erquickt zu werden. So wärest du Christus ähnlicher und allen Heiligen gleichförmiger. Unser Verdienst und der Fortschritt in unserem Stande bestehen nicht in lauter Annehmlichkeiten und Tröstungen, sondern in vielem Uingemach und Leid, das wir tragen. Gäbe es für die Menschen einen besseren und vorteilhafteren Weg zum Heile als Leiden zu tragen, Christus hätte ihn sicher durch Wort und Beispiel gezeigt. Denn sowohl seine Jünger, die ihm folgten, als alle jene, die ihm folgen wollen, mahnt ER laut und verständlich: "Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, trage sein Kreuz, und dann folge er mir" (Mt 16.24. Lk 9.23). Nachdem wir also alles überdacht und erwogen haben, ist dies der Worte letzter Sinn, "dass wir durch viele Trübsale eingehen müssen in das Gottesreich" (Apg 14,22).
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